Breitkomplexige Tachykardie: Differentialdiagnostik und Therapie

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Transkript:

Breitkomplexige Tachykardie: Differentialdiagnostik und Therapie Th. Lewalter Medizinische Klinik und Poliklinik II Universitätsklinikum Bonn EKG-Diagnostik beim Internistischen Notfall: Myokardischämie und tachykarde Herzrhythmusstörung Bonn, 23. Mai 2007

VT oder SVT mit Faszikelblock? Nomenklatur Systematik der Kammertachykardie Notfalltherapie 100 mmhg 60 mmhg

QRS-Breite > 120 ms Ja Regelmäßig? Nein Kammertachykardie Supraventrikuläre Tachykardie mit Faszikelblock Antidrome AV- Reentrytachykardie bei WPW- Syndrom oder Mahaim-Faser Supraventrikuläre Tachykardie mit Faszikelblockierung Vorhofflimmern mit akzessorischer Leitung Polymorphe Kammertachykardie ohne QT-Verlängerung «Torsades de pointes» bei LQTS

v. Olshausen, 8. Auflage

R/S 118 ms

Lagetypen

CAVE: Antidrome Tachykardie bei akzessorischer Bahn oder Mahaim

Mahaim Fibers

Ventrikuläre Tachyarrhythmie: Nomenklatur EKG-Kriterien: a) Ventrikuläre Tachykardie: Tachykardie (>100/min), QRS>120 ms - mind. 4 hintereinander folgende Kammerkomplexe - monomorph = uniforme Kammerkomplexe - polymorph = Kammerkomplexe unterschiedlicher Morphologie - pleomorph= unterschiedliche in sich monomorphe Kammertachykardien - anhaltend = Dauer über 30 s; nicht-anhaltend<30sec b) Kammerflattern: hochamplitudige Haarnadelkurven (250-300/min) - keine isoelektrische Grundlinie, keine abgrenzbare De- oder Repolarisation c) Kammerflimmern: hochfrequente Flimmerwellen (Frequenz > 300/min) d) Frequenz, QRS-Breite, Lagetyp, Blockkonfiguration, Induktion, Terminierung, Verhalten (Zykluslängenschwankung)

190 ms

V1 V1

Tachykarde Herzrhythmusstörungen - Systematik Atriale Tachyarrhythmie VT bei ( makro )-struktureller Herzerkrankung -KHK - Dilatative Kardiomyopathie/HOCM - Z.n. Myokarditis - Klappenerkrankung - Rechtsventrikuläre Dysplasie Atrioventrikuläre Tachykardien Ventrikuläre Tachyarrhythmie VT bei ( mikro )-struktureller Herzerkrankung ( Kanalopathie ) - Langes QT-Syndrom - Kurzes QT-Syndrom - Brugada-Syndrom - Katecholaminerge polymorphe VT Idiopathische VT - idiopathisches Kammerflimmern - idiopathische Ausflusstrakttachykardie (RVOT/LVOT) - Intrafaszikuläre LV-Tachykardie

Pulmonalklappe Rechtsventrikuläre Ausflußtrakttachykardie ( RVOT ) - VT/VES-Morphe: Linksschenkelblock, Steil- oder Rechtstyp (RVOT>LVOT) - meist herzgesunde Patienten mit guter Prognose (CAVE: Rechtsventrikuläre Dysplasie) Trikuspidalklappe RV LV - Therapie: ß-Blocker, Verapamil, Klasse Ic, Amiodaron Akuterfolg der Katheterablation: ca. 80%, 10% Rezidive in 1 Jahr

Rechtsventrikuläre Dysplasie mit LV-Beteiligung Pinamonti et al., Circulation 1998

Indikationen zur ICD-Therapie - Sekundärprophylaxe - Herzkreislaufstillstand bei VF/VT (nicht als Folge eines umkehrbaren Grundes) (IB) Anhaltende VT bei kardialer Grunderkrankung (IB) Synkope unklarer Genese + induzierbare VT/VF in der EPU (IB) Cave: SVT mit Schenkelblock, idiopathische RVOT, Faszikelreentrytachykardie, Mahaim und antidrome WPW-Tachykardie DGK Guidelines 2006

Diagnosestellung Rechtsventrikuläre Dysplasie Paul et al., H&E 2005 Diagnosestellung RVD : mind. 2 Hauptkriterien, 1 Hauptkriterium und 2 Nebenkriterien oder 4 Nebenkriterien

Short QT-Syndrome Syndrome QTc<300-320 320 ms 270 ms (QTc 306 ms)

Kurzes QT-Syndrom QTc<320 ms: Marker für erhöhtes Auftreten maligner VT s Kurze atriale und ventr. Refraktärzeiten: < 150 ms Vorhofflimmern als Primärmanifestation! ICD-Therapie bei Synkopen, Z.n. Reanimation sowie ggf. maligner Familiengeschichte (Chinidinbehandlung?)

Brugada Typ I EKG (Zweite Consensus Konferenz) 1. Bogige ( coved ) ST-Segment-Elevation (>2 mm/0,2 mv), die von einer negativen T-Welle begleitet wird. 2. Diese EKG-Veränderung sollte in mehr als 1 präkordialen Ableitung (V1-V3) erfassbar sein. Brugada et al., 2002

25 mg Ajmalin iv

Brugada-Syndrom: Drug Challenge Ajmalin Flecainid 1 mg/kg KG; 10 mg/min 2 mg/kg KG; max 150 mg/10 min - EKG- und RR-Monitoring, Defibrillator (Flecainid 20 h, Ajmalin < 30 min) - Testabbruch: 1. Pos. Befund ( J wave ampl. > 2 mm in V1/V2/V3) 2. Ventr. Tachykardie/Salven (Isoproterenol!) 3. QRS-Verbreiterung (> 30%) - Test indiziert bei Typ 2 und 3-EKG s!

Shimlizul et al., Curr Pharm Des 2005

Antzelevitch et al., Heart Rhythm 2005

Antzelevitch et al., Heart Rhythm 2005

Antzelevitch et al., Heart Rhythm 2005

herapiealgorithmus - Tachykardie Hämodynamische Stabilität? (Instabilitätszeichen: u.a. syst. RR< 90 mm Hg, Bewußtseinsstörung, Brustschmerzen, Herzinsuffizienz) Nein schmal Ja QRS-Breite > oder < 120 ms breit Kardioversion, ggf. Reanimation Nein Regelmäßig? Ja Ja Regelmäßig? Nein Vorhofflimmern Primär Frequenzkontrolle; Ggf. elektr. Oder pharmakologische Kardioversion (Amiodaron, Klasse IC AA # ) Supraventrikuläre Tachykardie Vagale Manöver (u.a. Valsalva- Pressversuch, Carotis- Massage) Bei Ineffektivität: Adenosin (6-18 mg iv) Alternativ Kalziumantagonisten (Verapamil, Diltiazem) ß-Blocker Ggf. Klasse IC AA (#) Kammertachykardie oder unklarer Urspurngsort Amiodaron iv 150-300 mg, anschl. evtl. 900 mg/24 h Alternativ Ajmalin i.v. 25-50 mg (*) Bei sicherem Vorliegen einer supraventrikulären Tachykardie mit Faszikelblock Adenosin i.v. (6-18 mg), Ggf. Klasse IC AA (#) Vorhofflimmern mit Faszikelblockierung: Behandlung wie Vorhofflimmern mit schmalen Komplexen Vorhofflimmern mit akzessorischer Leitung: Amiodaron,ggf. Klasse IC AA (#) Polymorphe Kammertachykardie ohne QT-Verlängerung: Elektrolyte normalisieren Myokardischämie? Medikamentenüberdosierung? Therapie: Amiodaron i.v., ggf. Lidocain i.v., ß-Blocker Torsades des pointes bei Langem QT- Syndrom: Magnesium iv, Lidocain iv, ggf. Adrenalin/Orciprenalin iv und passagere SM-Stimulation