Fall 7 - Lösung. A.) Zulässigkeit:

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Transkript:

Fall 7 - Lösung A.) Zulässigkeit: I. Verwaltungsrechtsweg 1. keine aufdrängende Sonderzuweisung 2. 40 I 1 VwGO: a) öffentlich-rechtliche Streitigkeit: (1) Festlegung der Streitigkeit: Bestehen des Ersten Juristischen Staatsexamens (2) streitentscheidende Normen: insbesondere 3 II 1, 4 IV, 9 I Nr. 2 JAG (Landesgesetz über die juristische Ausbildung) ivm 8 (II), 9 (VI 2) JAPO (Juristische Ausbildungs- und Prüfungsordnung = Verordnung) (3) öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Natur? Subordinationstheorie modifizierte Subjektstheorie b) nicht verfassungsrechtlicher Art c) keine abdrängende Sonderzuweisung II. Klageart Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren ( 88 VwGO): Das Erste Juristische Staatsexamen soll für bestanden erklärt werden. Insoweit käme eine Verpflichtungsklage ( 42 I 2. Alt. VwGO) in Betracht. Dann müsste es sich bei der Erklärung über das Bestehen der Ersten Juristischen Staatsprüfung um einen VA handeln: 35 S. 1 VwVfG (+). 1

beachte: Es ist zuvor keine gesonderte AK erforderlich. Im Urteil der VK wird gleichzeitig ein etwaiger entgegenstehender VA aufgehoben. Durch eine isolierte AK würde J sein Ziel nicht erreichen. EXKURS: Einzelnoten als VA: (P) Merkmal der Regelung? Voraussetzungen: Eine Note stellt einen VA dar, wenn sie (1) rechtlich gesehen eine selbständige Bedeutung hat <=> (-) bei Aufgehen in einer Endnote (Vor- und Einzelentscheidungen); wenn eine gesonderte behördliche Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ausbildung oder Prüfung bzw. einer Versetzung vorgesehen ist und die Note lediglich Grundlage dieser Entscheidung ist (2) UND unmittelbar Rechtspositionen des Prüflings bzw. Schülers betroffen werden; z.b. Erheblichkeit für die weitere Schullaufbahn; Aussage über eine Qualifikation, die für den Zugang zu einem Beruf möglicherweise erheblich ist III. Klagebefugnis, 42 II VwGO möglicher Anspruch des J auf Erlass eines solchen VA? 3 II 1, 4 IV, 9 I Nr. 2 JAG ivm 7 (IV), 8 (II), 9 (VI 2) JAPO IV. Widerspruchsverfahren, 68 ff. VwGO (P) Widerspruch grds. nicht statthaft gemäß 68 I 2 Nr. 1 VwGO, da VA einer obersten Landesbehörde: Landesprüfungsamt beim Justizministerium, 8 I JAG ABER: "außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt": 5 III JAG 2

V. Klagefrist VI. Allg. Rechtsschutzbedürfnis VII. Klagegegner, 78 I Nr. 1 VwGO Zwischenergebnis: Die VK ist zulässig. B.) Begründetheit: Die Verpflichtungsklage ist begründet, wenn die negative Prüfungsentscheidung (Ablehnung des begehrten VA = Erklärung über das Bestehen) rechtswidrig war und J dadurch in seinen Rechten verletzt wurde. Von der Frage, ob die Sache spruchreif ist hängt ab, ob ein Vornahme- oder Bescheidungsurteil ergehen wird. Hinweis: Hier geht es um behördliche Freiräume, nämlich um unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum. Dann immer würde ich empfehlen, den Bescheidungsaufbau zu wählen, weil man so den in der Klausur angelegten Problemen besser gerecht wird. (P) Beurteilungsspielraum oder Ermessen Bescheidungsaufbau I. AGL: 3 II 1 JAG: Bestehen allg. 4 IV 1 JAG: Bestehen Schwerpunktbereich mit 4 Punkten 9 VI 2 JAPO: Bestehen staatliche Pflichtfachprüfung mit 4 Punkten i.v.m. 8 II JAPO: Notenstufen, Punktezahl II. formelle Rechtmäßigkeit der Versagung 2.) Lärm: 3

Verfahrensfehler (s. 12 S. 2 Alt. 2 JAPO); ABER: nicht geltend gemacht, trotz Nachfrage des Vorsitzenden, d.h. unbeachtlich III. materielle Rechtmäßigkeit der Versagung Tatbestandsvoraussetzungen 3 II 1 JAG: - Erstes Juristisches Staatsexamen bestanden, wenn beide Teilbereiche bestanden wurden 4 IV 1 JAG: - Schwerpunktbereichsprüfung bestanden mit 4 Punkten (ausreichend) 9 VI 2 JAPO: - staatliche Pflichtfachprüfung bestanden mit 4 Punkten (ausreichend) 8 II JAPO: - Notenstufen/Punktzahlen: ausreichend (4, 5, 6 Punkte): eine Leistung, die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht mangelhaft (1, 2, 3 Punkte): eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung Nach Ansicht des Landesjustizprüfungsamtes waren die Leistungen des J im Öffentlichen Recht und im Schwerpunktbereich nicht mehr ausreichend. (P) unbestimmte Rechtsbegriffe! In den prüfungsrechtlichen Entscheidungen wurden über 8 II JAPO unbestimmte Rechtsbegriffe zur Anwendung gebracht. Fraglich ist, inwieweit das VG diese Anwendung überprüfen darf. 4

Grundsatz: unbeschränkte Überprüfbarkeit von unbestimmten Rechtsbegriffen arg.: Art. 19 IV GG Ausnahme: unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum arg.: Funktionsgrenzen der Rechtsprechung erreicht, wenn Behörde einen uneinholbaren Wissensvorsprung hat Fallgruppe hier: Prüfungsentscheidungen ABER: lediglich beschränkte gerichtliche Nachprüfbarkeit Im konkreten Fall ist in diesem beschränkten Umfang eine Überprüfung durchzuführen: 1.) Namensverwechslung oder Personenverwechslung? Zugrundelegung falscher Tatsachen Überprüfbarkeit (+) 2.) s.o. 3.) fachwissenschaftliche Fragen: kein Beurteilungsspielraum; hier: Ansicht vertretbar (BVerwG, Minister) Überprüfbarkeit (+) 4.) Bemerkung über Äußeres: Voreingenommenheit oder anschließendes Urteil sachfremde Erwägungen? (+/-) Zwerg: Aufgrund der genannten Fehler war die vom Landesjustizprüfungsamt getroffene Bewertung und damit der VA (Erklärung des Ersten Juristischen Staatsexamens für nicht bestanden) rechtswidrig. IV. Rechtsverletzung 5

Verletzung des J in seinem Recht aus Art. 12 GG (Berufsfreiheit). V. Spruchreife ABER: Dies bedeutet NICHT automatisch, dass die materiellen Voraussetzungen der AGL vorliegen und J damit einen Anspruch auf den begehrten VA hat. Vielmehr handelt es sich vorliegend um unbestimmte Rechtsbegriffe: Auch wenn die Behörde zunächst eine falsche Entscheidung getroffen hat, bleibt ein Entscheidungsspielraum bestehen. Somit fehlt die Spruchreife. Es obliegt der Behörde unter Berücksichtigung der vom Gericht festgestellten Rechtsverstöße noch einmal die Prüfungsleistungen des J zu beurteilen. (Stichwort: Gewaltenteilung!) Insofern ergeht lediglich ein Bescheidungsurteil. Die Klage auf uneingeschränkte Begünstigung ist daher (teilweise) unbegründet. Nur eine Bescheidungsklage wäre vollständig durchgedrungen! 6