AG VerwR Teil 1 / Woche 2 Einführung: Prüfung der Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage (Aufbauschema) Entscheidungskompetenz des Gerichts - Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, 40 VwGO - Zuständigkeit des Gerichts, 45, 52 VwGO (sachlich/örtlich) Zulässigkeit - Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, 42 I Alt. 1 VwGO - Klagebefugnis, 42 II VwGO - Vorverfahren, 68 ff. VwGO (beachte Art. 15 II AGVwGO) - Form, 81 f. VwGO - Frist, 74 I VwGO - Beteiligungs- und Prozessfähigkeit, 61 f. VwGO - (ggf.) allgemeines Rechtsschutzbedürfnis Begründetheit - Passivlegitimation (richtiger Beklagter), 78 I Nr. 1 VwGO - Rechtswidrigkeit des angefochtenen VA, 113 I 1 VwGO - Verletzung des Klägers in eigenen Rechten, 113 I 1 VwGO Lösungsskizze zu Fall 2 (Bearbeitervermerk: Prüfung der Erfolgsaussicht der Klage ohne Begründetheitsprüfung nur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, Zuständigkeit des Gerichts und Zulässigkeit der Klage) A. Entscheidungskompetenz des Gerichts I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, 40 Abs. 1 VwGO 1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit Drei Abgrenzungstheorien: 1
Interessentheorie Öffentliches Baurecht dient (u. a.) öffentlichen Interessen, vgl. z. B. 1 VII BauGB Subordinationstheorie Bauordnungsrecht als Teil der Eingriffsverwaltung; damit Über-/ Unterordnungsverhältnis Sonderrechtstheorie/Zuordnungstheorie streitgegenständliche Normen (BauGB, BauNVO, BayBO) berechtigen bzw. verpflichten ausschließlich Hoheitsträger; damit Sonderrecht des Staats betroffen 2. Nicht-verfassungsrechtlicher Art keine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit: zugrunde liegende Normen sind nicht verfassungsrechtlich Parteien sind keine unmittelbar am Verfassungsleben beteiligten Organe 3. Keine abdrängende Sonderzuweisung vgl. Wortlaut: soweit die Streitigkeiten nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind Bsp.: 33 FGO, Art. 14 III 4 GG hier (-) 4. Zwischenergebnis: Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (+) II. Zuständigkeit des Gerichts 1. Sachliche Zuständigkeit, 45 VwGO Verwaltungsgericht 2. Örtliche Zuständigkeit, 52 Nr. 1 VwGO i. V. m. Art. 1 II Nr. 6 AGVwGO VG Augsburg B. Zulässigkeit der Klage I. Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, 42 I Alt. 1 VwGO Vgl. Sachverhalt: N überlegt, ob er gegen die Genehmigung des B Anfechtungsklage einlegen kann Statthaftigkeit: Frage, ob die gewählte Klageart die richtige ist entscheidend: Klagebegehren, vgl. 88 VwGO 2
42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO: die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden Voraussetzung: Verwaltungsakt i. S. v. Art. 35 S. 1 BayVwVfG 1. Behörde (Art. 1 II BayVwVfG) Landratsamt als untere Bauaufsichtsbehörde, Art. 53 I 1, 54 I BayBO, Art. 37 I 2 LKrO 2. Hoheitliche Maßnahme Erteilung der Baugenehmigung = einseitige verwaltungsrechtliche Willenserklärung 3. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts s. o. (Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs: öffentlich-rechtliche Streitigkeit) 4. Regelung auf Setzung einer Rechtsfolge gerichtet; hier: Erlaubnis, Hochhaus zu errichten 5. Einzelfall konkret-individuell: Errichtung eines konkreten Hochhauses durch Bauherrn B 6. Außenwirkung Erteilung der Baugenehmigung an B als Privatperson; kein behördeninternes Handeln 7. Zwischenergebnis VA (+) Exkurs: Nähere Einordnung der Baugenehmigung mitwirkungsbedürftiger VA gebundener VA sachbezogener VA feststellender VA rechtsgestaltender und gestattender VA VA mit Doppelwirkung II. Klagebefugnis, 42 II VwGO Vgl. Wortlaut: wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein Zweck: Verhinderung von Popularklagen 1. Adressatentheorie Adressat eines belastenden rechtswidrigen VA kann zumindest Verletzung in Art. 2 I GG (allgemeine Handlungsfreiheit) geltend machen 3
Hier (-): Adressat der Baugenehmigung ist nur B; N erhält lediglich Ausfertigung (= Kopie), vgl. Art. 66 I 6 BayBO 2. Möglichkeitstheorie Möglichkeit der Verletzung in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten muss dargelegt werden; substantiierter Vortrag erforderlich Schutznormtheorie: Norm muss nicht nur Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch Interessen des Nachbarn zu dienen bestimmt sein (nachbarschützend sein) a) 15 I 2 BauNVO (baurechtliches Gebot der Rücksichtnahme) (bauliche Anlagen) sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind vornehmlich Individualinteressen der Nachbarn geschützt hier: vgl. Formulierung im Sachverhalt da das angrenzende Hochhaus wegen seiner gewaltigen Ausmaße seinem Grundstück Licht und Luft nähme damit Möglichkeit der Verletzung in 15 I 2 BauNVO substantiiert dargelegt b) Kein Verlust der Klagebefugnis nach Art. 66 I 2 BayBO Die Unterschrift gilt als Zustimmung. damit nach h. M. auch vorweggenommener Rechtsmittelverzicht, d. h. Verzicht auf Klagemöglichkeit hier allerdings gerade Verweigerung der Unterschrift durch N c) Zwischenergebnis Klagebefugnis (+) III. Vorverfahren (= Widerspruchsverfahren), 68 ff. VwGO grds. vor Erhebung der Anfechtungsklage erforderlich, vgl. 68 I 1 VwGO in Bayern allerdings in den meisten Fällen kein Vorverfahren; so auch in baurechtlichen Streitigkeiten, vgl. Art. 15 II AGVwGO IV. Form, 81 f. VwGO schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, 81 I VwGO: hier (+), vgl. Sachverhalt: unterschriebene Klageschrift notwendiger Inhalt der Klageschrift, 82 VwGO: hier anzunehmen, dass Vorgaben beachtet wurden 4
V. Frist, 74 I VwGO 1. Allgemeines grds. Klageerhebung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des VA, 74 I 2 VwGO Voraussetzung: ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung, 58 I VwGO; wenn (-): Jahresfrist nach 58 II VwGO Hier laut Sachverhalt Ausfertigung der Baugenehmigung samt ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung ; (P) aber: Welche Bekanntgabe maßgeblich, gegenüber B (12.4.2012) oder gegenüber N (13.4.2012)? Zustellung der Ausfertigung an Nachbarn (Kläger) entscheidend Sonderfall: Zustellung der Ausfertigung unterbleibt trotz Art. 66 I 6 BayBO, Nachbar erhält aber verlässlich Kenntnis von Bauvorhaben (z. B. durch Baubeginn): Jahresfrist des 58 II VwGO gilt analog 2. Fristbeginn Tag nach Bekanntgabe = 14.4.2012, vgl. 57 II VwGO, 222 I ZPO, 187 I BGB (Ereignisfrist) 3. Fristende grds. 13.5.2012, vgl. 57 II VwGO, 222 I ZPO, 188 II Alt. 1 BGB hier allerdings Verschiebung auf 14.5.2012, da 13.5.2012 Sonntag, 222 II ZPO 4. Zwischenergebnis/Subsumtion Klageerhebung am 14.5.2012 fristgerecht VI. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit, 61 f. VwGO N: 61 Nr. 1 Alt. 1, 62 I Nr. 1 VwGO Freistaat Bayern: 61 Nr. 1 Alt. 2, 62 III VwGO, 3 II 1 LABV (Vertretung durch Ausgangsbehörde, d. h. hier durch Landratsamt) VII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis keine einfachere, ebenso effektive Möglichkeit der Durchsetzung eigener Rechte; keine missbräuchliche Klageerhebung VIII. Ergebnis Zulässigkeit der Klage (+) 5