Christian- Albrechts- Universität zu Kiel Rechtswissenschaftliche Fakultät Wiederholungs- und Vertiefungskurs WS 2012/13 Block 2: Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht Prof. Dr. Christoph Brüning Fall 3 Rechtsfragen: Ermessensrichtlinien Ordnungsgemäßes Vorverfahren Verpflichtungsklage A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg Lösungsskizze Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs richtet sich mangels Eingreifens einer aufdrängenden Sonderzuweisung nach 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Demnach müsste es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handeln. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist dann gegeben, wenn die streitentscheidende Norm eine solche des öffentlichen Rechts ist oder sich die begehrte Rechtsfolge nach öffentlichem Recht richtet, also durch die Vorschrift ein Hoheitsträger einseitig berechtigt oder verpflichtet wird. Vorliegend steht die Befreiung von der Gurtpflicht für S im Streit. Als streitentscheidende Norm kommt hierfür 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO in Betracht, wonach ausschließlich die Straßenverkehrsbehörden als Hoheitsträger berechtigt sind, Ausnahmen von der Gurtpflicht aus 21a Abs. 1 S. 1 StVO zu genehmigen. I.S.d. modifizierten Subjektstheorie ist also eine öffentlichrechtliche Streitigkeit gegeben. Die Streitigkeit ist weder verfassungsrechtlicher Art noch sind abdrängende Sonderzuweisungen einschlägig. Der Verwaltungsrechtsweg ist mithin nach 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. II. Statthafte Klageart Die Statthaftigkeit der Klage bestimmt sich gemäß 88 VwGO nach dem Begehren des Klägers. S begehrt den Erlass der Ausnahmegenehmigung von der Gurtpflicht aus gesundheitlichen Gründen. Statthaft könnte die Verpflichtungsklage gemäß 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO sein. Dann müsste der begehrten Ausnahmegenehmigung Verwaltungsaktqualität i.s.d. 35 VwVfG zukommen. Indem dadurch von der grundsätzlich nach 21a Abs. 1 S. 1 StVO bestehenden Gurtpflicht befreit wird, setzt die Maßnahme der Straßenverkehrsbehörde eine Rechtsfolge. Neben diesem Regelungscharakter erfüllt die Ausnahmegenehmigung auch die übrigen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts i.s.v. 35 S. 1 VwVfG. Folglich ist gemäß 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft.
III. Klagebefugnis Nach 42 Abs. 2 VwGO ist S klagebefugt, wenn er nach seinem Sachvortrag möglicherweise einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes hat. Ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung könnte sich aus 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO ergeben, wonach Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Ausnahmefällen oder allgemein für bestimmte Antragssteller Ausnahmen von den Vorschriften über das Anlegen von Sicherheitsgurten ( 21a StVO) genehmigen kann. Schon ausweislich des Wortlauts soll die Rechtsgrundlage vor allem individuelle Interessen schützen. Eine solche Ausnahmegenehmigung begehrt S. Angesichts der von ihm vorgetragenen gesundheitlichen Gründe erscheint es nicht von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass ihm ein solcher Anspruch zusteht. Somit ist S gemäß 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. IV. Vorverfahren Gemäß 68 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO ist vor Erhebung der Verpflichtungsklage ein Vorverfahren durchzuführen. Fraglich ist, ob das hier ordnungsgemäß geschehen, insbesondere ob der Widerspruch fristgerecht eingelegt worden ist. Gemäß 70 Abs. 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Mit Bescheid vom 4. Mai 2009, der S am 13. Mai 2009 mit Postzustellungsurkunde zugegangen ist, lehnte die Stadt Kiel die beantragte Ausnahmegenehmigung ab. Die Zustellung durch Postzustellungsurkunde richtet sich nach 3 VwZG, so dass die Bekanntgabe gegenüber S auf den 13. Mai 2009 zu datieren ist. Erst am 13. Juli 2009, also zwei Monate später, hat S Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid erhoben. Somit ist die Frist des 70 Abs. 1 VwGO nicht eingehalten. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach 70, 60 Abs. 1 VwGO sind nicht ersichtlich. Im Übrigen dürften derartige Gründe zwischenzeitlich unbeachtlich geworden sein, da auch die Frist des 60 Abs. 2 S. 1 VwGO verstrichen ist. Zu beachten ist aber, dass die Widerspruchsbehörde sich in ihrem Widerspruchsbescheid nicht nur auf die Verfristung des Widerspruchs gestützt, sondern über das Begehren des S sachlich entschieden hat. Die Behörde hat lediglich die Frage gestellt, ob der Widerspruch fristgerecht erhoben worden ist, diese aber nicht beantwortet. Klärungsbedürftig ist daher, welche Folgen sich daraus für die Zulässigkeit der Klage ergeben. Einerseits könnte der Mangel rechtzeitiger Widerspruchsbehebung durch eine gleichwohl ergehende Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde als geheilt betrachtet werden (BVerwG DVBl. 1965, S. 89 f; BVerwG DVBl. 1972, S. 423 f.) Man spricht insoweit von einer rügelosen Einlassung der Behörde zur Sache. Der Widerspruchsbehörde stehe als Herrin des Streitstoffes die Befugnis zu, eine erneute Sachentscheidung zu treffen. Sinn und Zweck des Vorverfahrens ist die Möglichkeit zur Fehlerkontrolle der Verwaltung, die sie auch durch eine Entscheidung zur Sache nutzen kann. Dem kann entgegengehalten werden, dass bei einem unzulässigen Widerspruch der ursprüngliche Verwaltungsakt bereits formell bestandskräftig geworden ist. Eine Verfahrensherrschaft der Behörde besteht daher gar nicht mehr. Ergänzend lässt sich anmerken, dass das Gericht auch nicht an eine zu Unrecht gewährte oder abgelehnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebunden ist, sondern eine eigene Prüfung vornehmen muss (Str., vgl. Kopp/Schenke, 70 Rn. 13 m.w.n.). 2
Im Ergebnis spricht das dafür eine Heilung des Mangels durch behördliches Einlassen zur Sache abzulehnen und bei nicht rechtzeitiger Erhebung des Widerspruchs die Klage für unzulässig anzusehen (a.a. vertretbar). Hilfsgutachten: V. Klagefrist und Form Gemäß 74 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO muss die Verpflichtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben werden. Die Fristberechnung erfolgt nach 57 Abs. 2 VwGO, 222 ZPO, 187, 188 BGB. Die Klagefrist hat demnach am 8. September 2009 um 0 Uhr begonnen und das Fristende fällt auf den 7. Oktober 2009 24 Uhr. S erhebt am 30. September 2009 Klage, so dass die nach 74 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO einzuhaltende Klagefrist gewahrt ist. Die bei der Klageerhebung einzuhaltende Schriftform ( 81 Abs. 1 S. 1 VwGO) ist gewahrt, wenn der Klageschriftsatz von dem Kläger oder seinem Prozessbevollmächtigten handschriftlich unterschrieben ist. Mangels entgegenstehender Angaben ist davon auszugehen, dass S diese Vorgaben eingehalten hat. VI. Richtiger Beklagter Passiv prozessführungsbefugt ist nach 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Stadt Kiel. VII. Beteiligtenfähigkeit und Prozessfähigkeit S ist als natürliche Person gemäß 61 Nr. 1, 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Nr. 1 VwGO beteiligten- und prozessfähig. Die Beteiligten- und Prozessfähigkeit der Stadt Kiel richtet sich nach 61 Nr. 1, 62 Abs. 3, 63 Nr. 2 VwGO. VIII. Rechtsschutzbedürfnis Ein einfacherer, schnellerer und effektiverer Rechtsweg ist für S nicht ersichtlich, so dass das Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist. IX. Zwischenergebnis Sofern man der Auffassung folgt, dass die rügelose Einlassung der Widerspruchsbehörde die Fristversäumung i.s.d. 70 Abs. 1, Abs. 2 VwGO heilt, ist die Klage zulässig. B. Begründetheit Die Verpflichtungsklage ist gemäß 113 Abs. 5 S. 1 VwGO begründet, wenn die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird und die Sache spruchreif ist. S müsste somit einen Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung haben. I. Anspruchsgrundlage Als Anspruchsgrundlage kommt 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO in Betracht. Nach dieser Bestimmung kann die Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller von den Vorschriften über das Anlegen von Sicherheitsgurten ( 21 a StVO) 3
Ausnahmen genehmigen. Die Entscheidung über den Antrag des Klägers steht demnach im Ermessen der Behörde. II. Formelle Anspruchsvoraussetzungen 1. Zuständigkeit der angerufenen Behörde Die Zuständigkeit für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der Gurtpflicht liegt gemäß 44 Abs. 1 S. 1 StVO i.v.m 28 Abs. 3 LVwG i.v.m. StrVRZustVO bei der Straßenverkehrsbehörde als der nach Landesrecht zuständigen unteren Verwaltungsbehörde. Hiernach ist der Oberbürgermeister der Stadt Kiel sachlich zuständig. 2. Verfahren Einen Antrag auf Befreiung von der Pflicht zum Anlegen eines Sicherheitsgurtes hat S gestellt, so dass die formellen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. III. Materielle Anspruchsvoraussetzungen 1. Tatbestand 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO eröffnet die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der nach 21a Abs. 1 S. 1 StVO vorgeschriebenen Pflicht zur Anlegung eines Sicherheitsgurtes auch in bestimmten Einzelfällen. S begehrt die Befreiung von der Gurtpflicht beim Führen seines Kfz aus gesundheitlichen Gründen. Eine Ausnahme von der Anlegepflicht gemäß 21a Abs. 1 S. 2 StVO greift nicht ein, so dass für S die Möglichkeit der Befreiung nach 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StVO verbleibt. 2. Rechtsfolge: Ermessen 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO räumt der Straßenverkehrsbehörde einen Ermessenspielraum bezüglich der Entscheidung über den Erlass einer Ausnahmegenehmigung ein, so dass sich die gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob die Verwaltungsbehörde (Straßenverkehrsbehörde) die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. 114 VwGO). a) Ermessensfehlerhaftigkeit der Ablehnung Ausgangs- und Widerspruchsbehörde betätigen ihr Ermessen nicht in der Sache, sondern berufen sich zur Begründung ausdrücklich auf die vom Bundesminister für Verkehr erlassenen Verwaltungsvorschriften zu 46 StVO. Diese sehen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung aus gesundheitlichen Gründen vor, soweit dies in einer ärztlichen Bescheinigung ausdrücklich bestätigt wird. Klärungsbedürftig ist daher die Wirkung dieser Verwaltungsvorschriften bei der Ausübung von Ermessen. Festzuhalten ist, dass Verwaltungsvorschriften grundsätzlich keine Außenwirkung besitzen, sondern als Innenrecht der Verwaltung zu verstehen sind. An diesem Umstand ändert sich auch dann nichts, wenn sich die Behörde wörtlich darauf bezieht. Denkbar wäre aber eine Selbstbindung der Verwaltung mittels eines für S gegebenen Vertrauensschutzes. Das scheidet aber schon deshalb aus, weil es mangels Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften an einem einschlägigen Vertrauenstatbestand fehlt, der wiederum die Grundlage für die angesprochene Selbstbindung bildet. Allerdings könnte eine Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 Abs. 1 4
GG eingreifen, indem die Straßenverkehrsbehörde sich im Außenverhältnis zu S auf die Verwaltungsvorschriften bezieht. Die Annahme einer Selbstbindung setzt voraus, dass diese ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift zu 46 StVO rechtmäßig ist. In Ziffer 1 der Verwaltungsvorschriften zu 46 StVO heißt es, dass von der Anlegepflicht für Sicherheitsgurte Personen im Ausnahmewege befreit werden, wenn das Anlegen des Gurtes aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Wann eine solche Unmöglichkeit besteht, ist nach Sinn und Zweck des 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO zu ermitteln. 46 StVO soll einer Ausnahmesituation Rechnung tragen, um das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit jedes einzelnen Kraftfahrzeugführers zu gewährleisten. Von dem grundsätzlichen Gebot der Gurtpflicht ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit daher im Einzelfall abzuweichen, um ernsthafte körperliche Beschwerden oder Verletzungen des Kraftfahrzeugführers zu vermeiden, die bereits beim Anlegen des Gurtes bestehen oder drohen. Der generalpräventive Zweck des 21a Abs. 1 S. 1 StVO, das allgemeine Verletzungsrisiko bei Unfällen im Straßenverkehr zu verringern, muss im Einzelfall den gesundheitlichen Belangen des Betroffenen weichen, wenn das Beharren auf der Gurtpflicht wegen konkreter Verletzungsgefahr für den Kraftfahrzeugführer unzumutbar ist. Bestehen der Sinn und Zweck des 46 StVO darin, Ausnahmesituationen Rechnung zu tragen, so liegt eine Auslegung des von der Verwaltungsvorschrift eingeführten Merkmals Unmöglichkeit des Anlegens eines Sicherheitsgurtes aus gesundheitlichen Gründen dergestalt nahe, die Verhältnismäßigkeit einer Gurtpflicht bzw. der Befreiung von dergleichen im Einzelfall anhand einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu bestimmen. In Ziffer 3 der Verwaltungsvorschriften zu 46 StVO wird außerdem gefordert, dass eine ausdrückliche ärztliche Bescheinigung des Betroffenen vorzulegen ist, in der bestätigt wird, dass der Antragssteller aufgrund des ärztlichen Befundes von der Anlegepflicht des Sicherheitsgurtes befreit werden muss. Diese ärztliche Aussage kann indes aus Rechtsgründen nicht verlangt werden. Denn die Frage nach der Unzumutbarkeit der Gurtpflicht ist eine Rechtsfrage. Das ärztliche Attest klärt hingegen über einen medizinischen Sachverhalt auf. Die daran anschließende Abwägungsentscheidung liegt allein bei der Behörde. Dieses Letztentscheidungsrecht über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung darf nicht dem behandelnden Arzt überlassen werden. Auch 46 StVO sieht eine solche Vorgehensweise nicht vor. Dagegen spricht auch der von S angeführte Umstand, dass der Arzt sich einem Haftungsrisiko aussetzte, wenn er eine entsprechende Bescheinigung ablehnte. Im Übrigen ist ein Arzt ohne ausdrückiche Beleihung kein Hoheitsträger, der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Legt man diese Auslegung der Verwaltungsvorschriften zu 46 StVO zu Grunde, so ist der zweite Satz der Ziffer 3 rechtswidrig und damit unwirksam. Die hierauf gestützte Antragsablehnung der Behörden ist folglich ebenfalls mangels Ermessensausübung rechtswidrig. b) Anspruch auf Ausnahmegenehmigung Bleibt Ziffer 3 Satz 2 außer Betracht, folgt aus der Anwendung der übrigen ermessenslenkenden Vorgaben eine Ermessensreduzierung auf Null, wenn die Voraussetzungen der Ziffer 1 erfüllt und der Nachweis hierfür gemäß Ziffer 3 Satz 1 erbracht ist. Dann sind aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Ermessensgrenzen so eng, dass nur die Stattgabe rechtmäßig ist. Vorliegend ist S ausweislich des ärztlichen Attestes dauerhaft mit einem künstlichen Darmausgang versehen, welcher durch das Anlegen eines Sicherheitsgurtes in einem Kfz in seiner 5
Funktion behindert wird. Dies macht eine Entleerung des Darms unmöglich und kann zu möglichen ernsthaften Beschädigungen dieser Öffnung führen. Demzufolge sollen mechanische Einwirkungen vermieden werden. Die zulässigen Sicherheitsgurte sind in 35a StVZO beschrieben. Danach entfaltet das Anlegen eines jeden Sicherheitsgurtes mechanische Einwirkungen auf den Unterbauch. Hinzu kommt, dass damit unter Umständen Schmerzen verbunden sein können, die eine verminderte Reaktionsfähigkeit des Betroffenen nach sich ziehen, was wiederum eine erhöhte Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer darstellt. Dass das Anlegen eines Gurtes für S aus den dargelegten Gründen unzumutbar ist, lässt sich mithin bejahen. Da nur die Befreiung von der Gurtpflicht ein gefahrloses Führen des Autos ermöglichen kann, ist das Ermessen der Straßenverkehrsbehörde auf Null reduziert (Spruchreife), so dass S die Ausnahmegenehmigung gemäß 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO erteilt werden muss. Gegebenenfalls könnte man eine Befristung der Ausnahmegenehmigung gemäß 46 Abs. 3 S. 1 StVO erwägen. Dem steht jedoch der Umstand entgegen, dass es sich bei dem künstlichen Darmausgang um einen dauerhaft anhaltenden Umstand handelt, dem eine Befristung nicht gerecht werden würde. 3. Zwischenergebnis Die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung ist ermessensfehlerhaft und verletzt S in seinen Rechten aus 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO. Da einzig die Erteilung der begehrten Befreiung von der Gurtpflicht rechtmäßig ist, hat S hierauf einen Anspruch. Die Klage des S ist demnach begründet. C. Gesamtergebnis Im Ergebnis ist die Klage des S nur bei Annahme der Heilung des verfristeten Widerspruchs durch die rügelose Einlassung der Behörde zulässig, anderenfalls ist sie unzulässig; ungeachtet dessen ist/wäre sie begründet. 6