Psychische Erkrankungen im Arbeitsleben Prof. Dr. Silke Surma FOM Hochschule für Oekonomie & Management
BPtK*- Studie zur Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit - Psychische Erkrankungen und gesundheitsbedingte Frühverrentung, 2013 Psychische Erkrankungen sind die zweithäufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibungen bzw. Arbeitsunfähigkeit. Psychische Erkrankungen gehören zu den wichtigsten Gründen für Langzeit-AU. (Beschäftigte 18,5 Prozent, Arbeitslose 32,3 Prozent) Jede zweite Frühverrentung (42 Prozent) wird durch eine psychische Erkrankungen verursacht. Depressionen waren hierbei auch im Vergleich zu allen körperlichen Krankheiten die häufigste Diagnose. Nur jeder dritte psychisch Kranke erhält in Deutschland eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung. * Bundes Psychotherapeuten Kammer
Arbeitsbedingte psychische Erkrankungen Individuelle Faktoren Einfluss von psychosozialen Arbeitsbelastungsfaktoren und dem Auftreten von Depression und Angstzuständen (common mental disorders) ist wissenschaftlich bestätigt. (vgl. LIA, 2014)
Gesellschaftliche Entwicklungen - Multioptionsgesellschaft - Selbst-Ökonomisierung / Arbeitskraft Unternehmer - Globalisierung - Verlust von Traditionen als Handlungsvorgaben und kulturelle Richtlinien - Virtual man (24 / 7 Erreichbarkeit, neue Medien, Soziale Netzwerke) - Entgrenzung von Arbeit, Taylorisierung der Familie - Angst vor Arbeitsplatzverlust / Selbstwert ist kulturell bedingt stark von Berufstätigkeit abhängig -> Angst vor Stigmatisierung - Prekäre Arbeitsverhältnisse - Angst vor Terrorismus (R+V Versicherung Angststudie, 2016)
Stressoren am Arbeitsplatz u.a.: - Multitasking - Termin- und Leistungsdruck - Ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge, Monotonie - Arbeitsunterbrechungen - Organisationsgerechtigkeit - Soziale Konflikte (Führungskräfte, Kollegen) - Kundenkontakte (Emotionsarbeit, Intrarollenkonflikte, kritisches Kundenverhalten) - Management: Restrukturierung / Zielvereinbarungen - Zusatzaufgaben (QM- Prozesse, Softwareanforderungen, Serviceleistungen) (Quelle: Surma, 2015; Stressreport, 2012; Surma, 2011; Nerdinger, 2003)
Zentrale Variablen für psychische Gesundheit - Kontrollerleben - Verstehbarkeit - Handhabbarkeit / Selbstwirksamkeit - Sinnhaftigkeit - Gerechtigkeitserleben - Konstanz / Beständigkeit - Wertschätzung / soziale Akzeptanz
Ansatzpunkte für Prävention und Inklusion Arbeitstätigkeit und Organisation Arbeitspsychologische Analyse und Interventionen Arbeitsgestaltung! Führung Organisation (Strukturen, Normen, Gerechtigkeit) Individuum Klinisch psychologische / psychiatrische Analyse und Interventionen Stressbewältigung -> Arbeitsängste Coaching Psychotherapie Psychiatrische Behandlung Gesellschaft / Staat Gesetze (psychologische Gefährdungsanalyse) Aufklärung, Förderung, Kultur
Arbeitsbedingungen Führungsverhalten Organisationsklima, etc. Ressourcen (Bewältigungspotential) puffert ab Belastungen Arbeitsbedingungen Führungsverhalten Organisationsklima, etc. Beanspruchungsbilanz: funktionale Beanspruchung dysfunktionale Beanspruchung
Arbeitsgestaltung: förderliche Wirkung auf personale Ressourcen (Kohärenzgefühl) (Udris, 2006, S.11) Verstehbarkeit Handhabbarkeit Sinnhaftigkeit! Transparenz! Information und Kommunikationsmöglichkeiten! Ganzheitlichkeit der Aufgaben! Partizipationsmöglichkeiten! Tätigkeitsspielraum (Entscheidungs-, Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten)! Rückmeldung (Feedback)! Zeitliche Spielräume! Kooperationsmöglichkeiten! Soziale Unterstützung! Abwechslung! Anforderungsvielfalt! Lernmöglichkeiten! Entwicklungsperspektiven! Sinnhaftigkeit der Arbeit + Führung + Organisationsstrukturen / Prozesse / Gerechtigkeit
Weitere Informationen: Expertenkreis von Arbeits- Organisationspsychologen - Wissenschaftliche Kompetenzzentren
Weitere Informationen: http://psyga.info/
Diskussionspunkte / Fragen:! Entgrenzung von Arbeit! Psychologische Gefährdungsanalyse! Mobbing / Konflikte bei der Arbeit! SAP & Co Die neuen Chefs?! Pausengestaltung - Produktivität! Virtual man (24 / 7 Erreichbarkeit, neue Medien)! Modediagnose: Burn-out
Prof. Dr. Silke Surma FOM Hochschule für Oekonomie & Management Herkulesstraße 32 45127 Essen E-Mail: silke.surma@fom.de www.surma.de
Quellen: Bundes Psychotherapeuten Kammer (2013). Studie zur Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit Psychische Erkrankungen und gesundheitsbedingte Frühverrentung. Online: http://www.bptk.de/uploads/media/ 20140128_BPtK-Studie_zur_Arbeits und_erwerbsunfaehigkeit_2013_1.pdf Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (LIA) (2014). Erkrankungsrisiken durch arbeitsbedingte psychische Belastung. transfer 4. Online: http://www.lia.nrw.de/media/pdf/service/publikationen/lia_transfer/lia_transfer_4.pdf Lohmann-Haislah, A. (2012). Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden. Dortmund, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Nerdinger, F. W. (2003). Emotionsarbeit und Burnout in der gesundheitsbezogenen Dienstleistung. In A. Büssing & J. Glaser (Eds.), Dienstleistungsqualität und Qualität des Arbeitslebens im Krankenhaus (pp. 181-197). Göttingen Bern: Hogrefe. R +V Versicherung (2016). R+V-Studie - Die Ängste der Deutschen (2016). Online: https://www.ruv.de/presse/aengste-der-deutschen/grafiken-die-aengste-der-deutschen
Surma, S. (2015). Wenn der Fahrgast persönlich wird. Beitrag in intakt, Magazin der Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Ausgabe 2, März 2015. Surma, S. (2015). Stressbewältigung in der beruflichen Rehabilitation. In Weber, Peschkes & de Boer, Return to Work - Arbeit für alle - Grundlagen der beruflichen Reintegration. Alfons Gentner Verlag. Surma, S. (2011). Selbstwertmanagement: Psychische Belastung im Umgang mit schwierigen Kunden. Gabler: Wiesbaden. Udris, I. & Rimann, M. (2006). Das Kohärenzgefühl: Gesundheitsressource oder Gesundheit selbst? Strukturelle und funktionale Aspekt und ein Validierungsversuch. In H. Wydler, P. Kolip & T. Abel (Eds.), Salutogenese und Kohärenzgefühl: Grundlagen, Empirie, Praxis eines gesundheitswissenschaftlichen Konzepts (pp. 129-148). Weinheim, München: Juventa. Ulich, E. (2008). Gesundheitliche Belastungen in der Arbeitswelt. In: BDP (Hrsg). Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz in Deutschland. Berlin: Deutscher Psychologen Verlag.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Chefsache Inklusion Prof. Dr. Silke Surma