Stefan König Zur Rolle des Schulsports in der vorberuflichen Bildung: Leistungsorientiertes Handeln, Belastung erfahren und reflektieren Vortrag am 31. Mai 2013 in Berlin Balingen, 12.11.2007 Folie 1
Gliederung Einleitung: Deutliche Worte gleich zu Beginn Vorberufliche Bildung aus einer schultheoretischen und einer sportpädagogischen Perspektive Von der Unterrichtspraxis zur kompetenzorientierten Sportdidaktik Die sportdidaktische Perspektive: Schulsport und vorberufliche Bildung Fazit und Ausblick Folie 2
Einleitung Folie 3
IHK Umfrage 2010 (zit. nach SZ vom 9. April 2010) zu fett, zu faul, zu undiszipliniert, die können nix mehr, keine zwei Sätze können die sich merken und selbst denken schon gar nicht Mängel in Mathematik Schlechtes Deutsch Wenig Selbstdisziplin Geringe Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft Folie 4
Zur Übergangsproblematik Schule Beruf (vgl. Frommberger, 2010) Absolventinnen und Absolventen Berufliche Anforderungen Folie 5
Der Fall Pietro (April/Mai, 2011) Folie 6
1. These Mit Blick auf die Übergangsproblematik Schule Beruf und der damit einhergehenden defizitären Ausbildungsfähigkeit vieler Bewerberinnen und Bewerber scheinen sportliche Aktivitäten ein Lösungspotenzial zu besitzen. Folie 7
Vorberufliche Bildung aus einer schultheoretischen und einer sportpädagogischen Perspektive Folie 8
Gesellschaftliche Funktionen von Schule (Fend, 2006, S. 51) Gesellschaft Wirkungsbereich bei Bildungssystem Schülerinnen und Schülern Kultur und Sinnsysteme Sozialisation und kulturelle Teilhabe Ökonomisches System Sozialstruktur Politisches System Herrschaftsform Enkulturationsfunktion Qualifikationsfunktion Allokationsfunktion Integrationsfunktion Lehre und Unterricht Prüfungen und Berechtigungen Politische Bildung Institutionelle Regelsysteme Folie 9
Zur Terminologie (Frommberger, 2010; Hilke, 2008) Merkmale allgemeiner Bildung Spezielle betriebliche Kriterien Ausbildungsfähigkeit Berufseignung Vermittelbarkeit Grundlegende Dispositionen Spezifische Merkmale Folie 10
Merkmalsbereiche und Merkmale vorberuflicher Bildung (Hilke, 2008; Schober, 2006) Folie 11
Welche Rolle spielt hierbei der Schulsport? Folie 12
2. These Schulsport kann aus zwei Perspektiven zu einer Verbesserung der vorberuflichen Bildung beitragen, indem er zum einen auf der Ebene der Qualifizierung die Merkmale Gesundheit und Fitness und zum anderen auf der Ebene der Persönlichkeitsbildung die Vermittlung sozialer und personaler Kompetenzen, wie z.b. Leistungsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein und Teamfähigkeit, in den Fokus nimmt. Folie 13
Vom Doppelauftrag zur Unterrichtspraxis: Sich selbst trainieren lernen Folie 14
Heuristisches Modell (1) Kompetenzen und Erziehungsziele Ziele Sportliche Kompetenzen Personale Kompetenzen Fitness Sportliche Leistungsfähigkeit Leistungsbereitschaft Zielorientierung Zeitmanagement Selbstdisziplin Sich selbst trainieren lernen Folie 15
Heuristisches Modell (2) Methodische Umsetzung Diagnose & Analyse Kontrolle & Reflexion Prognose & Zielsetzung Realisation Planung & Organisation Folie 16
Fachdidaktische und trainingswissenschaftliche Grundlagen Folie 17
(1) Pädagogische Begründung Körperliche Förderung Sportliche Leistungsfähigkeit Gesundheitsförderung/ Fitness
(2) Didaktische Konkretisierung (Teil 1) Folie 19
Didaktische Konkretisierung (Teil 2) Qualifikation Leisten erfahren Wissen Entwicklung motorischer Hauptbeanspruchungsformen Persönlichkeitsbildung Anstrengungsbereitschaft entwickeln Folie 20
Mögliche Unterrichtsprobleme Folie 21
(1) Individualisierung (Baschta & Thienes, 2010, S. 291) Folie 22
(2) Trainingsmethodik (Frey & Hildenbrandt, 2002, S. 61) Folie 23
(3) Intensitätsstufen (Frey & Hildenbrandt, 2002, S. 59) Intensität Kraft Ausdauer Merkmal Gering 30 50% 30 50% Hf 130-140 Leicht 50 70% 50 60% Hf 140 150 Mittel 70 80% 60 75% Hf 150 165 Submaximal 80 90% 75 85% Hf 165 180 Maximal 90 100% 85 100% Hf > 180 Folie 24
Fragen für die Unterrichtsplanung Wie kann ich trainingsmethodische Prinzipien berücksichtigen? Wie kann ich die individuellen Leistungsvoraussetzungen berücksichtigen? Wie kann ich einerseits sportliche Qualifizierung und persönlichkeitsbildende Maßnahmen miteinander verbinden? Folie 25
Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung: Sich selbst trainieren Folie 26
Essentials Grundidee: Wahrnehmen und Erfassen tatsächlicher (innerer) Beanspruchungen, die durch die jeweiligen (äußeren) Belastungen hervorgerufen werden. Ziel: Entwickeln einer spezifischen Trainingskompetenz; SuS sollen zu mündigen Personen erzogen werden. Transfer zum Vortragsthema sich selbst trainieren sich einschätzen zu lernen sich zu Regelmäßigkeit zwingen lernen auf seinen Körper zu hören eigenes Tun reflektieren lernen Transfer zum Regelkreis-Modell Folie 27
Unterrichtliche Umsetzung Zielsetzung: Laufstrecke, -dauer, Wettkampf Planung: Trainingsgesetze Realisation: Training mittels Skala (Dauermethode) Kontrolle: ev. Tests Reflexion über eigenes Tun Folie 28
Grundidee: Die Borg-Skala Die in den Skalen angegebenen Werte sind die RPE-Werte = Received Perception of Exertion Folie 29
Kindgerecht modifizierte RPE-Skala (Nystad et al., 1989) Folie 30
Skala von Reuter (2003) Skalenwert Ankerbegriff 1 Sehr leicht 2 Leicht 3 Mittel 4 Es wird schwer 5 Schwer 6 Sehr schwer Folie 31
Unterrichtliche Evaluation Krafttraining (Reuter, 2003; Thienes & Austermann, 2006) Mehrwöchiges Programm, aus verschiedenen Übungen bestehend. Unterschiedliche Trainingshäufigkeit Abbruch bei es wird schwer Kontrollverfahren: sportmotorische Tests Ergebnis: Signifikanter Leistungszuwachs Ausdauertraining (Baschta, 2008; Baschta & Lange, 2007) Vierwöchiges Programm, 6 Minuten Belastung 2 Wochen so schnell wie möglich 2 Wochen leicht Kontrollverfahren: Telemetrie Ergebnis: Skala funktioniert im SU Folie 32
Reflexion des Vorgehens Allgemeine Überlegungen Trainingsprinzipien: Regelmäßigkeit und Langfristigkeit! Trainingshäufigkeit: Minimalanforderungen Reflexionsphasen Kontrollverfahren: sportmotorische Tests Kritische Betrachtung Sportunterricht hat viele Aufgaben Breitband-Antibiotikum? Rückschritt zum Intensivierungskonzept? Attraktivität der Angebote Zeitstruktur der Bewegungsangebote Transformation der Kompetenzen Transfer zum Handlungsfeld Beruf? Folie 33
Lernfelder und Lernsituationen für das Handlungsfeld Beruf (vgl. Riedl, 2008, S. 220)??? Handlungsfeld Lernfeld Lernsituation Folie 34
3. These Sich selbst trainieren lernen ist ein Beispiel für die Umsetzung des Doppelauftrages von Sportunterricht ohne den Berufsbezug zu verletzen. Ziel ist die Vermittlung von Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft sowie das Erfahren von Belastung. Mit einem solchen Vorgehen werden sowohl qualifikatorische als auch persönlichkeitsbildende Ziele realisiert. Folie 35
Die sportdidaktische Perspektive: Schulsport und vorberufliche Bildung Folie 36
Persönlichkeitsbildung Historische Modelle Leitidee: Erziehung des Individuums, Orientierung am Menschen Theorie der Leibeserziehung (1955 1970) Sachgebietserschließung Leitidee: Qualifizierung des Individuums, Orientierung an der Gesellschaft Sportcurriculum (1970 1980) NRW: Handlungsfähigkeit im Sport (ab 1977) BW: Sportartenkonzept 1980-2004 Aktuelle Bildungspläne Doppelauftrag: Erziehender Sportunterricht Erziehung zum und durch Sport Pädagogische Perspektiven - Bewegungsfelder
Fachdidaktische Entwicklungen (1) Erziehender Sportunterricht Pädagogische Perspektiven und Bewegungsfelder führen zu einer gewissen Offenheit Bildung ist ein individueller Prozess und somit verlaufs- und ergebnisoffen
Fachdidaktische Entwicklungen (2) Spätestens seit 2003 (Klieme-Studie) stehen Schulen - und damit auch Fächer unter der Erwartung, dass die Qualität ihrer Arbeit sich an den Lernergebnissen ablesen lassen => Bildungsstandards formulieren Kompetenzen, die Schüler an bestimmten Punkten ihres Bildungsganges vorweisen können. Seit etwa 2003 werden deshalb auch im Fach Sport Standards als Bestandteile einer neuen Generation von Sportlehrplänen vorgegeben (Stibbe, 2011, S. 12). Zusätzlich werden Beiträge des Schulsports zur Schulqualität und -entwicklung eingefordert (Schulprogrammarbeit, Qualitätsentwicklung).
Fachdidaktische Entwicklungen (3) Erziehender Sportunterricht Pädagogische Perspektiven und Bewegungsfelder führen zu einer gewissen Offenheit Bildung ist ein individueller Prozess und somit verlaufs- und ergebnisoffen Kompetenzorientierter Sportunterricht Ökonomisch geprägtes Input- Output-Denken auf der Basis internationaler Entwicklungen. An Standards kommt man nicht mehr vorbei (Balz, 2008) Krick (2006): bewegungsbildende Kompetenzen Sportbezogene Kenntnisse Schlüsselqualifikationen
Transformation auf den berufsbezogenen Sport (vgl. Wegener, 2011, S. 201) Folie 41
4. These Die Sportdidaktik muss im Rahmen eines kompetenzorientierten Schulsports spezifische Erziehungsziele und Standards formulieren, die im Kontext der vorberuflichen Bildung zu einer Qualitätsverbesserung im Sinne einer Steigerung der Ausbildungsfähigkeit beitragen. Diese gibt es als spezifische Kompetenzmodelle (noch) nicht! Folie 42
Fazit und Ausblick Folie 43
Ziel meines Vortrages heute war es aufzuzeigen, welche Rolle der Schulsport bei der Vermittlung von vorberuflicher Bildung bzw. Ausbildungsfähigkeit spielen kann. Vor diesem Hintergrund konnten folgende Überlegungen als bedeutend herausgestellt werden: Offensichtlich wird dem Sport Potenzial bei der Vermittlung von personalen und sozialen Kompetenzen eingeräumt. Ebenso wird davon ausgegangen, dass durch Schulsport eine berufsrelevante Fitness vermittelt werden kann. Schließlich kann ergänzt werden, dass zur Realisierung dieser Ziele im Schulalltag vielfältige organisatorische und unterrichtliche Entwicklungsmaßnahmen getroffen werden müssen. Belastbare Aussagen erfordern allerdings mehrjährige Längsschnittuntersuchungen, die es bis heute nicht gibt (Frommberger, 2010, S. 5).
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. www.ph-weingarten.de Weingarten, den 07. JUli 2009 Folie 45