8 Differential- und Integralrechnung für Funktionen von mehreren Variablen

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Transkript:

Höhere Mathematik 284 8 Differential- und Integralrechnung für Funktionen von mehreren Variablen 8.1 Darstellungen Wir betrachten Funktionen f, die jedem Vektor x = [x 1, x 2,..., x n ] T einer Teilmenge D f des R n eine reelle Zahl f(x ) zuordnen, also Funktionen f : R n D f R, x f(x ). Solche Funktionen nennt man (reellwertige) Funktionen in den n Variablen x 1, x 2,..., x n. Ist n = 2, so schreibt man oft (x, y) statt (x 1, x 2 ) und, für n = 3, (x, y, z) statt (x 1, x 2, x 3 ). Begriffe wie Definitionsbereich, Zuordnungsvorschrift und Wertebereich haben dieselbe Bedeutung wie im eindimensionalen Fall. Beispiele: f(x, y) = αx + βy + γ (α, β, γ R). f(x, y, z) = x 2 + y 2 + z 2. 8 Differential- und Integralrechnung für Funktionen von mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 285 Zur Beschreibung solcher Funktionen gibt es wieder mehrere Möglickeiten: Analytisch (d.h. durch Angabe der Zuordnungsvorschrift). Tabellarisch (d.h. durch eine Wertetabelle, was immer eine unvollständige Beschreibung ist). Graphisch. Die Menge Graph(f) := {(x, f(x )) : x D f } R n+1 heißt der Graph von f. Zeichnen kann man den Graphen Graph(f) natürlich nur für n = 1 bzw. n = 2. Unter der Höhenlinie bzw. Niveaulinie von f zum Niveau γ R versteht man die Menge Γ γ (f) := {x D f : f(x ) = γ} R n. Es gibt noch andere Visualisierungsmöglichkeiten: Hält man z.b. eine der Variablen konstant, so schneidet man das Funktionsgebirge entlang einer (Hyper-) Ebene auf. 8.1 Darstellungen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 286 f : R 2 [ 2, 2] [ 2, 2] R, f(x, y) = xe x2 y 2. f(x,y)=x exp( x 2 y 2 ).5 f(x,y).5 2 1 2 y 1 2 2 1 x 1 8.1 Darstellungen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 287 Höhenlinien (Konturplot) 2.4 1.5.3.2 1.1.5.2.2.1.4.4.2.3.5.4 2 1 1 1 2 1 1 1.5 2 2 1.5 1.5.5 1 1.5 2 8.1 Darstellungen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 288 y= y=1.5.5.5 2 y 2 2 x 2.5 2 y 2 2 x 2.5.5 f(x,) f(x,1).5 2 1 1 2 x.5 2 1 1 2 x 8.1 Darstellungen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 289 x= 1 x=2.5.5.5 2 y 2 2 x 2.5 2 y 2 2 x 2.4.1.3 f( 1,y).2 f(2,y).2.3.1.4 2 1 1 2 y 2 1 1 2 y 8.1 Darstellungen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 29 8.2 Folgen und Grenzwerte Die Menge aller Punkte x R n, deren Abstand von einem festen Punkt c R n höchstens ρ > beträgt, ist die n-dimensionale Kugel D ρ (c) mit Mittelpunkt c und Radius ρ: D ρ (c) := {x R n : x c ρ} (zur Definition der Norm vgl. Abschnitt 2.6). Ist c = und ρ = 1, so spricht man von der n-dimensionalen Einheitskugel. Eine Teilmenge M R n heißt offen, wenn es zu jedem Punkt x M eine Kugel D ρ (x ) mit ρ > gibt, so dass D ρ (x ) vollständig in M enthalten ist: Für jedes x M gibt es ein ρ = ρ(x ) > mit D ρ (x ) M. Die Menge M R n heißt abgeschlossen, wenn ihr Komplement R n \ M offen ist. Schließlich nennen wir eine Teilmenge M R n beschränkt, wenn es ein ρ > gibt mit M D ρ ( ). 8.2 Folgen und Grenzwerte Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 291 Wir betrachten jetzt Vektorfolgen, also Folgen {x (m) } m N R n. Das m-te Folgenglied x (m) = [x (m) 1, x (m) 2,..., x (m) n ] T einer solchen Folge ist ein Punkt im R n. Die Folge {x (m) } m N R n konvergiert gegen x R n, wenn es zu jedem (noch so kleinen) ε > einen Index m = m (ε) gibt, so dass x x (m) ε für alle m m gilt. Mit anderen Worten: Für jedes ε > gibt es ein m = m (ε) N mit x (m) D ε (x ) für alle m m. (Schreibweise: x = lim m x (m) oder x (m) x für m.) Analog zum eindimensionalen Fall klassifiziert man die Vektorfolgen in konvergente und divergente Folgen. 8.2 Folgen und Grenzwerte Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 292 Die Konvergenzanalyse lässt sich vollständig auf das eindimensionale Problem reduzieren: Satz 8.1 Es seien {x (m) } R n, x (m) = [x (m) 1, x (m) 2,..., x (m) n ] T, eine Vektorfolge und x = [x 1, x 2,..., x n ] T R n. Dann gilt genau dann, wenn für alle 1 j n lim x (m) = x m lim m x(m) j = x j (reelle, d.h. eindimensionale Folgen!) gilt. Mit anderen Worten: Die Konvergenz einer Vektorfolge ist äquivalent zur Konvergenz sämtlicher Komponentenfolgen. 8.2 Folgen und Grenzwerte Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 293 Daher gilt Satz 4 aus Kapitel 3 entsprechend: Satz 8.2 Es seien {x (m) }, {y (m) } R n konvergente Vektorfolgen mit lim m x (m) = x und lim m y (m) = y. Dann gelten: Die Folge {λx (m) } konvergiert für jede reelle Zahl λ gegen λx. Die Folgen {x (m) + y (m) } bzw. {x (m) y (m) } bzw. {x (m) y (m) } (die Multiplikation ist komponentenweise definiert) konvergieren gegen x +y bzw. x y bzw. x y. Sind alle Komponenten von y von Null verschieden, dann gibt es einen Index m mit y (m) j für alle 1 j n und alle m m. Die Folge {x (m) /y (m) } m m (wobei die Division / komponentenweise definiert ist) konvergiert dann gegen x /y. 8.2 Folgen und Grenzwerte Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 294 8.3 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit Es seien x () R n und f : R n D f R eine Funktion von n Variablen. f konvergiert für x gegen x () gegen den Wert a R, wenn für alle Folgen {x (m) } m N D f mit x (m) x () und lim m x (m) = x () die Beziehung lim m f(x (m) ) = a gilt (Schreibweise: lim x x () f(x ) = a). Beispiel. Wir betrachten die Funktion (sog. Parabelfalte) 2xy 2 f : R 2 R, f(x, y) = x 2 + y 4, x >,, x. Für jede Folge {x (m) } = { [x (m), y (m)] T } mit x (m) und lim m x (m) = x () := gilt offenbar lim m f(x (m) ) =. Andererseits gilt für die Folge {x (m) } = { [1/m 2, 1/m ] T } zwar ebenfalls lim m x (m) =, aber lim m f(x (m) ) = 1 (wegen f(x (m) ) = 1 für alle m = 1, 2,...). Daher existiert der Grenzwert von f(x ) für x nicht. 8.3 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 295 Die Funktion f : R n D f R heißt stetig an der Stelle x () D f, wenn der Grenzwert lim x x () f(x ) existiert und lim x x () f(x ) = f(x () ) gilt. f heißt stetig auf der Menge M D f, wenn f an jeder Stelle x () M stetig ist. Beispiel. Die Funktion f aus dem vorherigen Beispiel ist also nicht stetig an der Stelle x () =. Dies ist insofern bemerkenswert, weil sämtliche Funktionen 2xy 2 f 1 (x) = x 2 + y 4, x >,, x und f 2 (y) = 2x y 2 x 2 +, y4 x >,, x (y bzw. x R fest, aber beliebig) an der Stelle x = bzw. y = stetig (sogar differenzierbar) sind. 8.3 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 296 Parabelfalte 1.8.6 1 2 z.4.2 4 3 2 1 1 2 4 3 2 1 x y 8.3 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 297 f(x,).6.4.2.2.4 y= f(x,.5) 1.8.6.4.2 y=.5 f(x,1) 2 1 1 2 x y=1 1.8.6.4.2 2 1 1 2 x f(x,2) 2 1 1 2 x y=2 1.8.6.4.2 2 1 1 2 x 8.3 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 298 1 x=1 1 x=.1.8.8 f(1,y).6.4 f(.1,y).6.4.2.2 2 1 1 2 y 2 1 1 2 y 1 x=.1 1 x=.1.8.8 f(.1,y).6.4 f(.1,y).6.4.2.2 2 1 1 2 y 2 1 1 2 y 8.3 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 299 Analog zum eindimensionalen Fall ergibt sich: Satz 8.3 Sind f, g : R n D R stetig in x () D, so auch f + g, f g, fg und f/g (falls (g(x () ) ). Satz 8.4 Jede Funktion f : R n M R, die auf einer beschränkten und abgeschlossenen Menge M stetig ist, nimmt auf M ihr Maximum und ihr Minimum an. D.h. es gibt ein x max M mit f(x max ) f(x ) für alle x M und es gibt ein x min M mit f(x min ) f(x ) für alle x M. 8.3 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 3 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen 8.4.1 Erinnerung an den eindimensionalen Fall f : R 1 D f R heißt differenzierbar an der Stelle z D f, wenn es eine Zahl a (nämlich die Ableitung f (z)) gibt mit lim h f(z + h) f(z) h bzw. mit f(z + h) [f(z) + ah] lim h h Geometrisch bedeutet das, dass die Gerade = a =. y = f(z) + ah = f(z) + f (z)(x z) zumindest in einer kleinen Umgebung von z eine gute (lineare) Approximation an f ist. 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 31 8.4.2 Partielle Ableitungen Es sei D f R n offen und z = [z 1, z 2,..., z n ] T D f. Die Funktion f : D f R heißt an der Stelle z partiell nach x j differenzierbar, wenn die Funktion (einer Variablen) f j : x f([z 1,..., z j 1, x, z j+1,..., z n ] T ) an der Stelle x = z j differenzierbar ist. f xj (z ) = f (z ) = f(x ) x j x j := f j(z j ) x =z heißt die partielle Ableitung von f an der Stelle x = z. Entsprechend werden die partiellen Ableitungen 2 f x 2 j (z ), 2 f (z ), 3 f x j x k x 3 j höherer Ordnung definiert. (z ), 3 f x j x 2 (z ), k 3 f x j x k x l (z ),... 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 32 Z.B. besitzt die Funktion f(x, y) = 1 x 2 y 2 an der Stelle (x, y ) = (.5, 1.5) die partiellen Ableitungen ( f)/( x)(x, y ) = 1 bzw. ( f)/( y)(x, y ) = 3. 12 1 8 6 4 2 2 1 2 y 1 2 2 1 x 1 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 33 12 12 1 1 8 8 6 6 4 4 2 2 2 1.5 1.5.5 1 1.5 2 x 2 1.5 1.5.5 1 1.5 2 y 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 34 Beispiel. Für f ([ x1 x 2 ]) = x 2 1x 3 2 + x 2 ln(x 1 ) (x 1 >, x 2 R) gelten und f x 1 (x ) = 2x 1 x 3 2 + x 2 x 1, 2 f x 2 (x ) = 2x 3 2 x 2 1 x 2 1 2 f x 2 (x ) = 6x 2 1x 2. 2, 2 f x 1 x 2 (x ) = f x 2 (x ) = 3x 2 1x 2 2 + ln(x 1 ) 2 f x 2 x 1 (x ) = 6x 1 x 2 2 + 1 x 1, 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 35 Die Funktion f : D f R heißt partiell differenzierbar an der Stelle x = z, wenn f an der Stelle x = z nach allen Variablen x 1, x 2,..., x n partiell differenzierbar ist. (Das Beispiel der Parabelfalte aus dem letzten Abschnitt zeigt, dass eine partiell differenzierbare Funktion nicht notwendigerweise stetig ist.) Sind alle partiellen Ableitungen von f an der Stelle x = z stetig, dann heißt f stetig partiell differenzierbar an der Stelle x = z. Entsprechend heißt f k-mal stetig partiell differenzierbar an der Stelle x = z, wenn alle partiellen Ableitungen k-ter Ordnung, k f n x α 1 i 1 x α (x ) i n 1,..., i m {1,..., n}, α j N und α j = k, i m an der Stelle x = z existieren und dort stetig sind. Ist D D f offen, so schreiben wir f C k (D), wenn f für alle z D k-mal stetig partiell differenzierbar ist. j=1 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 36 Satz 8.5 Es sei D R n offen. Für f C 2 (D) gilt 2 f x i x j (z ) = 2 f x j x i (z ) für alle 1 i, j, n und alle z D. 8.4.3 Der Gradient Ist die Funktion f : R n D f R an der Stelle x partiell differenzierbar, dann heißt der n-dimensionale Vektor [ f f(x ) := (x ), f (x ),..., f ] T (x ) x 1 x 2 x n der Gradient von f an der Stelle x (alternative Schreibweise: gradf(x )). 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 37 Die Funktion f(x, y) = x 2 y 3 + y ln(x) hat beispielsweise den Gradienten f(x, y) = [ 2xy 3 + y/x, 3x 2 y 2 + ln(x) ] T. Im Zweidimensionalen ist z = f(x () ) + f(x () ) T (x x ()) ( steht hier für das Innenprodukt im R 2 ) die Gleichung der Tangentialebene an die Fläche z = f(x ) im Punkt x (). Z.B. ist die Tangentialebene an den Graph von f(x, y) = 1 x 2 y 2 an der Stelle an der Stelle (x, y ) = (.5, 1.5) durch ( x + 1 ) ( + 3 y + 3 ) ( z 15 ) = 2 2 2 gegeben. 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 38 12 1 8 6 4 2 2 1 x 1 2 2 1.5 1.5 y.5 1 1.5 2 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 39 Der Gradient f(x ) hat weitere geometrische Eigenschaften: Der Gradient f(x () ) und die Tangente an die Niveaulinie Γ γ (f) mit γ = f(x () ) im Punkt x () stehen aufeinander senkrecht. Der Gradient f(x () ) [negative Gradient f(x () )] an der Stelle x () ist die Richtung des steilsten Anstiegs [Richtung des steilsten Abstiegs], zeigt also an, in welche Richtung z = f(x ) ausgehend von x = x () am schnellsten wächst [fällt]. Sei n ein Vektor der Länge 1 ( n = 1) (Richtungsvektor). f (x ) := lim n h f(x + hn) f(x ) h heißt die Richtungsableitung von f in Richtung n an der Stelle x. Ist f partiell differenzierbar an der Stelle x, dann existieren alle Richtungsableitungen von f in x und es gilt f n (x ) = n T f(x ). 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 31 Gradient von f(x, y) = 1 x 2 y 2 : 2 1.5 1.5.5 1 1.5 2 2 1 1 2 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 311 8.4.4 Totale Ableitung und totales Differential Es seien D R n offen und x () D. Die Funktion f : D R heißt total (oder vollständig) differenzierbar an der Stelle x = x (), wenn es einen Vektor a = a ( x ()) R n gibt mit ( f(x ) f(x () ) a ) x x () lim =. x x () x x () Der Vektor a = a ( x ()) heißt die totale Ableitung von f an der Stelle x = x (). Das totale Differential einer Funktion f : R n D R im Punkt x () ist df ( x ()) = f (x ()) T x = n j=1 f ( x ()) x j. x j 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 312 Interpretation: Ändert sich x () 1 um x 1, x () 2 um x 2,..., x () n um x n, so ändert sich f ( x ()) näherungsweise um df ( x ()). Kürzer: Für x x () ist f(x ) f ( x ()) + f (x ()) T ( x x ()). Satz 8.6 Es seien D R n offen, f : D R und x () D. Ist f an der Stelle x = x () total differenzierbar und besitzt dort die totale Ableitung a, dann ist f stetig an der Stelle x = x () und f partiell differenzierbar an der Stelle x = x () mit f ( x ()) = a. Ist f in D stetig(!) partiell differenzierbar, dann ist f in D auch total differenzierbar und für die totale Ableitung a gilt a = f. 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 313 8.4.5 Kettenregel Sei f : R 2 D R, z = f(x, y), eine Funktion von zwei unabhängigen Variablen x und y, die wiederum von einem Parameter t abhängen: x = x(t) und y = y(t) mit t I (= reelles Intervall). Die zusammengesetzte Funktion F : I R, t F (t) := f(x(t), y(t)), ist in t = t differenzierbar, wenn x und y in t differenzierbar sind und f in [x(t ), y(t )] T partiell differenzierbar ist. Dann gilt die Kettenregel F (t ) = f x (x(t ), y(t )) x (t ) + f y (x(t ), y(t )) y (t ). Die Regel überträgt sich sinngemäß auf Funktionen f in n Variablen: n F f (t ) = (x (t )) x x j(t ). j j=1 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 314 Beispiel. Gesucht ist die Ableitung der Funktion f(x, y) = (x y) 2 längs des Kreises um mit Radius 2, d.h. für x = 2 cos(t), y = 2 sin(t), t < 2π. Für F (t) = 4[cos(t) sin(t)] 2 = 4[1 2 sin(t) cos(t)] gilt: F (t) = 8 [ sin 2 (t) cos 2 (t) ]. Die Kettenregel liefert dasselbe Ergebnis: F (t) = 2(x(t) y(t))[ 2 sin(t)] 2(x(t) y(t))[2 cos(t)] = 8 [ cos(t) sin(t) sin 2 (t) ] 8 [ cos( 2 (t) sin(t) cos(t) ] = 8 [ sin 2 (t) cos 2 (t) ]. 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 315 Sei f : R 2 D R, z = f(x, y), eine Funktion von zwei unabhängigen Variablen x und y, die wiederum von zwei Parametern u und v abhängen: x = x(u, v) und y = y(u, v) mit u I 1, v I 2 (= reelle Intervalle). Die zusammengesetzte Funktion F : I 1 I 2 R, (u, v) F (u, v) := f(x(u, v), y(u, v)), ist in (u, v) = (u, v ) differenzierbar, wenn x und y in (u, v ) differenzierbar sind und f in [x(u, v ), y(u, v )] T partiell differenzierbar ist. Dann gilt die Kettenregel F u (u, v ) = f x (x(u, v ), y(u, v )) x u (u, v ) + f y (x(u, v ), y(u, v )) y u (u, v ), F v (u, v ) = f x (x(u, v ), y(u, v )) x v (u, v ) + f y (x(u, v ), y(u, v )) y v (u, v ). Die Regel überträgt sich sinngemäß auf Funktionen f in n unabhängigen Variablen x 1,..., x n, die von m Parametern u 1,..., u m abhängen: F n f x j = (1 k m). u k x j u k j=1 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 316 8.4.6 Implizite Funktionen Die Variablen x und y seien durch eine Gleichung der Form F (x, y) = verknüpft. Gibt es eine Menge D R mit der Eigenschaft, dass es zu jedem x D ein y = y(x) R gibt, welches die Gleichung F (x, y) = erfüllt, dann wird durch die Zuordnung x y eine Funktion f auf der Menge D definiert, für die F (x, f(x)) = (x D) gilt. Man nennt f eine implizite Funktion. Beispiel. Durch die Gleichung F (x, y) = x 3 + y 3 3xy = (kartesisches Blatt) werden drei implizite Funktionen erklärt: f 1 : (, 3 4] R, f 2 : [, 3 4] R, f 3 : [, ) R. 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 317 2 1.5 1.5.5 1 1.5 2 2.5 3 3 2 1 1 2 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 318 Satz 8.7 (Existenz impliziter Funktionen) Die Funktion F : R 2 D R sei auf der offenen Menge D stetig partiell differenzierbar. Der Punkt [x, y ] T D erfülle die Gleichung F (x, y ) =. Dann gibt es ein Intervall I = [x ρ, x + ρ], ρ >, mit Mittelpunkt x und eine Funktion f : I R mit den folgenden Eigenschaften: f(x ) = y, F (x, f(x)) = für x I, f ist in x stetig differenzierbar mit F (x, y ) x + F (x, y ) f (x ) =. y 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 319 Für die drei impliziten Funktionen f i aus dem obigen Beispiel bedeutet dies (im jeweiligen Definitionsbereich) 3x 2 + 3[f i (x)] 2 f i(x) 3f i (x) 3xf i(x) = bzw. f i(x) = f i(x) x 2 [f i (x)] 2 x falls x [f i (x)] 2. 8.4.7 Differentiation vektorwertiger Funktionen Wir betrachten Funktionen, die jedem Vektor x D R n einen Vektor f (x ) R m zuordnen: f 1 (x ) f 1 (x 1, x 2,..., x n ) f : R n D R m f 2 (x ) f 2 (x 1, x 2,..., x n ), x f (x ) =. =.. f m (x ) f m (x 1, x 2,..., x n ). 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 32 Die Funktion f ist stetig oder partiell differenzierbar bzw. eine C k (D)-Funktion, wenn alle Komponentenfunktionen f j (j = 1, 2,..., m) stetig oder partiell differenzierbar bzw. C k (D)-Funktionen sind. f heißt in x D total differenzierbar, wenn es eine Matrix A R m n gibt mit 1 lim x x x x [f (x ) (f (x ) + A(x x ))] =. Man nennt A = f (x ) die Ableitung von f an der Stelle x. Beispiel. Es sei A R m n und b R m. Dann ist f : R n R m, x f (x ) := Ax + b, im gesamten R n total differenzierbar und es gilt f (x ) = A für alle x R n. 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 321 Satz 8.8 Es sei f : R n D R m eine C 1 (D)-Funktion. Dann ist f in D total differenzierbar und es gilt für alle x D f 1 (x ) T f 1 (x ) f 1 (x ) f x 1 x 2 1 (x ) x n f f 2 (x ) T f 2 (x ) f 2 (x ) f 2 (x ) x (x ) = = 1 x 2 x n...... f m (x ) T f m (x ) f m (x ) x 1 x 2 (Funktional- oder Jacobi-Matrix von f ). f m (x ) x n Eigenschaften der Funktionalmatrix werden im Abschnitt Vektoranalysis beschrieben. 8.4 Differenzierbarkeit bei mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 322 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen 8.5.1 Extremalwerte ohne Nebenbedingungen f : R n D f R sei eine Funktion von n Variablen. Wir sagen x () = [x () 1,..., x() n ] T D f ist ein globales Minimum von f, falls f ( x ()) f(x ) für alle x D f gilt, ein globales Maximum von f, falls f ( x ()) f(x ) für alle x D f gilt, ein lokales Minimum von f, falls es eine Kugel D = D ρ (x () ), ρ >, gibt mit f ( x ()) f(x ) für alle x D D f, ein lokales Maximum von f, falls es eine Kugel D = D ρ (x () ), ρ >, gibt mit f ( x ()) f(x ) für alle x D D f. 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 323 Satz 8.9 (Notwendige Bedingung für Extremalwerte) Es sei D R n offen. Die Funktion f : D R besitze in x () D einen lokalen Extremalwert. Außerdem sei f in x () stetig differenzierbar. Dann gilt f ( x ()) = f ( x ()) = = f ( x ()) =, x 1 x 2 x n kürzer: f ( x ()) =. Extremalstellen an den Rändern des Definitionsbereichs von f müssen (wie im Eindimensionalen) getrennt untersucht werden. Punkte x () D f mit f(x () ) = heißen stationäre Punkte von f. 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 324 Satz 8.1 (Hinreichende Bedingungen für Extremalwerte) Die Funktion f : R n D f R sei zweimal stetig partiell differenzierbar. Der Gradient f ( x ()) im Punkt x () D f sei der Nullvektor. H f (x () ) := [ 2 f x i x j (x ())] 1 i,j n R n n bezeichne die Hesse-Matrix von f an der Stelle x () (H f ( x () ) ist eine symmetrische Matrix, besitzt also nur reelle Eigenwerte). Dann gilt 1. Ist H f ( x () ) positiv definit, d.h. besitzt H f ( x () ) nur positive Eigenwerte, so ist x () ein lokales Minimum von f. 2. Ist H f ( x () ) negativ definit, d.h. besitzt H f ( x () ) nur negative Eigenwerte, so ist x () ein lokales Maximum von f. 3. Ist H f ( x () ) indefinit, d.h. besitzt H f ( x () ) sowohl positive als auch negative Eigenwerte, so ist x () keine Extremalstelle von f. 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 325 Im Fall zweier Variablen geht man wie folgt vor: Berechne den Gradienten f(x, y) = [ ] T f x (x, y), f (x, y) y und löse das Gleichungssystem f (x, y) x =, f (x, y) y =. Die Lösungen (x, y) D f sind die Koordinaten der stationären Punkte von f. 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 326 Berechne für alle stationären Punkte (x s, y s ) von f die Hesse-Matrix 2 f x 2 (x 2 f s, y s ) x y (x s, y s ) H f (x s, y s ) = 2 f y x (x s, y s ) 2 f y 2 (x s, y s ) Berechne die Determinate von H f (x s, y s ) (für jeden stationären Punkt von f). Falls det(h f (x s, y s )) <, so ist (x s, y s ) keine Extremalstelle von f. Falls det(h f (x s, y s )) >, so ist (x s, y s ) ein lokales Minimum, wenn der (1,1)-Eintrag von H f (x s, y s ) positiv ist, (x s, y s ) ein lokales Maximum, wenn der (1,1)-Eintrag von H f (x s, y s ) negativ ist. Falls det(h f (x s, y s )) =, so ist mit diesem Kriterium keine Aussage möglich.. 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 327 8.5.2 Extremalwerte unter Nebenbedingungen Beispiel. Wir maximieren die Funktion unter der Nebenbedingung z = f(x, y) = x 2/3 y 1/3 x + y = γ (γ ist ein gegebener Parameter). Löst man die Nebenbedingung nach einer der Variablen auf, z.b. y = γ x, so kann man die Zielfunktion als Funktion einer Variablen schreiben, z = x 2/3 (γ x) 1/3, und wie üblich differenzieren dz dx = 1 3 ( [ ] 1/3 γ x 2 x [ ] ) 2/3 x. γ x Es gilt dz dx = x = 2 3 γ y = 1 3 4 3 γ und z = 3 γ. 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 328 Wegen z (2γ/3) < handelt es sich hier tatsächlich um ein lokales Maximum. Diese Vorgehensweise nennt man die Eliminationsmethode. Wir betrachten Aufgaben der Form ( ): f(x ) = f(x 1,..., x n ) min oder max (1 ) unter den m (m < n) Nebenbedingungen g 1 (x ) = g 1 (x 1,..., x n ) =,.... g m (x ) = g m (x 1,..., x n ) =. (2 ) Sind die Nebenbedingungen nicht linear, so ist es oft schwierig oder sogar unmöglich, die Eliminationsmethode einzusetzen. Erfüllen die Funktionen f, g 1,..., g m gewissen Differenzierbarkeitsvoraussetzungen, so bietet sich als Alternative die sog. Lagrange-Methode an: 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 329 Ordne jeder Nebenbedingung g i (x 1,..., x n ) = den Lagrange-Multiplikator λ i zu. Stelle die Lagrange-Funktion L(x, λ) = L(x 1,..., x n, λ 1,..., λ m ) := f(x ) + m λ j g j (x ) j=1 auf. Berechne die stationären Punkte der Lagrange-Funktion L(x, λ), d.h. löse die (n + m) Gleichungen L x i (x, λ) = (i = 1,..., n), L λ j (x, λ) = (j = 1,..., m). 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 33 Satz 8.11 (Lagrange-Methode) Die Funktionen f, g 1,..., g m : R n R seien stetig partiell differenzierbar. Besitzt f an der Stelle x () unter den Nebenbedingungen g i (x () ) = (i = 1,..., m < n) eine lokale Extremalstelle und sind die Zeilen der Matrix g 1 (x () g 1 ) (x () ) x 1 x n... g m (x () ) x 1. g m (x () ) x n Rm n linear unabhängig (Regularitätsbedingung), so gibt es ein λ = [λ 1,..., λ m ] T R m mit L (x (), λ) x i = (i = 1,..., n), L (x (), λ) λ j = (j = 1,..., m). 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 331 Beispiel. Wir wollen die Funktion f(x 1, x 2 ) = x 2 1x 2 unter der Nebenbedingung g(x 1, x 2 ) = x 2 1 + x 2 2 1 = optimieren. Die zugehörige Lagrange-Funktion ist L(x 1, x 2, λ 1 ) = x 2 1x 2 + λ 1 (x 2 1 + x 2 2 1) und wir lösen das nichtlineare Gleichungssystem L! = 2x 1 x 2 + 2λ 1 x 1 = x 1, L = x 2! 1 + 2λ 1 x 2 = x 2, L = x 2 1 + x 2! 2 1 = λ 1. Die erste Gleichung liefert x 1 = oder x 2 + λ 1 =. Im ersten Fall erhalten wir die stationären Punkte S 1/2 = (, ±1), während sich im zweiten Fall vier stationäre Punkte ergeben: S 3/4/5/6 = (± 6/3, ± 3/3). Mit der Lagrange-Methode können wir nicht entscheiden, welche dieser stationären Punkte Minima bzw. Maxima sind. 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 332 1.5.5 1 1.5.5 1 1.5.5 1 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 333.4.2.2.4 1.5.5 1 1.5.5 1 8.5 Extremalwertaufgaben in mehreren Variablen Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 334 8.6 Mehrfachintegrale 8.6.1 Doppelintegrale Seien G R 2 eine abgeschlossene beschränkte Menge und f : G R eine Funktion (von zwei Variablen x und y). Das Doppelintegral (Gebietsintegral) [ ] f(x, y) dx dy f(x, y) dx dy, f(x, y) da, f(x, y) da G G kann man analog zum eindimensionalen (eigentlichen Riemann-) Integral definieren (vgl. Abschnitt 6.1): Wir nennen Z = {H 1, H 2,..., H n } eine Zerlegung von G, wenn H k G für k = 1, 2,..., n, G = n k=1 H k, H j H k = für alle j k (kann abgeschwächt werden), H k besitzt einen Flächeninhalt (nämlich h k ) für k = 1, 2,..., n. G G 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 335 Die Analoga zu den Treppenfunktionen (in 1-D) sind die auf G stückweise konstanten Funktionen t : G R: Es gibt eine Zerlegung Z = {H 1, H 2,..., H n } von G, so dass t konstant ist auf jeder Menge H k Z, d.h. t(x, y) = ξ k für alle (x, y) H k. Für eine solche Funktion t setzt man n t(x, y) dx dy := ξ k h k, G was anschaulich dem Volumen zwischen dem Graph von t und der (x, y)-ebene entspricht (zumindest wenn t(x, y) für alle (x, y) G gilt). Zu jeder beschränkten Funktion f : G R können wir wieder zwei Zahlen definieren, nämlich { I o (f) := inf t(x, y) dx dy : t ist stückweise konstant auf G G } mit t(x, y) f(x, y) für alle (x, y) G, k=1 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 336 { I u (f) := sup t(x, y) dx dy : t ist stückweise konstant auf G G } mit t(x, y) f(x, y) für alle (x, y) G, Gilt I u (f) = I o (f), so sagen wir, f ist auf G integrierbar und nennen f(x, y) dx dy := I u (f) (= I o (f)) G das (Doppel-) Integral von f über dem Integrationsbereich G. Zumindest bei nicht-negativen Funktionen f ist f(x, y) dx dy anschaulich das Volumen G des Körpers {(x, y, z) R 3 : (x, y) G und z f(x, y)}. Zur praktischen Berechnung von Doppelintegralen ist dieses Definition i.a. wenig geeignet. Man kann mit ihrer Hilfe aber leicht beweisen, dass die üblichen Rechenregeln auch für Doppelintegrale gelten. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 337 Satz 8.12 (Rechenregeln für Doppelintegrale I) Sind f, g : R 2 G R integrierbar, so auch max{f, g}, min{f, g}, f, fg, f ± g und λf (λ R). Es gelten die folgenden Integrationsregeln: (f ± g)(x, y) dx dy = f(x, y) dx dy ± g(x, y) dx dy, G G G (λf)(x, y) dx dy = λ f(x, y) dx dy für alle λ R. G G Ist G = G 1 G 2 mit abgeschlossenen Mengen G 1 und G 2, so dass G 1 G 2 den Flächeninhalt besitzt, dann f(x, y) dx dy = G f(x, y) dx dy + G 1 f(x, y) dx dy. G 2 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 338 Satz 8.13 (Rechenregeln für Doppelintegrale II) Aus f(x, y) g(x, y) für alle x G folgt f(x, y) dx dy g(x, y) dx dy. G Insbesondere folgt aus c f(x, y) bzw. f(x, y) C für alle x G c A(G) f(x, y) dx dy bzw. f(x, y) dx dy C A(G), G wobei A(G) die Fläche von G bezeichnet. Außerdem ist f(x, y) dx dy G G G G f(x, y) dx dy. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 339 Sind g, h : [a, b] R stetige Funktionen mit g(t) h(t) für alle t [a, b], so nennen wir jede der beiden Mengen G 1 := { (x, y) R 2 : a x b und g(x) y h(x) }, G 2 := { (x, y) R 2 : a y b und g(y) x h(y) } einen Normalbereich im R 2. Die abgeschlossene Kreisscheibe D um (x, y ) mit Radius ρ > ist ein Normalbereich: D := { (x, y) R 2 : ρ + x x x + ρ und y ρ 2 (x x ) 2 y y + } ρ 2 (x x ) 2. Die folgende Abbildung zeigt G 1 und G 2 für g, h : [, 2] R, wobei g(t) = sin(t) und h(t) = t 2 /4. Immer gilt: G 2 ergibt sich durch Spiegelung von G 1 an der ersten Winkelhalbierenden y = x (und umgekehrt). Folglich haben G 1 und G 2 denselben Flächeninhalt. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 34 1 2.8.6.4 y=x 2 /4 1.5 G 2.2 1 x=y 2 /4.2.4.6.8 1 y= sin(x) G 1.5 x= sin(y).5 1 1.5 2 1.5.5 1 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 341 Satz 8.14 (Integrale über Normalbereichen) Es seien g, h : [a, b] R stetige Funktionen mit g(t) h(t) für alle t [a, b] und G 1 := { (x, y) R 2 : a x b und g(x) y h(x) }, G 2 := { (x, y) R 2 : a y b und g(y) x h(y) } die zugehörigen Normalbereiche im R 2. Ist f : G 1 R stetig, so folgt [ b h(x) f(x, y) dx dy = G 1 a g(x) f(x, y) dy ] dx. Ist f : G 2 R stetig, so folgt G 2 f(x, y) dx dy = b a [ h(y) g(y) f(x, y) dx ] dy. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 342 Beispiel. Berechne G (x2 + y 2 ) dx dy, wobei G das Dreieck mit den Ecken (, ), (2, ) und (, 1) ist. Variante 1. G = {(x, y) : x 2, g(x) := y h(x) := 1 x/2}. [ 2 ] 1 x/2 (x 2 + y 2 ) dx dy = (x 2 + y 2 ) dy dx G = = = 2 2 2 [ x 2 y + y 3 /3 ] y=1 x/2 y= dx [( x 2 (1 x/2) + (1 x/2) 3 /3 ) ] dx = [ 1/3 x/2 + 5x 2 /4 13x 3 /24 ] dx = [ x/3 x 2 /4 + 5x 3 /12 13x 4 /96 ] x=2 x= = 5/6. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 343 Variante 2. G = {(x, y) : y 1, g(y) := x h(y) := 2 2y}. 1 [ 2 2y ] (x 2 + y 2 ) dx dy = (x 2 + y 2 ) dx dy G = = = 1 1 1 [ x 3 /3 + y 2 x ] x=2 2y x= dy [( (2 2y) 3 /3 + y 2 (2 2y) ) ] dy = [ 8/3 8y + 1y 2 14y 3 /3 ] dy = [ 8y/3 4y 2 + 1y 3 /3 7y 4 /6 ] y=1 y= = 5/6. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 344 Bemerkungen. Ist G = [a, b] [c, d] ein achsenparalleles Rechteck, so ist [ b ] d [ d ] b f(x, y) dx dy = f(x, y) dy dx = f(x, y) dx dy, G a d.h. die Integrationsreihenfolge ist beliebig. Aber: 1 2π während exp(x 2 ) sin(y) dy dx = 2π 1 c 1 exp(x 2 ) sin(y) dx dy = c exp(x 2 )( cos(2π) + cos())dx =, 2π [ 1 sin(y) a ] exp(x 2 )dx dy nur numerisch berechnet werden kann (die Stammfunktion von exp(x 2 ) kann nicht durch elementare Funktionen ausgedrückt werden). 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 345 F = G 1 dx dy = dx dy ist die Fläche von G. G x S = 1 F G x dx dy und y S = 1 F y dx dy sind die Koordinaten des G Schwerpunkts (x S, y S ) von G (wird als homogen vorausgesetzt). Satz 8.15 (Substitutionsregel) Die Funktion f : G R sei auf der beschränkten abgeschlossenen Menge G R 2 stetig. Die Transformation Φ : G R 2, (u, v) (x, y) = Φ(u, v) = (φ 1 (u, v), φ 2 (u, v)) sei injektiv und stetig differenzierbar. Außerdem sei det(φ (u, v)) in G entweder ständig positiv oder ständig negativ. Dann gilt f(x, y) dx dy = f(φ(u, v)) det(φ (u, v)) du dv. Φ(G) G 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 346 Bemerkungen. Wir erinneren daran (vgl. Satz 8.8), dass Φ (u, v) = [ φ1 (u,v) u φ 2 (u,v) u eine (von (u, v) abhängige) 2 2 Matrix ist. φ 1 (u,v) v φ 2 (u,v) v Die Aussage von Satz 8.15 bleibt noch richtig, wenn det(φ ) auf einer Teilmenge M von G verschwindet oder wenn Φ auf M nicht injektiv ist, solange M die Fläche besitzt. Die wichtigste Transformation ist die in Polarkoordinaten: Jeder Vektor (x, y) R 2 \ { } lässt sich eindeutig in der Form (r cos(ϕ), r sin(ϕ)) schreiben, wobei r = (x, y) und ϕ = arctan(y/x). Für die Transformation gilt det(φ (r, ϕ)) = r. Φ : (r, ϕ) (x, y) = (r cos(ϕ), r sin(ϕ)) ] 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 347 Satz 8.16 (Substitution in Polarkoordinaten) Wenn die Menge G R 2 in Polarkoordinaten (r, ϕ) beschrieben wird durch a r b und g(r) ϕ h(r), wobei a b und g(r) h(r) 2π für alle r [a, b] vorausgesetzt wird, und wenn f : G R stetig ist, so folgt b h(r) f(x, y) dx dy = f(r cos(ϕ), r sin(ϕ)) r dϕ dr. G a g(r) Wenn die Menge G R 2 in Polarkoordinaten (r, ϕ) beschrieben wird durch a ϕ b und g(ϕ) r h(ϕ), wobei a b 2π und g(ϕ) h(ϕ) für alle ϕ [a, b] vorausgesetzt wird, und wenn f : G R stetig ist, so folgt b h(ϕ) f(x, y) dx dy = f(r cos(ϕ), r sin(ϕ)) r dr dϕ. G a g(ϕ) 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 348 b Beispiel. Berechne I = (x 2 + y 2 ) dx dy. G In Polarkoordinaten (r, ϕ) lässt sich G beschreiben durch: a r b und ϕ π/2. a G Daher ergibt sich: a b I = b π/2 a r 2 r dϕ dr = π 2 b a r 3 dr = π 8 ( b 4 a 4). 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 349 8.6.2 Dreifachintegrale Definition und Eigenschaften des Dreifachintegrals (Volumenintegrals) sind Analogien der Definition und Eigenschaften des Doppelintegrals. (Unterschied: Man kann sich ein Dreifachintegral nicht geometrisch veranschaulichen.) Es seien f 1, f 2 : [a, b] R stetige Funktionen mit f 1 (x) f 2 (x) für alle x [a, b]. Wir definieren den 2-D Normalbereich G = { (x, y) R 2 : a x b und f 1 (x) y f 2 (x) }. Es seien außerdem g 1, g 2 : G R stetige Funktionen mit g 1 (x, y) g 2 (x, y) für alle (x, y) G. Dann nennen wir B = { (x, y, z) R 3 : a x b und f 1 (x) y f 2 (x) und g 1 (x, y) z g 2 (x, y) } einen (3-D) Normalbereich. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 35 z=g 2 (x,y) z=g 1 (x,y) y=f 2 (x) G y=f 1 (x) b a 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 351 Das Dreifachintegral B [ f(x, y, z) dx dy dz B f(x, y, z) dx dy dz, B f(x, y, z) dv, B f(x, y, z) dv einer stetigen Funktion f : B R über einem Normalbereich B wird mit Hilfe von b f2 (x) g2 (x,y) f(x, y, z) dx dy dz = f(x, y, z) dz dy dx B a f 1 (x) g 1 (x,y) ] berechnet. Vertauscht man die Rollen von x, y und z, so entstehen fünf weitere Mengen, die auch Normalbereiche genannt werden und über die analog integriert wird (die Integrationen nach x, y und z sind entsprechend zu vertauschen). Die Aussagen aus den Sätzen 8.12, 8.13 und 8.15 gelten entsprechend. Wir erwähnen zwei wichtige Spezialfälle der Substitutionsregel. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 352 Jeder Vektor (x, y, z) R 3 \ { } lässt sich eindeutig in der Form (r cos(ϕ), r sin(ϕ), z) (Zylinderkoordinaten) schreiben, wobei r = (x, y) und ϕ = arctan(y/x). Für die Transformation gilt det(φ (r, ϕ, z)) = r. Φ : (r, ϕ, z) (x, y, z) = (r cos(ϕ), r sin(ϕ), z) Jeder Vektor (x, y, z) R 3 \ { } lässt sich eindeutig in der Form (r sin(θ) cos(ϕ), r sin(θ) sin(ϕ), r cos(θ)) (Kugelkoordinaten oder räumliche Polarkoordinaten) schreiben, wobei r = (x, y, z), ϕ = arctan(y/x) und θ = arctan( x 2 + y 2 /z). Für die Transformation Φ : (r, ϕ, θ) (x, y, z) = (r sin(θ) cos(ϕ), r sin(θ) sin(ϕ), r cos(θ)) gilt det(φ (r, ϕ, θ)) = r 2 sin(θ). 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 353 Satz 8.17 (Substitution in Zylinderkoordinaten) Wenn die Menge B R 3 in Zylinderkoordinaten (r, ϕ, z) beschrieben wird durch a r b, g 1 (r) ϕ g 2 (r) und h 1 (r, ϕ) z h 2 (r, ϕ), wobei a b, g 1 (r) g 2 (r) 2π für alle r [a, b], h 1 (r, ϕ) h 2 (r, ϕ) für alle (r, ϕ) mit a r b und g 1 (r) ϕ g 2 (r) sowie die Stetigkeit aller beteiligten Funktionen vorausgesetzt wird, so folgt b g2 (r) h2 (r,ϕ) f(x, y) dx dy dz = f(r cos(ϕ), r sin(ϕ), z) r dz dϕ dr B a g 1 (r) h 1 (r,ϕ) für alle stetigen Funktionen f : B R. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 354 Satz 8.18 (Substitution in Kugelkoordinaten) Wenn die Menge B R 3 in Kugelkoordinaten (r, ϕ, θ) beschrieben wird durch a r b, g 1 (r) ϕ g 2 (r) und h 1 (r, ϕ) θ h 2 (r, ϕ), wobei a b, g 1 (r) g 2 (r) 2π für alle r [a, b], h 1 (r, ϕ) h 2 (r, ϕ) 2π für alle (r, ϕ) mit a r b und g 1 (r) ϕ g 2 (r) sowie die Stetigkeit aller beteiligten Funktionen vorausgesetzt wird, so folgt = f(x, y) dx dy dz B b g2 (r) h2 (r,ϕ) a g 1 (r) h 1 (r,ϕ) f(r sin(θ) cos(ϕ), r sin(θ) sin(ϕ), r cos(θ)) r 2 sin(θ) dθ dϕ dr für alle stetigen Funktionen f : B R. 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 355 Wichtige Integrale: B 1 dx dy dz = B dx dy dz ist das Volumen von B. M = ρ(x, y, z) dx dy dz ist die Masse von B, wenn ρ(x, y, z) die B (ortsabhängige) Dichte bezeichnet. Der Schwerpunkt (x S, y S, z S ) von B besitzt die Koordinaten x S = 1 M B xρ(x, y, z) dx dy dz, y S = 1 M yρ(x, y, z) dx dy dz, B z S = 1 M zρ(x, y, z) dx dy dz. B Das Massenträgheitsmoment von B bez. einer Achse a ist d(x, y, z)ρ(x, y, z) dx dy dz, wenn d(x, y, z) den Abstand von (x, y, z) B zur Achse a bezeichnet. Seien a eine durch den Schwerpunkt des Körpers B verlaufende Achse, T a sein Trägheitsmoment bez. a und b eine zu a parallele Achse mit dem Abstand d zu a. Dann ist das Trägheitsmoment T b von B bez. b durch gegeben (Satz von Steiner). T b = T a + d 2 M 8.6 Mehrfachintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 356 8.7 Kurven und Kurvenintegrale 8.7.1 Kurven Sei I = [t 1, t 2 ] R, t 1 < t 2, ein Intervall. Das Bild einer stetigen Abbildung [ ] x(t) σ : I R 2, t σ(t) =, y(t) heißt Kurve im R 2 (ebene Kurve). Das Bild einer stetigen Abbildung x(t) σ : I R 3, t σ(t) = y(t), z(t) heißt Kurve im R 3 (Raumkurve). t ist der Parameter, I das Parameterintervall und σ = σ(t) eine Parametrisierung der Kurve. 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 357 x(t) = cos(ωt) x(t) = t cos(ωt) y(t) = sin(ωt) (t [, )) y(t) = t sin(ωt) (t [, )) z(t) = c t z(t) = c t mit ω R und c >. mit ω R und c >. 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 358 Kurven werden also durch vektorwertige Funktionen σ : R I R d (d = 2 oder d = 3) definiert. Eine solche Funktion setzt sich aus zwei oder drei Komponentenfunktion x, y, z : I R zusammen. Im folgenden werden sowohl die Kurve als auch ihre Parametrisierung mit σ = σ(t) bezeichnet. Die Kurve σ heißt glatt in σ(t ), wenn σ in t stetig differenzierbar ist, d.h. wenn x, y und z in t stetig differenzierbare Funktionen sind, und σ (t ) := [x (t ), y (t ), z (t )] gilt. Dann ist σ (t ) Tangentialvektor an die Kurve σ im Kurvenpunkt σ(t ). (Die Gleichung der Tangente an σ im Punkt σ(t ) lautet σ(t ) + λσ (t ), λ R.) Der Tangenteneinheitsvektor im Kurvenpunkt σ(t ) ist durch σ (t )/ σ (t ) definiert. Die Kurve σ heißt stückweise glatt, wenn es eine Zerlegung t 1 = u < u 1 < < u n = t 2 des Parameterintervalls [t 1, t 2 ] gibt, so dass die Teilkurven σ [uj 1,u j ] : [u j 1, u j ] R d glatt sind für alle j = 1, 2,..., n. 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 359 Differentiationsregeln: σ(t) und τ (t) seien differenzierbar. Dann d dt (σ + τ ) = d dt σ + d dt τ, ( d dt σ T τ ) = ( d dt σ) T ( τ + σ T d dt τ ), d dt (σ τ ) = ( d dt σ) τ + σ ( d dt τ ). Wichtiges Beispiel: Beschreibt σ(t) die Bahn eines Massenpunktes (in Abhänigkeit der Zeit t), dann ist σ (t) der Geschwindigkeitsvektor und σ (t) der Beschleunigungsvektor der Bewegung. Die (Bogen) Länge einer glatten Kurve σ : [t 1, t 2 ] R d ist definiert durch l(σ) = t2 t 1 σ (t) dt = { t2 t 1 [x (t)] 2 + [y (t)] 2 dt, falls d = 2, t2 t 1 [x (t)] 2 + [y (t)] 2 + [z (t)] 2 dt, falls d = 3. 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 36 Ist a(t ) der Tangenteneinheitsvektor einer glatten Kurve σ in σ(t ), so heißt der Vektor n(t ) = a (t)/ a (t ) Hauptnormaleneinheitsvektor der Kurve im Punkt σ(t ). Tangenteneinheitsvektor Hauptnormaleneinheitsvektor Der Tangenteneinheitsvektor liegt auf der Kurventangente im Punkt σ(t ) und zeigt in die Richtung der Kurve. Der Hauptnormaleneinheitsvektor steht auf der Kurventangente im Punkt σ(t ) senkrecht und zeigt in die Richtung der Krümmung der Kurve (wird später erklärt). 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 361 Eine Kurve kann auf verschiedene Weise parametrisiert werden. So wird z.b. der Einheitskreis im R 2 durch [ ] [ ] cos(s) cos(2πt) σ(s) = (s [, 2π]) und σ(t) = (t [, 1]) sin(s) sin(2πt) beschrieben. Die erste dieser Parametrisierungen ist die Parametrisierung bez. der Bogenlänge (auch natürliche Parametrisierung). Das bedeutet: Für jeden Parametertwert s stimmt die Bogenlänge der abgeschnittenen Kurve σ(s), s [, s ] (also von σ() bis σ(s )), mit s überein. Gegeben ist eine glatte Kurve σ = σ(t), t I = [α, β]. Wie gewinnt man eine Parametrisierung bezüglich der Bogenlänge? 1. Bestimme s(t ) := t α σ (t) dt (für t I). s ist eine streng monoton wachsende (also umkehrbare!) Funktion von [α, β] auf [, l(σ)]. Insbesondere ist s(α) = und s(β) = l(σ) ist die Länge von σ. 2. Bestimme die Umkehrabbildung s 1 : [, l(σ)] [α, β] von s. 3. Die gesuchte Parametrisierung ist σ s 1 : [, l(σ)] σ. 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 362 Die Krümmung κ(t) einer ebenen Kurve ist das Verhältnis α s zwischen der Änderung α des Kurventangenten-Anstellwinkels und der Änderung s der Bogenlänge (für s ). Ist also σ(t) = [x(t), y(t)] T eine zweimal stetig differenzierbare ebene Kurve, so ist κ(t) = x (t)y (t) y (t)x (t) ( [x (t)] 2 + [y (t)] 2 ) 3 (> [< ] Links[Rechts]Krümmung). Ist σ = σ(t) eine zweimal stetig differenzierbare Raumkurve, so ist κ(t) := σ (t) σ (t) σ (t) 3 (immer positiv) die Krümmung der Kurve im Punkt σ(t). 1/ κ(t) nennt man den Krümmungsradius der Kurve im Punkt σ(t). Ist σ = σ(s) bez. der Bogenlänge parametrisiert, so lässt sich der Krümmungsvektor auch über κ(s) = a (s) bestimmen, wobei a(s) den Tangenteneinheitsvektor bezeichnet. Kurven mit konstanter Krümmung sind Geraden (κ ) und Kreise mit Radius r (κ 1/r). 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 363 Der Graph einer stetigen Funktion f : [α, β] R stellt einen wichtigen Spezialfall einer ebenen Kurve dar: Parametrisierung: σ(t) = [t, f(t)] T, α t β. Tangentialvektor an σ in σ(t ): [1, f (t )] T. Tangente an σ in σ(t ): [t, f(t )] + λ[1, f (t )] T bzw. y = f(t ) + f (t )(x t ). Bogenlänge der Kurve von α bis γ (α γ β): γ α 1 + [f (t)] 2 dt 1 Tangenteneinheitsvektor an σ in σ(t ): a(t ) = [1, f 1+[f (t )] T. (t )] 2 Hauptnormalenvektor (nicht normiert): a f (t ) = (t ) (1+[f (t [ f (t )] 2 ) 3/2 ), 1] T. Krümmung von σ in σ(t ): κ(t ) = f (t ) (1+[f (t )] 2 ) 3/2. 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 364 Zwei ebene Kurven, die explizit durch y = f(x) und y = g(x) gegeben sind, berühren sich im Punkt (x, y ) von (mindestens) der Ordnung n, wenn f(x ) = g(x )(= y ), f (x ) = g (x ),, f (n) (x ) = g (n) (x ) gelten. (Berühren = Berühren von der Ordnung 1.) Ist σ eine zweimal differenzierbare ebene Kurve, deren Krümmung in σ(t ) nicht ist, so nennt man den Kreis, der σ in σ(t ) von der Ordnung 2 berüht, ihren Krümmungskreis in σ(t ). Er besitzt den Radius 1 κ(t ) (daher Krümmungsradius) und den Mittelpunkt ( x(t ) y (t )(1 + [y (t )] 2 ) y, y(t ) + 1 + [y (t )] 2 ) (t ) y. (t ) 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 365 3 2 1 y=x 3 1 2 3 2 2 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 366 8.7.2 Skalare Kurvenintegrale Seien D R d, f : D R eine Funktion und σ : I = [α, β] D eine stückweise glatte Kurve, die in D verläuft: σ(t) = [x(t), y(t)] T bzw. σ(t) = [x(t), y(t), z(t)] T. Beachte, dass f(σ(t)) für alle t I definiert ist. Wir definieren das skalare Kurvenintegral (oder Linien- oder Wegintegral) von f längs der Kurve σ durch β f(x ) ds := f(σ(t)) σ (t) dt σ α { β α f(x(t), y(t)) x (t) 2 + y (t) 2 dt, falls d = 2, = β α f(x(t), y(t), z(t)) x (t) 2 + y (t) 2 + z (t) dt, falls d = 3. Dabei wird vorausgesetzt, dass f (stückweise) stetig auf σ ist. Man kann zeigen, dass dieses Kurvenintegral unabhängig ist von der Wahl der Parametrisierung der Kurve. 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 367 Ist σ eine geschlossene Kurve (d.h. σ(α) = σ(β)), so schreibt man auch σ f(x ) ds statt f(x ) ds. σ Man kann (wie beim Riemann-Integral) das Kurvenintegral als Grenzwert von Riemann-Summen definieren. Anschaulich ist (in 2D) f(x ) ds die Fläche σ des Gartenzauns mit der Höhe f(σ(t)) über σ. f(σ(t)) σ(t) 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 368 Für Kurvenintegrale gelten die folgenden Regeln, die sich aus den entsprechenden Regeln für gewöhnliche Integrale ergeben: σ ds ( = σ 1 ds) = l(σ) (Bogenlänge). σ (f + g)(x ) ds = σ f(x ) ds + σ g(x ) ds. σ (γf)(x ) ds = γ σ f(x ) ds für γ R. Sei σ die Kurve σ, die aber in der umgekehrten Richtung durchlaufen wird, dann ist σ f(x ) ds = f(x ) ds. σ Setzt sich die Kurve σ aus zwei Teilkurven σ 1 und σ 2 zusammen, dann ist σ f(x ) ds = σ 1 f(x ) ds + σ 2 f(x ) ds. Wir haben jetzt Kurvenintegrale von reellwertigen Funktionen (Skalarfeldern) betrachtet. Im Kapitel Vektoranalysis definieren wir das Kurvenintegral von Vektorfeldern. 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 369 Beispiel. f(x, y) = x 2 y 2, σ(t) = r[cos(t), sin(t)] T ( t 2π). f(σ(t)) = r 2 (cos 2 (t) sin 2 (t)) = r 2 cos(2t). σ (t) = r[ sin(t), cos(t)] T, d.h. σ (t) = r. σ f(x, y)ds = 2π f(σ(t)) σ (t) dt = r 3 2π [ ] 2π 1 = r 3 2 sin(2t) =. cos(2t)dt 8.7 Kurven und Kurvenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 37 8.8 Oberflächen und Oberflächenintegrale Sei D R 2 abgeschlossen. Das Bild einer stetigen Funktion [ ] x(u, v) u Φ : D R 3, Φ(u, v) = v y(u, v) z(u, v), ist eine Fläche im R 3. D heißt Parameterbereich, u und v sind die Parameter, Φ ist eine Parametrisierung der Fläche (Flächen und ihre Parametrisierung werden hier mit demselben Symbol bezeichnet). Neben dieser expliziten Paramterdarstellung kann eine Fläche auch implizit, also durch F (x, y, z) = gegeben sein. Die Fläche heißt [stetig] differenzierbar, wenn Φ (d.h. x, y und z) [stetig] differenzierbar sind. 8.8 Oberflächen und Oberflächenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 371 Bekannt sind uns bereits Flächen vom Typ z = f(x, y) (Graph einer Funktion f : D R). Hier ist Φ(x, y) = [x, y, f(x, y)] T ((x, y) D) eine Parametrisierung. Flächen im R 3, die nicht Graph einer Funktion f : R 2 D R sind: 8.8 Oberflächen und Oberflächenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 372 Sind die Parameter u = u(t) und v = v(t) stetige Funktionen einer Variablen t I R, so ist σ(t) = Φ(u(t), v(t)) = [x(u(t), v(t)), y(u(t), v(t)), z(u(t), v(t))] T eine Kurve, die in der durch Φ definierten Fläche verläuft. Man spricht von einer Flächenkurve. 8.8 Oberflächen und Oberflächenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 373 Spezielle Kurven auf einer Fläche sind ihre Parameterlinien, bei denen ein Parameter konstant gehalten wird: Φ(u, v) (u konstant, (u, v) D) und Φ(u, v ) (v konstant, (u, v ) D). 8.8 Oberflächen und Oberflächenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 374 Die Fläche in der vorigen Abbildung ist die Einheitskugel: cos(v) sin(u) Φ : D = [, π] [, 2π] (u, v) sin(v) sin(u) cos(u). Die Tangentenvektoren an die Parameterlinien im Punkt Φ(u, v ) sind durch x u (u x, v ) t u (u, v ) = y u (u v (u, v ), v ) bzw. t v (u, v ) = y v (u, v ) z u (u z, v ) v (u, v ) gegeben. Sind die Vektoren t u und t v linear unabhängig (t u t v ), so spannen sie die Tangentialebene der Fläche Φ(u, v) im Punkt Φ(u, v ) auf: Φ(u, v ) + λt u (u, v ) + µt v (u, v ) (λ, µ R). In diesem Fall nennt man die Fläche glatt oder regulär in diesem Punkt. 8.8 Oberflächen und Oberflächenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg

Höhere Mathematik 375 Ist Φ injektiv auf D und für alle (u, v ) D in Φ(u, v ) regulär, so heißt Φ eine reguläre Fläche. Eine stückweise reguläre Fläche setzt sich aus endlich vielen regulären Flächen zusammenen. Sind Φ = Φ(u, v) eine reguläre Fläche und σ = σ(t) = Φ(u(t), v(t)), t [α, β], eine glatte Flächenkurve, so ist der Tangentenvektor an σ im Punkt (u, v ) = (u(t ), v(t )) durch gegeben (Kettenregel). Wir setzen σ (t ) = t u (u, v )u (t ) + t v (u, v )v (t ) E(u, v) := t u (u, v) T t u (u, v), F (u, v) := t u (u, v) T t v (u, v), G(u, v) := t v (u, v) T t v (u, v) (metrische Fundamentalgrößen der Fläche). Diese Größen bestimmen die Länge von Kurven auf der Fläche und den Inhalt von Teilflächenstücken. 8.8 Oberflächen und Oberflächenintegrale Technische Universität Bergakademie Freiberg