Was bisher geschah. Morphologie I. Morphologie. Morphologie
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- Annegret Albert
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1 Was bisher geschah Morphologie I Gerrit Kentner 28. November 2012 Überblick Sprachwissenschaft (ganz allgemein) Semiotische Grundlagen Phonetik (insb. artikulatorische Phonetik) Phonologie 1 / 38 2 / 38 Morphologie Morphologie heute: Grundbegriffe der Wortstrukturbeschreibung Teilgebiete der Morphologie Morphembegriff Literatur zum Thema: Meibauer, J. et al. (2002): Einführung in die germanistische Linguistik. Stuttgart: Metzler. Kap 5 Grewendorf, G. et al. (1998). Sprachliches Wissen. Frankfurt a.m.: Suhrkamp. Kap. 5 Die Morphologie beschäftigt sich mit dem Aufbau und der Struktur von komplexen Wörtern. Hauptgebiete sind die Wortbildung, die Prozesse zur Erzeugung und Struktur komplexer Lemmata ( Lexikoneinträge) beschreibt (Reaktionswahrscheinlichkeit Sozialtransferempfänger), und die Flexion (=Wortformbildung), die neue Wortformen erzeugt. (Reaktionswahrscheinlichkeiten) 3 / 38 4 / 38
2 Morphologie Wörter Morphology is the conceptual centre of linguistics. This is not because it is the dominant subdiscipline, but because morphology is the study of word structure, and words are at the interface between phonology, syntax, and semantics. Words have phonological properties, they articulate together to form phrases and sentences, their form often reflects their syntactic function, and their parts are often composed of meaningful smaller pieces. [...] For this reason, morphology is something all linguists have to know about. (Spencer & Zwicky, 1998, 1)... wir erinnern uns: Wörter sind analysierbar in Laute ohne eigene Bedeutung [ v, œ, K, t, 5 ] Wortbestandteile mit Bedeutung {Wort + er } Wörter sind kombinierbar mit anderen Wörtern zu Sätzen und Texten 5 / 38 6 / 38 Der Wortbegriff Der Wortbegriff Was ist überhaupt ein Wort? Was ist überhaupt ein Wort? Das Wort zum Sonntag -?Die Wörter zum Sonntag Einigermassen routinierte Schreiber benutzen mindestens Wörter. (Eisenberg 1983) Jeden Tag kommen neue Wörter in unsere Sprache: Der Text soll die Anzahl von 500 Wörtern nicht überschreiten. 7 / 38 8 / 38
3 Der Wortbegriff Der Wortbegriff Wie viele verschiedene unterstrichene Wörter enthalten die folgenden sieben Sätze: Was ist überhaupt ein Wort? ein typischerweise komplexes sprachliches Zeichen, das aus kleineren Einheiten (eben den Morphemen) aufgebaut ist und seinerseits Bestandteil noch grösserer Zeichenkomplexe sein kann. (GHS, S 254) 1. Die Türme der Burg waren schon von weitem zu sehen. 2. Auf den Türmen wehten bunte Fahnen. 3. Der eine Turm war vierzig Meter hoch. 4. Der andere Turm war nur etwa dreissig Meter hoch. 5. Wir sind auf den Turm geklettert. 6. Auf dem Turm hatten wir eine prächtige Aussicht. 7. Die Mauern des Turms bestanden aus dicken Quadern. 9 / / 38 Der Wortbegriff Wie viele verschiedene unterstrichene Wörter enthalten die folgenden sieben Sätze: Wörter 1. Die Türme der Burg waren schon von weitem zu sehen. 2. Auf den Türmen wehten bunte Fahnen. 3. Der eine Turm war vierzig Meter hoch. 4. Der andere Turm war nur etwa dreissig Meter hoch. 5. Wir sind auf den Turm geklettert. 6. Auf dem Turm hatten wir eine prächtige Aussicht. 7. Die Mauern des Turms bestanden aus dicken Quadern. Die Morphologie interessiert sich für die interne Struktur von Wörtern Vorschlag: 4 (phonologische oder grafische Definition) Gegenvorschlag: 6 (syntaktische Definition) Noch ein Vorschlag: 1 (lexikalische Definition) 11 / / 38
4 Der Morphembegriff Der Morphembegriff Was ist ein Morphem? Jedenfalls etwas anderes als eine Silbe: schreibst (1 Silbe) - schreib+st (2 Morpheme) Ra.be (2 Silben) - Rabe (1 Morphem) Was ist ein Morphem? Ein Morphem wird klassischerweise definiert als kleinster Wortbestandteil mit eigener Bedeutung Stu.dent - Stud+ent (Silben- und Morphemgrenze fallen nicht notwendigerweise zusammen) 13 / / 38 Der Morphembegriff Ein Morphem wird klassischerweise definiert als kleinster Wortbestandteil mit eigener Bedeutung Annäherung über sog. mono-morphematische Wörter: Vogel, Nest, Kind, und, Haus, ein, nur, dass, Bett... Problem: hat dass eine Bedeutung? Annäherung über sog. poly-morphematische Wörter: Vogel+nest, Kind+chen+schema, kind+lich, Be+haus+ung, Bett+en, bau+en... Problem: -en in Betten hat Bedeutung [plural]; hat -en in bauen eine Bedeutung? Der Morphembegriff Problem 1: hat dass eine Bedeutung? Problem 2: -en in Bett-en hat Bedeutung [plural]; hat -en in bau-en eine Bedeutung? Ein neuer Morphembegriff muss her: nach Wurzel (1984): Ein Morphem ist die kleinste, in ihren verschiedenen Vorkommen als formal einheitlich identifizierbare Folge von Segmenten [ Einzellauten], der (wenigstens) eine als einheitlich identifizierbare ausserphonologische Eingenschaft zugeordnet ist. Bedeutung zu haben ist kein notwendiges Kriterium! Es reicht aus, grammatische Funktion zu haben (z.b. anzeigen des Infinitivs) 15 / / 38
5 Teilgebiete der Morphologie Morphologie Wortbildung Komposition Derivation Lehr+stück un+glaub+lich Wasser+eis schein+bar Flexion Haus - Hauses gehen - gingst heiser - heiserer 3 Klassifikationsschemata nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme) nach Selbständigkeit (freie vs. gebundene Morpheme) nach Rolle, funktionale Klassifikation (Stamm-, Derivations-, Flexionsmorpheme, Fugenelemente) grau+blau Plan+ung 17 / / 38 nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme) Inhaltsmorpheme Morpheme, die selbst Bedeutung haben oder die Bedeutung anderer Morpheme beeinflussen / verändern. Haus, Vogel, auf, unter, un- (Negation), -lich/-ig ( vergleichbar mit), rot, ver-, -n (Plural), -ei (z.b. in die Pendelei geht mir auf die Nerven)... nach semantischem Gehalt (Inhalts- vs. Funktionsmorpheme) Funktionsmorpheme Morpheme ohne eigene Bedeutung, mit ausschliesslich grammatische Funktion [inkl. best. Präpositionen, Pronomen, Konjunktionen]. -en (Infinitiv), dass, es (in es regnet), -heit, -keit, auf (in auf etwas anstossen), -em (Dativ in diesem schönen Beispiel schenke ich grosse Aufmerksamkeit) / / 38
6 nach Selbständigkeit (freie vs. gebundene Morpheme) nach Selbständigkeit (freie vs. gebundene Morpheme) freie Morpheme Morpheme, die in ihrer Form ohne weitere Morpheme als Wortform auftreten können: Lexikalische Morpheme: Haus, Vogel, auf, unter, rot, Pendel, geh, hier, gestern... Grammatische Morpheme: dass, es, von, auf... gebundene Morpheme Morpheme, die nicht selbständig als Wort vorkommen: Grammatische Morpheme: be-, ge-, un-, ver-, zer-, ent-,... -bar, -lich, -keit, -heit, -s, -er, -en, -ung, -end,... Lexikalische Morpheme: les-, ess- (diese werden häufig auch als Imperative und damit als freie Morpheme verwendet), rechn-, ordn- Konfixe: Stief-, Schwieger-, zimper-, fanat-, bio-, onmi-, unikale Morpheme: Schorn-, Him-, Brom-, -lier (verlieren) 21 / / 38 Stammmorpheme Derivationsmorpheme Flexionsmorpheme Fugenelemente Stammmorpheme (z.b. lauf, bald, Baum, grün...)... haben üblicherweise eine Bedeutung im eigentlichen Sinn Ein Wort besteht üblicherweise aus mindestens einem Stammmorphem Stammmorpheme kommen in der Regel als einfache Wortformen vor Ausnahmen: Konfixe (sonder-, fanat-, mono-,...) 23 / / 38
7 Exkurs: zurück zum Morphembegriff Stamm vs. Wurzel Problem: Ablaut finde - fand - gefunden 3 Stämme! Was ist das Grundmorphem (=Wurzel)? Konvention nach GHS (S. 265) in diesem Fall: 2. Person Plural Indikativ Präsens; also find-. Ist Sprache ein poly-morphematisches Wort? Anders gefragt: ist das -e in Sprache ein eigenes Morphem? Beispiele: Sprache, *Sprach; Sprachschule, *Spracheschule; Fremdsprache, *Fremdsprach; Fremdsprachunterricht, *Fremdspracheunterricht Noch ein Problem: Suppletion bin - bist - ist - sind - seid - war - gewesen... gut - besser - besten lat.: ferre - tuli - latum 25 / / 38 Exkurs: zurück zum Morphembegriff Exkurs: zurück zum Morphembegriff Beispiele: Sprache, *Sprach; Sprachschule, *Spracheschule; Fremdsprache, *Fremdsprach; Fremdsprachunterricht, *Fremdspracheunterricht Die Alternation zwischen Sprach und Sprache ist vorhersagbar! Die Alternation hat vermutlich phonologische Gründe! Erinnern wir uns an den Morphembegriff: Ein Morphem ist die kleinste, in ihren verschiedenen Vorkommen als formal einheitlich identifizierbare Folge von Segmenten, der (wenigstens) eine als einheitlich identifizierbare ausserphonologische Eingenschaft zugeordnet ist. Ist Sprache ein poly-morphematisches Wort? Anders gefragt: ist das -e in Sprache ein eigenes Morphem? Das -e in Sprache hat möglicherweise rein phonologische Funktion (markiert evtl. das Wortende); es ist kein Morphem i.s. der obigen Definition; es gilt als Pseudosuffix (auch Stammerweiterung oder morphologischer Rest). Lösung des Problems: Sprache und sprach sind zwei Realisierungsvarianten eines zugrundeliegenden, abstrakten(!) Morphems sprach. Ähnliches gilt für ablautende Wurzeln und Paradigmen mit Suppletion. 27 / / 38
8 Exkurs: zurück zum Morphembegriff Abstraktheit des Morphembegriffs Realisierungsvarianten eines zugrundeliegenden Morphems heissen Allomorphe Anders gesagt: Ein Morphem kann als Klasse von Allomorphen (kleinste realisierbare Einheiten mit derselben semantischen und/oder grammatischen Funktion) definiert werden. Abstraktheit des Morphembegriffs Das Pluralmorphem ist durch seine Funktion, den Plural eines Stammes zu bilden, definiert. Pluralallomorphe sind die Realisierungsvarianten des Pluralmorphems (die abhängig vom Stamm gewählt werden): {-e, -er, -n, -s, Umlaut, Umlaut+-e, Umlaut+-er, } vgl.: Boot, Kind, Blume, Oma, Vater, Ball, Buch, Kabel Der Plural von Kabel wird nicht realisiert ( ). Es handelt sich dabei um ein Nullallomorph, d.h. eine von mehreren Varianten des Plurals. Im Fall vom Nominativ Sg. handelt es sich um ein Nullmorphem (weil es im Deutschen keine Realisierungsvarianten gibt). 29 / / 38 Stammmorpheme (s.o.) Derivationsmorpheme: ändern Bedeutung und / oder Wortart der Wurzel stehen nicht allein (gebundene Morpheme), sind einem Stammmorphem angefügt - Affixe kommen als Präfixe, Suffixe, Infixe (nicht im Deutschen) und Zirkumfixe vor Derivationsmorpheme sind i.d.r Affixe: Präfixe: be-, ent-, ver-, ge-, Suffixe: -bar, -ung, -heit, -keit, -lich, -ig, -ei, -chen... Zirkumfixe: Ge-red-e Infixe: Spanische Diminutive: Oskar - Oskitar; Edgar - Edguitar; Victor - Victitor; Julia - Julita 31 / / 38
9 Derivationsmorpheme: Affixe (insbesondere Suffixe) sind häufig auf bestimmte Wortarten spezialisiert Nomen: Un-wille, Bank-er Adjektive: ur-komisch; sonder-bar; lust-ig Verb: über-führen; ver-arschen; glück-en Adverbien: eimer-weise; fieber-haft Flexionsmorpheme: Kommen als Affixe, im Deutschen v.a. als Suffixe vor ändern weder Bedeutung noch Wortart werden von syntaktischen Gegebenheiten verlangt (z.b. Kongruenz) Erscheinen an der Wortperipherie (nach den Derivationsmorphemen 33 / / 38 Grenzfall der Morphologie: Fugenelemente Ein morphologischer Atavismus - eine Funktion ist nicht erkennbar Fugenelemente kommen meist in Komposita vor: Bauer+n+hof, Frau+en+haus, Leben+s+lust, Flasche+n+hals, Weg+e+zoll, Bild+er+sturm Flexion innerhalb des Kompositums?? Oft sehen die Fugenelemente aus wie die Genitiv- oder Pluralform des ersten Stammes. Grenzfall der Morphologie: Fugenelemente Oft sehen die Fugenelemente aus wie die Genitiv- oder Pluralform des ersten Stammes. Haben sie deswegen auch die Bedeutung die typischerweise Genitiv- oder Pluralmorphemen zugemessen wird? Vgl. Bienenschwarm, Frauenhaus, Räderwerk, Lebensgeister, Rebensaft mit scheinbar Plural, semantisch Singular: Flaschenhals, Kinderwagen, Brillengestell, Hühnerei, Scheibenwischer, Sonnenschein, Zungenspitze scheinbar Gen. Sg. aber semantisch Plural: Bischofskonferenz, Anwaltskammer, Ortsverzeichnis, Freundeskreis erster Stamm + Fuge ist keine Wortform im Paradigma: Liebesbrief, Meinungsbild, Arbeitsamt, Freiheitswille 35 / / 38
10 Aufgabe Grenzfall der Morphologie: Fugenelemente und andere morphologische Atavismen Fugenelemente kommen typischerweise in Komposita vor. Bestimmte Derivationsmorpheme haben merkwürdige Realisierungsvarianten Z.B.: Ge+bäu+de, Gemein+de oder Ge+lüb+de Woher kommt das -d-??? Vgl. Wörter wie Ge+trieb+e, Ge+red+e, Ge+zank+e, Ge+wink+e, Ge+stäng+e Zerlegen Sie die folgenden Sätze in ihre Morpheme. Klassifizieren Sie jedes Morphem nach Selbständigkeit (frei vs. gebunden), semantischem Gehalt und nach seiner Rolle (funktionale Klassifikation). Das Kämmen von geraubten Kaschmirziegen ist unabwendbar Den Begriff Morphologie haben Sprachwissenschaftler aus der Botanik entlehnt. 37 / / 38
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