VerwVfR und VerwPR (Einstweiliger Rechtsschutz II 80 Abs. 5 VwGO)
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- Günther Heinrich
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1 Sonderprobleme zum Verfahren nach 80 Abs. 5 VwGO (1) Einstweiliger Rechtsschutz bei faktischer Vollziehung des VA Situation: Behörde setzt sich über die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage hinweg, ohne dass eine Fallgruppe des 80 Abs. 2 VwGO vorliegt Kann einstweiliger Rechtsschutz über 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden? M 1: (-), Widerspruch bzw. Anfechtungsklage haben ja aufschiebende Wirkung, diese wird nur seitens der Verwaltung missachtet einstweiliger Rechtsschutz daher über 123 VwGO hm: (+), 80 Abs. 5 VwGO analog Arg.: vorläufiger Rechtsschutz i.v.m. Anfechtungsklage soll nur über 80 VwGO erreicht werden; 123 Abs. 5 VwGO erstrebt klare Trennung des Rechtsschutzes durch einstweilige Anordnung einerseits und Rechtsschutz in Verbindung mit der Vollziehung von VAen andererseits einstweiliger Rechtsschutz ist dann auf Feststellung des Bestehens der aufschiebenden Wirkung gerichtet Verwaltungsgericht prüft, ob aufschiebende Wirkung besteht, und ordnet ggf. analog 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO an, die ergriffene Vollziehungsmaßnahme aufzuheben beachte: nach hm wird auf Ebene der Begründetheit ausschließlich geprüft, ob Widerspruch bzw. Anfechtungsklage über aufschiebende Wirkung verfügen; eine Interessenabwägung findet nicht statt 1
2 (2) Einstweiliger Rechtsschutz bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung beachte: die VwGO spricht in 80a missverständlicher Weise von Verwaltungsakten mit Doppelwirkung ; gemeint sind Situationen, in denen einstweiliger Rechtsschutz nicht nur für den durch VA Belasteten in Betracht kommt, sondern auch für den Begünstigten, der durch die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen eines Dritten oder die Aussetzung der Vollziehung beschwert ist Fallgruppen der Drittwirkung 80a VwGO regelt drei verschiedenen Varianten Variante 1: 80a Abs. 1 Nr. 1, 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO Bsp.: A wird eine immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung erteilt (Schweinemästerei); hiergegen legt Nachbar N, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt, zulässigen Widerspruch ein, der nach 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltet Möglichkeiten des Begünstigten (= Grundstückseigentümer): Antrag bei der Behörde auf Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO Antrag beim Verwaltungsgericht auf Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO 2
3 Variante 2: 80a Abs. 1 Nr. 2, 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO Bsp.: Bauherr B wird eine Baugenehmigung erteilt, gegen die Nachbar N Widerspruch einlegt; dieser Widerspruch hat gemäß 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung Möglichkeiten des Dritten: Antrag gemäß 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO bei der Behörde auf Aussetzung der Vollziehung und Anordnung einstweiliger Maßnahmen Antrag gemäß 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgericht Variante 3: 80a Abs. 2, 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO A betreibt eine Gaststätte (Erlaubnis gemäß 2 GaststG zum Betrieb eines Kulturzentrums mit Schankwirtschaft vorhanden); nachdem sich Nachbarn wiederholt gegen erhebliche nächtliche Lärmbelästigungen infolge der faktischen Nutzung als Diskothek beschwert haben, untersagt die zuständige Behörde dem A den weiteren Betrieb; hiergegen wendet sich A mit einem Widerspruch, der aufschiebende Wirkung entfaltet Möglichkeiten des Dritten: Antrag bei Behörde ( 80a Abs. 2 VwGO) oder Gericht ( 80a Abs. 3 VwGO) auf Anordnung des Sofortvollzugs 3
4 in sämtlichen Varianten sind die Zulässigkeit und Begründetheit eines behördlichen oder gerichtlichen Antrags gemäß 80a VwGO wie im Falle des einfachen Verfahrens nach 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen auf Ebene der Zulässigkeit ist in dem Fall, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz seitens des Dritten erhoben wird (Fallgruppen des 80a Abs. 1 Nr. 2 und 80a Abs. 2 VwGO), der Schwerpunkt auf die Frage der Antragsbefugnis zu legen auf Ebene der Begründetheit sind auch bei VAen mit Drittwirkung die Erfolgsaussichten der Hauptsache maßgeblich sehr umstritten und daher stets zu berücksichtigen ist bei VAen mit Drittwirkung, ob ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn vorher erfolglos ein Antrag auf behördliche Aussetzung nach 80 Abs. 6 VwGO gestellt worden ist Entscheidung hängt davon ab, ob es sich bei 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO um eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung handelt 1. Ansicht: 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO ist Rechtsfolgenverweisung Konsequenz: der Betroffene muss sich prinzipiell in allen Fällen vor Einleitung eines gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens erfolglos um vorläufigen Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren bemüht haben 2. Ansicht: 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO ist Rechtsgrundverweisung Konsequenz: 80 Abs. 6 VwGO ist auch bei VAen mit Drittwirkung nur im seltenen Fall der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten anwendbar 4
5 die besseren Gründe sprechen für die Annahme einer Rechtsgrundverweisung Wortlaut lässt zwar beide Deutungen zu 80 Abs. 6 VwGO ist, wie die Entstehungsgeschichte belegt, eine Ausnahmevorschrift nach dem früheren 10 Abs. 2 Satz 2 BauGBMaßnG war Antrag nach 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der Baugenehmigung zulässig zudem: es ist kein Grund ersichtlich, weshalb bei VAen mit Drittwirkung anders als bei einseitig belastenden VAen prinzipiell dem vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz ein vorläufiger verwaltungsbehördlicher Rechtsschutz vorgeschaltet sein soll (insbesondere im Falle der behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs macht das keinen Sinn) beachte stets: 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO gilt nach 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO nicht, wenn die Vollstreckung droht; dem steht nach allg. Meinung der Fall gleich, dass eine Bautätigkeit bereits begonnen wurde Wo ist diese Frage im Rechtsgutachten zu erörtern? Frage der Zulässigkeit (allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses) (3) Einstweiliger Rechtsschutz bei faktischer Vollziehung eines VA mit Drittwirkung Bsp.: A wird eine immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung erteilt (Schweinemästerei); hiergegen legt Nachbar N, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt, zulässigen Widerspruch ein, der nach 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltet; dennoch nimmt A die Schweinemästerei unmittelbar in Betrieb Lösung: 80a Abs. 1 Nr. 2, 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO analog 5
6 Einstweiliger Rechtsschutz nach 123 VwGO in Bezug auf sämtliche Klagearten mit Ausnahme der Anfechtungsklage wird vorläufiger Rechtsschutz nach 123 VwGO gewährt; diese Norm kennt zwei Formen der einstweiligen Anordnung (ea): Sicherungsanordnung, 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO Regelungsanordnung, 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Abgrenzung der beiden Spielarten bereitet z.t. große Schwierigkeiten, weshalb gelegentlich gefordert wird, auf sie überhaupt zu verzichten und von einem einheitlichen Tatbestand der ea auszugehen; dies widerspricht aber der gesetzlichen Lage Abgrenzung kann anhand folgender Grundsätze durchgeführt werden: bei der Sicherungsanordnung geht es um die Sicherung eines bestehenden Zustands; bei ihr steht insofern der vorläufige Rechtsschutz in Bezug auf Abwehransprüche im Vordergrund (Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche) Recht: Anspruch auf Sicherung des status quo Sicherungsgrund: Gefahr der Anspruchsvereitelung oder - erschwernis (z.b. durch Zeitablauf) Bsp.: Rechtsschutz gegen polizeiliche Warnhinweise 6
7 bei der Regelungsanordnung ist das Begehr des Antragstellers auf die Vornahme einer Maßnahme gerichtet, die zu einer vorläufigen Erweiterung der Rechtsposition des Antragstellers führt streitiges Rechtsverhältnis: wie bei allgemeiner FK Regelungsgrund: Abwendung wesentlicher Nachteile Bsp.: vorübergehende Gestattung einer bisher nicht genehmigten genehmigungspflichtigen Tätigkeit Prüfungsaufbau A. Zulässigkeit 1. Verwaltungsrechtsweg eröffnet, 40 Abs. 1 VwGO, da Gericht der Hauptsache entscheidet (vgl. 123 Abs. 2 VwGO) 2. Statthaftigkeit des Antrags a) 123 Abs. 5 VwGO: Abgrenzung zum vorläufigen Rechtsschutz nach 80, 80a VwGO b) Abgrenzung von Sicherheits- und Regelungsanordnung (aber beachte: keine Vorwegnahme der materiell-rechtlichen Lage) 7
8 3. Antragsbefugnis, 42 Abs. 2 VwGO analog 4. Antragsgegner, 78 Abs. 1 VwGO analog 5. Rechtsschutzbedürfnis a) beachte: ist in der Hauptsache eine vorbeugende Unterlassungsklage (= Unterlassungsklage gegen drohenden VA) unter dem Gesichtspunkt des qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich unzulässig (Ausnahme: Abwarten unzumutbar), muss konsequenter Weise dasselbe für eine einstweilige Anordnung gelten b) Rechtspr.: keine Vorwegnahme der Hauptsache (nach Lit. als letzter Punkt in der Begründetheit zu prüfen) ausnahmsweise muss eine Vorwegnahme der Hauptsache (immer dann [+], wenn Begehr sich auf konkreten Zeitpunkt richtet, bis zu dem in der Hauptsache voraussichtlich nicht entschieden werden kann) hingenommen werden, wenn die Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dies erfordert, weil andernfalls der Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners schlechthin unzumutbare Nachteile entstehen und außerdem eindeutig überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen B. Begründetheit Antrag ist begründet, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung der in 123 Abs. 1 VwGO genannten Voraussetzungen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes spricht Erfolgsaussichten der Hauptsache 8
9 1. Besteht ein Anordnungsanspruch des Antragstellers ( Recht [ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO] oder Rechtsverhältnis [ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO])? richtet sich nach materiellem Recht 2. Liegt ein Anordnungsgrund vor? Interessenabwägung (in der Sache kein Unterschied zwischen Sicherungs- und Regelungsanordnung); geringere Anforderungen, soweit das im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Recht offensichtlich besteht 3. nach Lit.: keine Vorwegnahme der Hauptsache 9
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