Stochastik und Statistik für Ingenieure Vorlesung 4
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- Agnes Hafner
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1 Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff TU Bergakademie Freiberg Institut für Stochastik Stochastik und Statistik für Ingenieure Vorlesung Oktober 2012
2 Quantile einer stetigen Zufallsgröße Die reelle Zahl x q mit 0 < q < 1 heißt q Quantil der stetigen Zufallsgröße X, wenn die Werte von X mit einer Wahrscheinlichkeit q links von x q liegen, d.h. x q ist eine Lösung der Gleichung xq f X (x) dx = q bzw. F X (x q ) = q. q Quantile können auch für diskrete und andere Zufallsgrößen betrachtet werden. Wichtige Quantile sind: das 0.5 Quantil, es heißt Median von X; das 0.25 bzw Quantil, dies sind die sogenannten Quartile von X (das untere bzw. das obere); ( die α, (1 α), 1 α 2 spielen bei statistischen Fragen eine große Rolle. ) Quantile für kleine Werte α, sie Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 1
3 Beispiel Exponentialverteilung Eine Zufallsgröße X heißt exponentialverteilt mit Parameter λ > 0, falls für die Verteilungsfunktion F X bzw. die Verteilungsdichte f X gilt: { { 0, x < 0, 0, x < 0, F X (x) = f 1 exp( λx), x 0, X (x) = λ exp( λx), x 0. Verteilungsfunktion (λ = 2) Dichtefunktion (λ = 2) Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 2
4 Quantile für Exponentialverteilung Es sei X exponentialverteilt mit Parameter λ = 2, d.h. { 0, x 0, F X (x) = P (X < x) = 1 exp( 2x), x > 0. Dann gilt für das q Quantil x q (mit 0 < q < 1): F X (x q ) = 1 exp( 2x q ) = q, also x q = 1 ln (1 q). 2 q x q Verteilungsfunktion Dichtefunktion Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 3
5 3.3 Wichtige diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen Diskrete Gleichverteilung Zufallsgröße X mit endlich vielen möglichen Werten x 1, x 2,..., x n (x i x j, i j). Zugehörige Wahrscheinlichkeiten: p i = P (X = x i ) = 1, i = 1, 2,..., n. n Im Spezialfall x 1 = 1, x 2 = 2,... x n = n gelten EX = n Anwendung: Laplace-Experiment. und VarX = n Bezeichnung: X U({x 1, x 2,..., x n }).. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 4
6 3.3.2 Bernoulli-Verteilung Zufallsgröße X mit 2 möglichen Werten x 1 = 1, x 2 = 0. Zugehörige Wahrscheinlichkeiten: P (X = 1) = p, P (X = 0) = 1 p. Es gelten EX = p und VarX = p(1 p). Bezeichnung: X B(p). Anwendung: Bernoulli-Experiment: Experiment mit zwei möglichen Versuchsausgängen, die durch die Ereignisse A bzw. A c beschrieben werden. Das Ereignis A tritt dabei mit einer Wahrscheinlichkeit p = P (A) ein. Tritt das Ereignis A ein, dann ist die Zufallsgröße X gleich 1, sonst gleich 0. Eigenschaft: Die Summe unabhängiger und identisch verteilter bernoulliverteilter Zufallsgrößen ist binomialverteilt (mit den Parametern n und p bei n Summanden). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 5
7 3.3.3 Binomialverteilung Parameter: n N, 0 p 1. Zufallsgröße X mit möglichen Werten x 0 = 0, x 1 = 1,..., x n = n. Zugehörige Wahrscheinlichkeiten: ( ) n p i = P (X = i) = p i (1 p) n i, i = 0, 1,..., n. i Es gelten EX = np und VarX = np(1 p). Bezeichnung: X Bin(n, p). Eigenschaft: X 1 Bin(n 1, p), X 2 Bin(n 2, p), unabhängig X 1 + X 2 Bin(n 1 + n 2, p). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 6
8 Binomialverteilungen Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 7
9 Typische Situation für Binomialverteilung Grundmodell: Folge gleichartiger Versuche mit fester Anzahl dieser Versuche. Typische Situation: Der Zufallsversuch besteht aus einer endlichen Anzahl n von unabhängigen und gleichartigen Teilversuchen. Bei jedem Teilversuch kann ein bestimmtes Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit p eintreten oder (mit Wahrscheinlichkeit 1 p) nicht. Mit der Zufallsgröße X zählt man die Anzahl der Teilversuche, bei denen das interessierende Ereignis eingetreten ist. X ist also die zufällige Anzahl der eingetretenen Ereignisse unter obigen Bedingungen. Anwendung: z.b. Qualitätskontrolle mit Zurücklegen (Anzahl von Ausschussteilen in Produktion bei gleichbleibenden Produktionsbedingungen, d.h. fester Ausschussquote). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 8
10 Beispielaufgabe Binomialverteilung Ein idealer Würfel wird 20 mal geworfen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mindestens zwei mal eine Sechs geworfen wird? Zufallsgröße X Anzahl der geworfenen Sechsen bei 20 Würfen dieses Würfels. Die Zufallsgröße X ist binomialverteilt. Die Wahrscheinlichkeit für das Werfen einer Sechs bei einem Würfelwurf beträgt 1/6, dies ist der Parameter p. Der Parameter n beschreibt die Anzahl der Wiederholungen des Einzelversuchs, also hier n = 20. Gesucht ist P (X 2). Berechnung: P (X 2) = 1 P (X < 2) = 1 (P (X = 0) + P (X = 1)) ( ) ( ) ( ) 5 20 ( ) ( ) ( ) 5 19 = = Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 9
11 3.3.4 Hypergeometrische Verteilung Parameter: N, M, n N, M N, n N. Zufallsgröße X mit Anzahlen (natürlichen Zahlen) i N 0 möglichen Werten, so dass als max{0, n (N M)} i min{m, n}. Zugehörige Wahrscheinlichkeiten: p i = P (X = i) = ( M )( N M i n i ) ( N n). Es gelten EX = n M N VarX = n M N und ( 1 M ) ( 1 n 1 ). N N 1 Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 10
12 Hypergeometrische Verteilungen Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 11
13 Typische Situation für die hypergeometrische Verteilung Grundmodell: Urnenmodell. Anwendungssituationen sind u.a. zufällige Auswahlen, Anordnungen etc. ohne Zurücklegen (ohne Wiederholung) und ohne Berücksichtigung der Reihenfolge. Anwendung: Qualitätskontrolle eines Loses vom Umfang N ohne Zurücklegen der n kontrollierten Stücke. Eine typische Situation ist z.b.: Vorhanden sind N Dinge, darunter M besondere. Es werden rein zufällig n Dinge aus allen ohne Zurücklegen und ohne Berücksichtigung der Reihenfolge ausgewählt. Mit einer hypergeometrisch verteilten Zufallsgröße X beschreibt man dann die zufällige Anzahl der besonderen Dinge unter den n ausgewählten (z.b. die Anzahl der richtigen Zahlen bei einem Tipp im Lottospiel). Bei sehr großen N, M mit p M N geht die hypergeometrische Verteilung in die Binomialverteilung Bin(n, p) über. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 12
14 Beispielaufgabe hypergeometrische Verteilung Es wurde folgender Prüfplan vereinbart: Der Abnehmer übernimmt alle 50 gelieferten Schaltkreise, wenn in einer Stichprobe von 10 Schaltkreisen höchstens ein nicht voll funktionsfähiger Schaltkreis enthalten ist. Ansonsten wird die gesamte Lieferung verworfen. Berechnen Sie bei diesem Prüfplan die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die 50 Schaltkreise a) abgenommen werden, obwohl diese 12 nicht voll funktionsfähige Schaltkreise enthalten, b) zurückgewiesen werden, obwohl nur 3 nicht voll funktionsfähige Schaltkreise enthalten sind! Zufallsgröße X Anzahl der nicht voll funktionsfähigen Schaltkreise in der Stichprobe. Die Zufallsgröße X ist hypergeometrisch verteilt. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 13
15 3.3.5 Geometrische Verteilung Parameter: 0 < p < 1. Zufallsgröße X mit möglichen Werten k = 1, 2, 3,.... Zugehörige Wahrscheinlichkeiten: Es gelten p k = P (X = k) = p(1 p) k 1, k = 1, 2, 3,.... EX = 1 und VarX = 1 p p p 2. Bezeichnung: X Geo(p). Grundmodell: Folge gleichartiger Versuche mit zufälliger Anzahl der Versuche. Anwendung: Gleichartige unabhängige Teilversuche, bei denen jeweils Erfolg mit Wahrscheinlichkeit p oder Misserfolg mit Wahrscheinlichkeit 1 p eintreten können, werden so lange durchgeführt, bis zum ersten Mal Erfolg eingetreten ist. Der Wert von X ist gleich der Anzahl der durchgeführten Teilversuche. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 14
16 Geometrische Verteilungen, Beispielaufgabe Beispielaufgabe: Ein Relais falle mit einer Wahrscheinlichkeit von bei einem Schaltvorgang zufällig aus, wobei diese Ausfälle unabhängig voneiander eintreten sollen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass erstmalig ein Ausfall beim tausendsten Schaltvorgang passiert? Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 15
17 Verallgemeinerungen der geometrischen Verteilung Mitunter zählt man in der Situation zur geometrischen Verteilung nur die Anzahl der Versuche, bevor der erste Erfolg eintritt, also die Anzahl der Misserfolge vor dem ersten Erfolg. Die möglichen Werte der Zufallsgröße sind dann k = 0, 1, 2,... und sie ist dann reduziert geometrisch verteilt. Werden in derselben Situation die Teilversuche solange wiederholt, bis der r te Erfolg eingetreten ist (r N), besitzt die zufällige Anzahl X der durchgeführten Teilversuche eine negative Binomialverteilung mit den Parametern r und p. Dann gelten ( ) k 1 P (X = k) = p r (1 p) k r, k = r, r + 1,..., r 1 EX = r r(1 p) und VarX = p p 2. Bei der geometrischen und der negativen Binomialverteilung wird in Statistikprogrammen oft die Anzahl der Fehlversuche und nicht die Anzahl der Versuche als Zufallgröße betrachtet. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 16
18 3.3.6 Poissonverteilung Parameter: λ > 0 (die Intensität der Poissonverteilung). Zufallsgröße X mit möglichen Werten k = 0, 1, 2,.... Zugehörige Wahrscheinlichkeiten: Es gelten p k = P (X = k) = λk k! e λ, k = 0, 1, 2,.... Bezeichnung: X Poi(λ). EX = λ und VarX = λ. Eigenschaft: X 1 Poi(λ 1 ), X 2 Poi(λ 2 ), unabhängig X 1 + X 2 Poi(λ 1 + λ 2 ). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 17
19 Poissonverteilungen Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 18
20 Anwendungen der Poissonverteilung Anwendung: Häufig beschreiben poissonverteilte Zufallsgrößen die Anzahl von bestimmten Ereignissen ( Poissonereignisse, z.b. Schadensfälle) in festen Zeitintervallen, wenn die Ereignisse zu zufälligen Zeitpunkten eintreten (auch analog an zufälligen Orten oder ähnliches) und das Folgende gilt. Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer bestimmten Anzahl dieser Poissonereignisse hängt nur von der Länge des betrachteten Zeitintervalls ab, nicht wann dieses beginnt oder endet (Stationarität). Die zufälligen Anzahlen der eingetretenen Poissonereignisse sind für sich nicht überschneidende Zeitintervalle stochastisch unabhängig (Nachwirkungsfreiheit). Die betrachteten Poissonereignisse treten einzeln ein, nicht gleichzeitig, die zufälligen Anzahlen ändern sich somit von Moment zu Moment höchstens um den Wert 1 (Ordinarität). Beispiele: Anzahl von Telefonanrufen, Anzahl von emittierten Teilchen in Physik (radioaktiver Zerfall), Anzahl von Unfällen, Anzahl von Schadensfällen, Anzahl von Niveauüberschreitungen. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 19
21 Poissonverteilung und Binomialverteilung Ist eine zufällige Zählgröße X binomialverteilt, der Parameter n aber groß und der Parameter p klein (Faustregel: np 10 und gleichzeitig n 1500p, sogenannte seltenen Ereignisse ), dann kann man die Wahrscheinlichkeiten näherungsweise mit Hilfe einer Poissonverteilung mit Parameter λ = np berechnen, d.h. P (X = k) = ( n k )p k (1 p) n k λk k! e λ (dies folgt aus dem Grenzwertsatz von Poisson). Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 20
22 Übungsaufgaben Poissonverteilung An einer Tankstelle kommen werktags zwischen 16:00 und 18:00 Uhr durchschnittlich 4 Fahrzeuge pro Minute an. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass während einer Minute im betrachteten Zeitbereich mindestens 3 Fahrzeuge ankommen, wenn man davon ausgeht, dass die zufällige Anzahl der ankommenden Fahrzeuge poissonverteilt ist? Es werden 50 Erzeugnisse aus einer Lieferung mit einer Ausschusswahrscheinlichkeit von 0.01 untersucht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich höchstens ein fehlerhaftes Erzeugnis unter den 50 Erzeugnissen befindet? Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff (TUBAF) Stochastik/Statistik für Ingenieure Vorlesung 4 21
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