Öffentliche Haushalte in Ostdeutschland
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- Arthur Böhme
- vor 7 Jahren
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1 Strukturvergleich der Länderhaushalte in Ost und West: Anteile verschiedener Ausgabenkategorien an den Gesamtausgaben Personalausgaben 22% Ostdeutsche 1992 Laufender Sachaufwand Zinsausgaben 0% Lfd. Zuweisungen und Zuschüsse 38% 12% 3% 40% Westdeutsche 1992 Sonstige 28% Sachinvestitionen 5% 23% 38% 6% 30% 8% 15% Ostdeutsche % 9% 2% Westdeutsche % 3 Quelle: in Abgrenzung der Finanzstatistik, Blum et al. 2009, S. 90, Westdeutsche mit Gebietsstand vor 1991; Sonstiges: Vermögensübertragungen, Darlehen, Erwerb von Beteiligungen, Tilgungsausgaben an andere öffentliche Haushalte Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de; Bundeszentrale für politische Bildung, 2011, Seite 1
2 1. Haushaltsordnung der DDR: Instrument zentraler politischer Lenkung Die Aufstellung des staatlichen Haushalts, die Festlegung der Ausgaben sowie der Quellen für ihre Finanzierung waren in der DDR streng zentralistisch orientiert. 1 Das Ministerium der Finanzen hatte gegenüber den Bezirken sowie allen anderen Trägern öffentlicher Finanzen ein Weisungsrecht, die Bezirke wiederum hatten ein Weisungsrecht gegenüber den Gemeinden. Regelungen des horizontalen bzw. vertikalen Finanzausgleichs wie in Westdeutschland gab es nicht. Der Zentralismus zeigte sich auch darin, dass nahezu drei Viertel (1989: 73 %) der Ausgaben vom Zentralstaat getätigt wurden. Bei der Finanzierung des DDR-Staatshaushalts machten die nur bedingt mit Steuern vergleichbaren und nicht nach allgemeingültigen Kriterien von der Staatsführung festgelegten Abführungen der volkseigenen Kombinate und Betriebe (zu nennen sind hier die Produktionsfondsabgabe, die Handelsfondsabgabe, die Nettogewinnabführungen, produktbezogene Abgaben sowie der Beitrag für gesellschaftliche Fonds) den Löwenanteil aus. Die Steuereinkünfte beliefen sich im Jahr 1988 lediglich auf 7,7 Prozent der Gesamteinnahmen. Dabei gab es für einige Berufszweige und Unternehmensgruppen spezifische Steuertarife, mit denen politische 1 Zu den im Folgenden dargestellten Regelungen in der DDR vgl. Gutachten der Deutschen Bank DDR Wirtschafts- und Währungsunion vom 18. Juni 1990; Quelle: Deutsche Bank DDR Wirtschafts- und Währungsunion, php3? date_value= &sort= , gelesen am 18. Februar Lenkungsziele (wie zum Beispiel die Diskriminierung marktwirtschaftlicher Aktivitäten) verfolgt wurden. Auf der Ausgabenseite war der öffentliche Haushalt durch die Vergabe von Subventionen geprägt, mit denen die Lenkung der Wirtschaft und politische Ziele unterstützt werden sollten (so zum Beispiel niedrige Preise für die Endverbraucher). 2. Transfer der westdeutschen Haushaltsregelungen mit der Einigung Mit der Revolution in der DDR und dem Vollzug der deutschen Einheit wurden neben der Wiedereinführung von Demokratie und Marktwirtschaft auch die Kommunale Selbstverwaltung und die Autonomie der schon früher existierenden ostdeutschen Länder wieder hergestellt. Um die neugeschaffenen Länder- und Kommunalhaushalte zu finanzieren, wurden wie in den meisten anderen Bereichen des öffentlichen Sektors die westdeutschen Regelungen übernommen. Speziell die Übernahme der westdeutschen Vorgaben im Bereich der innerstaatlichen Steueraufteilung hat zu den heutigen Finanzierungsproblemen von Ländern und Kommunen in Ostdeutschland beigetragen. Dies soll im Folgenden erläutert werden. 3. Strukturelle Besonderheiten ostdeutscher Länderhaushalte Hinsichtlich der Länderhaushalte zeigen sich auf der Ausgabenseite im Ost-West-Vergleich einige Strukturunterschiede, die sich seit Beginn der Transformation kaum verändert haben (van Deuverden 2009, S. 90f.). So ist der Anteil der Personalausgaben an den Seite 2
3 Gesamtausgaben der Länder im Osten deutlich niedriger als im Westen. Zu Beginn der 1990er Jahre dürften hierzu die niedrigeren Entgelte im öffentlichen Dienst der neuen Länder beigetragen haben; dem Anstieg der Entgelte im Zeitverlauf wirkte ein stetiger Personalabbau entgegen. Der Anteil der Zinsausgaben an den Gesamtausgaben hat sich im Westen seit Beginn der 1990er Jahre kaum verändert. In Ostdeutschland waren die Zinsausgaben seinerzeit fast bedeutungslos, während ihr Anteil mittlerweile fast den westdeutschen Wert erreicht hat. Dies zeigt an, dass die ostdeutschen Länder, was ihren Verschuldungsgrad betrifft, inzwischen beschleunigt aufgeholt haben. Auf der Einnahmenseite ist der Anteil der Steuern an den Gesamteinnahmen der Länder im Osten (im Jahr 2005: 46,6 %) unverändert deutlich niedriger als im Westen (im Jahr 2005: 76,5 %) (vgl. Finanzbericht 2007, S. 161). Spiegelbildlich hierzu fallen die Zuweisungen des Bundes an die Länder unterschiedlich aus. 4. Tendenzen der Angleichung und Divergenz bei Kommunalhaushalten Die Entwicklung der Kommunalhaushalte in Ostdeutschland seit Beginn der 1990er Jahre zeigt auf der Ausgabenseite eine Tendenz der Angleichung an die Verhältnisse im Westen (vgl. Diagramm Entwicklung ausgewählter Einnahmen- und Ausgabenarten der ostdeutschen Kommunen ); besonders deutlich ist der Angleichungsprozess bei den Personalausgaben. Hier haben die ostdeutschen Kommunen die Ausgaben kontinuierlich zurückgeführt (von etwa 150 Prozent der westdeutschen Personalausgaben auf im Jahr 2007 knapp unter 100 Prozent) (vgl. Rosenfeld 2010). Nach Schätzungen des Deutschen Städtetages wurden für 2009 im Osten wieder etwas höhere Pro-Kopf-Personalausgaben als im Westen erwartet (Anton/Diemert 2009, S. 7). Eine Anpassung in umgekehrter Richtung vollzog sich bei den laufenden Übertragungen an übrige Bereiche: in dieser Haushaltsposition kommen die kommunalen Sozialausgaben zum Ausdruck. Infolge von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des Bundes in den 1990er Jahren waren die Sozialausgaben der Kommunen im Osten zunächst deutlich niedriger als in den alten Ländern. Mittlerweile haben die ostdeutschen Kommunen auch ihre Sachinvestitionen stark reduziert und weitgehend an die Größenordnungen im Westen angenähert. Auf der Einnahmenseite der kommunalen Haushalte zeigen sich demgegenüber immer noch gravierende Unterschiede zwischen Ost und West: im Osten sind die Probleme der Steuerschwäche bzw. der Abhängigkeit der Kommunen von staatlichen Zuweisungen wesentlich größer als im Westen. Bei den Steuereinnahmen ist nach einer schwachen Annäherung an das westdeutsche Niveau etwa seit dem Jahr 2005 eine Stagnation eingetreten. Die Steuereinnahmen der ostdeutschen Kommunen verharren seither bei einem Wert von knapp unter 50 Prozent des Westniveaus (je Einwohner gerechnet; vgl. Diagramm Entwicklung ausgewählter Einnahmen- und Ausgabenarten der ostdeutschen Kommunen ). Sehr deutlich ausgeprägt sind die Unterschiede ebenfalls bei den Investitionszuweisungen der Länder an die Kommunen Seite 3
4 erhielten die ostdeutschen Kommunen je Einwohner mehr als 250 Prozent des Betrags an Zuweisungen für Investitionen, den die Kommunen im Westen realisieren konnten. Aufgrund ihrer geringen Steuereinnahmen sind die ostdeutschen Kommunen auf diese Zuweisungen angewiesen, um überhaupt investieren zu können. Auch infolge der anhaltenden Steuerschwäche haben sich die ostdeutschen Kommunen bei der kommunalen Verschuldung mittlerweile weitgehend an die Situation im Westen angeglichen. Das Problem der Steuerschwäche der ostdeutschen Kommunen ist keineswegs nur ein Effekt des wirtschaftlichen Rückstandes des privaten Sektors in den neuen Ländern, sondern es ist auch auf die bestehenden Regelungen des (vom Westen übernommenen) kommunalen Finanzsystems zurückzuführen. Diese Regelungen mussten in Ostdeutschland aufgrund der hier gegebenen wirtschaftlichen Strukturen zwangsläufig zu Finanzproblemen bei den Kommunen führen. So knüpfen die kommunalen Steuern überwiegend am Einkommen sowie am Ertrag von Unternehmen an folglich an Faktoren, die in strukturschwachen Kommunen fast durchgängig eher ungünstig ausgeprägt sind (was z. B. beim Einzelhandelsumsatz oder bei der gesamten lokalen Wertschöpfung weniger der Fall wäre). Eine nachhaltige Reform des kommunalen Einnahmensystems, wie sie von Seiten der Wissenschaft seit Jahren gefordert wird, (vgl. Reform der Gemeindefinanzen 2003) könnte mithin dazu beitragen, die Zuweisungsabhängigkeit der ostdeutschen Kommunen zu reduzieren. Als Grundelemente einer solchen Reform kommen vor allem ein Ausbau der Gewerbesteuer in Richtung auf eine Wertschöpfungsteuer (Erweiterung der Bemessungsgrundlage um ertragsunabhängige Elemente der Wertschöpfung, Erweiterung des Kreises der steuerpflichtigen Firmen), eine Modernisierung der Grundsteuer (Aktualisierung der für die Besteuerung herangezogenen Immobilienwerte, Erhöhung der Steuersätze) sowie kommunale Hebesätze für die Einkommensteuer in Frage. Autor Martin T.W. Rosenfeld, Institut für Wirtschaftsforschung Halle (Abt. Stadtökonomik) Literaturhinweise Anton, S./Diemert, D.: Gemeindefinanzbericht 2009, in: Der Städtetag, Jg. 2009, Heft 5, S Finzanzbericht 2007 des Bundesministeriums der Finanzen, Berlin Reform der Gemeindefinanzen Ein Vorschlag der Bertelsmann- Stiftung (unter Mitwirkung von G. Färber/A. Fugmann-Heesing/M. Junkernheinrich), Gütersloh Rosenfeld, M.T.W.: Kommunalfinanzen in Ostdeutschland Entwicklung, strukturelle Probleme und mögliche Lösungsansätze, in: Wirtschaft im Wandel, Jg. 16 (2010), Themenheft II 20 Jahre Deutsche Einheit, S Van Deuverden, K.: Öffentliche Länderhaushalte Strukturvergleich, in: Blum et al., Ostdeutschlands Transformation im Spiegel wirtschaftlicher und sozialer Indikatoren, IWH-Sonderheft 1/2009, Halle Seite 4
5 Entwicklung ausgewählter Einnahmen- und Ausgabenarten (Euro pro Einwohner) der ostdeutschen Kommunen* im Vergleich zu den westdeutschen Kommunen (ohne Stadtstaaten) Werte für Westdeutschland = 100 Prozent Prozent Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen (von öffentlichem Bereich) Ausgaben für Personal Ausgaben für Sachinvestitionen Ausgaben für laufende Übertragungen an übrige Bereiche Einnahmen aus Steuern (netto) Jahr * Kreise, kreisfreie Städte plus kreisangehörige Gemeinden Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de; Bundeszentrale für politische Bildung, 2011, Seite 5
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