Grundlagen der THEORETISCHEN PHILOSOPHIE
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- Rosa Grosser
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1 Philosophische Fakultät Institut für Philosophie Lehrstuhl für Theoretische Philosophie Dr. Holm Bräuer MBA Grundlagen der THEORETISCHEN PHILOSOPHIE Sommersemester
2 Philosophische Fakultät Institut für Philosophie Lehrstuhl für Theoretische Philosophie Dr. Holm Bräuer MBA 1. Philosophische Argumente 79
3 Was ist eigentlich ein Argument? 80
4 ARGUMENTE 81
5 Ein Argument ist die Stützung einer Überzeugung (Aussage, These, Annahme etc.) durch Gründe. inhaltlich 82
6 Ein Argument ist eine Aneinanderreihung von Aussagen. formal 83
7 Abtreibung ist moralisch unzulässig weil Mord moralisch unzulässig und Abtreibung Mord ist. 84
8 Abtreibung ist moralisch unzulässig weil Mord moralisch unzulässig und Abtreibung Mord ist. Eine der Aussagen in einem Argument ist das, wofür argumentiert wird die sogenannte These. Technisch gesprochen handelt es sich um die Konklusion eines Arguments. 85
9 Abtreibung ist moralisch unzulässig weil Mord moralisch unzulässig und Abtreibung Mord ist. Die anderen Aussagen bestehen in der Angabe dessen, worauf sich die These stützt die sogenannten Gründe. Technisch gesprochen handelt es sich um die Prämissen eines Arguments. 86
10 Erste Prämisse Zweite Prämisse Konklusion Mord ist moralisch unzulässig. Abtreibung ist Mord. Abtreibung ist moralisch unzulässig. 87
11 Ein Argument lässt sich auf zweierlei Weise bestreiten: (1) Durch den Nachweis, dass es sich um kein gültiges Argument handelt (formale Gültigkeit). (2) Durch ein weiteres Argument, das zeigt, dass eine oder mehrere Prämissen unzulässig sind (materiale Gültigkeit). 88
12 Wann ist ein Argument formal gültig? 89
13 Ein Argument ist formal gültig, genau dann wenn die in der Konklusion übermittelte Information in der von den Prämissen übermittelten Information enthalten ist. 90
14 Ein Argument ist formal gültig, genau dann wenn die Konklusion von den Prämissen logisch impliziert wird. 91
15 Ein Argument ist formal gültig, genau dann wenn die Konklusion notwendigerweise wahr sein muss, sofern die Prämissen wahr sind. 92
16 Ein Argument ist formal gültig, genau dann wenn es ausgeschlossen ist, dass die Prämissen wahr sind und die Konklusion falsch ist. 93
17 Franz ist ein Junggeselle. Junggesellen sind unverheiratet. Also ist Franz unverheiratet. Gültig? 94
18 Modus Ponens p wenn p, dann q also: q 95
19 Wenn Franz ein Junggeselle ist, dann ist er unverheiratet. Franz ist unverheiratet. Also ist Franz ein Junggeselle. Gültig? 96
20 Umkehrschluss wenn p, dann q q also: p 97
21 Mord ist moralisch unzulässig. Abtreibung ist Mord. Abtreibung ist moralisch unzulässig. Gültig? 98
22 Die Macht der rationalen Argumentation Falls ein Argument formal gültig ist und der Opponent alle Prämissen des Arguments akzeptiert, dann ist er gezwungen, der Konklusion zuzustimmen. 99
23 Wann ist ein Argument material gültig? 100
24 Wenn man die (materiale) Gültigkeit einer Annahme in einem Argument bestreiten möchte, dann benötigt man dazu wieder ein Argument, welches direkt oder indirekt geführt werden kann. 101
25 BESTREITUNG EINER ANNAHME DURCH EIN DIREKTES ARGUMENT 102
26 Abtreibung ist Mord. Mord ist moralisch unzulässig. Also ist Abtreibung moralisch unzulässig. 103
27 Ein Mord liegt nur dann vor, wenn ein Mensch vorsätzlich getötet wurde. Abtreibung besteht in der vorsätzlichen Tötung eines Fötus. Ein Fötus ist (noch) kein Mensch. Also ist Abtreibung kein Mord. Auch dieses Argument muss natürlich formal gültig sein! 104
28 Abtreibung ist Mord. Mord ist moralisch unzulässig. Also ist Abtreibung moralisch unzulässig. 105
29 BESTREITUNG EINER ANNAHME DURCH EIN INDIREKTES ARGUMENT reductio ad absurdum, indirekter Beweis 106
30 Eine Aussage lässt sich bestreiten bzw. stützen, indem gezeigt wird, dass aus ihrer Negation ein Widerspruch zu anderen, bereits anerkannten Thesen folgt. Dieses Argumentschema nennt man indirekter Beweis oder reductio ad absurdum. 107
31 Wir wollen (indirekt) zeigen, dass Abtreibung kein Mord ist. Annahme: Abtreibung ist Mord. (Negation des zu Beweisenden) Anerkannte These: Mord ist etwas, das grundsätzlich verboten ist. Erste Konklusion: Abtreibung ist grundsätzlich verboten. Anerkannte These: Abtreibung ist nicht grundsätzlich verboten. Widerspruch: Abtreibung ist und ist nicht grundsätzlich verboten. Konklusion: Abtreibung ist kein Mord. (via reductio ad absurdum) 108
32 Abtreibung ist Mord. Mord ist moralisch unzulässig. Also ist Abtreibung moralisch unzulässig. 109
33 Beim Argumentieren kann viel schief gehen 110
34 PROBLEME BEI DER BEGRIFFSVERWENDUNG und warum Philosophen ihre wichtigsten Begriffe definieren. 111
35 VAGHEIT 112
36 rot 113
37 Vage Begriffe besitzen keine starren Anwendungsbedingungen. Sie können in einem Kontext auf ein bestimmtes Objekt korrekt anwendbar sein, in einem anderen Kontext jedoch nicht. 114
38 Anwendungskontexte Biologie: menschliches Lebewesen mit einem x und y Chromosomensatz Mann Psychologie: menschliches Lebewesen mit typisch männlichen Wesenszügen (primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale) Soziologie: volljähriger Mensch mit typisch männlichen Verhaltensweisen 115
39 Die meisten alltagssprachlichen Begriffe sind vage Begriffe. Ein erheblicher Teil der wissenschaftlichen Begriffsbildung besteht darin, die verwendeten Ausdrücke von Vagheit zu befreien. Warum? 116
40 MEHRDEUTIGKEIT AMBIGUITÄT 117
41 Deutsche Bank 118
42 Ein mehrdeutiger Begriff hat in verschiedenen Kontexten verschiedene Bedeutungen. 119
43 Viele alltagssprachliche Begriffe sind mehrdeutig. Die wissenschaftlichen Begriffsbildung versucht, die verwendeten Ausdrücke von Mehrdeutigkeit zu befreien. Warum? 120
44 Vagheit und Mehrdeutigkeit führen zu ÄQUIVOKATIONEN 121
45 Eine Äquivokation ist ein Fehlschluss, der zustande kommt, wenn ein Wort auf Grund von Vagheit oder Mehrdeutigkeit innerhalb eines Arguments verschieden verwendet wird. 122
46 Fehlschluss durch Äquivokation Alle Menschen sind sterblich. Alle Griechen sind Menschen. Also sind alle Griechen sterblich. Herakles ist ein Grieche. Also ist Herakles sterblich. Welches Wort wurde äquivok gebraucht? 123
47 Variante 1 Alle Menschen (exklusive Halbgöttern) sind sterblich. Alle Griechen sind Menschen (inklusive Halbgöttern). Also sind alle Griechen sterblich. Herakles ist ein Grieche. Also ist Herakles sterblich. 124
48 Variante 2 Alle Menschen sind sterblich. Alle Griechen (exklusive Halbgöttern) sind Menschen. Also sind alle Griechen sterblich. Herakles ist ein Grieche (inklusive Halbgöttern). Also ist Herakles sterblich. 125
49 SCHEINBEGRIFFE UND SCHEINBEHAUPTUNGEN 126
50 Was passiert eigentlich, wenn ein Ausdruck keine Anwendungsbedingungen besitzt? Das kommt gerade in der Philosophie leider gar nicht so selten vor. 127
51 Das Nichts nichtet. Martin Heidegger Was ist Metaphysik? (1929) 128
52 Wann ist ein Satz der Form Soundso nichtet. wahr bzw. falsch? 129
53 Heidegger führt einen neuen Ausdruck (nichten) in die Sprache ein, ohne ihn zu definieren. Die Aussage ist daher bedeutungslos/sinnlos und gehört in den Bereich der Dichtkunst. 130
54 Worauf trifft der Ausdruck das Nichts zu? 131
55 Ich habe im Schrank nachgeschaut, aber ich habe dort nichts gefunden. Der gewöhnliche Ausdruck nichts wird nicht als Name oder Bezeichnung, sondern als ein satzstelliges Adverb gebraucht. 132
56 Korrekte Verwendungsweise Ich habe im Schrank nachgeschaut. Es ist nicht der Fall, dass ich dort etwas gefunden habe. Falsche Verwendungsweise Ich habe im Schrank nachgeschaut. Dort habe ich das Nichts gefunden. 133
57 Wenn eine Aussage einen Ausdruck enthält, der keine Anwendungsbedingungen besitzt ( nichten ), und/oder wenn in einer Aussage ein Ausdruck logisch inkorrekt verwendet wird ( das Nichts ), dann handelt es sich um eine: Scheinbehauptung 134
58 Offensichtliche Scheinbehauptungen: Cäsar ist eine Primzahl. (logisch inkorrekte Verwendung) Cäsar ist babig. (keine Anwendungsbedingungen) Weniger offensichtliche Scheinbehauptungen: Das Sein hat sein Wesen in der Verwirklichung. Am Dasein wirkt das Prinzip der Differenz in der Identität. Der absolute Geist kommt in sich selbst zu Bewusstsein. Das Nicht-Ich ist eine Emanation des Ichs. Das Ich setzt sich selbst. Das Nichts nichtet. 135
59 METHODISCHE HILFSMITTEL Definitionen und Explikationen 136
60 DEFINITIONEN 137
61 Um Vagheiten, Mehrdeutigkeiten oder Missverständnisse zu vermeiden, definieren Philosophen ihre wichtigsten Begriffe. 138
62 Ein Nephograph ist ein Gerät, das die verschiedenen Arten und die Dichte der Bewölkung fotographisch aufzeichnet. 139
63 Eine Definition stellt eine Identitätsbeziehung zwischen einem zu definierenden Begriff (dem Definiendum) und einem oder mehreren anderen definierenden Begriffen (dem Definiens) her. 140
64 Ein Nephograph ist ein Gerät, das die verschiedenen Arten und die Dichte der Bewölkung fotographisch aufzeichnet. Definiendum = def Definiens Definiendum: Nephograph Definiens: Gerät, das die verschiedenen Arten und die Dichte der Bewölkung fotographisch aufzeichnet 141
65 Nominaldefinitionen sind konventionell eingeführte Abkürzungen. Der zu definierende Begriff wird dabei relativ willkürlich gewählt. Nominaldefinitionen sind notwendig wahr. true by convention 142
66 Ein Nephograph ist ein Gerät, das die verschiedenen Arten und die Dichte der Bewölkung fotographisch aufzeichnet. Eine Primzahl ist nur durch 1 und sich selbst teilbar. 143
67 Realdefinitionen decken wesentliche Zusammenhänge auf. Der zu definierende Begriff besitzt bereits Anwendungsbedingungen, welche durch die Definition erst explizit gemacht werden sollen. Realdefinitionen können sich als falsch herausstellen. true by the facts 144
68 Gold ist ein chemisches Element mit der Kernladungszahl 79. Wasser ist H 2 O. 145
69 Welche Aussichten auf Erfolg billigen Sie einer Realdefinition zu, wenn die Mehrheit der Alltagsbegriffe vage oder mehrdeutig ist? 146
70 Rekursive (induktive) Definitionen bestimmen einen Begriffs dadurch, dass ein besonderer Anwendungsfall aufgeführt und eine Regel festgelegt wird, durch die sich alle weiteren Anwendungsfälle bestimmen lassen. 147
71 Die Menge der natürlichen, ganzen Zahlen Rekursionsanfang: 0 ist eine natürliche Zahl. Rekursionsschritt: Wenn n eine natürliche Zahl ist, dann ist auch n+1 eine natürliche Zahl. Rekursionsabschluss: Nichts sonst ist eine natürliche Zahl. 148
72 Ostensive (hinweisende) Definitionen bestehen in der Erklärung eines Begriffs durch das hinweisende Aufzeigen seiner Anwendungsfälle. Wenn ein neuer Begriff durch eine ostensive Definition eingeführt wird, besitzt die Definition den Charakter einer Nominaldefinition; sonst handelt es sich um eine Realdefinition. 149
73 Dies ist rot. Das dort ist ein Apfel. Dieses Kind soll Theodor heißen. 150
74 EXPLIKATIONEN 151
75 Begriffsexplikationen greifen bestimmte für den jeweils verfolgten Zweck optimale Anwendungskontexte eines vagen oder mehrdeutigen Begriffs heraus. Die Anwendungskontexte legen die Verwendung des explizierten Begriffs fest. 152
76 Anwendungskontexte Biologie: menschliches Lebewesen mit einem x und y Chromosomensatz Mann Psychologie: menschliches Lebewesen mit typisch männlichen Wesenszügen (primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale) Soziologie: volljähriger Mensch mit typisch männlichen Verhaltensweisen 153
77 Explikandum Explikat Ein Mann 1 ist ein (i) menschliches Lebewesen, (ii) mit einem x- und einem y-chromosomensatz. Ein Mann 2 ist ein (i) menschliches Lebewesen, (ii) mit einem x- und einem y-chromosomensatz, (iii) das älter als 18 Jahre ist. Ein Mann 3 ist ein (i) menschliches Lebewesen, (ii) das älter als 18 Jahre ist, und (iii) typisch männliche Wesenszüge aufweist. 154
78 Eine Begriffsexplikation beruht im Unterschied zu einer Definition nicht auf einer Identitätsbeziehung. Das Explikat kann verschieden vom Explikandum sein! Eine Explikation ist nicht wahr oder falsch, sondern höchstens angemessen (adäquat) oder unangemessen (inadäquat). 155
79 Adäquatheitsbedingungen Explikandum und Explikat müssen ähnliche Anwendungsbedingungen besitzen. Explikat muss exakter als Explikandum sein. Explikat muss fruchtbarer sein. Explikat muss einfacher sein. 156
80 BEGRIFFSANALYSE philosophische Analyse, reduktive Definition 157
81 Wenn es darum geht, grundlegende philosophische Begriffe (wie Wissen, Rechtfertigung, Gerechtigkeit, Gesetz, Wert usw.) zu klären, dann wird das Bemühen um eine Definition zum philosophischen Selbstzweck. Definition als Hilfsmittel vs. Definition als Selbstzweck 158
82 Wissen ist (i) eine Überzeugung, die (ii) wahr ist und (iii) von einer Autorität stammt. 159
83 Es ist möglich, etwas zu wissen, auch wenn es von keiner Autorität stammt. Die dritte Bedingung ist nicht notwendig. 160
84 Notwendige Bedingungen sind diejenigen Merkmale, die jedes Exemplar, das unter den zu definierenden Begriff (Definiendum) fällt, auch tatsächlich besitzt. 161
85 Von links nach rechts lesen! Wenn jemand etwas weiß, dann glaubt er es. Wenn jemand etwas weiß, dann ist es wahr. Wenn jemand etwas weiß, dann stammt es von einer Autorität. (falsch, daher nicht notwendig) 162
86 Wissen ist (i) eine Überzeugung, die (ii) wahr ist. 163
87 Es ist möglich, eine wahre Überzeugung zu besitzen, bei der es sich nicht um Wissen handelt. Beispiel: Raten und zufällig richtig liegen. Überzeugung und Wahrheit sind zusammen nicht hinreichend für Wissen. 164
88 Hinreichende Bedingungen sind diejenigen Merkmale, die, wenn sie gemeinsam gegeben sind, ausschließlich zu Exemplaren des zu definierenden Begriffs (Definiendum) führen. 165
89 Von rechts nach links lesen! Wenn jemand etwas glaubt und es wahr ist, dann weiß er es. (falsch, daher nicht hinreichend) 166
90 Falls jede der angeführten Bedingungen notwendig ist und die Bedingungen gemeinsam hinreichend sind, dann ist die angebotene Begriffsanalyse adäquat. 167
91 Wissen ist (i) eine Überzeugung, die (ii) wahr und (iii) gerechtfertigt ist. Handelt es sich hierbei um eine adäquate Begriffsanalyse? 168
92 TYPISCHE ARGUMENTATIONSPROBLEME 169
93 WIDERSPRÜCHE UND ANTINOMIEN 170
94 Es regnet und es regnet nicht. Also steigen die Aktienkurse. 171
95 Ex Falso Quodlibet Aus einem widersprüchlichen System von Aussagen ist jede beliebige Aussage ableitbar. Es ist daher unbrauchbar. 172
96 Ein Widerspruch ist eine Aussage der Form A und nicht-a 173
97 Inkonsistenz Eine Menge von Aussagen (eine Theorie) heißt inkonsistent, wenn sich ein Widerspruch aus ihr ableiten lässt. 174
98 T impliziert A und nicht-a 175
99 Es regnet. Wenn die Sonne scheint, dann regnet es nicht. Die Sonne scheint. impliziert Es regnet und es regnet nicht. 176
100 Antinomie Bei einer Antinomie handelt es sich um einen Widerspruch, bei dem die beiden zueinander in Widerspruch stehenden Aussagen gleichermaßen gut begründet (bewiesen) sind. 177
101 DIE ANTINOMIEN DES REINEN VERSTANDES (IMMANUEL KANT) 178
102 Die Natur von Raum und Zeit A Nicht-A Die Welt hat einen Anfang in der Zeit, und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen. Die Welt hat keinen Anfang, und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung der Zeit, als des Raumes, unendlich. 179
103 Die Teilbarkeit der Materie A Nicht-A Eine jede zusammengesetzte Substanz in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert überall nichts als das Einfache, oder das, was aus diesem zusammengesetzt ist. Kein zusammengesetztes Ding in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert überall nichts Einfaches in derselben. 180
104 Kausalität kontra Freiheit A Nicht-A Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen notwendig. Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur. 181
105 Zufall versus Determinismus A Nicht-A Zu der Welt gehört etwas, das, entweder als ihr Teil, oder ihre Ursache, ein schlechthin notwendiges Wesen ist. Es existiert überall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch außer der Welt, als ihre Ursache. 182
106 PERFORMATIVE WIDERSPRÜCHE 183
107 Dieser Satz ist falsch. 184
108 Kann man diese Frage nur verneinen? 185
109 Ein performativer Widerspruch besteht, wenn - die Wahrheit einer Aussage ihre Falschheit, - die Falschheit einer Aussage ihre Wahrheit, - die Bejahung einer Frage ihre Verneinung, oder - die Verneinung einer Frage ihre Wahrheit voraussetzt. 186
110 Ein performativer Widerspruch besteht, wenn A präsupponiert nicht-a 187
111 Transzendentale Argumente Ein Argument, das zeigt, dass sich aus einer Annahme ein performativer Widerspruch ableiten lässt, nennt man manchmal ein transzendentales Argument. Technisch gesehen handelt es sich dabei um eine Form des indirekten Beweises (reductio ad absurdum). 188
112 PARADOXIEN 189
113 Eine Paradoxie entsteht dann, wenn aus einer wohlbegründeten Theorie eine Aussage folgt, die im Widerspruch zur landläufigen, weit verbreiteten Meinung (common sense) steht. 190
114 Common Sense Theorie enthält impliziert A Nicht-A A und nicht-a Die Theorie lässt sich nicht mit der landläufigen Auffassung vereinbaren. Die Theorie ist dabei nicht intern widersprüchlich oder inkonsistent. 191
115 DIE RABENPARADOXIE 192
116 Annahmen der Bestätigungstheorie (1) Ein Gesetz wird durch die Beobachtung seiner Instanzen bestätigt. (2) Die Bestätigung eines Gesetzes hängt von seinem Inhalt ab, nicht davon, wie es formuliert wird. 193
117 Alle Raben sind schwarz. 194
118 Alle Raben sind schwarz. ist äquivalent mit/ bedeutet dasselbe wie Alle nicht-schwarzen Gegenstände sind keine Raben. 195
119 Alle nicht-schwarzen Gegenstände sind keine Raben. 196
120 Common Sense Bestätigungstheorie enthält impliziert Das Gesetz Alle Raben sind schwarz lässt sich nicht durch die Beobachtung von weißen Kreidestücken bestätigen Das Gesetz Alle Raben sind schwarz lässt sich durch die Beobachtung von weißen Kreidestücken bestätigen denn sonst könnten wir Vogelkunde im Lehnstuhl betreiben. da weiße Kreidestücke nicht-schwarze Gegenstände und keine Raben sind. 197
121 DILEMMATA 198
122 Dilemma auch Zwickmühle, bezeichnet eine Situation, die zwei Wahlmöglichkeiten bietet, welche jedoch beide zu einem unerwünschten Resultat führen. Auch der Zwang zu einer Auswahl zwischen zwei positiven Möglichkeiten kann ein Dilemma sein. 199
123 Zwei getrennt einsitzenden Untersuchungshäftlingen, Joe und Jim, wurde eine kleine Straftat nachgewiesen. Nun sollen sie eine weitere, größere Straftat gestehen. Der Staatsanwalt bietet ihnen die folgenden Alternativen an: 200
124 Derjenige, der die bislang nicht nachweisbare Haupttat straffrei gesteht, geht straffrei aus, falls der andere nicht gesteht. 1 Jahr Gefängnis Beide bekommen für die bereits nachgewiesene Straftat ein Jahr Gefängnis, falls beide nicht gestehen. 5 Jahre Gefängnis Beide erhalten eine Strafe von fünf Jahren Gefängnis, falls beide die Haupttat gestehen. 10 Jahre Gefängnis Derjenige, der schweigt, erhält die doppelte Strafe (also 10 Jahre Gefängnis), falls der andere gesteht. 201
125 Wie soll sich Joe entscheiden? Schweigen: Sehr hohes Risiko auf zehn Jahre Gefängnis Gestehen: Hohes Risiko auf fünf Jahre Gefängnis 202
126 Wie soll sich Joe entscheiden? Joe schweigt Joe gesteht Jim schweigt 1 Jahr Gefängnis straffrei Jim gesteht 203
127 Wie soll sich Joe entscheiden? Joe schweigt Joe gesteht Jim schweigt Jim gesteht 10 Jahre Gefängnis 5 Jahre Gefängnis 204
128 Wie soll sich Jim entscheiden? Joe schweigt Joe gesteht Jim schweigt 1 Jahr Gefängnis Jim gesteht straffrei 205
129 Wie soll sich Jim entscheiden? Joe schweigt Joe gesteht Jim schweigt 10 Jahre Gefängnis Jim gesteht 5 Jahre Gefängnis 206
130 Was ist rational? Joe schweigt Joe gesteht Jim schweigt 2 x 1 Jahr Gefängnis 10 Jahre Gefängnis und straffrei Jim gesteht straffrei und 10 Jahre Gefängnis 2 x 5 Jahre Gefängnis 207
131 Eine rationale Entscheidung ist nicht immer eine optimale Entscheidung. 208
132 PETITIO PRINCIPII CIRCULUS VITIOSUS 209
133 Das früher verzehrte Brot hat mich ernährt; folgt aber daraus, dass ein anderes Brot, zu anderer Zeit, mich ebenfalls ernähren muss? Diese Folge ist durchaus nicht notwendig; wenigstens muss man anerkennen, dass hier eine Schlussart besteht, die der Erklärung bedarf. David Hume 210
134 Brot hat mich früher ernährt. Also wird mich Brot in Zukunft auch ernähren. 211
135 Humes Induktionsproblem Brot hat mich früher ernährt. Gleichartige Gegenstände haben gleichartige Wirkungen. Also wird Brot mich in Zukunft auch ernähren. 212
136 Eine Petitio Principii (lateinisch: fehlender Beweisgrund ) liegt vor, wenn in einem Argument eine beweisbedürftige Aussage als Prämisse (als Beweisgrund) verwendet oder vorausgesetzt wird. 213
137 Welche Art der Gültigkeit wird bei einer petitio principi in Frage gestellt? 214
138 Ein Sonderfall der petitio principii ist der Circulus Vitiosus (Zirkelschluss), bei dem die Konklusion schon in den Prämissen selbst vorkommt. 215
139 ZUSAMMENFASSUNG Argumentationsprobleme 216
140 Äquivokation Ein Argument scheitert, wenn es vage oder mehrdeutige Ausdrücke enthält und wenn diese Ausdrücke innerhalb des Arguments verschieden gebraucht werden. 217
141 Scheinbehauptung Ein Argument scheitert, wenn es Ausdrücke enthält, für die es keine Anwendungsbedingungen gibt, oder wenn es Ausdrücke enthält, die logisch inkorrekt verwendet wurden. 218
142 Widerspruch Ein Argument scheitert, wenn es eine Aussage der Form A und nicht-a enthält. 219
143 Inkonsistenz Ein Argument scheitert, wenn sich aus seinen Annahmen ein Widerspruch ableiten lässt. 220
144 Antinomie Ein Argument scheitert, wenn es für die Negation seiner These ein ebenso gutes Argument gibt. 221
145 Performativer Widerspruch Ein Argument scheitert, wenn es eine Aussage enthält, die ihre eigene Falschheit voraussetzt. 222
146 Paradoxie Ein Argument scheitert, wenn aus diesem nicht hinnehmbare Konsequenzen folgen. 223
147 Dilemma Ein Argument scheitert und führt in eine Sackgasse, wenn sowohl aus dessen Annahmen nicht hinnehmbaren Konsequenzen folgen, als auch aus deren Negation. 224
148 Petitio Principii Ein Argument scheitert, wenn es eine Prämisse voraussetzt oder enthält, die mindestens ebenso begründungsbedürftig ist wie die These, für welche argumentiert wird. 225
149 Circulus Vitiosus Ein Argument scheitert, wenn die Konklusion in den Prämissen bereits enthalten ist oder vorausgesetzt wird. 226
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