18 1. Morphologie: Grundlegendes. 1.3 Wortanalyse. Fußball und Feld und nicht etwa aus Fuß und Ballfeld zusammensetzt.
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- Chantal Schulze
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2 18 1. Morphologie: Grundlegendes rivation und Konversion. Drei dieser Wortbildungsarten ist gemeinsam, dass das neu gebildete Lexem eine reduzierte Form gegenüber der Basis aufweist. Es handelt es sich dabei um die Kürzung, die bkürzung und das kronym, durch die immer ein Kurzwort entsteht. Die Kürzung bezeichnet die Wortbildungsart, bei der ein Wort in seiner Substanz reduziert wird, indem an dessen nfang oder Ende Teile getilgt werden (z. B. Bus für Omnibus, Uni für Universität). Beim kronym werden einzelne Buchstaben bzw. Laute aus dem zugrunde liegenden usdruck so aneinandergereiht, dass sich ein neues Wort mit einer neuen Lautung ergibt (ELSTER für ELektronische STeuerERklärung, zubi für uszublldende(r)...). Die bkürzung teilt mit dem kronym die Eigenschaft, dass die neuen Bildungen dadurch entstehen, dass dem betreffenden usdruck einzelne Buchstaben bzw. Laute entnommen und aneinandergereiht werden. llerdings ergibt diese neinanderreihung bei der bkürzung im Unterschied zum kronym keine neuen Wörter, sondern eine bfolge von Buchstaben, deren ussprache den Buchstabennamen selbst im lphabet entspricht (LKW für Lastkraftwagen, SPD für sozialdemokratische Partei Deutschlands...). Eine weitere Wortbildungsart ist die Kontamination. Hierbei handelt es um die Verschmelzung zweier Wörter zu einem Wort, indem Teile aus beiden Wörtern entfernt werden (Bürotel aus Büro + Hotel, Tomoffel aus Tomate + Kartoffel...). Solche Bildungen werden auch Kofferwörter genannt. 1.3 Wortanalyse Lineare Segmentierung nterne Struktur komplexer Wörter Komplexe Wörter, d. h. Wörter, die aus zwei oder mehreren Morphemen bestehen, weisen eine interne Struktur auf und können in ihre einzelnen Morpheme zerlegt werden. Ein mögliches Verfahren hierzu wäre, die Morphemgrenzen innerhalb eines Wortes zu markieren, indem man die Morpheme voneinander trennt (z. B. Großltstadt, Fußltbaliltfeld, freundltlich, Sitzltungltsltsaal... ). Ein solches nalyseverfahren, bei dem ein komplexes Wort von links nach rechts in seine einzelnen Morpheme zerlegt wird, deckt auf, wie viele bzw. welche Morpheme in einem Wort enthalten sind. Bei diesem Verfahren kann auch nach der Segmentierung der Status der einzelnen Morpheme bestimmt werden: z. B. Wurzel, Präfix, Suffix... llerdings reicht ein derartiges lineares nalyseverfahren nicht aus, um die interne Struktur komplexer Wörter adäquat transparent zu machen. Denn ein komplexes Wort besteht nicht nur aus einer bloßen neinanderreihung von Morphemen. Vielmehr enthalten komplexe Wörter Teilstrukturen, die sich erst durch eine hierarchische nalyse erfassen lassen. Dies ist der Fall bei Wörtern, die aus drei oder mehr Morphemen bestehen. So ist es intuitiv fassbar, dass sich das Kompositum Fußballfeld aus den zwei Teilstrukturen Fußball und Feld und nicht etwa aus Fuß und Ballfeld zusammensetzt. Das gilt ebenso für das Kompositum Kopfbahnhof, dessen Teilstrukturen Kopf und Bahnhof, nicht etwa Kopfbahn und Hof sind. Beim ersteren Kompositum bilden das erste und das zweite Morphem, Fuß + Ball, eine Teilstruktur, beim Letzteren sind es das zweite und dritte Morphem, Bahn + Hof, die zu einer Einheit zusammengefügt werden.
3 1.3 Wortanalyse 19 Die interne Struktur von Fußballfeld und Kopfbahnhof kann durch ein li- neares nalyseverfahren nicht adäquat erfasst werden. Denn in beiden Fällen ergibt sich durch ein solches Verfahren eine ähnliche Segmentierung (Fuß#ball#feld und Kopf#bahn#hon, obwohl diese zwei Komposita, wie oben dargelegt, intern unterschiedlich strukturiert sind. Vielmehr bedarf es einer nicht-linearen Vorgehensweise, um die interne Struktur aufzudecken. Dabei können Klammern verwendet werden, indem die beteiligten Morpheme in einem ersten Schritt einzeln eingeklammert werden ([Fuß] [baln [feld] und [Kop [bahn] [hom, bevor Gleiches für die zwei Morpheme, die gemeinsam eine Teilstruktur bilden, vorgenommen wird: Klammerstruktur [[Fuß] [ball]] [feld] und [Kopf] [[bahn] [hof]] Schließlich wird das Gesamtwort eingeklammert: Ä [[[Fuß] [ball]] [feld]] und [[Kopf] [[bahn] [hof]]] Eine solche Darstellung ist zugegebenermaßen etwas unübersichtlich, da die interne Struktur der so analysierten Wörter nicht auf den ersten Blick ersichtlich wird. Daher wird gewöhnlich die interne Struktur komplexer Wörter als Baumdiagramm dargestellt. Gegenüber dem Klammerverfahren ist die Baumdiagramm-Darstellung viel übersichtlicher und macht das transparent, was durch die Wortanalyse transparent gemacht werden soll: den hierarchischen ufbau komplexer Wörter. Fußballfeld Fußball Feld Fuß ball feld rf Kopf bahn hof Ein solches nalyseverfahren wird unmittelbare Konstituentenanalyse genannt und geht im Grundsatz auf den amerikanischen Strukturalismus zurück. Bei der nalyse wird ein komplexer sprachlicher usdruck, in unserem Fall ein komplexes Wort, in seine einzelnen Bestandteile, die Konstituenten, segmentiert. Die so ermittelten Konstituenten werden mit der jeweiligen Wortkategorie versehen. Konstituentenanalyse Fuß ball feld Kopf bahn hof
4 20 1. Morphologie: Grundlegendes ffixe in der Wortanalyse n unseren Wortbeispielen handelt es sich bei den jeweils drei Konstituenten der zwei Wörter um Substantive, daher das Kürzel (omen). m nächsten nalyseschritt werden zwei Konstituenten zu einer komplexeren Konstituente zusammengefügt. m ersten Wortbeispiel sind es Fuß und Ball, im zweiten Bahn und Hof. Fußball und Bahnhof sind jeweils ein ()omen. Schließlich wird die dritte Konstituente Feld bzw. Kopf mit der bereits gebildeten, komplexeren Konstituente Fußball bzw. Bahnhof zu einer noch komplexeren Konstituente verbunden. uf der höchsten Ebene bilden wieder Fußballfeld und Kopfbahnhof je ein ()omen. Durch die nalyse entstehen innerhalb eines Baudiagramms binäre Strukturen, die je zwei Konstituenten enthalten. Man spricht deshalb von unmittelbarer Konstituentenanalyse, weil zwei im Baumdiagramm tiefer stehende Konstituenten die Konstituenten sind, aus denen die eine Ebene höher stehende Konstituente unmittelbar gebildet ist. So sind Fußball und Feld bzw. Kopf und Bahnhof die zwei unmittelbaren Konstituenten von Fußballfeld bzw. Kopfbahnhof. Fuß und ball bzw. Bahn und Hofbilden wiederum die zwei unmittelbaren Konstituenten von Fußball bzw. Bahnhof. ffixe werden in der Konstituentenanalyse formal gleich behandelt wie freie Morpheme. Beides wird als Konstituenten behandelt. So besteht beispielsweise das komplexe Wort Freundlichkeit aus drei Morphemen: der Wurzel Freund und den zwei Suffixen -lieh und -keit. Die Konstituentenstruktur dieses Wortes sieht wie folgt aus: Sx Freund Sx lich keit Freundlich und -keit bilden die zwei unmittelbaren Konstituenten von Freundlichkeit und Freund und -lieh die zwei unmittelbaren Konstituenten von freundlich. ffixe können im Baumdiagramm mit Px (=Präfix) oder Sx (=Suffix) gekennzeichnet werden. Funktional verhalten sich aber Derivationsaffixe in einem komplexen Wort ähnlich wie freie Morpheme. Betrachtet man die Bildung freundlich, kann Folgendes festgestellt werden: Freund ist ein Substantiv und -lieh ein ffix; werden die zwei Konstituenten zu einer komplexen Bildung verbunden, entsteht das djektiv freundlich. Es stellt sich die Frage, worauf hier die Wortkategorie djektiv zurückgeführt werden kann. uf diese Frage kann es nur die folgende ntwort geben: freundlich ist deshalb ein djektiv, weil mittels des Derivationssuffixes -lieh djektive abgeleitet werden. Klar ist auch, dass die Wortkategorie Substantiv von Freundlichkeit auf das Suffix -keit zurückgeht. Darüber hinaus legt das Suffix -keit,
5 1.3 Wortanalyse 21 wie die anderen substantivbildenden Suffixe auch, das Genus der Bildung fest: lle Substantive, die das Suffix -keit enthalten, sind Feminina. ffixe verhalten sich also wie freie Morpheme. n einem Kompositum wie Großstadt bestimmt die am weitesten rechts stehende Konstituente, i. e. Stadt, die Wortkategorie des Gesamtwortes. Die links stehende Konstituente groß bleibt hingegen in dieser Hinsicht ohne Einfluss: Großstadt ist ein feminines Substantiv, weil die zweite Konstituente Stadt ein feminines Substantiv ist. Ein ähnliches Verhalten ist auch in Derivationen mit Suffixen wie freundlich oder Freundlichkeit zu beobachten. Die am weitesten rechts stehende Konstituente, also -lieh bzw. -keit, bestimmt die Wortkategorie des Gesamtwortes. ufgrund dieser Parallele ist es sinnvoll, analog zu freien Morphemen auch Suffixe im Baumdiagramm mit einer Wortkategorie zu versehen. llerdings muss aus der otation auch der Unterschied zwischen freien Morphemen und ffixen hervorgehen. n der folgenden Darstellung ist die Konstituentenstruktur für Freundlichkeit mit der modifizierten otation für die ffixe abgebildet: Freund lich keit Parallel zu freien Morphemen tragen die Suffixe -lieh und -keit eine Kennzeichnung für ihre Wortkategorie: (djektiv) bzw. (omen). Um aber freie djektive bzw. Substantive von gebundenen djektiven bzw. Substantiven unterscheiden zu können, wird die Kennzeichnung zusätzlich mit einem hochgestellten af (=ffix) versehen. Dadurch wird der gebundene Status der Konstituente kenntlich gemacht. Diese otation geht auf eine nnahme der Lexikalistischen Morphologie aus den er Jahren zurück, dass ffixe genauso wie freie Morpheme mit ihren Eigenschaften im Lexikon vermerkt sind und dass der einzige Unterschied zwischen diesen zwei Morphemtypen in ihrem Status als freie bzw. gebundene Kategorien begründet liegt. icht selten finden sich in komplexen Wörtern neben den freien Morphemen und ffixen weitere Elemente, die aber keinen Morphemstatus haben, da sie weder Bedeutung im engen oder im weiten Sinne noch eine grammatische Funktion haben. Es handelt sich hierbei um sogenannte Fugenelemente, die an der ahtstelle von zwei unmittelbaren Konstituenten auftreten (Bischofring, Maus/och... ) und in der Wortbildung eine reine Verbindungsfunktion haben. Fugenelemente werden auch im Baumdiagramm dargestellt und erhalten wie die Morpheme einen eigenen Knoten: Fugenelemente in der Wortanalyse
6 22 1. Morphologie: Grundlegendes Maus Fu e loch Wie im Baudiagramm dargestellt, bildet das Fugenelement -e- zusammen mit der vorausgehenden Konstituente Maus die nächsthöhere Ebene. Diese nalyse impliziert, dass das Fugenelement enger zur vorausgehenden als zur nachfolgenden Konstituente gehört. Für diese nnahme spricht insbesondere die Beobachtung, dass Fugenelemente von der ersten Konstituente bestimmt werden. So verbindet sich ein Wort, wenn es als erste Konstituente eines Kompositums oder Derivatums auftritt, in der Regel immer mit demselben Fugenelement. So verbindet sich rbeit immer mit dem Fugenelement -s- (z. B. arbeit/os, rbeitagentur, rbeitericht), Liebe immer mit dem Fugenelement -es- (z. B. Liebeserklärung, Liebesbrief, Liebeskummer) und Hund immer mit dem Fugenelement -e- (z. B. hundmüde, Hundbesitzer, HundabteJ). Welches Fugenelement zwischen den zwei unmittelbaren Konstituenten eines komplexes Wortes auftritt, wird also von der ersten Konstituente festgelegt, die zweite Konstituente hat hingegen keinen Einfluss darauf. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache, ist es plausibel, das Fugenelement zusammen mit der ersten unmittelbaren Konstituente zu einer höheren Konstituente zu verbinden. tl:n Übungen 1. Erläutern Sie kurz den Unterschied zwischen den morphologischen Prozessen Flexion und Wortbildung, indem sie auf ihre unterschiedlichen Funktionen im Sprachsystem eingehen. 2. Segmentieren Sie die folgenden Wörter in ihre einzelnen Morpheme und bestimmen Sie den Morphemtyp (Wuzel, Präfix, Suffix, Zirkumfix): Freiheit, gekauft, Feier, Durchsicht, Versuchung, Sprung, Belastbarkeit, Maler, bfahrt, Gezerre. 3. Erstellen Sie für die folgenden Wörter je eine Konstituentenstruktur: Bundesgartenschau, Belagerungsring, Unanfechtbarkeit, Fußballanhänger. Lektüre zur Vertiefung Meibauer et al. (2007) (Erläuterung zur Konstituentenanalyse)
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