Mobilität älterer Menschen Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen

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1 Mobilität älterer Menschen Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen 1 INHALT Seite vor

2 Herausgegeben im Auftrag der Eugen-Otto-Butz Stiftung Fachliche Redaktion: Christian Kraft

3 Wilfried Echterhoff (Hrsg.) Mobilität älterer Menschen Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen TÜV-Verlag GmbH

4 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie: detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier ISBN by TÜV-Verlag GmbH, TÜV-Rheinland Group, Köln, 2005 Gesamtherstellung: TÜV-Verlag GmbH, Köln Printed in Germany

5 Vorwort Der immer dichter und komplizierter werdende Verkehr stellt immer höhere Anforderungen an den einzelnen Verkehrsteilnehmer. Die Entwicklung belastet uns alle und konfrontiert gerade ältere Menschen mit neuen und zum Teil schwer beherrschbaren Situationen. Durch die Entwicklung der Verkehrswelt auf der einen und die demografischen Veränderungen auf der anderen Seite gewinnt die Frage, wie Mobilität in einer alternden Gesellschaft sicher zu stellen und zu verbessern ist, immer stärker an Bedeutung. In diesem Band, dem ersten der Schriftenreihe zum Thema Alter und Mobilität der Eugen-Otto-Butz-Stiftung (EOB), entwickeln Vertreter unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen ihre Ideen dazu, um die Diskussion aus den verschiedenen Perspektiven zusammenzuführen und mögliche Ansätze für die weitere Arbeit aufzuzeigen. Dabei wird der Gedanke des Design for All zu Grunde gelegt und davon ausgegangen, dass altersbezogene Überlegungen und Gestaltungsvorschläge allen Teilnehmern am Straßenverkehr nützen und zu Gute kommen. Es ist die Absicht der EOB-Stiftung, durch die Schriftenreihe Alter und Mobilität dazu beizutragen, den Stand der wissenschaftlichen Diskussion angemessen zu dokumentieren und Beiträge zur Optimierung bei der Gestaltung von Verkehrssystemen aufzuzeigen. Dr. Georgia Everth Vorsitzende des Vorstands der Eugen-Otto-Butz-Stiftung 5

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7 Autorenverzeichnis Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. em. Kurt Ackermann, Technische Universität Dresden Dr.-Ing.Thomas Baum, Beratende Ingenieure für Verkehr, Städtebau und Umweltschutz (VSU) GmbH, Kaiserstr.100, Herzogenrath Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus J. Beckmann, Lehrstuhl und Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH), Mies-van-der-Rohe-Straße 1, Aachen Petra Bollich, NEUMANNCONSULT, Stadt- und Regionalentwicklung/ Barrierefreies Gestalten, Bahnhofstraße 1-5, Münster Prof. Dr. rer. nat. habil. Wilfried Echterhoff, Gesellschaft für Ursachenforschung bei Verkehrsunfällen e.v. (GUVU), Olpener Str. 544, Köln und Bergische Universität, Fachbereich G Dr. phil. Arnd Engeln, Technische Universität Dresden, Fakultät Verkehrswissenschaften, Mommsenstr. 13, Dresden Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gerlach, Bergische Universität, Fachbereich D, Strassenverkehrsplanung und -technik, Pauluskirchstr. 7, Wuppertal Annerose Hintzke, Institut für barrierefreie Gestaltung und Mobilität (IbGM), Boppstr. 46, Mainz Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Holz-Rau, Universität Dortmund, Institut für Umweltforschung, Fakultät Raumplanung, Fachbereich 09, Pavillon 7, Dortmund Univ.-Prof. Dr.-Ing. Felix Huber, Bergische Universität, Fachbereich D, Umweltverträgliche Infrastrukturplanung, Stadtbauwesen, Pauluskirchstraße 7, Wuppertal Dipl.-Psych. Kristina Kocherscheid, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Psychologisches Institut, Römerstr. 164, Bonn Dr. Peter Neumann, NEUMANNCONSULT, Stadt- und Regionalentwicklung/Barrierefreies Gestalten, Bahnhofstraße 1-5, Münster 7

8 Dr.-Ing. Dirk Neunzig, Institut für Kraftfahrwesen Aachen (ika) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH), Steinbachstr. 7, Aachen Dipl.-Ing.Guido Rindsfüser, Emch+Berger AG. Bern, Ingenieure und Planer, Gartenstr. 1, CH-3001 Bern Univ.-Prof. Dr. phil. Georg Rudinger, Rheinische Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn, Psychologisches Institut, Römerstr. 164, Bonn Dr. Joachim Scheiner, Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung, Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung, Pavillon 7, Dortmund Univ.-Prof. Dr. phil. habil. Bernhard Schlag, Technische Universität Dresden, Fakultät Verkehrswissenschaften, Hettnerstr. 1, Dresden Dr. Volker Sieger, Institut für barrierefreie Gestaltung und Mobilität (ibgm), Boppstr. 46, Mainz Univ.-Prof. Dr.-Ing. Henning Wallentowitz, Institut für Kraftfahrwesen Aachen (ika) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule, 8

9 Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 Autorenverzeichnis 7 Einführung in das Thema Mobilität älterer Menschen 13 (Wilfried Echterhoff) Ziel und Vorgehen 13 Politischer Rahmen 14 Verwendete verkehrswissenschaftliche Konzepte 14 Literatur 17 Ressourcen älterer Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer 19 (Kristina Kocherscheid, Georg Rudinger) Altern in einer mobilen Gesellschaft 19 Kompetenzen im Alter 20 Verkehrsrelevante Veränderungen der Kompetenzen im Alter 22 Kompensationsstrategien älterer Verkehrsteilnehmer 26 Interventionen im Bereich Mobilität und Verkehr 32 Kompensation durch technisch-konstruktive Gegebenheiten 33 Möglichkeiten der Defizitkompensation durch Training 34 Schlussfolgerung 35 Literatur 37 Mobilität älterer Menschen Analysen und verkehrsplanerische Konsequenzen 43 (Klaus Beckmann, Christian Holz-Rau, Guido Rindsfüser, Joachim Scheiner) Anlass und Problemstellung 43 Demografische Entwicklungen 44 Abnahme der Gesamtbevölkerung 45 9

10 Voraussichtliche Konsequenzen für den Verkehr 50 Verhaltensänderungen Kohorten versus Längsschnitt 51 Konsequenzen und Handlungserfordernisse für die Verkehrssystemgestaltung ein Ausblick 65 Fazit 68 Literatur 70 Abbau von Mobilitätsbarrieren zugunsten älterer Verkehrsteilnehmer 73 (Bernhard Schlag, Arnd Engeln) Einleitung 73 Leistungen und Barrieren bei verschiedenen Arten der Verkehrsteilnahme 74 Ein Modell der altersgemäßen Adaptation 78 Barrieren verringern Ressourcen stärken Erfolgreich altern 81 Literatur 94 Barrierefreie Gestaltung von Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs für ältere Menschen 99 (Volker Sieger, Annerose Hintzke) Ausgangssituation 99 Anforderungen mobilitätseingeschränkter Fahrgäste 99 Problemanalyse 100 Gestaltungsempfehlungen, gesetzliche und normative Grundlagen 102 Funktionsbereiche und Gestaltungsmerkmale 107 Anforderungen an die Fahrzeuggestaltung 109 Lastenhefte 112 Ausblick 113 Literatur 114 Fahrerassistenzsysteme für ältere Menschen 117 (Henning Wallentowitz, Dirk Neunzig) Einleitung 117 Verkehrssicherheit aus der Sicht des Verkehrsablaufes 119 Klassifizierung von Fahrerassistenzsystemen zur Unterstützung des Fahrers 120 Literatur

11 Planung des Verkehrsraums unter Berücksichtigung der Mobilität älterer Menschen 135 (Kurt Ackermann, Jürgen Gerlach) Ausgangslage und Problemfelder 135 Notwendige Anpassungen der straßenbezogenen Infrastruktur 139 Anlagen und Ausstattungen für den flließenden und ruhenden Verkehr 144 Anlagen des Rad- und Fußverkehrs 146 Barrierefreie Wegesysteme 149 Verkehrsregelungen 151 Ausblick 152 Literatur 153 Raum- und Siedlungsplanung unter Berücksichtigung der Mobilität älterer Menschen 155 (Felix Huber, Thomas Baum) Literatur 177 Tourismus und Mehrfachwohnsitze älterer Menschen: Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten und Anforderungen an die Infrastruktur 181 (Peter Neumann, Petra Bollich) Einleitung 181 Touristische Merkmale der Zielgruppe älterer Menschen 182 Einflüsse auf das Mobilitätsverhalten 187 Anforderungen an die Infrastruktur 190 Fazit 196 Literatur 197 Erträge und Konsequenzen aus den Buchbeiträgen zur Mobilität älterer Menschen 201 (Wilfried Echterhoff) Ausgewählte Hinweise aus den Beiträgen 201 Explizite und implizite politische Konzepte der Autoren 202 Ökologische Wirkungen der Ideen und Konzepte 202 Nutzbarkeit von Mobilitätssystemen auf der Grundlage der Ideen und Konzepte

12 Umsetzung von Ideen und Konzepten in die Praxis 204 Entwicklung des Arbeitsgebiets Mobilität älterer Menschen als Konsequenz aus den Ideen und Konzepten der Beiträge 204 Entwurf für den Aufbau einer Buchreihe zum Thema Mobilität älterer Menschen 205 Anhang

13 Einführung in das Thema Mobilität älterer Menschen von Wilfried Echterhoff Ziel und Vorgehen Für die inhaltliche Gliederung und für die Auswahl der Autoren des vorliegenden Einführungsbands wurde ein deduktives Vorgehen gewählt, um die Absicht der Eugen-Otto-Butz-Stiftung zu realisieren, ein Programm für die Forschung und Entwicklung zur Thematik Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen spezifiziert aufbauen zu können. Der Einführungsband ist so aufgebaut, dass Bereiche suboptimaler Lösungen und Desiderata einschließlich zukunftsfähiger Perspektiven bevorzugt analysiert und beschrieben werden. Für die meisten Beiträge wurden zwei Autoren gesucht, um das jeweilige Thema aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. So kann z.b. der Themenkomplex Raum- und Siedlungsplanung sowohl aus technischer, als auch aus gestalterischer Sicht betrachtet werden. Die Themen der einzelnen Kapitel stellen sich wie folgt dar: 1. Einführung in das Thema 2. Humanressourcen von älteren Verkehrsteilnehmern 3. Mobilität von älteren Menschen 4. Abbau von Mobilitätsbarrieren zugunsten älterer Verkehrsteilnehmer 5. Barrierefreie Gestaltung von Fahrzeugen 6. Fahrerassistenzsysteme 7. Planung des Verkehrsraums unter Berücksichtigung der Mobilität älterer Menschen 8. Raum- und Siedlungsplanung unter Berücksichtigung der Mobilität älterer Menschen 9. Tourismus und Mehrfachwohnsitze älterer Menschen: Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten und Anforderungen an die Infrastruktur 10. Konsequenzen aus den Buchbeiträgen Das deduktive Vorgehen orientiert sich inhaltlich an folgenden politischen und verkehrswissenschaftlichen Konzepten: 13

14 Politischer Rahmen Die derzeitigen politischen Strömungen in der Europäischen Union (EU- Weißbuch, 2001) und in der Bundesrepublik Deutschland (Altenberichte) lassen erkennen, dass älteren Menschen die eigenverantwortliche Bewältigung des Lebens erleichtert werden soll, dass die selbstständige Mobilität älterer Menschen so lange wie möglich erhalten werden soll und dass die Lebensfreude älterer Menschen gefördert werden soll. Durch die Verwirklichung dieser Ziele erhofft man sich offenbar, dass zugleich eine Entlastung der gesellschaftlichen Dienstleistungen (vor allem des sozialen Netzes) eintritt (s. 2. Altenbericht, 1998). Verwendete verkehrswissenschaftliche Konzepte Mobilitätsangebote sollen nach Möglichkeit keine Probleme für den Nutzer aufwerfen und vor allem älteren Menschen keine Schwierigkeiten bereiten. Dies soll für die ökologische Wirkung auf den Lebensraum älterer Menschen und auch für die Nutzbarkeit von Mobilitätssystemen durch ältere Menschen gelten. Es ist daher eine möglichst große Passung (Affordanz) zwischen den Ressourcen älterer Menschen und dem Mobilitätssystem zu erzeugen. Das Konzept der Affordanz (s. Heine, 1998) wird somit über die Nutzbarkeit auch auf die ökologische Wirkung ausgedehnt. Zur ökologischen Wirkung von Mobilitätssystemen gehören u.a.: Belastungen älterer Menschen durch Emissionen verschiedener Art, wie chemischer oder akustischer Art, Belastungen älterer Menschen durch räumliche Einschränkungen des Lebensraums, Belastungen älterer Menschen durch ästhetische Einschränkungen des Handlungsraums, Förderung älterer Menschen durch eine qualitative Verbesserung des Wohnumfelds oder eine Erweiterung des Handlungsraums durch neue Mobilitätsangebote (z.b. durch eine geeignete Siedlungsstruktur), aber auch Steigerung der Lebensqualität älterer Menschen durch ästhetisch gelungene Gestaltung von Verkehrsführungen, -wegen und -anlagen. 14

15 Der Grad der Nutzbarkeit eines Mobilitätssystems ergibt sich aus der Art der geschaffenen Mobilitätskette. In der Praxis soll eine möglichst kontinuierliche Mobilitätskette entstehen, die u.a. aus folgenden Komponenten besteht: aus einer kontinuierlichen Transportkette, aus einer kontinuierlichen Informationskette, aus einer kontinuierlichen Servicekette, aus einer kontinuierlichen Emotionskette. (Echterhoff, 1999) Sofern das Kontinuum einer der Komponenten gestört ist, ist die Mobilitätskette gestört. Eine kontinuierliche Transportkette besteht für ältere Menschen aus einer unterbrechungslosen physischen Beförderungsmöglichkeit. Jedes Beförderungsglied geht räumlich, technisch und zeitlich nahtlos in das nächste über. Die physische Beförderung wird von einer nahtlosen Informationskette begleitet. Informationen dienen der kontinuierlichen Unterstützung, der Entscheidungsfindung in Übergangsbereichen und der Warnung vor Gefahren. Solche Informationen werden gemessen an den Bedürfnissen älterer Menschen räumlich und zeitlich korrekt positioniert. Eine kontinuierliche Servicekette dient ebenfalls an den Bedürfnissen älterer Menschen gemessen dem Erhalt und der Förderung des Wohlbefindens (z.b. durch Nahrungsmittelangebote) sowie der Unterstützung bei Änderungen von Routenentscheidungen (z.b. durch Kommunikationsmöglichkeiten mit Servicepersonal) und der Hilfe bei Störungen im Mobilitätssystem (z.b. durch Abhilfemöglichkeiten bei aggressiven Mitreisenden oder durch Bereitstellung von alternativen Beförderungsmöglichkeiten). Die positive psychische Befindlichkeit ist kontinuierlich zu unterstützen, z.b. durch eine angenehme Gestaltung des Fahrgastraums, durch freundliches und hilfsbereites Personal, durch ansprechende und komfortable Wege sowie Bereiche in Verkehrsbauten und in deren Umgebungen. Als Beispiel für eine Mobilitätskette wird im Folgenden exemplarisch die kontinuierliche Transportkette ( physische Mobilitätskette ) dargestellt (Abbildung 1). Zu jeder der anderen Komponenten lässt sich eine analoge Mobilitätskette beschreiben. Die Reihe direkt des deutschen Bundesverkehrsministeriums (BMVBW) beschreibt und erklärt für die Praxis die Art und Weise der Gestaltung 15

16 Abb. 1: Physische Mobilitätskette mit Bewältigungs- und Störungsmöglichkeiten. Physische Zugänglichkeit eines Ziels. Nach dem Grundmodell von Echterhoff,

17 einer bürgerfreundlichen und behindertengerechten Mobilitätswelt. Der inhaltliche Ansatz dieser Reihe erweist sich als die Sicht des Nutzers, einschließlich älterer Menschen; er ist systemorientiert, da die entsprechenden Empfehlungen und Handreichungen dieser Reihe den Grundgedanken der kontinuierlichen Mobilitätskette verfolgen. Die Reihe direkt begründet eine Mobilitätskultur, die sich am Nutzer und weniger als bisher am Verkehrsträger oder am Mobilitätsanbieter orientiert. Die Vorschläge der Reihe direkt verzichten auf Sonderlösungen für bestimmte Nutzergruppen, z.b. auf technologische Sonderlösungen zum Ausgleich einzelner Verhaltensbeeinträchtigungen, und dienen somit der Integration aller Nutzer in Mobilitätssysteme. Ausgehend von diesen Vorarbeiten ist das Ziel des vorliegenden Buchs eine Qualitätsverbesserung von Mobilitätssystemen für ältere Menschen und somit für alle Nutzer. Für die Umsetzung von Grundgedanken (z.b. politische Forderungen, verhaltenswissenschaftliche Modelle, technische Konzeptionen) in die Praxis ist eine Differenzierung für den Planer und Praktiker erforderlich. Die dafür erforderliche Überleitung von Grundgedanken in das praktische Handeln vorzubereiten ist eine wichtige Aufgabe des vorliegenden Buchs. Dies geschieht in Form von Kontingenzketten, mit denen die aufeinander folgenden Entscheidungen, Kriterien, Planungen, Entwürfe und Maße für diejenigen Personen beschrieben werden, die ein konzeptionelles, individuelles, politisches oder fachliches Interesse an der Mobilität älterer Menschen haben. In die Kontingenzketten werden ebenfalls die noch zu leistenden Aufgaben in der Wissenschaft, vor allem die der empirischen Forschung, aufgenommen werden. Die Kontingenzketten mit den darin enthaltenen Überleitungen werden im Abschlusskapitel auf der Grundlage der Beiträge des vorliegenden Buches beschrieben. Literatur Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Reihe direkt. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden. BMVBW ed., Berlin. Echterhoff W (1999) Qualitätsstandards im ÖPNV. Was wünschen die Kunden? Wuppertal: Universität GH Wuppertal, Fachgruppe Psychologie. Unveröffentlichter Vortrag auf der Veranstaltung der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr Berlin / IVU Traffic Technologies AG Nahverkehrsplan Berlin 99. Berlin 16. November

18 Europäische Kommision (2001) Weissbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010 Weichenstellung für die Zukunft. Brüssel: Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Ratsdokument 11923/01. Deutscher Bundestag (1998) Zweiter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Wohnen im Alter und Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission. Bonn: Deutscher Bundestag: Drucksache 13/9750. Heine W-D (1998) Mobilitätspsychologie Psychologie für ein situationsangepaßtes Mobilitätsverhalten. Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 1:

19 Ressourcen älterer Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer von Kristina Kocherscheid und Georg Rudinger Altern in einer mobilen Gesellschaft Wie in vielen anderen Ländern der Welt verändert sich auch in Deutschland die Altersstruktur der Bevölkerung. Die Abnahme der Geburtenzahlen und die erhöhte Lebenserwartung der Menschen führen zu einer deutlichen Zunahme des Anteils von älteren Personen in der Gesellschaft. In den nächsten 50 Jahren wird sich der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung weltweit verdoppeln (VCÖ, 1999). Durch das Altern der Baby-Boom Generation (Personen, die zwischen 1946 und 1964 geboren wurden), eine höhere Lebenserwartung sowie rückläufige Geburtenraten wird sich die Bevölkerungsstruktur in den nächsten 30 Jahren in Deutschland grundlegend verändern. Bis 2050 wird sich in den meisten OECD-Ländern der Anteil der über Achtzigjährigen voraussichtlich verdreifachen (OECD, 2002). Neben dem generellen Anstieg des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung nimmt derzeit mit jeder Alterskohorte auch die Zahl der Führerscheininhaber deutlich zu (vgl. Deutsche Schell GmbH; Shell-Studie, 2001). Die alternde Gesellschaft wird also zunehmend auch eine Gesellschaft auf Rädern sein. Darüber hinaus ist abzusehen, dass sich immer mehr ältere Menschen auch in Zukunft einen aktiveren Lebens- und Freizeitstil aneignen werden (vgl. Bauer Verlagsgruppe und Axel Springer Verlag, Verbraucher-Analyse 99, 1999), der früher weitgehend nur mit jüngeren Altersgruppen assoziiert war. So wird Mobilität dabei geht es nicht nur um Automobilität, sondern auch um die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Fortbewegungsarten wie Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen auch bei den Älteren zunehmend eine größere Rolle spielen (vgl. Gaffron, 2002). Dementsprechend wird im dritten Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland der Erhalt der Mobilität als Basis für die Erschließbarkeit der verschiedensten Ressourcen der Außenwelt (BMFSFJ, 2001, 240) und als entscheidender Faktor von Lebensqualität im Alter gewertet. Es ist bekannt, dass der menschliche Alternsprozess Veränderungen 19

20 der Mobilitätsbedürfnisse und -fähigkeiten mit sich bringt. Populäre Meinungen schreiben älteren Verkehrsteilnehmern ein besonderes Gefährdungspotenzial zu. Als Begründung werden zumeist die bekannten alterskorrelierten Leistungseinbußen im Bereich der Sensorik, der Bewegungs- und Reaktionsfähigkeit sowie der Aufmerksamkeit und Konzentration mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit genannt (BMFSFJ, 2001). Nach einer Untersuchung von Ellinghaus & Schlag (1984) meint immerhin die Hälfte der Kraftfahrer/innen bis 49 Jahre, ältere Fahrer/innen seien überfordert. Ebenso viele glauben, sie seien unsicher und mehr als ein Drittel hält sie gar für gefährlich diese Einschätzungen dürften sich auch 20 Jahre später nicht wesentlich verändert haben. Tatsächlich muss die Situation der Verkehrsteilnahme Älterer entgegen diesem oft noch vorherrschendem Defizitbild des Alterns und Alters differenzierter betrachtet werden (Wahl et al., 2000). Ausgehend von der Feststellung, dass ältere Verkehrsteilnehmer/innen im Hinblick auf Fahrkompetenz sowie verkehrsbezogene Einstellungen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten eine ausgesprochen heterogene Gruppe bilden, fällt auch das Gefährdungspotenzial im Straßenverkehr in der Gruppe der Älteren sehr unterschiedlich aus. Die mobilitätsbezogene Sicherheit älterer Menschen ist ebenso wie die Erhaltung ihrer Mobilität an individuelle Faktoren geknüpft, die sich zum Beispiel im persönlichen Lebensstil oder der Lebenslage widerspiegeln können (Hakamies- Blomqvist & Wahlström, 1998). Zudem stellt Altern keinen einheitlich, interindividuell invarianten Prozess dar. Vielmehr ist es individuell höchst unterschiedlich um die physiologischen Leistungsfähigkeiten eines Menschen bestellt. Darüber hinaus können viele ältere Menschen den mit dem Alter potenziell zunehmenden Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen mit zuträglichen kompensatorischen Strategien begegnen (vgl. Baltes et al., 1996, 1998; Kruse, 1996). Kompetenzen im Alter Für eine Verkehrsteilnahme Älterer spricht, dass Altern nicht allein mit einem Abbau verbunden ist. Im Alter stellen sich auch Entwicklungsgewinne ein, so dass sich in der Alternspsychologie neben dem Defizitmodell das Kompetenzmodell des Alterns etabliert hat. In der Psychologie bezeichnet der Begriff Kompetenz die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen, die grundlegend sind für die Gestaltung seines Lebens sowie für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit den Entwicklungsaufgaben und Anforderungen des Lebens. Auf der 20

21 Grundlage von Fähigkeiten entwickeln sich weitgehend automatisierte Fertigkeiten durch Lernen, Übung und Erfahrung. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Interaktion zwischen der Person und den räumlichen, sozialen und infrastrukturellen Umwelten (Wahl & Kruse, 1999). Um also eine sonst so einfache, selbstverständlich erscheinende Handlung wie das Autofahren ausüben zu können, kommt es auf die Sinnes- und Wahrnehmungsleistungen, auf die Fähigkeit zur Situationsbewertung sowie auf die durch Lernen, Übung und Erfahrung entwickelten Fertigkeiten und Handlungen an, die in ihrer Summe die umweltbezogenen Kompetenzen ausmachen. Psychologische Kompetenzen beschreiben hingegen die Ressourcen, die zur Bewältigung von Entwicklungsanforderungen und Belastungen dienen, also dem Umgang mit sich selbst (vgl. Krämer, 2004). Ein zentraler Befund der psychologischen Alternsforschung ist, dass auftretende Einschränkungen in den Kompetenzen im jungen Alter, welches grob zwischen 65 und 80 Jahren angesiedelt ist, weniger durch mit dem Lebensalter einhergehende biologische Veränderungen, sondern durch verschiedene, sich verändernde individuelle und soziale Lebensbedingungen im Alternsprozess hervorgerufen werden. Folglich ist die Vorstellung universeller und genereller Defizite, die von einer generellen Minderung insbesondere der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter ausgehen, nach dem heutigen Erkenntnisstand obsolet (Weinert, 1994). Die Abkehr vom Defizitmodell des Alterns beruht wesentlich auf Befunden der Intelligenzforschung, die zwei Faktoren der Intelligenz unterscheidet: die biologisch regulierte fluide Intelligenz und die eher erfahrungsregulierte kristalline Intelligenz (Kruse & Lehr, 1999). Um den Prozesscharakter kognitiver Fähigkeiten zu unterstreichen, wird die fluide Intelligenz auch als Mechanik ( Hardware ) und die kristalline Intelligenz als Pragmatik der intellektuellen Leistungsfähigkeit ( Software ) bezeichnet (Baltes, 1999). Intelligenzleistungen sind das Ergebnis des Zusammenspiels beider Komponenten. Die Intelligenzforschung zeigt, dass all jene intellektuellen Fähigkeiten, die geistige Wendigkeit, Flexibilität und Schnelligkeit voraussetzen ( fluide Intelligenz ), altersbedingt nachlassen, während Allgemeinund Erfahrungswissen, Wortschatz und Sprachverständnis ( kristalline Intelligenz ) mit steigendem Lebensalter noch zunehmen können (vgl. Lindenberger, 2000). Erst im höheren Alter unterliegt auch die Pragmatik der Intelligenz immer mehr biologisch determinierten Begrenzungen in der Mechanik der Intelligenz (Baltes, 1999). 21

22 Alles in allem lässt die psychologische Alternsforschung jedoch weder einen generellen (alle Leistungsbereiche betreffenden), noch einen universellen (alle Personen betreffenden) Abbau von Kompetenzen im Alter erkennen. Vielmehr nimmt die interindividuelle Varianz mit dem Alter zu. Dabei ist hervorzuheben, dass unterschiedlichste Faktoren wie Bildungsstand, Training, Lebensstil, Anregungsgehalt der Umwelt, Gesundheitsstatus und Selbstbild entscheidend zur interindividuellen Varianz beitragen (Kruse & Lehr, 1999). Wie sieht es nun aber mit den konkreten Problemen älterer Menschen im Verkehr aus und wie bewältigen ältere Menschen solche Probleme? Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Verkehrsrelevante Veränderungen der Kompetenzen im Alter Dem Trend zu größerer Mobilität älterer Menschen stehen die mit höherem Lebensalter verbundenen verkehrsrelevanten Gesundheitsund Leistungseinbußen entgegen. Ältere Menschen leiden häufiger an chronischen Erkrankungen, die Bedeutung für die Verkehrsteilnahme haben, wie z.b. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Wirbelsäulenleiden oder Demenzerkrankungen (Statistisches Bundesamt, 2000). Auch die oft sehr intensive Medikation mit Analgetika (Schmerzmittel), Sedativa (Beruhigungsmittel), Hypnotika (Schlafmittel) und Psychopharmaka (z.b. Antidepressiva) sowie die damit einhergehenden Wechsel- und Nebenwirkungen können die psychophysische Leistungsfähigkeit älterer Verkehrsteilnehmer/innen erheblich beeinträchtigen (Püllen, 2000). Aus der einschlägigen Literatur ist ferner bekannt, dass bei zunehmendem Alter mit einem Abbau derjenigen Funktionen zu rechnen ist, die für das rasche Erkennen von Geschehnissen im Straßenverkehr und für das angemessene Reagieren auf solche Situationen erforderlich sind. So können insbesondere Einschränkungen der Seh- und Hörfähigkeit, Beeinträchtigungen im kognitiven Funktionsbereich und Veränderungen im psychomotorischen Bereich das Fahrvermögen im Alter beeinträchtigen (vgl. Fozard, 2000; Ellinghaus et al., 1990). Zu diesen Beeinträchtigungen können Veränderungen der Persönlichkeit kommen (z.b. zunehmende Ängstlichkeit, Rigidität, Nachlassen des Urteilsvermögens und der Bereitschaft zur Selbstkritik). Beim Autofahren kommt den sensorischen Fähigkeiten, insbesondere der visuellen Wahrnehmung, eine herausragende Rolle zu. Gerade im Bereich des Sehvermögens lassen sich altersabhängige Veränderungen feststellen (Fozard, 2000). Brouwer (1994) konstatiert eine Abnahme 22

23 aller visuellen Funktionen im Alter. Er weist jedoch auch darauf hin, dass dieser Veränderungsprozess zwischen den visuellen Funktionen und den einzelnen Personen in Ausmaß, Geschwindigkeit und Beginn der Abnahme stark variiert. Nachgewiesene Veränderungen sind das Nachlassen der dynamischen Sehschärfe (Sehen bewegter Objekte) und der Akkomodationsfähigkeit (nah/fern), die Altersweitsichtigkeit, die Einschränkung des Gesichtsfeldes, eine vermehrte Blendempfindlichkeit, die Minderung der Dämmerungsschärfe, Schwierigkeiten bei der Anpassung an wechselnde Lichtverhältnisse sowie eine Zunahme des Lichtbedarfs (Ellinghaus & Schlag, 1984; Chaloupka, 1994). Neben dem Sehvermögen sind auch andere für das Autofahren relevante physische Komponenten von altersabhängigen Abbauprozessen betroffen. Ein nachlassendes Hörvermögen bewirkt, dass Motor- und Signalgeräusche herannahender Fahrzeuge schlechter wahrgenommen werden und eine akustische Vororientierung ausfällt. Die Einschränkung des Frequenzumfanges verschlechtert das Richtungshören (Draeger & Klöckner, 2001). Auch die Psychomotorik ist beeinträchtigt. Mit zunehmendem Alter verlängert sich die Reaktionszeit, die im allgemeinen eine wesentliche Einflussgröße für die Effizienz eines geforderten Verhaltens im Straßenverkehr darstellt. Zudem lässt die Beweglichkeit nach und Ermüdungserscheinungen treten eher auf (Chaloupka, 1994). Dies hat zur Folge, dass sich die Zeiten, bis auf ein Signal reagiert wird, bei älteren Verkehrsteilnehmern verlängern. Die Ursache für diese Verlangsamung ist jedoch weniger eine Verlängerung der Zeit, die zur Ausführung der Bewegung benötigt wird, sondern vielmehr die Verlangsamung der Wahrnehmungs- und der Entscheidungszeit. Bei begrenzter Entscheidungszeit und unter Stress häuft sich die Gefahr des Auftretens von Fehleinschätzungen der Verkehrslage (vgl. Meusel, 1996). Entsprechend beeinträchtigt die verlangsamte Reaktionsfähigkeit der Älteren ihr Sicherheitsverhalten. Für die Überforderung älterer Menschen bei raschen Änderungen spricht auch ihr Unfallprofil. Im Gegensatz zu übersichtlichen Situationen sind sie bei Situationen mit hoher dynamischer Komplexität, wie Einfahren, Abbiegen und Wenden besonders gefährdet. Besonders kritisch sind Situationen, in denen die eigene Leistungsminderung nicht realistisch eingeschätzt, das eigene Fahrvermögen jedoch überschätzt wird (vgl. Schlag, 2003). Eine längere Informations- und Orientierungszeit älterer Kraftfahrer/ innen sowie langsamere Reaktionszeiten wurden nicht nur in Labortests, sondern auch in Fahrversuchen festgestellt (Cohen et al., 2002). Gleichzeitig machten die Fahrversuche auch deutlich, dass ältere Fahrer ein anderes Fahrverhalten als jüngere an den Tag legen. Die Älteren fuhren insbesondere langsamer und zum Teil auch gleichmäßiger. 23

24 Erschwert wurde die angemessene oder richtige Beurteilung dadurch, dass sich zwischen den Angehörigen gleicher Altersklassen deutliche Unterschiede feststellen ließen. Mit dem Alter verändern sich auch die Aufmerksamkeitsleistungen. Dabei gilt allgemein, dass kognitive Aufgaben, die für Jüngere schwierig sind, für Ältere ganz besonders schwierig sind, unabhängig vom spezifischen Inhalt der Aufgabe (Brouwer, 1994, 126). Dies gilt z.b. für Aufgaben der Aufmerksamkeitsfokussierung, in denen relevante und irrelevante Stimuli diskriminiert werden sollen. Die Lokalisation von Stimuli und die Integration von Merkmalen erfordern einen aktiven Prozess der Aufmerksamkeitskontrolle, der von älteren Menschen schlechter bewältigt wird als von jüngeren (Brouwer, 1994). Bei der Betrachtung von Aufmerksamkeitsleistungen müssen auch Gedächtnisaspekte, wie Erfahrungen zu früheren Zeitpunkten, die Antizipation von Ereignissen und das kurzzeitige Speichern von relevanten Informationen beachtet werden. Die Forschungsergebnisse in Anlehnung an das klassische Speichermodell von Craik (1992) zeigen einen altersabhängigen Leistungsabfall im Bereich des echoischen und ikonischen Gedächtnisses sowie im Kurzzeitspeicher (Fleischmann, 1991). Der Erwerb von Gedächtnisinhalten unterliegt deutlicheren Leistungseinbußen als das Behalten. Die Abrufbarkeit von Gedächtnisinhalten ist bei älteren Menschen stärker beeinträchtigt als die Verfügbarkeit. Metker et al. (1994) zitieren weitere Untersuchungen, die Altersunterschiede in den Gedächtnisleistungen feststellen und auf die Möglichkeiten der Verringerung der Einbußen durch Training hinweisen. Der Anteil der Gedächtnisleistungen an der Aufgabenbewältigung im Straßenverkehr ist wegen der komplexen Zusammenhänge mit anderen kognitiven Leistungen unklar: Vermutet wird, dass Einbußen im Gedächtnisbereich zumindest partiell durch andere kognitive Komponenten kompensiert werden können, wenn sie nicht zu gravierend sind. Sicherheitskritisch wird das Nachlassen von Gedächtnisleistungen erst durch eine Kombination mit Leistungseinbußen in anderen Bereichen der kognitiven Leistungsfähigkeit (Metker et al., 1994). Im Kontext dieser altersbedingten Problembereiche sollte jedoch bedacht werden, dass sich der Abbau der Leistungsfähigkeit im Alter bei jedem Menschen in einem anderen Tempo, in verschiedenen Leistungsbereichen und in einem unterschiedlichen Ausmaß vollzieht. Auch der Umfang der kognitiven Einbußen und Verluste ist von Person zu Person verschieden, da sie einerseits vom Gesundheitszustand, andererseits vom Grad der kognitiven Aktivität sowohl in früheren Lebensjahren als auch in der Gegenwart abhängig sind. Auch können Einbußen und Verluste in den kognitiven Basisprozessen auf Grund der Plastizität, 24

25 d.h. der Veränderbarkeit kognitiver Leistungen, verringert werden (Singer & Lindenberger, 2000). Mit anderen Worten: Die Fähigkeit zu lernen (kognitive Plastizität) bleibt bei geistig gesunden Erwachsenen bis ins hohe Alter erhalten. So können gesunde ältere Erwachsene ein großes Spektrum an kognitiven Fertigkeiten reaktivieren, trainieren oder üben sowie neu lernen (Lindenberger, 2000). Kognitive Interventionen sollten jedoch dies betrifft auch Verkehrsprogramme unter dem Gesichtspunkt des praktischen Nutzens gestaltet werden und sich auf Fertigkeiten konzentrieren, die möglichst unverändert in den Alltag der betreffenden Person integriert werden können und dort zum Erhalt oder Erwerb adaptiver Verhaltensweisen beitragen (Lindenberger, 2000). Zudem nutzen älter werdende Menschen unterschiedliche Strategien zur Kompensation altersabhängiger Beeinträchtigungen kognitiver Mechanismen. So setzen sie z.b. Allgemein- und Erfahrungswissen (persönliche Erfahrungen mit ähnlichen Problemen und automatisierte Routinen) ein, das es ihnen erlaubt, im Alltag und folglich auch in der Verkehrsumwelt leistungsfähig zu bleiben (Weinert, 1994). Ob und wie sich verkehrsrelevante Veränderungen der Kompetenzen im Alter auf das Verhalten älterer Menschen im Straßenverkehr auswirken, soll im Folgenden aufgezeigt werden. In der Verkehrsunfallstatistik schlägt sich ein erhöhtes Risiko älterer Personen, an einem Verkehrsunfall beteiligt zu sein, bisher nicht nieder (vgl. Limbourg & Reiter, 2001). Sind ältere Menschen an einem Unfall beteiligt, so sind allerdings die Folgen besonders schwerwiegend. Berücksichtigt man die wahrscheinlich geringere Exposition Älterer als Autofahrer/innen, so sehen die relativen Unfallzahlen vor allem im höheren Alter nicht mehr so günstig aus. Zudem ist das Risiko zwischen den verschiedenen Arten der Verkehrsteilnahme deutlich unterschiedlich. Auch durch Verkehrsübertretungen fallen ältere Menschen derzeit weniger auf als jüngere. Auffällig sind ältere Autofahrer/innen hingegen bei Vorfahrtsdelikten. Über die Unfallentwicklung älterer Pkw-Fahrer/innen lässt sich zusammenfassend folgender Kenntnisstand festhalten (vgl. Jansen, 2001): Im Vergleich zu anderen Altersgruppen haben Ältere eine geringere Unfallhäufigkeit. Das fahrleistungsbezogene Risiko ist für Ältere größer als für die Gruppe mittlerer Altersklassen (etwa Jahre). Der Anteil älterer Hauptverursacher/innen von Pkw-Unfällen mit Personenschaden betrug im Jahr ,2 Prozent (Statistisches Bundesamt, 2003). Unfallschwerpunkte älterer Kraftfahrer/innen sind Kreuzungen und sonstige komplexe Verkehrssituationen (vgl. Ellinghaus et al., 1990). 25

26 Eine wesentliche Ursache hierfür wird in dem altersspezifischen Problem gesehen, die Dynamik des Verkehrsgeschehens zu bewältigen (vgl. Hakamies-Blomqvist et al., 1996). Die Unfallgefahr nimmt bei kognitiven Funktionsstörungen zu (vgl. Withaar et al., 2000). Ältere Menschen sind verletzbarer als Jüngere (höhere Vulnerabilität). Die häufigsten polizeilich erfassten Unfallursachen sind: Unzureichende Verkehrstüchtigkeit (ohne Alkohol), Vorfahrtsfehler, Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, beim Ein- und Ausparken sowie falsches Verhalten gegenüber Fußgänger/innen an Fußgängerüberwegen. Als Unfallursachen unbedeutend sind für diese Altersgruppe (1) Fahren unter Alkohol und (2) überhöhte Geschwindigkeit (Emsbach & Friedel, 1999). Als zentrale Unfallursache älterer Verkehrsteilnehmer/innen wird die Einschränkung des nutzbaren Sehfeldes angesehen, die bewirkt, dass Objekte im peripheren Sehbereich nicht (mehr) rechtzeitig wahrgenommen werden (Fozard, 2000). Wahrnehmungsprobleme führen dazu, dass Geschwindigkeiten und Entfernungen nicht mehr richtig eingeschätzt werden (vgl. Cremer et al., 1990). Als weitere Unfallursache werden Aufmerksamkeitsdefizite angeführt. Diese betreffen sowohl die selektive Aufmerksamkeit als auch die Aufmerksamkeitseinteilung (Brouwer, 1994). Sofern auf der einen Seite teilweise ungünstige psychophysische Veränderungen im Alter existieren, auf der anderen Seite jedoch keine besondere Auffälligkeit im Unfallgeschehen und bei der Verkehrsdelinquenz vorliegt, stellt sich die Frage nach den Kompensationsmöglichkeiten für ungünstige Entwicklungen im Alter. Kompensationsstrategien älterer Verkehrsteilnehmer Auch wenn der Erhalt der Mobilität älterer Menschen, der als wesentlicher Garant für ihre Lebenszufriedenheit zu verstehen ist, zunehmend ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückt, verläuft die Diskussion über ältere Verkehrsteilnehmer/innen selten wertfrei. Sie wird stets mit dem Unterton einer möglichen Gefährdung geführt, die potenziell von älteren Kraftfahrer/innen auszugehen scheint. Die finnische Verkehrswissenschaftlerin Hakamies-Blomqvist, die sich in den letzten Jahren am intensivsten in zahlreichen Forschungsarbeiten und Veröffentlichungen mit der Rolle der älteren Verkehrsteilnehmer/innen auseinandergesetzt hat genannt seien der Bericht für den US Transportation 26

27 Research Board Transportation in an Ageing Society: A Decade of Experience (2001) und ihre Beiträge in dem OECD-Bericht Ageing and Transport (2001) sowie im EU-Rahmen ihr Beitrag Ageing Europe: The Challenges and Opportunities for Transport Safety (ETSC, 2003) geht davon aus, dass es immer noch die dominierende öffentlich verbreitete Behauptung sei, dass ältere Fahrer/innen eine erhebliche Bedrohung für die Verkehrssicherheit darstellen würden. Diese Wahrnehmung beruht wahrscheinlich auf dem Wissen um altersbedingte Leistungseinbußen, die sowohl physische als auch kognitive Kompetenzen betreffen (vgl. Hakamies-Blomqvist et al., 1996; Hakamies-Blomqvist, 2003). Zu den psychologischen Kompetenzen Älterer zählen neben ihrer sensorischen, motorischen und kognitiven Leistungsfähigkeit auch ihre Fähigkeiten, mit psychophysischen Leistungseinbußen ausgleichend umzugehen und so ihre Mobilität weitestgehend risikoarm zu gestalten (vgl. Schlag & Engeln, 2001). In der Gerontologie wird dieses Potenzial durch das Zusammenspiel der drei Komponenten Selektion, Optimierung und Kompensation anschaulich erklärt. Das Modell Selektive Optimierung mit Kompensation (vgl. Baltes & Baltes, 1989) zielt darauf ab, die generelle Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern, indem man Aufgaben, Anforderungen und Ziele umsichtig wählt, gut erhaltene Fähigkeiten sowie Ressourcen benutzt und diese oft übt, um so die Bereiche auszugleichen, die schwächer geworden sind. Kompensation bezeichnet eine adaptive Reaktion auf den Verlust von Mitteln (Ressourcen), die dazu dient, durch die Aktivierung alternativer Handlungsmittel oder die Einführung von Ersatzmitteln den Funktionsstand so gut es geht aufrecht zu erhalten (Baltes, 1999). Diese Verhaltensweisen werden gerne an der Praxis des Klavierspielers Rubinstein veranschaulicht, der seine nachlassende Virtuosität durch eine Verringerung (Selektion) seines Repertoires, durch häufigeres Üben (Optimierung) und durch eine Variation der Tempi (Kompensation) meisterte. Es liegt nahe, dass dieses Modell auch auf das Mobilitätsverhalten Älterer anwendbar ist. Nachlassende Informationsaufnahme und-verarbeitungsfähigkeit bewirken z.b., dass ältere Menschen Zeiten, Orte und Umstände ihrer Verkehrsteilnahme selektieren. Erfahrungen der Überbelastung im Verkehr bewegen Ältere u.a. dazu, ihre Verkehrsteilnahme einzuschränken. Andererseits können Handlungsmöglichkeiten durch die Übung bestehender Fähigkeiten und Fertigkeiten, z.b. im Rahmen von Verkehrsprogrammen für ältere Menschen als Fußgänger, Radfahrer und auch Autofahrer optimiert werden. Zudem kann beispielsweise die Nutzung des Pkws eine Strategie sein, um 27

28 alterskorrelierte, individuelle motorische Fähigkeitsverluste zu kompensieren. Die Möglichkeiten zur Kompensation kann man auch in Anlehnung an das Modell des niederländischen Psychologen Michon (1988) sehen, welches die Verkehrsteilnahme als eine hierarchisch geordnete Verbindung von Teilaufgaben auf drei Ebenen beschreibt (vgl. Brouwer, 1994, Pfafferott, 1994): strategische Ebene taktische Ebene und operationale Ebene. Auf der strategischen Ebene erfolgen Entscheidungen vor Antritt einer Fahrt (z.b. die der Fahrroute oder des Fahrtzeitpunkts). Diese Entscheidungen können von älteren Fahrern, vor allem wenn sie sich im Ruhestand befinden und infolgedessen in ihrer Zeiteinteilung flexibler sind, ohne zeitlichen Druck getroffen werden. Auf der strategischen Ebene erfolgen Entscheidungen vor Antritt einer Fahrt (z.b. die der Fahrroute oder des Fahrtzeitpunkts). Diese Entscheidungen können von älteren Fahrern, vor allem wenn sie sich im Ruhestand befinden und infolgedessen in ihrer Zeiteinteilung flexibler sind, ohne zeitlichen Druck getroffen werden. Auf taktischer Ebene steht das Streben nach einem konstant niedrigen Risiko während der Verkehrsteilnahme durch antizipatorische Fahrmanöver auf Basis der Kenntnis über sich selbst, das Fahrzeug und die Erwartungen hinsichtlich künftiger Verkehrssituationen im Vordergrund (z.b. Verlangsamung der Fahrgeschwindigkeit wenn ein Verkehrszeichen einen Schulbereich ankündigt). Der Zeitdruck ist auf dieser Ebene schwach bis mäßig ausgeprägt. Auf operationaler Ebene geht es schließlich um die unmittelbare Auswahl und Ausführung von Manövern zur Gefahrenabwehr, etwa das Spurwechseln oder das plötzliche Auftauchen von Verkehrshindernissen. Es besteht hier ein konstanter Zeitdruck, da nur begrenzte Zeit für die Meidung oder Bewältigung gefährlicher Situationen zur Verfügung steht. Vor allem auf dieser Ebene sind Probleme bei den älteren Kraftfahrern zu erwarten. Ältere Verkehrsteilnehmer/innen sind in diesen Situationen umso mehr überfordert, je mehr das sichere Verhalten eine selten praktizierte Fahrverhaltenstechnik erfordert. Kompensationen älterer Fahrer/innen sind daher in erster Linie auf taktischer und strategischer Ebene möglich, da ihnen dann meist ausreichend Zeit für Entscheidungen und Handlungen zur Verfügung steht. 28

29 Anhand dieses Modells lässt sich die relativ günstige Unfallsituation älterer Kraftfahrer/innen gut erklären. Ältere Kraftfahrer/innen versuchen Leistungseinbußen vor allem durch Vermeidung ungünstiger Verkehrszeiten und -situationen sowie durch eine defensive, vorsichtige und langsame Fahrweise auszugleichen (Schlag, 2003; Weinand, 1997). Im Outdoor-Mobility-Survey gab beispielsweise jeder zweite ältere Autofahrer an, nicht zu Hauptverkehrszeiten zu fahren, wenn es nicht unbedingt erforderlich sei (Mollenkopf & Flaschenträger, 1997). Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in den USA: Older drivers reduce their nighttime driving, and, with increasing age, they also restrict their driving to lower speed roads..., low traffic volumes and good weather (Waller, 1996, 2001). Schon früh hat Böcher (1977; zit. nach Rühle, 1996) darauf hingewiesen, dass u.a. durch Erfahrung und Routine sowie durch entsprechende Merkmale der Gesamtpersönlichkeit (z.b. erhöhte Lernmotivation und Anstrengungsbereitschaft, Vorsichtshaltung, Selbstkritik, Einsicht in eigene Leitungsgrenzen) ein Ausgleich vorhandener Schwächen möglich ist. Von verschiedenen Seiten ist auf den engen Zusammenhang zwischen Fahrerfahrung und Kompensation von Leistungsmängeln im höheren Lebensalter aufmerksam gemacht worden (vgl. Böcher, 1977; Seib, 1990). Zugute gehalten wird den Älteren als ausgleichender Faktor für altersspezifische Einschränkungen zumeist ihre vermehrte Erfahrung. Tatsächlich kann diese Erfahrung trotz eventuell eintretender Leistungsmängel genutzt werden, um die Risiken des Autofahrens möglichst gering zu halten. Diese vermehrten Erfahrungen als Kraftfahrer müssten sich in einer verbesserten Fähigkeit ausdrücken, möglicherweise gefährliche Situationsentwicklungen frühzeitig richtig aufgrund nur geringer Hinweise vorauszusehen und ohne weiteres Zögern angemessen reagieren zu können. Im Verlauf der Praxis müssten dann die Verhaltensweisen in solchen bereits erfahrenen Situationen immer mehr optimiert werden, damit sie immer weniger variabel, immer exakter und immer schneller ausgeführt werden können. In einer komplexen Handlungsfolge wie dem Kraftfahren scheinen die Handlungen dann ineinander überzugehen, so dass sie nicht mehr im einzelnen bewusst gesteuert werden müssen, leichter, schneller und selbstverständlicher ablaufen und automatisiert werden. Solche positiven Wirkungen vermehrter Erfahrung sind bei älteren Kraftfahrern jedoch nur in Grenzen feststellbar. Vielmehr wünschen sich gerade ältere Menschen mehr Informationen, 29

30 bevor sie eine Entscheidung fällen und sie benötigen mehr Zeit zur Entscheidungsfindung. Sie sind vorsichtiger bei der Handlungsvorbereitung vielleicht als Kompensation für tatsächliche oder vermutete negative Entwicklungen bei der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Sie wollen ihre Handlungen auch beim Autofahren bewusst überwachen und genau dies verlangsamt die Aufmerksamkeitszuwendung zu neuen Situationsentwicklungen. Andererseits kann eine solche verstärkte Handlungskontrolle die Möglichkeiten zur Fehlerkorrektur verbessern, vorausgesetzt, dass genügend Zeit vorhanden ist (Schlag, 2001). Problematisch ist in diesem Zusammenhang lediglich eine Überschätzung des Wertes von Routine und Erfahrung als Garanten sicheren Fahrens. Es ist indes nur eine Minderheit älterer Kraftfahrer, die zu dieser Überschätzung neigt und sich damit selbst in eine Überforderungssituation bringt. Die fahreignungsrelevanten Veränderungen der Leistungsfähigkeit werden in der Regel von älteren Autofahrern bemerkt (Chaloupka, 1994, 330). Als weiterer wichtiger Ausgleichsfaktor wird in der Literatur die Persönlichkeit genannt. Wie aus zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen und aus der medizinisch-psychologischen Begutachtungspraxis bekannt, ist Autofahren letztlich eine Sache der persönlichen Werte und des damit verbundenen Verantwortungsbewusstseins. Die im Alter vorherrschende geringere Risikobereitschaft in Kombination mit einer gefestigten Persönlichkeit und mit einer niedrigen Tendenz zu aggressiven Interaktionen sowie zu emotionalem Autofahren können erfolgreiche Kompensationsstrategien im Alter unterstützen (Weinand, 1997). Bezogen auf das Kompensationsverhalten älterer Autofahrer/innen konnten Rudinger & Jansen (2003) in ihrer Studie AEMEÏS (Aeltere Menschen im Straßenverkehr) folgende Einsichten und Erkenntnisse identifizieren: Die Mehrzahl der älteren Menschen vermied das Fahren, wenn sie sich körperlich nicht fit fühlten. Gesundheitliche Aspekte und das wahrgenommene Alter waren die häufigsten Gründe für die Aufgabe des aktiven Fahrens. Einer der Schwerpunkte der Ergebnisse war die Erkenntnis, dass gezielte Verkehrssicherheitsmaßnahmen vor allem auf die 54- bis 64-jährigen ausgerichtet sein sollten, da diese Altersgruppe sich einerseits durch eine relativ hohe Verkehrsbeteiligung und anderseits durch eine häufiger auftretende Tendenz auszeichnete, erkannte Leistungseinbußen zu ignorieren und ihr gewohntes in diesem Fall unangemessenes Fahr- und Mobilitätsverhalten beizubehalten (Gruppe der dysfunktionalen Kompensierer ). 30

31 Ältere Autofahrer/innen, bei denen bereits Leistungsdefizite bestanden, die ihr Fahrverhalten jedoch mit dem Ziel der Risikoreduktion umstellten, fielen in die Gruppe der funktionalen Kompensierer. Alle älteren Autofahrer/innen, die ihr Fahrverhalten umstellten, obwohl keinerlei Defizite vorlagen, gehörten der Gruppe der präventiven Kompensierer an. Eine weitere Gruppe dieser Systematisierung wies keine Leistungsdefizite auf und zeigte (folglich) auch keine Änderungen im Fahrverhalten. Insgesamt zeigten 23,5 Prozent der älteren Autofahrer/innen einen funktionalen Kompensationsstil, 5,5 Prozent einen dysfunktionalen und 25 Prozent einen präventiven Kompensationsstil. 30 Prozent zeigten ein stabiles Fahrverhalten und 16 Prozent der Befragten konnten nicht klassifiziert werden. Ein Vergleich zwischen Personen mit funktionalem und dysfunktionalem Kompensationsstil konnte zeigen, dass beide Gruppen gleich häufig an Unfällen beteiligt waren Personen mit funktionalem Stil jedoch wesentlich häufiger unverschuldet in die Unfälle verwickelt waren, als dysfunktional kompensierende Fahrer. In ihrem Einstellungsprofil unterschieden sich die beiden Gruppen dahingehend, dass die funktional kompensierenden Fahrer/innen mehr Einsicht in die Notwendigkeit hatten, ihr Fahrverhalten umzustellen und dass sie weniger risikofreudig in ihrem Fahrverhalten waren. Auch zeigte sich eine Tendenz zur Selbstüberschätzung bei Personen mit dysfunktionalem Kompensationsstil. Die Frage nach dem Lebensstil der Fahrer/innen konnte aufzeigen, dass dysfunktional kompensierende Personen eher einen Lebensstil führen, bei dem die Suche nach Aufregung eine wichtige Rolle spielt. Im Gegensatz dazu hatten die funktional kompensierenden Fahrer breite Interessen und einen moderaten Lebensstil. Des Weiteren war auffällig, dass besonders die Jüngeren unter den männlichen älteren Autofahrern (54 bis 64 Jahre) zu der Gruppe der dysfunktional kompensierenden Autofahrer gehörten. Deren Merkmale ähnelten sehr den Eigenschaften, die bei jungen, männlichen Autofahrern zu finden waren. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass lediglich 5 bis 6 Prozent der älteren Autofahrer/innen, also diejenigen mit dysfunktionalem Kompensationsstil, keine Einsicht in eine Anpassung ihres Fahrstils an die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit haben. Inwieweit Kompensationsmöglichkeiten im konkreten Einzelfall vorhanden sind oder nicht, kann nur individuell unter Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände, Sichtweisen und vorliegenden Erfahrungen untersucht werden (Höfner & Anderle, 1987). Auf Grund 31

32 der Bedeutung von Mobilität im Alter sind Verhaltensveränderungen gegenüber Einschränkungen vorzuziehen. Allerdings darf neben reinen Verhaltensänderungen für eine risikoarme Mobilität im Alter jedoch die Rolle der Umweltverhältnisse nicht unberücksichtigt bleiben. Kompetenzen im Alter sind das Resultat der Wechselwirkungen von Personenund Umweltmerkmalen. Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Verkehrsteilnahme älterer Menschen ist im Sinne des psychologischen Kompetenzmodells daher eine adäquate Gestaltung der Verkehrsumwelt. Merkmale der Verkehrsumwelt, wie z.b. der Einsatz neuer Techniken, können die individuelle Mobilität und Selbständigkeit älterer Menschen fördern. Für Fußgänger können z.b. Bordsteinabsenkungen, Fahrtreppen und Aufzüge die Überwindung von Höhenunterschieden erleichtern. Gut erreichbare Mittelstreifen und Verkehrsberuhigung können neben akustischen Ampelsignalen und langen Grünphasen die Fahrbahnüberquerung erleichtern. Niedrige Einstiegshöhen und ausreichende Einstiegs- und Umsteigezeiten erleichtern neben gut lesbaren Fahrplänen und leicht bedienbaren Fahrkartenautomaten die Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs (vgl. Krämer, 2004). Interventionen im Bereich Mobilität und Verkehr Grundlegende Ziele für Interventionen im Bereich Mobilität und Verkehr sind einerseits der Abbau von Mobilitätsbarrieren (Kaiser, 1999, 263) und andererseits der Aufbau von Mobilitätskompetenz (ebd.). Kaiser betont, dass Mobilität nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Dimension beinhaltet, und zwar die geistige Beweglichkeit in kognitiven Möglichkeitsräumen (ebd., 261). Der Aufbau von Mobilitätskompetenz erfordert mehr als z.b. das Besorgen von technischen Hilfsmitteln, denn Mobilität beginnt im Kopf (ebd.). Im Sinne einer größtmöglichen Effizienz von Maßnahmen zur Förderung mobilitätserhaltender Strategien erscheint ein mehrdimensionales Vorgehen am ehesten erfolgversprechend. Unterschiedliche Maßnahmen sollten sich gegenseitig ergänzen. Sie sollten einerseits durch den älteren Menschen selbst und andererseits durch eine unterstützende Umwelt ergriffen werden. Für den älteren Menschen erscheint die Identifikation und Ausschöpfung der vorhandenen internen und externen Ressourcen zur Mobilitätserhaltung notwendig. Hierbei spielt die Eigeninitiative eine wichtige Rolle, die gleichzeitig einen großen Beitrag zur Erhaltung eines positiven Selbstbildes leistet. Die Optimierung vorhandener Fähigkeiten und Fertigkeiten kann zu einer wesentlichen Verbesserung der Mobilitätssituation älterer Menschen beitragen. Nicht 32

33 zuletzt sollte eine kritische Selbsteinschätzung die Aktivitäten Älterer im Bereich der Mobilität begleiten. Mobilitätsunterstützende Aktivitäten der Umwelt sollten die Bereitstellung flexibler, bedarfsgerechter Mobilitätsangebote für ältere Menschen umfassen. Wichtig erscheint eine umfassende Information der Älteren über bestehende Angebote im Mobilitätsbereich. Zur Optimierung vorhandener Ressourcen könnten ergonomische und/oder technische Unterstützungen für ältere Autofahrer/innen herangezogen werden, die geeignet sind, die Erfüllung alltäglicher Fahraufgaben zu erleichtern und ggf. vorhandene Leistungsminderungen auszugleichen. Weitere Vorschläge zur Ausschöpfung vorhandener Fähigkeiten und Fertigkeiten wenden sich an Autofahrer/innen selbst. Sie stützen sich auf die Möglichkeit, durch Training eventuellen Fähigkeitsverlusten entgegenzutreten. Kompensation durch technisch-konstruktive Gegebenheiten Um den wachsenden Sicherheits- und Komfortanforderungen im Straßenverkehr gerecht zu werden, sind in Zukunft verstärkt Systeme erforderlich, die den älteren Fahrer bei der Steuerung seines Fahrzeugs unterstützen. Im weiteren Sinne sind bereits viele dieser Systeme im Einsatz. Man kann z.b. ABS (Anti-Blockier-System), ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm), VES (Sichtverbesserungen im Straßenraum), elektrohydraulische Bremse und andere ähnliche Systeme dazu zählen (Färber, 2003). Ein Schlüsselfaktor für den Einsatz dieser Systeme ist die Zuverlässigkeit der Funktion in allen Situationen und die Ausfallsicherheit. Solche technologischen Systeme (z.b. telematische Sicherheitssysteme) können die Mobilitätsplanung erleichtern, Verluste in Fertigkeiten und Fähigkeiten älterer Verkehrsteilnehmer/innen kompensieren und auf diese Weise zur Unfallreduktion beitragen, sofern sie auf die Bedürfnisse und Einschränkungen des Alters abgestimmt sind (vgl. Rudinger, 2002). Die Alterssensitivität der Systeme muss demnach ein zentraler Entwicklungsbereich sein. Der Umgang mit diesen technologischen Systemen erfordert von den älteren Menschen jedoch ein gewisses Maß an kognitiven Ressourcen sowie Eigeninitiative und Interesse (Rudinger & Jansen (im Druck)). In diesem Zusammenhang kann man sich fragen, ob es generell möglich ist, durch die Vermittlung sinnvoller Kompensationstechniken oder durch die Förderung im Bereich kognitiver Basisprozesse die Fähigkeit Älterer im Umgang mit Technik zu steigern (Willis, 2003). Ein solcher Ansatz ist der sogenannten 33

34 personenzentrierten Intervention zuzurechnen, in dem das Benutzermodell dem Designmodell angepasst wird. Die technikorientierte Intervention hingegen passt das Design- dem Benutzermodell an, demzufolge die Technik den Bedürfnissen des Nutzers entsprechend konstruiert wird (vgl. auch Charness & Bosman, 1995). Des Weiteren sollten Forderungen an die Gestaltung neuer technologischer Systeme aufgestellt werden. Denkbar wäre eine seniorengerechte Gestaltung dieser Systeme (Gerontotechnik), die altersbedingte Einschränkungen berücksichtigt. Alternativ wäre jedoch auch ein transgenerational design (vgl. Rudinger & Jansen (im Druck)) denkbar, welches für alle Altersgruppen gleichermaßen von Nutzen wäre. In Anbetracht der technischen Möglichkeiten dieser Systeme stellt sich die Frage, welche Auswirkungen sie tatsächlich auf die Verkehrssicherheit insbesondere älterer Verkehrsteilnehmer/innen haben. Denn häufig genug kann es gerade die Technik sein, die Barrieren schafft, Abhängigkeiten aufbaut und Gefühle der Hilflosigkeit hervorruft. Insgesamt sollte also berücksichtigt werden, dass technische Erleichterungen durchaus zu einem trügerischen Sicherheitsgefühl führen können, was ein riskanteres Fahrverhalten zur Folge haben kann. Inwieweit dies jedoch für ältere Autofahrer/innen zutrifft, wurde noch nicht überprüft (vgl. Färber, 2003). Möglichkeiten der Defizitkompensation durch Training Trotz möglicher Leistungseinschränkungen bei älteren Menschen kann man nicht von einem generellen irreversiblen Abbau der Kräfte im Alter sprechen. Menschen altern in verschiedenen Funktionsbereichen unterschiedlich und viele dieser Prozesse lassen sich durch gezieltes Training verlangsamen, aufhalten oder sind für das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges irrelevant. Prinzipiell kann man nachweisen, dass physische, psychische und soziale Funktionen weitgehend erhalten bleiben, solange man sie gebraucht: Use it or lose it!. Vor diesem Hintergrund kann man durchaus sagen: Ältere Fahrer trainieren die relevanten intellektuell-kognitiven, psychophysischen und psychomotorischen Funktionen bereits, indem sie weiter Auto fahren. Es gilt, dass ein permanentes Training in Form regelmäßiger, nach Möglichkeit tagtäglicher Verkehrsteilnahme als Kraftfahrer das Optimum in bezug auf Erhaltung und Förderung der Funktionsbereitschaft darstellt, sofern nicht krankheitsbedingte, schwere Leistungseinbrüche erfolgen. 34

35 Übung und Training wird in der Literatur auch im Rahmen des Disusemodells diskutiert (vgl. z.b. Kausler, 1991), wobei dieses Alternsmodell sich sowohl auf physische, als auch auf psychische und soziale Funktionen bezieht. Altern wird dann nicht als schicksalhaft ablaufender Abbauprozess verstanden, sondern kann durch Training und Gebrauch der körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen beeinflusst werden (Olbrich, 1987). Baltes & Baltes (1989) gehen in ihrem psychologischen Modell davon aus, dass sich die Leistungsreserven mit zunehmendem Alter verringern. Durch die Strategie der Optimierung durch Selektion (von subjektiv bedeutsamen Bereichen) und durch Kompensation (von funktionalen Defiziten) gelingt es jedoch den älteren Menschen, trotz reduzierter Leistungsressourcen die Aufgaben in den für sie relevanten Lebensbereichen zu bewältigen. Olbrich (1987) betont in seinem Kompetenzmodell, dass das Verhalten im Alter ein Resultat aus den Anforderungen an die Person und deren Ressourcen zu ihrer Bewältigung darstellt. Kompetenz wird also stets durch situative und personenspezifische Faktoren determiniert. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es altersbedingte Veränderungen gibt, die sich durch Leistungseinbußen charakterisieren lassen. Es soll jedoch auch betont werden, dass sich im Alter Bestehendes fördern lässt bzw. (qualitativ) Neues ausbilden kann, wie z.b. ein hohes Maß an Expertise in einem speziellen Bereich. Schlussfolgerung Auf der Basis u.a. von Expertenworkshops (z.b. Rudinger et al., 1999; Becker et al., 2001), einer Konferenz zur Sicherheit von Senioren im Straßenverkehr (Köln, 2000), dem Deutschen Verkehrsexpertentag (Bonn, 2003), der Studie AEMEIS (Jansen, 2001; Rudinger & Jansen, 2003), eines Beitrages von Kroj (2003), der sich auf diese vorgenannten Materialen stützt, eines Beitrags von Echterhoff (2002) aber auch unter Einbezug neuerer Studien wie FRAME (Rudinger et al., 2004) und STELLA (Donaghy et al., 2004) wurden folgende Thesen aufgestellt, die sich den Bereichen (1) Gesellschaftliche Rahmenbedingungen, (2) Verkehrsstrukturelle Intervention und (3) Personale Ressourcen zuordnen lassen. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit der Lebensführung durch die Bewahrung von Fertigkeiten inklusive der Ermutigung zur Mobilität spielt für Ältere eine besonders wichtige Rolle. 35

36 Senioren stellen keine homogene Gruppe dar; dieses gut erforschte Faktum gilt auch für ihr Mobilitätsverhalten, aber auch für das Risikoverhalten. Ältere Menschen sind durch ausgesprochene Vielfalt mobilitätsbezogener Erwartungen, Verhaltensmuster und Lebensstile charakterisiert. Die gegenwärtig durchaus wachsende positive Bewertung und Einstellung gegenüber Alter und Altern muss bei der Entwicklung neuer Sicherheitsmodelle berücksichtigt werden. Verkehrsstrukturelle Intervention Um höhere Straßenverkehrssicherheit nicht nur für Ältere zu erreichen, ist eine stärkere Orientierung an schwachen, ungeschützten, vulnerablen Verkehrsteilnehmern notwendig. Die Teilnahme am Straßenverkehr ist Ergebnis eines lebenslangen Lernprozesses. Mobilitätsgewohnheiten, die während des Lebenslaufes erworben wurden, werden auch im Alter (unter Einsatz diverser Kompensationsstrategien) zum Großteil beibehalten. Das heißt, dass Mobilität für Ältere mit Hilfe technischer Möglichkeiten und durch Gelegenheiten zu Training entsprechender Fertigkeiten aufrechterhalten und gar gefördert werden sollte. Technologische Systeme (z.b. Telematik) können Mobilitätsplanung erleichtern und (bis zu einem gewissen Grad) Verluste in Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Verkehrsteilnahme kompensieren und auf diese Weise zur Unfallreduktion beitragen. Die Alterssensitivität der Systeme muss ein zentraler Entwicklungsbereich sein. Augenmerk sollte auch auf alternative Mobilitätsformen gelenkt werden wie z.b. Smart Modes (zu Fuß gehen, Radfahren). Auch die Nutzung des ÖPNV sollte dadurch erleichtert werden, dass er so benutzerfreundlich wie nur möglich wird. Personale Ressourcen Die Älteren sind ihre eigenen Experten bezüglich ihres Alltagslebens inklusive ihrer Alltagsmobilität. Es muss deshalb eine sehr viel stärkere Beteiligung der Älteren an der Entwicklung, Einführung und Implementation von verkehrsbezogenen Sicherheitsmaßnahmen und neuen Technologien ermöglicht werden. Ältere haben weiterhin ein hohes Interesse an und eine positive Einstellung zum Lernen, zu Übung und Training. Dies gilt auch für technischen Fortschritt und moderne Entwicklungen bezüglich der Straßenverkehrssicherheit. 36

37 Wenn Verkehrssicherheitsmaßnahmen implementiert werden, sollten verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten dergestalt genutzt werden, dass sie für die verschiedenen Lebenssituationen und Lebensstile der Älteren angemessen sind. Neue Medien können dabei durchaus in Betracht gezogen werden. Literatur Baltes PB (1999) Altern als unvollendete Architektur der Humanontogenese. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 32: Baltes M, Lang F & Wilms H (1998) Selektive Optimierung mit Kompensation. Erfolgreiches Altern in der Alltagsgestaltung. In: Kruse A ed. Psychosoziale Gerontologie Bd. 1: Grundlagen (Jahrbuch der medizinischen Psychologie, Bd. 15). Göttingen: Hogrefe. Baltes M, Maas I, Wilms H & Borchelt M (1996) Alltagskompetenz im Alter: Theoretische Überlegungen und empirische Befunde. In: Mayer KU & Baltes PB eds. Die Berliner Altersstudie. S , Berlin: Akademie Verlag. Baltes PB & Baltes MM (1989) Optimierung durch Selektion und Kompensation. Zeitschrift für Pädagogik 35: Bauer Verlagsgruppe und Axel Springer Verlag AG eds. (1999) Forever young? Die Verschiebung der Altersschwellen. Eine Trendanalyse aus der Verbraucheranalyse 99. Becker S, Berger R, Dumbs M, Emsbach M, Erlemeier N, Kaiser HJ & Six U (2001) Projektgruppe Perspektiven der Verkehrssicherheitsarbeit mit Senioren. In: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe Mensch und Verkehr, Heft M 13, Bergisch Gladbach. Böcher W (1977) Die verkehrspsychologische Beurteilung älterer Menschen. Zeitschrift für Gerontologie 10 (3): Brouwer W (1994) Ältere Autofahrer und Anforderungen an die Aufmerksamkeit. In: Tränkle U ed. Autofahren im Alter. Mensch-Fahrzeug-Umwelt, 30: Köln/Bonn: TÜV Rheinland/Deutscher Psychologen Verlag. Bundesanstalt für Straßenwesen [Federal Highway Research Institute] (2000) Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.v., Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Kommission der Europäischen Union. Internationale Konferenz: Mehr Verkehrssicherheit für Senioren. 2000: , Köln. Report M 123. [Reports of the Federal Highway Research Institute] Bergisch Gladbach, Germany: BASt. 37

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43 Mobilität älterer Menschen Analysen und verkehrsplanerische Konsequenzen von Klaus Beckmann, Christian Holz-Rau, Guido Rindsfüser und Joachim Scheiner Anlass und Problemstellung Die demografische Entwicklung in Deutschland wird in der fachplanerischen und politischen Diskussion unter Schlagworten wie Schrumpfung, Alterung, Ost-West- und Nord-Süd-Wanderungen, Immigration sowie Suburbanisierung thematisiert. Die Konsequenzen für Verkehrsentwicklung und Verkehrsplanung, für Ausbau und Erhaltung von Verkehrsinfrastrukturen, für Verkehrsangebotsgestaltung und Verkehrsmanagement finden dabei erst in jüngster Zeit Berücksichtigung (vgl. Beckmann, 2004; Chlond et al., 2002; Holz-Rau/Scheiner, 2004; Huber, 2003; Köhler, 2003; Wissenschaftlicher Beirat, 2004). Dabei stehen drei Aspekte im Vordergrund: Mit dem Bevölkerungsrückgang und der Alterung gehen Verluste der Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte einher, die eine öffentliche Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen und eine Bereitstellung der Angebote im öffentlichen Personenverkehr erschweren werden. Mit der altersstrukturellen Veränderung der Bevölkerung werden quantitative und qualitative Veränderungen der Mobilitätsansprüche und der Verkehrsnachfrage erwartet, die in der Planung bereits frühzeitig bedacht werden sollten. Für den öffentlichen Personennahverkehr ist ein Ausfall wesentlicher Nachfragergruppen (z.b. Schüler, nicht motorisierte ältere Menschen) zu erwarten mit der Folge besonderer Probleme der Angebotsbereitstellung in ländlichen Räumen wie auch in dünn besiedelten suburbanen Räumen. Hinsichtlich der Nachhaltigkeitsforderungen für Raum- und Verkehrsentwicklung sind die demografischen Veränderungen vor allem für die ökonomische und soziale Dimension bedeutsam: 43

44 In der ökonomischen Dimension gilt es, eine Überschuldung nachfolgender Generationen (abnehmende Bevölkerungszahl) zu vermeiden und die Verkehrsinfrastruktur an der Nachfrage über die gesamte Nutzungsdauer auszurichten. In der sozialen Dimension sind die Teilnahmemöglichkeiten auch für Menschen ohne Pkw zu sichern. Dies sind vor allem ältere Menschen und Kinder sowie Jugendliche. Besondere Probleme sind hier im ländlichen Raum und in suburbanen Gebieten geringer Dichte zu bewältigen. Veränderungen der individuellen Aktivitäten- und Verkehrsnachfragemuster ergeben sich nicht nur durch die demografischen Veränderungen, sondern auch durch Wohnstandortwechsel (Wanderungen) sowie durch Pluralisierung der Lebensstile und sich verändernde Haushaltsstrukturen. Die Aspekte der individuellen, physisch und psychisch bedingten Fahrund Bewegungsfähigkeit älterer Verkehrsteilnehmer finden in diesem Beitrag nur eine nachgeordnete Berücksichtigung. Die insbesondere altersbedingten Veränderungen der Wahrnehmungsfähigkeiten, der Reaktionsfähigkeit wie auch des subjektiven Sicherheitsempfindens haben Rückwirkungen auf individuelle Verkehrsaufkommen und Verkehrsaufwände, insbesondere aber auf die individuelle Verkehrsmittelwahl. Physische und psychische Fähigkeiten haben zudem Rückwirkungen auf Anforderungen an Verkehrsmittel (z.b. Einstiegszeiten und Sitzplatzanforderungen sowie soziale Sicherheit (Überwachung) im ÖV, Fahrerassistenzsysteme im Pkw) sowie auf bevorzugte Geschwindigkeiten und akzeptiertes Risikoverhalten. Demografische Entwicklungen Im Hinblick auf Verkehrsnachfrage und Verkehrsmittelwahl, damit auch im Hinblick auf eine Bereitstellung von Verkehrsinfrastrukturen und Verkehrsangeboten, haben vier Entwicklungstendenzen zentrale Bedeutung: die Abnahme der Gesamtbevölkerung, dabei insbesondere auch junger Altersgruppen, die Alterung der Bevölkerung mit absoluter und relativer Zunahme der Besetzung höherer Altersgruppen, die inter- und intraregionalen Wanderungen, die Verkleinerung der Haushalte und die Pluralisierung der Lebensstile. 44

45 Abnahme der Gesamtbevölkerung Aufgrund der seit mehr als 30 Jahren niedrigen Geburtenziffern wird in Deutschland ähnlich wie in den anderen Industrienationen die Bevölkerung auch zukünftig stark abnehmen. Da kleine Kohorten ( gleiche/ähnliche Geburtsjahrgänge) bei konstanten, für eine vollständige Reproduktion zu niedrigen Geburtenraten, d.h. weniger 2,1 Geburten pro Frau, jeweils noch kleinere Kohorten in der nächsten Generation zur Folge haben, kumuliert die Abnahme im Laufe der Zeit. So wird ein spürbarer Rückgang der Gesamtbevölkerung ab etwa 2020 eintreten und sich dann stetig beschleunigen. Dieser Prozess ist auch bei steigenden Geburtenziffern nicht oder nur sehr langfristig zu korrigieren. Im Einzelnen unterscheiden sich die vorliegenden Prognosen allerdings recht deutlich. Während die Bundesverkehrswegeplanung (BVWP) noch einen Bevölkerungszuwachs von 1,6 % bis 2015 zugrunde legt und mit diesen 83,5 Mio Einwohnern die Obergrenze darstellt (Gresser et al., 2001), geht die 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (2003) in der mittleren Variante (Variante 5, Abbildung 1) für das Jahr 2015 von 83,1 Mio Einwohnern, das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2003) von 82,0 Mio und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW (Schulz, 1999) nur von 79,7 Mio bis 81,3 Mio Einwohnern aus. Abb. 1: Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland bis 2050 (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2003; Darstellung aus Holz-Rau/Scheiner, 2004, S. 240) 45

46 In der mittleren Variante des Statistischen Bundesamts (2003) sinkt die Einwohnerzahl bis 2050 auf 75 Mio Menschen in Deutschland. Dabei werden Wanderungsgewinne von Personen pro Jahr unterstellt. Gegenüber der 9. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (2000) ist diese Schätzung deutlich optimistischer. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung prognostiziert für 2050 eine Bandbreite von 60 bis 67 Mio Einwohnern bei einem positiven Wanderungssaldo von bis Personen pro Jahr. Birg (2001) geht von einem Variationsbereich von 65 Mio bis 70 Mio aus. Bei einer Perspektive bis 2100 ergibt sich nach Birg ein Variationsbereich von 50 Mio bis 60 Mio unter der Annahme eines jährlichen Wanderungsüberschusses von Personen, ohne Wanderungsüberschüsse jedoch nur von 25 Mio bis 32 Mio. Eine Abnahme der Gesamtbevölkerung um knapp 9 % (75 Mio) bis 27 % (60 Mio) bis zum Jahr 2050 gegenüber dem Jahr 2000 ist für heutige Infrastrukturentscheidungen vor allem aufgrund der langen Nutzungsdauer, aber auch aufgrund der langen Realisierungsfristen von Verkehrswegeinvestitionen bedeutsam. Effizienz und Nachhaltigkeit von Infrastrukturentscheidungen erscheinen damit bei mangelnder Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung in Frage gestellt. Alterung und altersstrukturelle Verschiebungen Die steigende Lebenserwartung der Männer und Frauen in Verbindung mit der geringen Geburtenrate führt bereits gegenwärtig zu einer starken Alterung der Bevölkerung. Dies verstärkt sich in den nächsten Jahrzehnten. Nach der Prognose des Statistischen Bundesamts (2003) wird bis 2050 der Anteil der unter 20-jährigen an der Bevölkerung unter der optimistischen Annahme starker Zuwanderung von gegenwärtig 21 % auf 16 % sinken, der Anteil der 60-jährigen und Älteren von 24 % auf 37 % zunehmen. Besonders stark ist die Zunahme der Hochaltrigen (Abbildung 2). Während gegenwärtig 4 % der Bevölkerung mindestens 80 Jahre alt sind, werden es im Jahr % sein. Der Anteil der Personen von 20 bis 59 Jahren sinkt von 55 % auf 47 %. Mit dem Alter, d.h. mit Veränderungen der physischen und psychischen Konstitution wie auch der Erwerbsbeteiligung ergeben sich sowohl veränderte individuelle Mobilitätsanforderungen hinsichtlich Wegeanzahl, Wegezwecken, Wegeentfernungen, eingesetzten bzw. bevorzugten Verkehrsmitteln als auch veränderte individuelle Mobilitätsmöglichkeiten hinsichtlich Verkehrsmittelverfügbarkeiten, Grad der selbstständigen Mobilität wie auch hinsichtlich bevorzugter Fahrweisen (z.b. Fahrgeschwindigkeiten, Beschleunigungs- und Abstandsverhalten). 46

47 Mio. Einwohner ab 80 J J J. unter 20 J. Abb. 2: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 2050 (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2003; Darstellung aus Holz-Rau/Scheiner, 2004, S. 241) Wanderungen und regionale Ausprägungen der Bevölkerungsentwicklung Die Gesamtzahl der Bevölkerung in Deutschland wird maßgeblich auch durch die Zuwanderung geprägt, während die räumliche Verteilung innerhalb Deutschlands Ergebnis interregionaler und intraregionaler Wanderungen ist. Immigranten aus ökonomischen, politischen und humanitären Gründen sind vor allem aus den EU-Erweiterungsgebieten sowie aus Entwicklungsländern zu erwarten. Wahrscheinlich werden zukünftig auch verstärkt qualifizierte Arbeitskräfte aus Schwellenländern angeworben. Diese Wanderungen richten sich nach bisherigen Erfahrungen vorwiegend auf wirtschaftlich (relativ) prosperierende Regionen sowie auf Gebiete, in denen bereits Gruppen der entsprechenden Nationalität leben. Dies sind demnach vor allem die alten Bundesländer, dort insbesondere die Kernstädte der Verdichtungsräume und allgemein eher der Süden als der Norden Deutschlands (Bucher et al., 2002). Die Immigration ist stark von politischen Weichenstellungen abhängig und deshalb schwierig zu prognostizieren. 47

48 Die interregionalen Wanderungen in Deutschland werden seit 1998 nach einem zwischenzeitlichen Rückgang wieder wie nach der Wiedervereinigung durch Ost-West-gerichtete Wanderungen dominiert (Statistisches Bundesamt, 2002). Diese werden in begrenztem Maße durch Nord-Süd-Wanderungen überlagert (Maretzke, 1998). Ausbildungswanderungen führen vor allem in die Großstädte, Ruhesitzwanderungen aber weniger ausgeprägt in landschaftlich reizvolle Gebiete. Das intraregionale Wanderungsgeschehen ist weiterhin durch Suburbanisierung geprägt; dies hat in den großen Verdichtungsräumen seit den 1980er Jahren zur Ausbildung von zweiten Siedlungsringen in größerer Entfernung zur Kernstadt geführt. Zudem haben vermehrt auch Klein- und Mittelstädte Siedlungsringe in ihrem Umland. Bei der Suburbanisierung handelt es sich nicht mehr nur um klassische Kernstadt-Rand-Wanderungen, sondern vermehrt auch um disperse Wanderungen innerhalb der suburbanen Räume sowie um in die suburbanen Räume gerichtete Zuwanderungen aus anderen Regionen (Aring/Herfert, 2001). Wanderungen in die Kernstädte erfolgen im Wesentlichen während der vergleichsweise kurzen Lebensphase der Postadoleszenz. Die Wanderungen sind wesentlich stärker als beobachtbare räumliche Differenzierungen von Geburten- und Sterberaten Ursache für die Ausbildung von Schrumpfungs- und Wachstumsräumen. Dabei erfolgen die interregionalen Wanderungen entsprechend der Immigration bevorzugt in die (relativ) prosperierenden Regionen. Dies führt zu Schrumpfungsregionen, die insgesamt Bevölkerung verlieren, wie Ostdeutschland insgesamt, insbesondere altindustrialisierte Regionen in West- und Ostdeutschland, periphere strukturschwache ländliche Räume (insbesondere im Osten), Teilräumen von Regionen mit Bevölkerungsabnahme wie Kernstädte der Verdichtungsräume, zum Teil Kleinstädte und dezentrale Zentren im Umland, innerhalb der Städte Großwohnsiedlungen und zum Teil auch nicht sanierte Altbauquartiere mit besonders dramatischen Verlusten in Ostdeutschland, Wachstumsregionen, die als prosperierende Wirtschaftsräume Bevölkerung gewinnen wie München, Rhein-Main, Mittlerer Neckarraum, Bonn-Köln-Düsseldorf, eventuell Hamburg sowie einzelne Räume wie Ostwestfalen-Lippe, Bodensee-Oberschwaben, Gebiete mit Bevölkerungswachstum auch innerhalb schrumpfender Regionen insbesondere suburbane Räume. 48

49 Die verschiedenen Teilräume haben somit spezifische Entwicklungstendenzen hinsichtlich Personenverkehrsaufkommen und Personenverkehrsaufwänden sowie hinsichtlich Verkehrsmittelausstattung und modaler Verkehrsnachfrage. Insgesamt gewinnen eher disperse und damit MIV-affine Verkehrsnachfragestrukturen an Bedeutung. Veränderungen der Haushaltsstrukturen, Pluralisierung der Lebensstile Die zunehmende Ausdifferenzierung der Gesellschaft insbesondere hinsichtlich Lebensstilen und Lebensformen, Individualisierung, Verkleinerung der Haushalte und Vielfalt der Lebens- und Haushaltsformen (z.b. living apart together ) hat für die Verkehrsentwicklung eine nicht unwesentliche Bedeutung. Aufgrund der Verkleinerung der Haushalte wird zumindest in naher Zukunft auch bei abnehmender Bevölkerungszahl die Anzahl der Haushalte zunehmen. Dies war bereits in der Vergangenheit ein wesentlicher Grund für die Zunahme der (einwohner-)spezifischen Wohnflächen- und Siedlungsflächennachfrage sowie für die Zunahme der spezifischen Motorisierung. Dies kann auch in Zukunft bei konstanter und leicht sinkender Bevölkerungszahl zu einer Zunahme der Wohnfläche, einer Ausdehnung der Siedlungsfläche und einer Zunahme der Pkw-Bestände führen. Die Entwicklungen im Erwerbsleben mit der Tendenz zu kurzfristigen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen sowie zu zunehmender Frauenerwerbstätigkeit auch im Westen stehen einerseits im Kontext der Individualisierung, tragen andererseits zur Wohn-Immobilität bei, d.h. zur Abnahme der Bereitschaft, bei einem Arbeitsplatzwechsel den Wohnstandort in die Nähe des neuen Arbeitsplatzes zu verlegen. Wohnstandortmobilität wird durch alltägliche Pendelmobilität ersetzt. Diese Entwicklungen gehen aber einer gewissen Sättigung entgegen, d.h. sie können nicht ohne weiteres in die Zukunft extrapoliert werden. So wird es nur noch zu einer begrenzten weiteren Verkleinerung der Haushalte wie zu einer begrenzten weiteren Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit kommen. Dies und die Dämpfung der Wohlstandsentwicklung wirkt abschwächend auf die Siedlungsflächen- und Verkehrsentwicklung. In der Grundtendenz führen die weiteren Veränderungen der Haushaltsstrukturen in Verbindung mit der Veränderung der Lebensstile zu einer Individualisierung der Verkehrsmittelverfügbarkeit und der Verkehrsnachfrage. Insgesamt bedeutet dies eine Zunahme der spezifischen Motorisierung und der motorisierten zudem dispersen Verkehrsnachfrage. 49

50 Voraussichtliche Konsequenzen für den Verkehr Die aufgezeigten demografischen Veränderungen sind mit deutlichen Veränderungen der Verkehrsnachfragestrukturen verbunden. Als wesentliche Tendenzen können folgende Gegebenheiten bilanziert werden: Mit abnehmender Bevölkerungszahl ist zunächst unter der Annahme konstanter Wegehäufigkeit pro Person mit einem Rückgang des Verkehrsaufkommens zu rechnen. Auch wenn sich die Wegezahl der älteren Menschen aufgrund der erweiterten individuellen Mobilitätsmöglichkeiten, der verbesserten physischen Konstitution und der erlernten mobileren Lebensstile erhöhen sollte, ist doch auch zukünftig mit einer unterdurchschnittlichen Anzahl von Wegen älterer Menschen zu rechnen, so dass der Rückgang des Verkehrsaufkommens aufgrund der Alterung stärker als der Bevölkerungsrückgang ausfallen wird. Die Abnahme der Bevölkerung im Erwerbstätigenalter kann zu einer noch stärkeren Abnahme des MIV-Aufkommens führen möglicherweise allerdings kompensiert durch eine Ausdehnung der Lebensarbeitszeit, ein Vorziehen des Führerscheinalters, eine weitere Motorisierung der Frauen und vor allem durch eine höhere Motorisierung der älteren Männer und Frauen. Mit einem starken Rückgang der Nachfrage im öffentlichen Verkehr ist als Folge des Bevölkerungsrückgangs, des abnehmenden Anteils von Kindern und Jugendlichen sowie des höheren Pkw-Besitzes im Alter zu rechnen. Diese Veränderungen werden vor allem durch die Wanderungsvorgänge in Verbindung mit räumlich differenzierten Verläufen von Bevölkerungsrückgängen und Alterung deutliche räumliche Unterschiede aufweisen. So ergeben sich beispielsweise besondere Nachfrageeinbrüche im öffentlichen Personennahverkehr (peripherer) ländlicher Räume sowie der Großwohnsiedlungen in Ost- und Westdeutschland. Diese strukturellen Veränderungen der Verkehrsnachfrage konstituieren die weitere Verkehrsentwicklung erst in der Überlagerung mit dem Verkehrsverhalten der zukünftigen älteren Menschen. Für eine Prognose stellt sich zunächst die grundlegende Frage, wie sich das Verkehrsverhalten der heute jüngeren Menschen im Alter verändert. Dies lässt sich vor allem in folgende Untersuchungsfragen differenzieren: Werden die jüngeren Menschen im Alter ihre Aktivitätenmuster beibehalten? Werden die älteren Menschen ihre zeitliche Flexibilität und die zum Teil auch gegebene größere Finanzmittelverfügbarkeit für eine 50

51 verkehrsaufwändigere Freizeitgestaltung sowie Gestaltung von Versorgungsaufgaben nutzen? In welchem Maße werden die zukünftigen Alten ähnlich den heutigen Alten weniger als der Bevölkerungsdurchschnitt unterwegs sein und dabei seltener das Auto nutzen? Verhaltensänderungen Kohorten versus Längsschnitt Führerscheinbesitz Um die vorstehenden Fragen zu beantworten, ist ein Vergleich der Verhaltenskenngrößen von Personen unterschiedlichen Alters zu einem Zeitpunkt (zeitlicher Querschnitt) nicht ausreichend, da das individuelle Verkehrsverhalten vor allem im jüngeren Alter geprägt wird ( biografische Effekte). Dieser sogenannte Kohorteneffekt soll zunächst anhand des Führerscheinbesitzes verdeutlicht werden. Die aktuelle Erhebung Mobilität in Deutschland 2002 weist wie auch die KONTIV 1976, 1982 und 1989 in höheren Altersgruppen einen geringeren Anteil an Führerscheinbesitzern auf als in jüngeren Altersgruppen (Abbildung 3). Dabei handelt es sich nicht um eine Abnahme des Führerscheinbesitzes im Alter, sondern um einen Kohorteneffekt. Die KONTIV-Erhebungen der Jahre 1976, 1982 und 1989 sowie die Erhebung Mobilität in Deutschland 2002 zeigen in der Analyse von Jahrgangsgruppen (Kohorten), dass in den jüngeren Jahrgängen der Anteil der Führerscheinbesitzer von Erhebung zu Erhebung zugenommen hat (Abbildung 4). Der deutlichste Sprung tritt erwartungsgemäß ein, wenn die Jahrgangsgruppe die Altersgrenze von 18 Jahren überschreitet. In höherem Alter nimmt der Führerscheinbesitz von Erhebung zu Erhebung dagegen nur noch geringfügig zu. Hier ist darauf hinzuweisen, dass die Daten der unterschiedlichen Erhebungen infolge abweichender Erhebungsmethoden nicht vollständig vergleichbar sind. Der im Vergleich zu den älteren Erhebungen hohe Anteil der führerscheinbesitzenden Geburtsjahrgänge 1911 bis 1916 in der Erhebung 2002 (Abbildung 4) ist wohl vor allem als ein solcher Methodeneffekt zu interpretieren. In den älteren, schriftlich durchgeführten KONTIV-Erhebungen wurde die Frage nach dem Führerscheinbesitz von vielen Älteren nicht mehr beantwortet, wohl entsprechend der Annahme: Ich fahre kein Auto mehr, wozu soll ich den tatsächlich vorhandenen Führerscheinbesitz dann noch angeben. In den mündlichen (Telefon-)Interviews der MiD 2002 wurden dagegen mutmaßlich 51

52 Abb. 3: Führerscheinbesitz nach Altersgruppen (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) Abb. 4: Führerscheinbesitz nach Geburtskohorten (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) 52

53 die nicht mehr genutzten Führerscheine auf Nachfrage der Interviewer berichtet 1. Der geringere Anteil an Führerscheinbesitzern unter den heutigen Älteren gegenüber Jüngeren ist also ein Kohorteneffekt. Für eine Prognose des Führerscheinbesitzes beispielsweise der 71- bis 75-jährigen im Jahr 2020 eignet sich also nicht der Führerscheinbesitz der 71- bis 75-jährigen von ca. 68 % des Jahres 2002, sondern der Anteil der Führerscheinbesitzer in den Geburtsjahrgängen 1947 bis 1952, nämlich der Altersgruppe, die im Jahr Jahre alt sein wird und im Jahr 2002 dementsprechend Jahre alt war. Differenziert man die Analysen zusätzlich nach dem Geschlecht, zeigen sich weitere deutliche Unterschiede. So besitzen die erwachsenen Geburtsjahrgänge nach 1947 zu mehr als 90% einen Führerschein (Abbildung 4). Diese weitgehende Durchdringung wurde bei den Männern bereits in den Geburtsjahrgängen 1929 bis 1934 erreicht (Abbildung 5 unten). Bei den Frauen liegt der Anteil der Führerscheinbesitzerinnen im Jahre 2002 dagegen erst ab den Geburtsjahrgängen 1959 bis 1964 bei über 90 % (Abbildung 5 oben). Entsprechend werden erst etwa 2030 die 70- bis 75-jährigen Frauen zu gut 90% einen Führerschein besitzen. Dieser Anteil wird bei den 70- bis 75-jährigen Männern bereits heute erreicht. Derartige Kohortenbetrachtungen sind für Prognosen der zukünftigen Verkehrsstrukturen von zentraler Bedeutung und bilden daher, gestützt auf die Mobilitätserhebungen von 1976 bis 2002, den Kern des weiteren Beitrags. Insgesamt wird erkennbar, dass bei einer Analyse des Mobilitätsverhaltens älterer Menschen zu beachten sind: a. Alterseffekte, die mit dem Alter variierende Einflüsse wie Einbindung in Erwerbsprozess, physische Konstitution, Einbindung in soziale Kontaktkreise, Finanzmittelverfügbarkeit abbilden, sowie b. Kohorteneffekte ( Geburtsjahrgänge ), die die Wirkungen der Mobilitätssozialisation zusammenfassend abbilden. Für teilräumliche Betrachtungen kommen Effekte der Raumstruktur (Lage- und Erreichbarkeitsmerkmale) hinzu. Eine zusätzliche Überlagerung erfolgt durch Einflüsse der Wirtschaftssituation. 1 Die theoretisch auch denkbaren beiden anderen Interpretationen sind dagegen höchst unwahrscheinlich: 1. Ältere Menschen haben in den letzten Jahren in hohem Maße erst Führerscheine erworben. 2. Wer in jüngeren Jahren keinen Führerschein gemacht hat, stirbt früher. 53

54 Abb. 5: Führerscheinbesitz nach Geschlecht und Geburtskohorten (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) Pkw-Verfügbarkeit Eine zentrale Bestimmungsgröße des Mobilitätsverhaltens ist im Zusammenhang mit dem Führerscheinbesitz die ständige private Pkw- Verfügbarkeit. Sie hat vor allem Einfluss auf die Verkehrsmittelnutzung und die Aktionsräume. Bei der Betrachtung der privaten Pkw-Verfügbarkeit zeigt sich in allen Altersgruppen eine Zunahme der Motorisierung von 1976 bis 2002 (Abbildung 6). Differenziert nach dem Geschlecht ist diese Entwicklung bei Frauen deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern (Abbildung 7). Bei letzteren tritt dies nur noch in den höheren Altersgruppen deutlich hervor. Der Pkw-Besitz jüngerer Männer ist dagegen auf hohem Niveau bereits seit 1976 weitgehend konstant. In einer Kohortenbetrachtung differenziert sich das Bild weiter (Abbildung 8). Bei den jüngeren Kohorten zeigt sich zunächst das Erreichen der Volljährigkeit und der Eintritt ins Erwerbsleben. Der Pkw-Besitz 54

55 Abb. 6: Fahrzeugbesitz/-verfügbarkeit nach Alter (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) Abb. 7: Fahrzeugbesitz/-verfügbarkeit nach Alter und Geschlecht (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) 55

56 Abb. 8: Fahrzeugbesitz nach Geburtskohorten (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) bzw. die Pkw-Verfügbarkeit nimmt in den Jahrgangsgruppen 1941 bis 1946 und jünger in den Erhebungen 1976 bis 2002 deutlich zu. In den vorangehenden Kohorten (1929 bis 1940) lag der Pkw-Besitz 2002 ebenfalls höher als in den vorangegangenen Erhebungen. Die Unterschiede sind aber deutlich schwächer und nehmen zu den älteren Jahrgangsgruppen hin ab. In der Jahrgangsgruppe 1923 bis 1928 ist der Anteil der Personen mit Pkw-Verfügbarkeit in den vier Erhebungen mit 40 bis 45 % weitgehend konstant. Dieser Wert ergibt sich aus einer weitgehend konstanten Motorisierungsrate von etwa 75 % bei den Männern, und einem geringfügigen Anstieg bei den Frauen der gleichen Kohorte (von 15 % 1976 auf gut 20 % 2002), der in der Summe allerdings nicht durchschlägt (Abbildung 9). In den älteren Jahrgängen nimmt die private Motorisierung dann von Erhebung zu Erhebung ab. Hier setzt sich der Effekt höheren Alters gegen den Trend zunehmender Motorisierung durch. Der Rückgang des Pkw-Besitzes im höheren Alter zeigt sich bei den Männern ausgehend von einem höheren Niveau deutlich früher als bei 56

57 Abb. 9: Fahrzeugbesitz nach Geburtskohorten und Geschlecht (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) Frauen. Die Jahrgangsgruppe 1923 bis 1928 ( bis 59 Jahre, bis 79 Jahre alt) war 2002 bereits schwächer motorisiert als 1982, die Jahrgangsgruppe 1917 bis 1922 (80 bis 85 Jahre) 2002 schwächer als in allen vorherigen Erhebungswellen. Auf sehr niedrigem Niveau zeigt sich ein solcher Effekt bei den Frauen erst in der Jahrgangsgruppe 1905 bis Hier dominiert ausgehend von einem geringen Motorisierungsgrad deutlich länger der Trend zunehmender Motorisierung. Bezogen auf die zukünftige Motorisierung älterer Menschen ist also ab einem Alter von etwa 70 Jahren auch dann mit einer sinkenden Motorisierung zu rechnen, wenn diejenigen Jahrgänge in dieses Alter kommen, die in jüngeren Jahren zu 80 % und mehr einen Pkw besitzen. Aber selbst in einem Alter von 80 bis 85 Jahren dürften dann noch etwa 75 % einen Pkw besitzen. Unter den Männern liegt die Motorisierung der 80 bis 85-Jährigen bereits heute bei etwa 60 % und dürfte die 75 % in der Jahrgangsgruppe 1935 bis 1940 (also etwa im Jahr 2020) erreichen. Bei den Frauen ist eine derartig hohe Motorisierung der 57

58 über 80-Jährigen dagegen ausgehend auch von dem geringen Führerscheinbesitz in den Jahrgangsgruppen wesentlich später zu erwarten. Verbesserungen der gesundheitlichen Situation und Veränderungen der Einkommenssituation können dieses Motorisierungsniveau im Alter zukünftig erhöhen oder auch reduzieren. Wegeanzahl und Wegeaufwände Bei einer Längsschnittbetrachtung über die Erhebungsjahre 1976, 1982, 1989 und 2002, d.h. ohne Bereinigung um die Kohorteneffekte, zeigen sich für gleiche Lebensaltersgruppen in der Tendenz folgende Effekte: a. Ältere Menschen legen weniger Wege zurück als jüngere Menschen (Abbildung 10). Die Zunahmen der Wegeanzahl über die Erhebungsjahre dürften zumindest teilweise auch auf unterschiedliche Erhebungsstrategien und Erhebungsmethoden zurückzuführen sein. In der Erhebung 2002 wurde im Rahmen der telefonischen Befragungen gezielt nachgefragt insbesondere hinsichtlich kurzer Zwischenwege und des Wirtschaftsverkehrs. Die dienstlichen Wege im Rahmen der Abb. 10: Wegeanzahl werktags nach Altersgruppen (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) 58

59 Berufsausübung sind in den vorliegenden Auswertungen eliminiert worden, dennoch verblieben mutmaßliche Methodeneffekte. Bei den jüngeren Alten (66-80 Jahre) deutet sich eine leichte Zunahme der Wegezahl an, was auf eine erweiterte Verkehrsmittelverfügbarkeit sowie eine höhere Mobilität in jüngeren Jahren zurückzuführen sein kann. b. Die Abnahme der Wegehäufigkeit im Alter steht in engem Zusammenhang mit einer Veränderung der Aktivitätenstruktur zugunsten der nicht-verpflichtenden Zwecke wie Versorgung/Einkauf, Freizeit. Am deutlichsten ist diese Veränderung im Übergang von der Erwerbsphase in den Ruhestand, also mit dem Wegfall der Berufswege (Abbildung 11). c. Die Wegeaufwände der Gesamtheit der werktäglichen Wege nehmen über die Erhebungszeitpunkte in der Tendenz auch für die höheren Altersgruppen deutlich zu (Abbildung 12). Auch hier sind Methodeneffekte der Erhebungen zu erwarten. Die Methodeneffekte werden bei einer Analyse nach Wegezwecken zumindest ansatzweise deutlich, da bei den hier besonders interessierenden Altersgruppen Abb. 11: Wegeanzahl werktags nach Alter und Zwecken (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) 59

60 Abb. 12: Wegaufwände werktags nach Altersgruppen (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) (>55 Jahre) und den entsprechenden Geburtsjahrgangskohorten in der Erhebung MiD 2002 Wegeanzahl wie auch Wegaufwände insbesondere für die Zwecke Sonstiges (auch nach Elimination der Wege in Ausübung des Berufs (z.b. Begleitwege)) und Freizeit stark angestiegen sind. Für den Wegezweck Einkauf gibt es auch einen überproportionalen Anstieg der Wegeanzahl, der aber insgesamt geringer ausfällt. Dies ist auf das intensivere Nachfassen für kleinere Wege oder Zwischenwege zurückzuführen. Die deutliche Zunahme der Distanzen dürfte aber auch aus der steigenden Motorisierung und aus siedlungsstrukturellen Effekten resultieren. d. Die im Zeitverlauf zunehmenden Distanzen werden vermehrt individuell-motorisiert zurückgelegt, die Distanzen der nicht-motorisiert oder mit dem ÖPNV zurückgelegten Wege nehmen dagegen ab (Abbildung 13). Mit dem Alter nehmen die Distanzen von Erhebung 60

61 Abb. 13: Wegeaufwände werktags nach Altersgruppen und Verkehrsmitteln (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) zu Erhebung von sehr geringem Niveau aus relativ besonders stark zu. Diese Zunahme resultiert als Effekt der höheren Motorisierung aus der steigenden Nutzung des motorisierten Individualverkehrs. Diese Betrachtungen gleicher Lebensaltersgruppen zu unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten müssen um Kohortenanalysen ergänzt werden, um die Gefahr von Fehlinterpretationen wie auch von fehlerhaften Schätzungen für Parameter des zukünftigen Mobilitätsverhaltens zu verringern. Dies begründet sich wie schon ausgeführt vor allem daraus, dass das Mobilitätsverhalten auch durch seine Einübung in jüngeren Altersklassen geprägt wird. Die Einübung erfolgt unter den Bedingungen der zu dieser Zeit gegebenen (Verkehrsverhaltens-) optionen (individuelle Pkw-Verfügbarkeit, Führerscheinbesitz) und Präferenzen. Diese Erfahrungen, Präferenzen wie auch individuellen Verfügbarkeiten über Optionen werden für Geburtskohorten gleich/ähnlich geprägt. Sie 61

62 stehen auch im Wechselspiel mit raumstrukturellen Gegebenheiten und den Verkehrsangeboten zu der jeweiligen Lebensphase. Bei der Betrachtung von Kohorten über die Erhebungsjahre zeigt sich: a. Hinsichtlich der Anzahl alltäglicher Wege überlagern sich Alterseffekte und Kohorteneffekte. Ein deutlicher Rückgang der Wegeanzahl innerhalb der Kohorten zeigt sich allerdings erst in älteren Kohorten (ab Jahre, vgl. Geburtsjahrgänge und älter zu den jeweiligen Erhebungszeitpunkten; Abbildung 14). Die Wegzweckanteile variieren dabei dominant mit der Altergruppenzugehörigkeit, insbesondere mit dem Übergang von der Erwerbsphase zum Ruhestand (Abbildung 15). b. Die werktäglichen Wegaufwände variieren sowohl mit dem Lebensalter als auch mit den Geburtsjahrgängen. Die Kohorteneffekte stehen in engem Zusammenhang mit der kohortenspezifischen Motorisierung. Wegeaufwandsintensive Handlungsmuster werden also mit dem Führerschein- und Pkw-Erwerb eingeübt. Es wird aber auch deutlich, dass in den früheren Geburtsjahrgängen (vor 1923) im Alter wieder eine stärkere Nahraumorientierung einsetzt (Abbildung 16). c. Die Aufteilung der Distanzen auf die Verkehrsmittel steht aufgrund der kohortenspezifischen Motorisierung überwiegend im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu Geburtsjahrgängen. Die Unterschiede zwischen den Geburtsjahrgängen nehmen dabei ab, da die jüngeren Jahrgänge keine deutliche Zunahme des Führerscheinbesitzes und der individuellen Pkw-Verfügbarkeit mehr verzeichnen (Abbildung 17). Bei dieser Interpretation der altersgruppen- wie auch kohortenspezifischen Prägungen des Mobilitätsverhaltens ist allerdings zu beachten, dass sich zeitlich parallel sowohl die gesamtgesellschaftlichen als auch die individuellen Handlungsbedingungen und Handlungsoptionen verändert haben (können) und in Zukunft auch verändern werden. Dies betrifft: a. die Finanzmittelverfügbarkeit des Staates auf allen Ebenen und die daraus resultierenden Veränderungen der Verkehrsmittelangebote wie auch der Nutzungskosten für die Verkehrsteilnehmer (Fahrpreise, Straßenbenutzungsgebühren, City-Maut), b. die private Finanzmittelverfügbarkeit durch veränderte Erwerbseinkommen und durch veränderte Belastungen der privaten Haushaltsbudgets (Gesundheitskosten, Altersvorsorge) mit entsprechenden Folgen für die für Mobilität frei verfügbaren Haushaltsbudgets, 62

63 Abb. 14: Wegeanzahl werktags nach Geburtskohorten (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) Abb. 15: Weganzahl werktags nach Geburtskohorten und Zwecken (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) 63

64 (eigene Aus- Abb. 16: Wegeaufwände werktags nach Geburtskohorten [km] wertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) Abb. 17: Wegaufwände werktags nach Geburtskohorten und Verkehrsmitteln (eigene Auswertungen KONTIV 76, 82, 89 und MiD 2002) 64

65 c. die veränderten Raum- und damit Erreichbarkeitsstrukturen von Nutzungsgelegenheiten infolge von Veränderungen der Raum- und Siedlungsstrukturen, der Verkehrsangebote (Reisegeschwindigkeiten, Flächenhaftigkeit der Erschließung) und der individuellen Verkehrsmittelverfügbarkeit, d. die Nutzungsbedingungen der verschiedenen Verkehrsträger insbesondere des motorisierten Straßenverkehrs hinsichtlich Anforderungen an Wahrnehmungsfähigkeiten, Reaktionsfähigkeit, Bewältigung von Stresssituationen usw. aus steigenden Verkehrsbelastungen, Geschwindigkeitsniveaus und -varianzen. Konsequenzen und Handlungserfordernisse für die Verkehrssystemgestaltung ein Ausblick Mit der Alterung unserer Gesellschaft sind erhebliche verkehrliche Implikationen verbunden. Es ist davon auszugehen, dass Menschen gleichen Alters in Zukunft mobiler sein werden als heute eine Folge der relativ verbesserten Gesundheit, des erhöhten physischen Leistungsvermögens, der Gewöhnung an mobile Lebensstile. Es ist gleichzeitig davon auszugehen, dass Menschen gleichen Alters in Zukunft vermehrt auch automobil mobiler sein werden als heute eine Folge der Einübung der Pkw-Nutzung in jungen Jahren und der Gewöhnung an eine Pkw-Nutzung über viele Lebensjahre, aber auch eine Folge verbesserter fahrerunterstützender Fahrzeugtechnologien (Fahrerassistenzsysteme) sowie der verstärkten Zwänge zu individuellmotorisierter Mobilität aufgrund von raumstrukturellen Veränderungen und entsprechenden individuellen Standortentscheidungen (suburbane Wohnstandorte, Konzentration von Versorgungs- und Freizeitgelegenheiten an zentralen oder dezentralen Standorten). Dadurch werden sich die konventionellen Angebote des Öffentlichen Personennahverkehrs einer veränderten Nachfragesituation gegenüber sehen: Abnahme der Gesamtnachfrage aufgrund der sinkenden Gesamtbevölkerungszahl, insbesondere aber der Anzahl der auf den ÖPNV oder auf nicht-motorisierte Verkehrsmittel bzw. das Eltern-Taxi angewiesenen Kinder und Jugendlichen sowie der nicht-motorisierten älteren Erwachsenen bei stark sinkender Zahl der nichtmotorisierten Alten, Abnahme der flächenbezogenen Nachfragedichte infolge zunehmend disperser Siedlungs- und Standortstrukturen, 65

66 Zunahme disperser und flächenhafter, anstelle punktaxialer Nachfragemuster. Verkehrssystemare Anforderungen Auch wenn die Verkehrsgewöhnung der älteren Menschen an die Eigenschaften und Anforderungen aller Verkehrsmittel, insbesondere aber auch des motorisierten Straßenverkehrs zunimmt, ergeben sich bei einem deutlich steigenden Anteil älterer Menschen vermehrt spezifische Anforderungen an die Verkehrssysteme: a. als Fußgänger, z.b. Gehwegbreiten für die Nutzung von Geh-/Bewegungshilfen, Gehwegoberflächen hinsichtlich Stolperfreiheit, Leithilfen, Kombination akustischer und optischer Signale, Querungshilfen für Straßen (Gehwegkaps, Mittelinseln, Aufpflasterungen, Fahrbahneinengungen), Annahmen zu Räumgeschwindigkeiten bei Lichtsignalanlagen, b. als Fahrradfahrer, z.b. Existenz, Breite und Oberfläche von Radwegen, Führung von Radwegen mit reduzierten Steigungen, soziale Sicherheit auf Radwegen, c. als ÖPNV-Nutzer, z.b. Niederflurtechnik, Hubeinrichtungen für Personen mit Bewegungshilfen, Sitzbreiten, Fahrstühle an Haltestellenzugängen, soziale Sicherheit, Sauberkeit, aber auch hohe Netz- und Haltestellendichte, Netzstrukturen mit wenigen Umsteigenotwendigkeiten sowie mit ausreichend langen Übergangszeiten beim Umsteigen, als Pkw-Selbstfahrer, z.b. verbesserte Fahrerassistenzsysteme zur Vereinfachung der Fahraufgaben, reduzierte Geschwindigkeiten. Zur Berücksichtigung der spezifischen Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeiten wie auch des bevorzugten Geschwindigkeits- und Beschleunigungsverhaltens der älteren Fahrzeuglenker scheinen Anstrengungen zur Verringerung von Geschwindigkeitsspitzen und von Varianzen der Geschwindigkeitsprofile auf Außerortsstraßen erforderlich (z.b. Höchstgeschwindigkeit 130 km/h statt Richtgeschwindigkeit). Anforderungen an eine integrierte Raum- und Verkehrssystemgestaltung Mit steigendem Alter unterliegen Aktionsräume und damit korrespondierend angestrebte bzw. akzeptierte Wegaufwände zunehmend Einschränkungen, und es erfolgt eine verstärkte Orientierung auf die (wohnungsnahen) Nahräume. Dies gilt auch bei höherer Motorisierung 66

67 und Basismobilität, allerdings auf einem gestiegenen Niveau der Verkehrsaufwände sowie der Nutzung individueller motorisierter Verkehrsmittel. Notwendige Folge ist, dass der Ausstattung von Nahräumen wieder verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Dies betrifft gleichermaßen: a. die Ausstattung mit Einrichtungen der sozialen Infrastruktur (z.b. Altentreffs, altengerechte Sportgruppen, Arzthäuser), b. die Ausstattung mit Basiseinrichtungen der erwerbswirtschaftlichen Versorgungsinfrastruktur (z.b. Läden, Frisöre, Poststellen, Bankfilialen) in Verbindung mit mobilen Diensten (Lieferdienste), c. die Bereitstellung von personen-, haushalts-, wohnungs- und eventuell gebäudebezogenen Diensten zur Pflege, zur körperlichen Ertüchtigung, zur Bereitung von Mahlzeiten, zur Wohnungsreinigung usw., d. die Bereitstellung und Förderung der Verbreitung von Informationsund Kommunikationstechniken wie auch von Haushaltsrobotern in Wohnungen zur Förderung der selbstständigen Lebens- und Haushaltsführung, e. die Bereitstellung von Transport-/Fahrdiensten im Nahraum oder von selbstständig nutzbaren individuellen Mobilitätsoptionen (z.b. Car-Sharing). Besondere Aufmerksamkeit ist der Verkehrssicherheit im Wohnumfeld/ Nahraum auch durch konsequente Verkehrsberuhigung sowie der sozialen Sicherheit (z.b. Wegeführung, Beleuchtung, technisch gestützte Überwachung) zu widmen. Verkehrsinfrastrukturen, Verkehrs- und Mobilitätsmanagement Die verkehrlichen Effekte der Alterung der Bevölkerung sind untrennbar verbunden mit den Effekten der mittel- und langfristigen Abnahme der Bevölkerungszahl in teilräumlicher Differenzierung. Dies hat zur Konsequenz, dass möglicherweise mit Ausnahme einiger prosperierender Metropol-/Verdichtungsräume die Personenverkehrsnachfrage (Aufkommen und langfristig auch Aufwände) kurzfristig nur noch gedämpft zunimmt, mittelfristig konstant bleibt oder sogar leicht abnimmt, langfristig allerdings zum Teil deutlich abnimmt. Notwendigerweise sind vor diesem Hintergrund Erhaltungsmaßnahmen und punktuelle Maßnahmen zur Beseitigung von Engpässen prioritär vor Neu- und Ausbaumaßnahmen zu verfolgen. Bei der Vorbereitung 67

68 von Entscheidungen über Neu- und Ausbaumaßnahmen bedarf es einer verstärkten Berücksichtigung der Nachfrageveränderungen über die gesamte Lebensdauer ( Lebensdaueranalysen ), um mittel- und langfristig zu erwartende Fehlinvestitionen zu vermeiden. Insbesondere sind durch geeignete Managementmaßnahmen (Verkehrsmanagement, Mobilitätsmanagement, Travel Demand Management) zeitlich begrenzte Nachfrage- bzw. Belastungsspitzen in ihren Wirkungen zu bewältigen. Besondere Anforderungen entstehen hinsichtlich der Erhaltung eines attraktiven, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Öffentlichen Personennahverkehrs. Besondere räumliche Problembereiche sind dabei: (periphere und strukturschwache) ländliche Räume, Großwohnsiedlungen in ostdeutschen Städten, suburbane Bereiche mit geringer Nachfragedichte. Die Überlegungen beispielsweise zum Rückbau schienengebundener Verkehrsmittel (z.b. Stadtbahn oder Straßenbahn in Mittel- und Kleinstädten Ostdeutschlands oder in Großwohnsiedlungen Ost- und Westdeutschlands) bzw. zur Aufgabe bzw. Ausdünnung von Bedienungen mit Standard-Linienbussen auf nachfrageschwachen Verkehrsbeziehungen müssen für die Zukunft unter besonderer Beachtung der Teilhabe- und Teilnahmemöglichkeiten der älteren Menschen unserer Gesellschaft erfolgen. Dies erfordert vor allem eine Ausgestaltung nachfrageangepasster Angebotsformen wie beispielsweise: differenzierte Bedienungsformen in einer für ältere Menschen verständlichen Form (z.b. Quartiersbus, Stadtbus, Bürgerbus, Taxen, Anruf-Sammel-Taxen), Organisation und gegebenenfalls Betriebsförderung nachbarschaftlicher Transportdienste (z.b. Transportnetzwerke, Mitnahme-Dienste, aber auch Einkaufsdienste). Dazu kann auch die Umgestaltung der Infrastrukturförderung und Betriebsförderung von Verkehrsangeboten zu einer Individualförderung gehören (z.b. Bereitstellung/ Bezuschussung eines altersgeeigneten Pkw, Taxi-Gutscheine, Anstoßfinanzierung von Transportnetzwerken). Dies gilt nicht nur für ÖV-Angebote, sondern in stark entleerten ländlichen Räumen eventuell auch für Bau und Erhaltung von Straßen sowie für Bau und Betrieb dezentraler Standorte der sozialen Infrastruktur. Fazit Es wird erkennbar, dass nur zukunftsorientierte und innovative Infrastruktur- und Betriebsangebote auf Dauer eine selbstständige Teilha- 68

69 be und Teilnahme, d.h. selbständige Mobilität der älteren Menschen ermöglichen. Dies setzt eine integrierte Betrachtung von Raum- und Verkehrsentwicklung, von Standortmustern und Verkehrsinfrastrukturen, von Betriebsformen der Standorte und der Verkehrsangebote ( Management ) voraus. Die vorstehenden Ausführungen sollen abschließend bewusst pointiert formuliert durch einige Thesen abgeschlossen werden. Die Konsequenzen aus der Alterung der Bevölkerung in Verbindung mit einer langfristigen Abnahme der Gesamtbevölkerung für Verkehrsinfrastrukturen, Verkehrsbetrieb und Verkehrs-/Mobilitätsmanagement sind bisher nicht ausreichend erkannt und nicht ausreichend fachplanerisch berücksichtigt worden. 1. Die Konsequenzen der Alterung für Verkehrsinfrastrukturen, Verkehrsbetrieb und Verkehrsmanagement sind nur differenziert und angemessen, d.h. langfristig tragfähig, zu berücksichtigen, wenn die Effekte des Alters, der Zugehörigkeit zu Geburtsjahrgangskohorten, des Geschlechts, der Teilraumzugehörigkeit (großräumig, kleinräumig) überlagert und gemeinsam berücksichtigt werden. 2. Generell erweitern sich die Mobilitätsoptionen älterer Menschen. Mobilitätsverhalten wird im Grundsatz auch im Alter wahlfreier, solange entsprechende Verkehrsinfrastrukturen und vor allem auch öffentliche Verkehrsangebote bereitgestellt werden können. Mit steigendem Alter, d.h. mit möglichen Einschränkungen der physischen und psychischen Konstitution, aber auch finanziellen Handlungsmöglichkeiten verengt sich aber die individuelle Chance zur Ausschöpfung dieser Optionen. 3. Besondere Veränderungen der Anforderungen an die Verkehrssystemgestaltung ergeben sich durch das Altern der Bevölkerung insbesondere für: a) periphere und strukturschwache ländliche Räume, b) Randzonen in strukturschwachen altindustrialisierten Räumen, c) suburbane Bereiche von Kernstädten, d) Innenstädte der weniger prosperierenden Räume, e) Großwohnsiedlungen und mangelhaft erneuerte Quartiere in Schrumpfungsregionen Ost- und Westdeutschlands. 69

70 Besondere Erfordernisse der Anpassung und Veränderung von Verkehrsinfrastrukturen, Fahrzeugtypen, Verkehrsangeboten, Verkehrsbetrieb und Verkehrsmanagement ergeben sich generell durch demografische Veränderungen, insbesondere aber durch die Alterung für den öffentlichen Personennahverkehr. Literatur Aring J & Herfert G (2001) Neue Muster der Wohnsuburbanisierung. In: Brake K, Dangschat J & Herfert G eds. Suburbanisierung in Deutschland. S 43-56, Opladen. Beckmann KJ (2004) Verkehrliche Handlungskonzepte für Personenund Güterverkehr unter veränderten Rahmenbedingungen. In: Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr eds. Schriftenreihe Stadt - Region Land 76: Birg H (2001) Die demographische Zeitenwende Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa. München. Bucher H, Kocks M & Schlösser C (2002) Künftige internationale Wanderungen und die räumliche Insidenz von Integrationsaufgaben. In: Informationen zur Raumentwicklung 2: Bucher H (2003) Räumliche und siedlungsstrukturelle Entwicklungen der Bevölkerung in Deutschland und Europa die wichtigsten Trends. In: DVWG ed. Schriftenreihe Reihe B, Heft B Mehr Mobilität bei weniger Bevölkerung? S Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2003) INKAR Prognose 2020 (INKAR-Pro CD-ROM). Bonn. Chlond B, Manz W & Zumkeller D (2002) Stagnation der Verkehrsnachfrage Sättigung oder Episode? Internationales Verkehrswesen Jg. 54, 9: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (1999) DIW-Wochenbericht 42/99. Gresser K (2001) Verkehrsprognose Internationales Verkehrswesen Jg. 53, 12: Holz-Rau C & Scheiner J (2004) Folgerungen aus der demografischen Entwicklung für die Verkehrsplanung. In: Gertz C & Stein A eds. Raum und Verkehr gestalten. S , Berlin. Huber F (2003) 2030 Mehr Mobilität bei weniger Bevölkerung. In: DVWG ed. Schriftenreihe Reihe B, Heft B Mehr Mobilität bei weniger Bevölkerung?. S Köhler U (2003) Entwicklungen in der ÖPNV-Bedienung bei schrumpfenden Siedlungsstrukturen. In: DVWG ed. Schriftenreihe Reihe B, Heft B Mehr Mobilität bei weniger Bevölkerung? S

71 Maretzke S (1998) Regionale Wanderungsprozesse in Deutschland sechs Jahre nach der Wiedervereinigung. Informationen zur Raumentwicklung 11/12: Schulz E (1999) Zur langfristigen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland Modellrechnung bis DIW-Wochenbericht 42/99. Statistisches Bundesamt (2000) Ergebnisse der 9. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2002 ) Datenreport Bonn. Statistisches Bundesamt (2003) Bevölkerung Deutschlands bis Ergebnisse der 10. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (2004) Demographische Veränderungen Konsequenzen für Verkehrsinfrastrukturen und Verkehrsangebote. Zeitschrift für Verkehrswissenschaft Jg 75, 1:

72 72

73 Abbau von Mobilitätsbarrieren zugunsten älterer Verkehrsteilnehmer von Bernhard Schlag und Arnd Engeln Einleitung In vielen OECD Ländern wird ab 2030 jeder Vierte mehr als 65 Jahre alt sein; bis 2050 wird sich hier der Bevölkerungsanteil der über 80jährigen voraussichtlich verdreifachen (OECD, 2001, 2002). Noch nie waren die älteren Menschen so mobil wie heute sie sind es zunehmend mit dem eigenen Pkw. Denn zusätzlich und stärker als der demografische Wandel macht sich im Straßenverkehr bemerkbar, dass derzeit die ersten Generationen alt werden, die ihr Leben lang Auto gefahren sind und die die Fahrt mit dem eigenen Pkw im Alter weder missen möchten noch können: Sie haben ihr Leben darauf eingestellt. Es altern die ersten Generationen, die es gewohnt sind, Auto zu fahren. Zwei Facetten des gesellschaftlichen Wandels wirken hier zusammen: die alternde Gesellschaft und die in Teilen weiter zunehmend mobile Gesellschaft. Der Wunsch nach Mobilität, Unabhängigkeit und aktivem Erleben scheint im Alter keineswegs geringer zu werden. Für viele Menschen ist gerade mit der Zeit nach der Pensionierung die Vorstellung verbunden, Reisen und Aktivitäten nachzuholen, für die vorher keine Zeit war. Dass die Verwirklichung solcher Vorstellungen für den Verlauf des Alterungsprozesses meist günstige Auswirkungen hat, legen vielfältige Untersuchungen über die positiven Zusammenhänge zwischen Aktivität und Zufriedenheit im Alter nahe. Auch gilt für den Alltag älterer Menschen, dass sie zwar gerne Kontakt mit ihren Kindern, Freunden und Bekannten pflegen, dem jedoch zumeist nicht ihre Unabhängigkeit opfern wollen. Emotionale Nähe bei räumlicher Distanz (Rosenmayr) bzw. Intimität auf Abstand (Tartler) wurde diese Wunschvorstellung genannt, die ihrerseits zwangsläufig Verkehr produziert (vgl. Ellinghaus et al., 1990). Mobilität ist als notwendige Bedingung für Aktivität und Lebensqualität und damit für eine zufriedenstellende Lebens- und Entwicklungssituation im Alter anzusehen. Wie jedoch lässt sich eine bedürfnisgerechte und zugleich sichere Mobilität im Alter gestalten? 73

74 Welche individuellen Leistungen können erwartet und welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen müssen geschaffen, welche Mobilitätsbarrieren abgebaut werden? Leistungen und Barrieren bei verschiedenen Arten der Verkehrsteilnahme Die Bedeutung des Zu-Fuß-Gehens nimmt im Alter bei reduzierten Aktionsräumen deutlich zu (vgl. Golant, 1984; Ernst, 1999). Bei körperlichen Einschränkungen kann diese Fortbewegungsart jedoch stark eingeschränkt sein: Es wird geschätzt, dass ca. 9% der 70- bis 74jährigen nicht in der Lage sind, eine Strecke von mehr als 400 m weit zu gehen, und dass 25% diese Entfernung nur unter Schwierigkeiten zu Fuß zurücklegen können. (Brouwer & Tränkle, 1993, 47). Deshalb müssen altengerechte Mobilitätsangebote das Zu-Fuß-Gehen erleichtern und die Notwendigkeit von nicht frei gewählten Fußwegen reduzieren. Sicherer ist das Zu-Fuß-Gehen für die Älteren geworden: Annähernd eine Halbierung der Unfallzahlen ist in den vergangenen gut 20 Jahren in Deutschland bei älteren Fußgängern zu verzeichnen. Etwa 85% der älteren Menschen stehen in Deutschland innerhalb von maximal 15 Minuten Fußweg öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung (vgl. Backes & Clemens, 1998). Für die Teilgruppe der gehbehinderten Menschen sind diese jedoch oft nicht erreichbar (vgl. Mollenkopf, 1994; Marx, 1991). Auch ohne Gehbehinderung vermeiden einige ältere Menschen wegen hoher körperlicher Belastungen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. Brouwer & Tränkle, 1993). Insbesondere in Abhängigkeit von der Siedlungsdichte variiert die Qualität und Quantität des öffentlichen Beförderungsangebots. Eine weitere Barriere liegt für viele Ältere in mangelnden Kenntnissen zur Nutzung öffentlicher Verkehrsangebote. Die dadurch entstehende Angst vor Überforderung kann Bedrohungsgefühle und in der Folge Vermeidungstendenzen hervorrufen (vgl. Thomae & Kranzhoff, 1979). Kritisch ist eine erfolgreiche Bewältigung der Informationsbeschaffung und -nutzung (Linien, Zeiten, Bahnsteige, Fahrscheine). Rudinger et al. (1992, 350) haben in Beobachtungsstudien festgestellt, dass etwa ein Viertel zufällig ausgewählter älterer Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel bei dem Versuch scheiterten, an einem Fahrkartenautomaten einen Fahrschein zu lösen. Aus körperlichen und kognitiven Gründen ist die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für viele ältere Menschen erschwert. Für die Teilgruppe allerdings, die körperlich belastbar ist, in Räumen hoher Verdichtung wohnt und die notwendige Kompetenz zum Umgang mit öffentlichen Verkehrsmitteln mitbringt, können diese Mobilitätsange- 74

75 Abb. 1: Entwicklung der Verunglücktenzahl älterer Menschen (Stat. BA, bote hoch attraktiv sein. Gerade ein gutes Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln kann die Abhängigkeit sowohl von anderen Personen als auch vom eigenen Pkw vermindern und damit möglicherweise kritischen Entwicklungen der Verkehrssicherheit älterer Menschen (wie bspw. in den U.S.A) vorbeugen helfen. Denn öffentliche Verkehrsmittel sind nicht nur für die Älteren die sichersten Verkehrsmittel ganz im Gegensatz zum Unsicherheitsgefühl vieler älterer Menschen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, das aus der Angst vor Belästigung und Kriminalität (security) erwächst, weniger jedoch aus der Furcht vor Unfällen (safety). Das Fahrrad erfreut sich auch bei den älteren Menschen zunehmender Beliebtheit (vgl. Rosenbloom, 1988). Es sind eher die körperlich leistungsfähigen Älteren, die das Fahrrad sowohl als Fortbewegungsmittel als auch zur Erhaltung der Fitness in der Freizeit nutzen (vgl. BASt, 75

76 2000). Allerdings sind die Unfallzahlen älterer Radfahrer, wie auch diejenigen älterer Pkw-Insassen, deutlich gestiegen (Abbildung 1). Teilweise spiegelt diese Entwicklung eine veränderte Verkehrsteilnahme und damit eine vermehrte Risikoexposition als Fahrrad- und als Autofahrer wider. Die außerordentlich hohen Zahlen verunglückter älterer Fahrradfahrer entsprechen keineswegs dem Anteil des Radfahrens an der Verkehrsbeteiligung Älterer. Es gibt jedoch eine Teilgruppe älterer Menschen, die viel Fahrrad fährt. Diese Gruppe ist einem hohen Risiko ausgesetzt. Fahrradfahren ist auch für Ältere attraktiv und gefährlich. Die Infrastruktur weist in diesem Bereich ein besonderes Ausmaß an Risiken und Barrieren auf. Flugzeug und Taxi gehören bezogen auf die Nutzungshäufigkeit zur Ausnahme. Das Flugzeug hat für weite Strecken wachsende Bedeutung. Das Taxi wird von Senioren wenig eingesetzt (Rothe, 1993), obwohl es einigen Bedürfnissen älterer Menschen entgegenkommt (z.b. fahrplanunabhängige Punkt-zu-Punkt-Bedienung). Im Mittelpunkt ihrer Mobilität wird für die meisten Älteren in Zukunft mehr noch als heute der eigene Pkw stehen. Während nach dem National Household Travel Survey (2001) in den U.S.A. ältere Menschen über 65 Jahre 89% ihrer Wege mit dem eigenen Kraftfahrzeug zurücklegen (Collia et al., 2003), findet die Studie ANBINDUNG für ältere Autofahrer aus dem Umland von Dresden und Köln, dass immerhin zwei Drittel aller Wege außer Haus mit dem Pkw erledigt werden (vgl. Engeln & Schlag, 2001). Gerade bei abnehmender körperlicher Leistungsfähigkeit gewinnt die Verfügung über einen Pkw an Bedeutung (vgl. Borjesson, 1989). So betonen Brouwer und Tränkle (1993, 21): Jedoch schneidet der Privat- Pkw in anderer Hinsicht besser ab als diese Dienste (flexible öffentliche Verkehrsangebote, Anm. d. Verf.): sofortige Verfügbarkeit, Benutzung ohne Stigmatisierung, großer Aktionsradius des Pkw (von lokalen Besorgungsfahrten bis zu langen Auslandsreisen). Unter anderem wegen dieser Gründe steigt die Abhängigkeit vom Pkw mit dem Alter die die Älteren insbesondere in weniger dicht besiedelten Räumen auch deutlich erleben (vgl. Pfafferott, 1993). Verschlechtert sich dann die für die Fahrleistung relevante sensorische und kognitive Leistungsfähigkeit, wird das Pkw-Fahren als zunehmend beanspruchender erlebt. Dies führt dazu, dass mit 80 Jahren etwa jeder zweite Führerscheinbesitzer das aktive Autofahren aufgibt (vgl. Pfafferott, 1993). Für diese Gruppe älterer Menschen, die zumeist über Jahrzehnte hauptsächlich mit dem Pkw unterwegs war, kann die Aufgabe des Autofahrens mangels Erfahrung mit alternativen Mobilitätsangeboten zu starken Einschränkungen 76

77 der Lebensqualität und zu Unzufriedenheit führen (Carp, 1970; Rothe, 1993). Barrieren werden im Alter besonders problematisch, weil ihre Bewältigung nicht mehr so leicht wie in jüngeren Jahren gelingt. Die Passform zwischen den (im Straßenverkehr für alle gleichen) situativen Anforderungen und den differentiellen persönlichen Ressourcen verschlechtert sich. Vermutet wird, dass sich gerade diejenigen Aspekte vor allem der psychophysischen Leistungsfähigkeit im Alter mit gewisser Regelmäßigkeit ungünstig entwickeln, die beim Autofahren gefordert sind. Allerdings ist weder ganz eindeutig geklärt, welche Bereiche des Leistungsvermögens entscheidende Bedeutung beim Autofahren haben noch wie sich gerade diese Leistungsbereiche im Alter genau entwickeln (u.a. Cohen, 2001, 2002) bzw. inwieweit mögliche Einbußen kompensierbar sind (vgl. Schlag & Engeln, 2001). Überblickt man die Veränderungen des psychophysischen Leistungsvermögens, die sich mit zunehmendem Alter verstärkt einstellen, so kommt vor allem folgenden Entwicklungen erhöhte Bedeutung für das Kraftfahren im Alter zu (vgl. im Detail: Engeln & Schlag, 2005; sowie Schlag, 1993, 1996, 1999; Sterns & Camp, 1998): 1. Nachlassendes Sehvermögen: Problematischer als Veränderungen der Tagessehschärfe fern und nah ( Altersweitsichtigkeit ), die bei Gewahrwerden durch Sehhilfen weitgehend ausgleichbar sind, sind bereits ab einem Alter von 40 Jahren Probleme beim Sehen in Dunkelheit und Dämmerung, beim dynamischen Sehen bewegter Objekte und erhöhte Blendempfindlichkeit im Alter. Die Akkomodations- (nah/fern) und die Adaptationsfähigkeit (hell/dunkel) des Auges verringern sich. Vielen Älteren gelingt eine Kompensation dieser Schwächen durch Hilfsmittel und durch Verhaltensanpassungen, so dass sich ein nur schwacher statistischer Zusammenhang zwischen Sehschärfe und Unfällen feststellen lässt (US DoT, 2002). 2. Verringerte Fähigkeit zu selektiver und geteilter Aufmerksamkeit und zu Mehrfachtätigkeiten (multi-tasking) (u.a. Färber, 2000; US DoT, 2002), wie sie beim Autofahren gefordert sind. Teilweise können geübte Fahrer dies durch vermehrte Automatismen kompensieren. Ältere sind leichter ablenkbar (Gelau, 2004). Sollen sie mehrere nicht automatisierte Handlungen parallel ausführen, scheitern sie häufiger (Dingus et al., 1997). 3. Verringertes Leistungstempo und erhöhter Zeitbedarf: Dies betrifft den gesamten Bereich von der Sinnesempfindung über die Verarbeitung der Informationen und das Entscheiden bis hin zur motorischen 77

78 Handlungsausführung (u.a. Ellinghaus et al., 1990; Schlag, 1999; Cohen, 2002). Unter Zeitdruck steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehlhandlungen. 4. Verringerte körperliche Beweglichkeit: Dies hat hohe Relevanz insbesondere für Fußgänger und Radfahrer, teilweise auch für Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel. Die Beweglichkeit und Belastbarkeit und die motorische Steuerung verändern sich naturgemäß im Alter. Hinzu kommt eine schnellere Ermüdbarkeit und eine geringere und vor allem langsamere Rekreationsfähigkeit. 5. Gefahr der Überforderung: Bei hohen und komplexen Leistungsanforderungen steigt die Gefahr einer kognitiven oder auch motorischen Überforderung vor allem dann, wenn diese schnell geleistet werden muss: Bedeutsam sind hier eine verringerte Belastbarkeit und eine verringerte Fähigkeit, sich schnell auf sich wandelnde Situationen einzustellen. Ähnliches gilt für die Bewältigung neuer, nicht geübter Situationen: Im Alter steigt die Bedeutung der Übung bzw. von Automatismen. Die Bewältigung neuer Aufgaben fällt schwerer. 6. Negatives Fremd- und teilweise unkritisches Selbstbild: Eine in ihren Auswirkungen problematische Diskrepanz findet sich zwischen dem Fremdbild und dem Selbstbild älterer Kraftfahrer: Das gesellschaftliche Altersstereotyp und in besonderem Maße das Bild, das jüngere Personen von älteren Kraftfahrern haben, fällt weit ungünstiger aus als deren Selbstbild. Im Fremdbild sieht sich der ältere Autofahrer negativ überzeichnet. Sein Selbstbild fällt auf der anderen Seite (ähnlich wie bei vielen Autofahrern anderer Altersgruppen) oft unkritisch aus (Schlag, 1986). 7. Geringe Selbstakzeptanz von Altersveränderungen: Ungünstige Altersentwicklungen werden meist ungern wahrgenommen. Hierdurch kann der selbstkritische Umgang mit den eigenen Fahrfähigkeiten beeinträchtigt sein. 8. Vermehrte Erkrankungen und Medikamentengebrauch: Die im Alter häufigeren Krankheiten und die begleitende, oft intensive Medikation können die Fahrtüchtigkeit herabsetzen. 9. Erforderliche Adaptationsleistungen: Veränderungen im Alter fordern Anpassungsleistungen (vgl. Abschnitt 3). Dies führt zu einer in der Alternsforschung zentralen Frage: Wie weit reichen Kompensationsmöglichkeiten? Ein Modell der altersgemäßen Adaptation Im Forschungsprojekt ANBINDUNG (Engeln & Schlag, 2001) wurden die mobilitätsbezogenen Bedürfnisse Älterer erhoben, die für ihre 78

79 Verkehrsmittelwahl die größte Bedeutung haben. Die am häufigsten ausgewählten Kriterien sind Zuverlässigkeit, zeitliche Verfügbarkeit des Verkehrsmittels, leichte Gepäckbeförderung und Zielzugänglichkeit mit dem Verkehrsmittel. Diese Anforderungen sollen das ermöglichen, was mit Mobilität in besonderem Maße verbunden ist: Wahlfreiheit, die Ermöglichung vielfältiger Aktivitäten und Unabhängigkeit. Die Lebensspannenpsychologie (vgl. Baltes & Carstensen, 1996) beschreibt auch das hohe Alter als Entwicklungsprozess, in dem Gewinne zu maximieren und Verluste zu minimieren sind. Die Entwicklung des Menschen wird als adaptiver Prozess definiert und als heterogenes, multidimensionales Geschehen mit individuell unterschiedlichen Zielen betrachtet. Besonders im höheren Lebensalter, unter dem Einfluss sinkender Reservekapazitäten und zunehmender Verluste, sind Strategien notwendig, um Adaptation auch weiterhin zu ermöglichen. Baltes et al. (1998) differenzieren die Strategien Selektion, Optimierung und Kompensation. Der Name des Modells Selektive Optimierung mit Kompensation verdeutlicht, dass die drei Komponenten miteinander in Beziehung stehen. Selektion: Durch Selektion wird die Auswahl von Handlungszielen im Alltag bezeichnet. Selektion kann eine Rekonstruktion persönlicher Zielhierarchien (z.b. Familie ist jetzt wichtiger als früher), die Anpassung von Zielstandards (z.b. statt wöchentlich nur noch einmal im Monat Kinobesuch) oder die Auswahl neuer Ziele auf einem niedrigeren Funktionsniveau (z.b. statt Kino nur noch Fernsehen) beinhalten. Selektion kann in zweifacher Weise erfolgen: Einerseits können mit Hilfe selektiver Prozesse aus einer Vielzahl vorhandener Entwicklungsmöglichkeiten individuelle Entwicklungsziele oder aufgaben ausgewählt, persönliche Zielhierarchien und Präferenzen herausgebildet werden ( elektive oder proaktive Selektion ). Resultieren die veränderten Bedingungen aus einem Verlust oder einer Verringerung bisher zur Verfügung stehender Handlungsmittel und Ressourcen, wird von verlustbasierter Selektion (reaktiv) gesprochen (vgl. Baltes & Carstensen, 1996, 206). Optimierung: Während Selektionsprozesse die Auswahl von Handlungszielen bestimmen, beziehen sich Optimierungs- und Kompensationsprozesse auf die Mittel, mit denen Ziele erreicht werden können. Der Erwerb, die Verbesserung sowie die Koordination solcher für die Zielerreichung benötigten Handlungsmittel wird als Optimierung bezeichnet (vgl. Baltes et al., 1998). Optimierungsprozesse können sich sowohl auf das Verfolgen vorhandener wie auch auf das Erreichen neuer Handlungsziele richten (vgl. Baltes & Carstensen, 1996). Typische Optimierungsstrategien sind der Erwerb neuer Fertigkeiten und Ressourcen, das Üben 79

80 von Fertigkeiten, Nachahmen erfolgreicher Anderer, Beharrlichkeit und Anstrengung. Kompensation: Wie bei der Optimierung sollen auch bei der Kompensation trotz eingeschränkter Handlungsmittel vorhandene Ziele beibehalten werden. Im Gegensatz zur Optimierung werden bei der Kompensation nicht identische, sondern alternative Ressourcen aktiviert. Dies kann durch die Substitution von Handlungsmitteln oder die Nutzung externer Hilfen (siehe Abschnitt 4) geschehen (vgl. Baltes et al., 1998). Ein Beispiel kann die Qualität der unterschiedlichen Strategien veranschaulichen: Der 80jährige Pianist Arthur Rubinstein wurde einmal in einem Fernsehinterview gefragt, wie es ihm gelinge, über all die Jahre hinweg ein so hervorragender Pianist zu bleiben. Rubinstein antwortete, dass er sich bemühe, das Nachlassen seiner Fähigkeiten aufgrund des Alterns dadurch zu meistern, dass er zum einen sein Repertoire verringert habe, also weniger Stücke spiele (Selektion), dass er diese Stücke häufiger übe (Optimierung) und dass er drittens einige Kunstgriffe anwende, z.b. das Tempo vor besonders schnellen Sätzen ein wenig verlangsame, wodurch der bloße Eindruck eines anschließend schnelleren Spieles erzielt werde (Kompensation). Die beschriebenen Strategien der Selektion, Optimierung und Kompensation (SOK) nutzen ältere Kraftfahrer zum Ausgleich verminderter Wahrnehmungs- und Reaktionsleistungen. Zum einen ist festzustellen, dass ältere Fahrer ihre Fahrleistung mit zunehmendem Alter häufig reduzieren (Selektion): Sie fahren seltener und verzichten insbesondere auf längere Fahrten oder solche, die besonders hohe Anforderungen stellen (z.b. Fahrten im komplexen Innenstadtverkehr). Werden allerdings z.b. alternative Verkehrsmittel genutzt bzw. ein Kfz angeschafft, das geringere Anforderungen stellt (z.b. durch ein Automatikgetriebe oder eine Einparkhilfe), sprechen wir von Kompensation. Auch die generelle Reduktion der Fahrgeschwindigkeit mit dem Ziel, sich mehr Zeit für die Informationsverarbeitung und Reaktion zu erhalten, kann in diesem Zusammenhang als Kompensation bezeichnet werden. Die Optimierungsstrategie wird dann gewählt, wenn beispielsweise spezielle Schulungs- und Weiterbildungskurse für Ältere besucht werden oder auch ganz gezielt regelmäßig auf das Auto zugegriffen wird, um die für das sichere Fahren wichtigen Kompetenzen zu erhalten. Ältere Autofahrer weisen eine Menge unterschiedlicher SOK-Strategien auf. Sie vermeiden ungünstige Tageszeiten, hohe Verkehrsdichten, Dämmerungs- und Dunkelheitsfahrten, damit insgesamt besonders 80

81 belastende Verkehrssituationen (Ellinghaus et al., 1990; Schlag, 1993, 1996). Sie meiden zudem ungünstige Witterungsbedingungen, wann immer ihnen dies möglich ist, und fahren insgesamt einfach weniger Auto. Insoweit reduzieren sie ihre Gefahrenexposition. Sie sehen sich selbst nicht mehr unter dem Zwang, zu jeder Zeit und unter allen Bedingungen Auto zu fahren. Sie sind in der Lage, beispielsweise nach der Pensionierung freier zu disponieren und besondere Belastungen zu meiden und tun dies dann häufig auch. Zur Unterstützung einer positiven Entwicklung im Alter muss eine Lebensgestaltung ermöglicht werden, in der sich der Mensch eigenständig und kompetent verhalten kann. Hierbei spielt die Mobilität eine wichtige Rolle, ist sie doch notwendige (im Alter aber auch häufig kritische) Bedingung zur bedürfnisgerechten Lebensgestaltung außer Haus. Die Dimensionen des funktionalen Alters werden auf diese Weise positiv unterstützt: Mobiles Aktivitätsverhalten trainiert die Physis, abwechslungsreiche Anreize unterstützen die psychische Entwicklung, Mobilität fördert soziale Integration und schließlich ermöglicht sie eine selbstbestimmte Lebensführung mit entsprechend positiver Rückmeldung für die eigene Identität. Barrieren verringern Ressourcen stärken Erfolgreich altern Es gibt eine Vielzahl erprobter Maßnahmen und weiterer Vorschläge, wie für ältere Menschen in ihren unterschiedlichen Verkehrsteilnahmerollen Mobilität in Sicherheit gewährleistet werden kann. Auch wenn neben genuin pädagogisch-psychologischen Ansätzen eine Reihe dieser Maßnahmen primär technischer Art sind Psychologen, oft Gerontologen, sind in diesem Bereich häufig beteiligt, da es um die Abstimmung der Verkehrssysteme mit den menschlichen Möglichkeiten geht. Dabei wird gerade bei technischen Ansätzen mit ihrer Ausrichtung auf altengerechte easy to use Lösungen angenommen, dass das, was älteren Menschen nutzt, zumeist auch den anderen Verkehrsteilnehmern entgegenkommt. Im Überblick geht es um die folgenden Bereiche: 1. Bedarfsgerechte Raumplanung: Wie lassen sich gerade für die Älteren Erreichbarkeit und soziale Teilhabe sicherstellen? Ist die seniorengerechte Stadt eine Zielsetzung? 2. Anpassung der Verkehrswege und des Verkehrsumfeldes an die Belange älterer Fußgänger, Rad- und Autofahrer. Benchmarks in der Entwicklung entsprechender Richtlinien sind derzeit die USA (Staplin et al., 2001a, 2001b). 81

82 3. Anpassung des öffentlichen Verkehrssystems, das Mobilitätschancen gerade für ältere Menschen erhält: Transportalternativen machen unabhängig (Engeln & Schlag, 2001; Engeln, Schlag & Deubel, 2002). 4. Anpassung von Verkehrsregelungen und Fahrgeschwindigkeiten an die Möglichkeiten älterer Menschen. 5. Sichere und unterstützende Fahrzeuge: Prüfung und Nutzung der Potenziale von Fahrerassistenzsystemen für ältere Menschen (z.b. Färber, 2000; Schlag, 2004). 6. Aufklärung und Unterstützung der älteren Menschen in ihren verschiedenen Verkehrsteilnahmerollen, um ihre Sicherheit und Mobilität zu erhalten. Unterstützung bei notwendigen Adaptationsleistungen und Förderung einer selbstkritischen Haltung, um bewusste Kompensationsstrategien entwickeln zu können. 7. Anreize zur Überprüfung und zur Förderung relevanter Ausschnitte der psychophysischen und kognitiven Leistungsfähigkeit, damit Leistungs- und Kompensationspotenziale aufgedeckt und genutzt werden können. 8. Partizipation und Nutzung der Kompetenzen der Älteren, auch in der Stadt- und Verkehrsplanung (vgl. Schlag & Megel, 2002). 9. Information und Gewinnung der Partner im Straßenverkehr für die Belange älterer Menschen, um die Interaktionen im Straßenverkehr günstiger zu gestalten. Über eine Befragung von 48 Verkehrsexperten aus den USA, Kanada, Deutschland, Österreich und der Schweiz (Verkehrsplaner und mit Verkehrsfragen befasste Psychologen und Gerontologen) wurden solche grundsätzlichen Möglichkeiten zur Verbesserung der Mobilitätssituation älterer Menschen in eine Rangreihe gebracht (Schmidt, 2004). Zur Erhaltung der Mobilität und Unabhängigkeit im Alter halten die befragten Experten die Förderung günstigerer Siedlungsformen, Verbesserungen des öffentlichen Verkehrs, Entwicklungen alternativer Beförderungssysteme, die über Angebote des öffentlichen Verkehrs hinausgehen (z.b. Anrufsammeltaxis, Rufbusse: siehe hierzu Engeln & Schlag, 2001; Engeln, Schlag & Deubel, 2002) und Verbesserungen der Straßenraumgestaltung für besonders geeignet. Insgesamt wurde allen Maßnahmenbereichen überdurchschnittliche Wichtigkeit zugesprochen. Bei den Einschätzungen bestanden trotz der unterschiedlichen Ausgangssituationen keine signifikanten Unterschiede zwischen der amerikanischen und der europäischen Gruppe. Zwar werden in der nationalen Agenda der USA zu Mobilität und Altern Verbesserungen im Bereich der öffentlichen Beförderungssysteme als einer von sieben Handlungsbereichen genannt, jedoch konzentriert sich ein wichtiger 82

83 N Mittelwert Standardabweichung Günstigere Siedlungsformen fördern 48 1,73 1,047 ÖV verbessern 48 1,75,978 Alternative Beförderungssysteme entwickeln 47 1,95 1,030 Straßenraumgestaltung verbessern 48 1,98,838 Psychophysische Leistungsfähigkeit prüfen 47 2,17 1,007 Fahrtraining fördern 48 2,25 1,042 Variable Dienstleistungssysteme entwickeln 47 2,28,677 Mobilitätsmanagement fördern 48 2,29 1,071 Unterstützung durch Verwandte/Freunde 47 2,38 1,095 fördern Fahrzeugtechnik/Fahrerassistenzsysteme 48 2,54 1,091 verbessern Informations-/Navigationssysteme einrichten 48 2,79,988 Tab. 1: Rangreihe grundsätzlicher Möglichkeiten zur Verbesserung der Mobili- tätssituation älterer Menschen (Quelle: Schmidt, 2004; 5stufige Skala, 1 = sehr wichtig) Teil der Bemühungen auf Maßnahmen in Bereichen, die speziell ältere Fahrer betreffen. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass in den USA heute schon ca. 90 % aller Wege von über 65jährigen mit dem Auto zurückgelegt werden (UC Berkeley Traffic Safety Center, 2002). Differenzierter werden im Folgenden der Abbau und die Vermeidung von Barrieren in der Verkehrsraum- und Infrastrukturgestaltung und bei Fahrzeuggestaltung und Fahrerassistenz im Alter erörtert. In diesen Bereichen liegen wesentliche Möglichkeiten zur strukturellen Kompensation möglicher Leistungsdefizite im Alter. Verkehrsraum- und Infrastrukturgestaltung Lassen sich die regelmäßigen Altersveränderungen vor allem in Wahrnehmung, Kognition und Psychomotorik proaktiv in Verkehrsplanung, 83

84 Straßenentwurf und Verkehrstechnik berücksichtigen, damit sowohl die Verkehrssicherheit wie ein effektiver Verkehrsablauf gewährleistet sind? Während man sich in Europa diesem Thema mit zunehmendem Problembewusstsein zuzuwenden beginnt, liegen in den USA, der dort fast eine Generation früheren Problementwicklung bei älteren Autofahrern entsprechend, bereits Planungsgrundlagen für Straßendesign und Verkehrstechnik vor (Staplin et al., 2001a/b). Mit einem Schwerpunkt auf den für ältere Fahrer besonders problematischen Knotensituationen (vgl. Schlag, 2001) decken diese das Spektrum von Kreuzungs- und Einmündungsgestaltung, Unterstützung des Spurwechsels und des Einordnens, Linksabbiegen, Kreisverkehrsgestaltung, Fußgängerüberwege, Sichtdistanzen und Sichtbarkeiten, Zeichengebung und Signalschaltung, aber auch Verlangsamungs- und Beschleunigungsstreifen auf Autobahnen, Kurvigkeit und Überholdistanzen auf Landstraßen, Bahnübergänge und Baustellenbereiche u.a. ab. Auch für Fußgänger und Radfahrer können bauliche Barrieren entfernt und Erleichterungen für Wahrnehmung und Orientierung, aber auch für die Beweglichkeit und Handlungssicherheit geschaffen werden. Schmidt (2004) verglich die US-amerikanischen mit deutschen Regelungen, die auf die Erfordernisse älterer Kraftfahrer angewandt werden können, und befragte Experten aus den USA und Kanada sowie aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nach deren Wirksamkeit (Tabelle 2). Am wirksamsten schien den Experten eine Vereinfachung der Verkehrsinformation, die Einrichtung von geschützten Linksabbiegerphasen an LSA, die Einrichtung von zusätzlichen LSA, eine Vereinheitlichung der Verkehrsorganisation und -beschilderung mit besonderer Auffälligkeit von Gefahrenpunkten und das bisher nur aus den USA bekannte Versetzen der Linksabbiegerspuren. Bevorzugt werden also verkehrstechnische Maßnahmen, die die Erkennbarkeit, den zeitlichen Ablauf und die Trennung konfligierender Verkehrsströme verbessern, und damit einige der wesentlichen Probleme älterer Kraftfahrer (besonders in Sensorik, Aufmerksamkeitssteuerung, Zeitbedarf) ausgleichen können. Ein aus Deutschland stammender Ansatz zeigt Möglichkeiten der Unterstützung des Kraftfahrers beim Annähern an Kreuzungen: Die Menge der Informationen in einer komplexen Verkehrssituation soll dadurch reduziert werden, dass der Fahrer in ausreichendem Abstand vor der Kreuzung alle notwendigen Informationen sequentiell dargeboten bekommt (Abbildung 2). Er kann die Informationen dann verarbeiten, wenn 84

85 Gesamt D/A/CH USA/K Vereinfachung der Verkehrsinformation 1,70 1,73 1,60 Einrichtung von geschützten Linksabbiegerphasen 1,75 1,96 1,48 an LSA Einrichtung von LSA 1,81 1,88 1,70 Einheitliche Verkehrsorganisation und -beschilderung, 1,91 2,04 1,70 besondere Auffälligkeit von Gefahrenpunkten Versetzen der Linksabbiegespuren 1,95 2,18 1,61 Mindestwert für Reaktionszeit 2,5 s 2,09 2,38 1,78 Straßenbeleuchtung an Gefahrenpunkten und 2,15 2,23 2,00 Autobahnauffahrten Vereinfachte Kreuzungsformen 2,16 2,32 2,00 Besonders große und intensive Signalleuchten 2,17 2,44 1,86 Reflektierende Markierung von Borden, Inselrändern 2,18 2,46 1,80 und Straßenrändern Durchgehende Anwendung von identifizierbaren 2,20 2,09 2,25 Straßencharakteristiken ( self explaining roads ) Generelle Geschwindigkeitsreduzierung in 2,21 2,24 2,24 Kreuzungsbereichen/städtischen Straßen außer Durchgangsstraßen Besonders große und auffällige Hinweis- und 2,24 2,54 1,80 Verkehrsschilder Kreuzungswinkel zwischen 75 und 90 2,30 2,40 2,12 Führung durch erhöhte Verkehrsinseln mit Markierung 2,35 2,75 1,81 Warnschilder/Blinklichter bei Rechtsabbiegen bei ROT 2,47 2,67 2,20 Anwendung Kreisverkehrsplätze 2,48 2,08 3,06 Generell redundante Beschilderung 2,63 3,13 2,05 Kein Rechtsabbiegen bei ROT an Kreuzungen mit 2,74 3,05 2,35 Winkeln kleiner 75 Minimumbreite abführende Spuren 3,60 m 2,98 3,12 2,79 Tab. 2: Wirksamkeitseinschätzung straßenplanerischer und verkehrstechnischer Maßnahmen zugunsten älterer Fahrer durch amerikanische und europäische Experten (Quelle: Schmidt, 2004; N = 48; 5stufig, 1 = sehr wirksam, Mittelwerte). D = Deutschland, A = Österreich, CH = Schweiz, USA = Vereinigte Staaten von Amerika, K = Kanada. 85

86 Abb. 2: Unterstützungskonzept für die Bewältigung von komplexen Verkehrssituationen (Quelle: Küting & Krüger, 2002) seine kognitive Belastung noch relativ gering ist. Verkehrsplanung, Straßenentwurf und Verkehrstechnik gehen von einem 85%-Menschen aus. So ist die streckencharakteristische Geschwindigkeit V85 die Geschwindigkeit, die 85% der ungehindert fahrenden Pkw auf nasser Fahrbahn nicht überschreiten ein wichtiger Wert für die Kontrolle des Entwurfs sowie für die fahrdynamische Bemessung sicherheitsrelevanter Entwurfselemente (vgl. Schlag & Heger, 2004). Solche kollektiven Verhaltensmaße wandeln sich mit veränderter Zusammensetzung der Population. Leistungsfähigkeit und/oder Sicherheit des Verkehrssystems werden sich dann ungünstig ändern, wenn die Fähigkeiten den Anforderungen nicht mehr genügen (Abbildung 3). Dies muss bei gefährlichen Abläufen vermieden werden. Cohen (2001) betont zudem, dass die gesellschaftliche Alterung nicht nur die Handlungszuverlässigkeit des Durchschnittsfahrers herabsetzen und zu einer steigenden Rate von Fehlhandlungen führen wird, sondern dass zwangsläufig auch der Anteil der Automobilisten, der durch die Bewältigung der eigenen Fahraufgabe absorbiert ist, steigt und somit immer weniger Lenker über eine genügende Kapazität, um Fremdfeh- 86

87 c a p a b i l i t y / t a s k demand task demand time t Abb. 3: Fähigkeiten in Relation zu Aufgabenanforderungen (Quelle: Fuller & Santos, 2002) ler zu kompensieren (a.a.o., 241), verfügen. Beides wirkt gefährlich zusammen: Es ist mit mehr Fahrfehlern zu rechnen, die nur seltener durch andere Lenker kompensiert werden können. Cohen (2001, 241) fordert deshalb: Angesichts der abnehmenden Leistungsfähigkeit des Durchschnittslenkers muss eine Verkehrsumwelt gefordert werden, die mehr Toleranz Fahrfehlern gegenüber ausweist. Wird nun allerdings generell die Konsequenz gezogen, dass die Anforderungen zu senken sind, so wird für die jüngere Kraftfahrerpopulation der Abstand zwischen Fähigkeiten und Anforder ungen größer. Ihr Aktivationsniveau wird vermehrt unterhalb des für sie optimalen Bereichs liegen sie werden nach höherer Aktivierung streben, was beim Kraftfahren besonders gut über eine Erhöhung der Geschwindigkeit oder durch vermehrte Nebentätigkeiten erreicht werden kann. Der primäre Sicherheitsgewinn für die ältere Teilgruppe führt dann möglicherweise zu ungünstigen Verhaltensadaptationen bei anderen Verkehrsteilnehmern. Ähnliches gilt für ältere Verkehrsteilnehmer in ihren unterschiedlichen Rollen. Sind sie als Fußgänger oder Radfahrer unterwegs, werden ihre Sicherheit und ihr Fortkommen 87

88 durch für den älteren Autofahrer geschaffene übersichtliche und damit meist breit angelegte Knoten ungünstig verändert. Wesentlich ist damit eine Abstimmung von Anforderungen und Leistungsfähigkeit älterer Verkehrsteilnehmer, die die Belange aller Gruppen und aller Arten von Verkehrsteilnehmern berücksichtigt. Fahrzeuggestaltung und Nutzerassistenz Eine Assistenz speziell für Ältere dient der Überwindung von Barrieren bei der Nutzung von Mobilitätsangeboten und soll mobilitätsrelevante Veränderungen im Alter ausgleichen helfen. Betroffen sind v. a. die Verschlechterung der sensorischen Leistungsfähigkeit (insbesondere Sehen und Hören), der Geschwindigkeit von Informationsverarbeitung, der Reaktion und der motorischen Leistungsfähigkeit sowie der Handlungsbereitschaften (siehe Abschnitt 2). Angebote des öffentlichen Verkehrs In Bezug auf altengerechte Angebote des öffentlichen Verkehrs gibt es zahlreiche Arbeiten, die sich mit Gestaltungselementen zur Kompensation herabgesetzter körperlicher und sensorischer Leistungsfähigkeit beschäftigen (z.b. Reinberg-Schüller, 2002). Assistenzen zur Herabsetzung der körperlichen Anforderungen gehen auf eine implizite Verbindung von Alter und Gebrechlichkeit zurück, wovon eine Teilgruppe der Älteren betroffen ist. Nach Ergebnissen aus ANBINDUNG sind solche Hilfen für die Mehrzahl der Älteren jedoch relativ unwichtig (vgl. Engeln, 2001). Allerdings steigt der Anteil der körperlich eingeschränkten Personen mit zunehmendem Alter, was solche Gestaltungsmaßnahmen für diese Teilgruppe Älterer zur notwendigen Bedingung der Verkehrsmittelnutzung macht. Engeln, Schlag & Deubel (2002) berichten von einer umfangreichen Expertenbefragung zu Maßnahmen zur Verbesserung der Attraktivität öffentlicher Verkehrsangebote. Folgende Assistenzen reduzieren demnach die physischen Anforderungen und können so die Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel insbesondere für körperlich beeinträchtigte Personen erhöhen: 1. Zufahrtsweg: Flexible Angebotsformen wie Bürgerbusse, Anrufbussysteme oder auch die Kombination von Carsharing mit öffentlichen Verkehrsmitteln können den Zufahrtsweg erleichtern bzw. vermeiden. 2. Zugangsweg: Assistenzen wie Laufbänder, Treppenanlagen mit reduzierten Steigungen, Rolltreppen oder Aufzüge verringern die 88

89 physischen Anforderungen beim Zugang. 3. Einstieg: Niederflurbusse verhindern die für manche Ältere kaum oder gar nicht überwindbaren Höhenunterschiede beim Einstieg. 4. Gepäcktransport: Bring- und Holdienste von Gepäck und Einkaufsgütern (z.b. Heimlieferservice, Gepäckträgerservice) und Gepäcktrollys sorgen dafür, dass der Nutzer sein Gepäck nicht selbst tragen muss. Orientierungsprobleme sind zum einen auf die häufig verringerte sensorische Leistungsfähigkeit im Alter zurückzuführen. So weist Reinberg- Schüller (2002) auf die Bedeutung einer kontrastreichen Gestaltung wichtiger Orientierungspunkte im öffentlichen Verkehr hin (z.b. Fahrscheinentwertungsautomat, Halteknöpfe in Bussen). Zum anderen fällt gerade älteren Autofahrern, die Jahrzehnte lang fast ausschließlich mit ihrem Pkw mobil waren, der Umstieg in öffentliche Verkehrsangebote schwer. Sie haben mangels Erfahrung Probleme, sich im öffentlichen Verkehr zurecht zu finden. Folgende Assistenzen können die Orientierung insbesondere für ungeübte Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel erleichtern: 1. Kompensation sensorischer Leistungseinschränkungen: Neben einer guten Beleuchtung, die eine hohe Akzeptanz erwarten lässt, sind kontrastreiche Gestaltungen und Markierungen von Orientierungspunkten sehr hilfreich. Auch Treppenstufen und Bahnsteigkanten sollten kontrastreich gestaltet sein, um u.a. Stürze zu vermeiden. 2. Wo fährt der Zug? Klare und deutlich sichtbare Orts- und Bahnsteigbeschriftungen sowie Kennzeichnung der Verkehrsmittel erleichtern das Auffinden des richtigen Fahrzeugs. 3. Wann fährt der Zug? Gut lesbare Schriften auf Fahrplänen und dynamische Zugankündigungen erleichtern das rechtzeitige Auffinden des richtigen Verkehrsmittels. Für menügesteuerte elektronische Auskunftssysteme wird insbesondere bei ungeübten oder technikfernen Älteren mit einer geringen Akzeptanz gerechnet; hier wird ein persönlicher Ansprechpartner (Servicemitarbeiter, Kundenbetreuer) gewünscht, der individuell angepasste Auskünfte gibt. 4. Fahrscheinerwerb: Die Bedienung eines Fahrscheinautomaten stellt für ungeübte Ältere eine häufig kaum zu lösende Aufgabe dar (vgl. Rudinger et al., 1992). Der Lernaufwand kann reduziert werden, indem die Automaten über die Verkehrsverbünde hinweg einheitlich gestaltet werden. Elektronische Tickets sind eher für gewohnte Nutzer als Gelegenheitsfahrer geeignet. 5. Wann muss ich aussteigen? Dynamische Haltestellenanzeigen und -ansagen können individuell informieren. 89

90 Insbesondere bei Dunkelheit ist die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für viele Ältere mit Angst vor Kriminalität und Belästigung (security) verbunden. Bei Verkehrsmittelkombinationen (Park & Ride oder Bike & Ride) kommt die Angst um das eigene zurückgelassene Fahrzeug hinzu (Beschädigung/Diebstahl). Schutz der Person: Notrufsäulen oder Videoüberwachungsanlagen sind teilweise geeignet, das Sicherheitsgefühl älterer Menschen zu verbessern; ein Problem liegt in der Reaktionszeit zwischen Auslösung eines Alarms und dem Eintreffen der Hilfspersonen. Die Präsenz von Sicherheitspersonal hat in der Regel eine höhere Akzeptanz. Um den Weg von der Zielhaltestelle zum Zielort zu sichern, kann ein Taxirufservice im öffentlichen Verkehrsmittel hilfreich sein. Schutz des Fahrzeugs: Bewachte Parkplätze/-häuser können das Diebstahl- und Vandalismusproblem beim zurückgelassenen Fahrzeug reduzieren, wenn der gesamte Parkraum überwacht wird. In jedem Fall sollten Frauenparkplätze im überwachten Bereich liegen. Für Fahrräder gibt es wirksame Konzepte für speziell diebstahlgeschützte Abstellmöglichkeiten. Gerade bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel werden von den älteren Menschen technische Assistenzen und Automatisierungen jedoch nicht immer akzeptiert. Von den Älteren selbst sehr häufig gewünscht wird eine persönliche humane Assistenz (Servicemitarbeiter), die bei Überforderung unterstützt, auf individuelle Problemlagen eingeht und ein Gefühl der Sicherheit vermitteln kann. Assistenzsysteme im Pkw In Bezug auf die Bedeutung von Fahrerassistenzsystemen für Ältere und deren spezifische Akzeptanz finden sich weniger publizierte Forschungsarbeiten als bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Das liegt u.a. daran, dass bei altersoptimierten Fahrzeugen von Pkw-Herstellern ein ungünstiges labeling als Seniorenfahrzeug befürchtet wird (Stigmatisierungsgefahr). Insofern müssen auch für altersgerecht gestaltete Pkw nicht nur rationale, sondern zusätzlich verstärkt emotionale Überlegungen und Anforderungen der Älteren beachtet werden. Da die physische Leistungsfähigkeit und die Beweglichkeit nachlassen, werden mit zunehmendem Alter Assistenzen attraktiver, die die Anforderungen an physische Kräfte und Gelenkigkeit gering halten. 1. Querführung: Hier ist als Beispiel die Servolenkung zu nennen. Zukünftig könnten Spurhaltungsassistenten (heading control) eine 90

91 Rolle spielen. 2. Ein-/Ausstieg: Das Ein- und Aussteigen ist in höher gebauten Fahrzeugen deutlich erleichtert. Andere Hilfen z.b. durch eine veränderte Fahrzeuggeometrie oder dreh-/schwenkbare Sitze sind denkbar. Bei letzterem ist jedoch auf einen möglicherweise ungünstigen Stigmatisierungseffekt zu achten. 3. Sitz-/Spiegeleinstellung: Elektrische Einstellmöglichkeiten entlasten den Fahrer. 4. Rückfahrhilfe: Das Umdrehen zum Zurückschauen beim Rückwärtsfahren kann im Alter erschwert sein. Hier können elektronische Einparkhilfen zur Vermeidung von Parkkollisionen bzw. Rückfahrkameras (vgl. Färber, 2000), die eine gute Sicht nach hinten ohne Umdrehen ermöglichen, bis hin zu (semi-)autonomen Einparksystemen wertvolle Hilfen sein. 5. Bedienelemente: Leichtgängige, vom Fahrerplatz gut erreichbare Elemente, die nicht zu differenzierte feinmotorische Justierungen erfordern. Die visuelle Leistungsfähigkeit ist im Alter insbesondere unter schlechten Sichtbedingungen (nachts, Regen) eingeschränkt (Leuchtdichteanforderungen, Blendempfindlichkeit und Hell-/Dunkeladaptation) und die Nah-/Fernakkomodation ist verlangsamt. Assistenzen, die hier Erleichterung schaffen, erscheinen deshalb für ältere Fahrer besonders attraktiv. 1. Fahren bei schlechter Sicht: Färber (2000) beschreibt den Konflikt, dass bei Sichthilfen für Ältere die Leuchtstärken zu erhöhen und gleichzeitig die Blendwirkung zu verringern ist. Dies kann begrenzt über Scheinwerfer mit adaptiver Lichtverteilung (Anpassung der Leuchtweite und -richtung an die jeweilige Fahrsituation) realisiert werden. Färber (ebd.) empfiehlt aufgrund einer Expertenbefragung weiterhin infrarotbasierte Nachtsichtsysteme. Diese können jedoch nur dann helfen, wenn sie nicht als zusätzliche Information auf einem Display die Fahrsituation ein zweites Mal abbilden; denn dann entsteht ein Konflikt zur verlängerten Akkomodationszeit und zur reduzierten Informationsverarbeitungskapazität im Alter. Stattdessen sollten Nachtsichtsysteme in der originären Fahrsituation auf mögliche Gefahrenquellen hinweisen. Überforderung durch ein Zuviel an Informationen ist allerdings auch hier zu vermeiden. 2. Nah-/Fernakkomodation: Das Ablesen von Displays und Instrumenten im Fahrzeug während der Fahrt ist im Alter zunehmend erschwert. So können sich z.b. durch das Ablesen der Geschwindigkeitsanzeige die Blickabwendungszeiten vom Verkehrsgeschehen gefährlich verlängern. Färber (2000) schlägt deshalb eine klare, einfache und deutliche 91

92 92 Informationsdarstellung vor. Evtl. hilfreich können bei guter Ablesbarkeit auch Head-Up-Displays sein, die die fahrrelevante Information virtuell etwa zwei Meter entfernt über der Motorhaube darstellen. So werden die Anforderungen an die Akkomodationsleistung reduziert, möglicherweise jedoch neue Ablenkungspotenziale geschaffen. Auch im akustischen Bereich, der im Verkehr traditionell für Warnhinweise genutzt wird, sind wirksame Hilfen z.b. durch geeignete Lautstärken, Frequenzen und Unterstützung bei der Richtungserkennung denkbar. Nicht ausgeschöpft, möglicherweise jedoch gerade bei visuellen und akustischen Minderleistungen zusätzlich interessant, sind die Potenziale haptischer Melde- und Rückmeldesysteme (bspw. über das Lenkrad, den Sitz oder das Gaspedal). Im Alter erhöht sich der Zeitbedarf für die Informationsaufnahme, und -verarbeitung sowie die Entscheidungs- und Reaktionszeit. Dies kommt dann zum Tragen, wenn im Straßenverkehr unter Zeitdruck komplexe Informationen verarbeitet und schnelle Handlungsentscheidungen gefällt werden müssen. Hier steigt die Gefahr von Überforderung mit zu späten und folgenschweren Fehlentscheidungen. 1. Entlastung von aufmerksamkeitsbindenden Aufgaben: Effektive Assistenzen sollten Teilaufgaben im Fahrprozess vollständig und fehlerfrei übernehmen (Vollautomatik), so dass der Fahrer sie weder bedienen noch überwachen muss. Beispiele hierfür sind Automatikgetriebe sowie Beleuchtung und Scheibenwischer, die sich sensorgesteuert den Umgebungsbedingungen anpassen. In Extremsituationen können auch automatische fahrdynamische Assistenzen wie z.b. ABS, ASR oder ESP das Fahren sicherer machen. Fraglich erscheinen jedoch Assistenzen, bei denen der Fahrer die Aufgabenerfüllung beobachten (monitoring) und ggf. eingreifen muss. Dies gilt derzeit z.b. für Abstandsregeltempomaten (Adaptive Cruise Control ACC), der zwar dem Fahrer die Kontrolle des Längsabstands und die Geschwindigkeitsanpassung abnimmt, jedoch in bestimmten Situationen (z.b. starke Bremsung des Führungsfahrzeugs oder enge Kurve ohne Führungsfahrzeug) eine schnelle Übernahme dieser Aufgabe unter Zeitdruck erfordert eine gerade für ältere Fahrer besonders kritische Situation. 2. Die besonderen Probleme älterer Fahrer in Knoten könnten zukünftig durch Kreuzungsassistenten gemindert werden, die sich derzeit in der Erforschung befinden. Sie könnten in angemessener Weise die notwendigen Informationen z.b. beim Linksabbiegen (wie das Erkennen anderer Verkehrsteilnehmer und von Zeitlücken) bereitstellen

93 und so diese zeitkritischen Entscheidungen unterstützen. 3. Reduktion der Komplexität von Information: Für Ältere sollte die Komplexität der Informationen durch Assistenz- und Informationssysteme in jedem Fall reduziert und keinesfalls erhöht werden. So können auch reine Informationssysteme älteren Fahrern helfen, wenn sie die ohnehin benötigte Information vereinfachen. Ein Beispiel ist die akustisch und/oder graphische Warnung, wenn der Fahrer anfahren möchte, jedoch eine Tür nicht richtig verschlossen oder die Handbremse noch angezogen ist. Problematisch wird die gezielte Information jedoch dann, wenn verschiedene Informationssysteme entweder gleichzeitig oder in komplexen Verkehrssituationen den Fahrer zusätzlich belasten. Für ältere Fahrer wird deshalb ein Workloadmanagement (Widlroither et al., 2003) bzw. Informationsmanagement (Färber, 2000) gefordert, das im Idealfall unterschiedliche Assistenzen untereinander koordinieren und auf die Verkehrssituation und die Beanspruchung des Fahrers abstimmen kann. 4. Ausgabe von Handlungsempfehlungen: Um die Verarbeitungskapazität nicht zu sehr zu belasten, sind für Ältere informative Assistenzen hilfreich, die konkrete Handlungsempfehlungen ausgeben. Ein Beispiel sind Navigationssysteme, die nicht die Straßennamen der eben passierten Querstraßen benennen, sondern klare Aufforderungen zur Querführung geben. Verbesserungswürdig bleibt bei aktuellen Navigationssystemen die Zieleingabe, die hohe Abwendungszeiten und damit Verkehrsblindzeiten nach sich zieht, wenn sie während der Fahrt erfolgt, und die insbesondere ältere Nutzer aufgrund ihrer Komplexität schnell überfordern kann (vgl. Gelau, 2004). Dem großen Bedürfnis älterer Menschen nach Schutz und Sicherheit kann durch Assistenzen entgegen gekommen werden, die einerseits helfen, kritische Situationen zu vermeiden, und die andererseits im Notfall Unterstützung bieten. 1. Vermeidung kritischer Situationen: Ältere Fahrer versuchen häufig, durch strategische Fahrtplanung kritische Situationen zu umgehen, so z. B. durch Vermeidung anforderungsreicher Strecken und Verkehrszeiten. Bei dieser Planung könnten geeignete Funktionen in Navigationssystemen den Fahrer unterstützen. Vielen Fahrern ist bewusst, dass ihr Leistungsvermögen schwankt und sie auch weniger lange als früher belastbar sind. Widlroither et al. (2003) empfehlen deshalb auch ein Fahrer-Monitoringsystem, das auf kritische Leistungsabfälle (z.b. Müdigkeit) frühzeitig hinweist oder auch direkt in den Fahrprozess eingreift. Weiterhin ist in diesem Zusammen- 93

94 hang an Sichtverbesserungssystem und Anti-Kollisionssysteme zu denken, die in der Lage sind, Aufmerksamkeits- und Fahrfehler zu kompensieren. 2. Hilfe im Notfall: Notrufsysteme, die bei Panne, Unfall oder gesundheitlichen Problemen schnelle Hilfe erwarten lassen, werden nach Färber (2000) insbesondere von Personen mit hohem Gesundheitsrisiko geschätzt. Solche Systeme können auch die Angst vor Bedrohung und vor unkontrollierbaren Situationen mindern und das subjektive Sicherheitsgefühl gerade bei ängstlichen Personen erhöhen. Literatur Backes GM & Clemens W (1998) Lebensphase Alter. Weinheim: Juventa. Baltes MM & Carstensen LL (1996) Gutes Leben im Alter: Überlegungen zu einem prozessorientierten Metamodell erfolgreichen Alterns. Psychologische Rundschau 47: Baltes MM, Lang FR & Wilms H-U (1998) Selektive Optimierung mit Kompensation: Erfolgreiches Altern in der Alltagsgestaltung. In: Kruse A ed.: Psychosoziale Gerontologie Bd 1 Grundlagen, Pp , Göttingen: Hogrefe. BASt (2000) Ältere Menschen als Radfahrer. Wissenschaftliche Informationen der Bundesanstalt für Straßenwesen, 7. Borjesson M (1989) Economic and Demographic Factors: The Swedisch Experience. In: ECMT (European Conference of Ministers of Transport) eds. Transport for People with Mobility Handicaps. Paris: OECD Publications Service. Brouwer W & Tränkle U (1993) Individualverkehr: Ältere Menschen als Fußgänger, Radfahrer und Pkw-Fahrer. In: Schlag B. & Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.v. eds. Verkehrssicherheit älterer Menschen. Mobilität erhalten und fördern. Pp Bericht zum Fachkongress vom 5. Bis 7. Oktober 1993 in Bonn. Carp FM (1970) Correlates of Mobility among Retired Persons. In: Archea, J. & Eastman, C. eds. EDRA Two: Proceedings of the 2nd Annual Environmental Design Research Conference. Pp , New York: Carnegie-Mellon University. Cohen A (2001) Leistungsanforderungen und möglichkeiten der Senioren als Fahrzeuglenker. In: Flade A, Limbourg M & Schlag B eds. Mobilität älterer Menschen. Pp , Opladen: Leske & Budrich. 94

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99 Barrierefreie Gestaltung von Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs für ältere Menschen von Volker Sieger und Annerose Hintzke Ausgangssituation Die Bedeutung älterer Menschen für den öffentlichen Personenverkehr ist in Bezug auf die Quantität dieser Personengruppe bereits für die Gegenwart, aber noch mehr für die Zukunft aus diversen deutschen und europäischen Studien sowie der demografischen Entwicklung abzuleiten. Als Kundengruppe sind ältere Menschen von besonderer Relevanz, da Personen, die ein gewisses Alter erreicht haben, ihre Mobilitätsgewohnheiten sukzessive vom Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr verlagern bzw. verlagern sollten. Eine wesentliche Voraussetzung, um der Bedeutung älterer Menschen sowohl in Bezug auf ihre Anzahl als auch in ihrer Funktion als Kunden des öffentlichen Personenverkehrs gerecht zu werden, ist die barrierefreie Gestaltung von Fahrzeugen. Hier ergeben sich vergleichbare Interessenlagen zwischen älteren und behinderten Menschen, denen sowohl in der einschlägigen Literatur als auch in der Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene im Allgemeinen mit dem Attribut mobilitätseingeschränkt Rechnung getragen wird. Anforderungen mobilitätseingeschränkter Fahrgäste Die Anforderungen, die mobilitätseingeschränkte Menschen an eine barrierefreie Umwelt im Allgemeinen und an eine barrierefreie Fahrzeuggestaltung im Besonderen stellen, hängen wesentlich von der Art der Mobilitätsbeeinträchtigung ab. Grob zu unterscheiden sind hier die Anforderungen von blinden und sehbehinderten, hörbehinderten und gehörlosen, gehbehinderten sowie gehunfähigen (Rollstuhlnutzer) Personen. Zwar ist anzunehmen, dass in der Gruppe älterer Verkehrsteilnehmer eine akute oder latente Gehbehinderung am häufigsten anzutreffen ist. Die Anforderungen, die sich aus anderen Beeinträchtigungen ergeben, 99

100 sind allerdings ebenfalls zu berücksichtigen. So sind hier gerade auch Einschränkungen des Seh- oder des Hörvermögens häufig anzutreffen. Und jede Gehbehinderung kann mit zunehmendem Alter immer auch zu einer zumindest temporären Benutzung eines Rollstuhls führen. Die Anforderungen, die ältere Person an eine barrierefreie Fahrzeuggestaltung stellen, weisen signifikante Schnittmengen zu den Anforderungen auf, die Menschen mit einer Mobilitätsbehinderung, die nicht altersbedingt ist, haben. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die skizzierte Unterteilung in Anforderungen, die sich aufgrund bestimmter Mobilitätsbeeinträchtigungen ergeben, grundsätzlich auch die Bedürfnisse und Belange älterer Menschen an die Barrierefreiheit von Fahrzeugen berücksichtigt. Selbstverständlich kann auch zwischen den Bedürfnissen sehbehinderter und blinder Menschen differenziert werden, ebenso wie zwischen denen hörbehinderter und gehörloser Menschen. Auch trifft die Klassifizierung gehunfähig, womit in erster Linie Rollstuhlnutzer gemeint sind, nicht grundsätzlich die Anforderungen aller Fahrgäste im Rollstuhl. Wesentlich ist hier, dass beispielsweise immer auch die Möglichkeit einer vorhandenen Einschränkung der Oberkörperfunktionen oder der oberen Extremitäten in Betracht gezogen wird. Wie hoch der Differenzierungsgrad gewählt wird und in welchem Maß auch andere Personengruppen, beispielsweise geistig behinderte Menschen, demenzerkrankte Personen oder die sehr große Gruppe der Menschen mit Allergien, einbezogen werden, hängt von dem verfolgten Ziel ab. Unter der Fragestellung, welche Gestaltungsmerkmale besonders relevant für die Mobilität älterer Fahrgäste sind, erscheint die nachfolgend vorgenommene Beschränkung auf die o.g. vier Personengruppen gerechtfertigt. Problemanalyse Fahrzeughersteller, Verkehrsunternehmen und mobilitätseingeschränkte Nutzer haben gleichermaßen mit dem Problem zu kämpfen, dass hinsichtlich der barrierefreien Fahrzeuggestaltung bisher keine gesetzlichen und normativen Grundlagen existieren. Erste und einzige Ausnahme bildet seit Februar 2002 die EU-Zulassungsrichtlinie für Omnibusse, die mittlerweile in deutsches Recht umgesetzt wurde. Ansonsten müssen sich die Akteure auf diesem Feld in der wenig überschaubaren Welt der Empfehlungen, die von diversen Institutionen herausgegeben wurden, zurechtfinden. 100

101 Das Gegenteil ist im Gebäudebau oder bei der Straßenraumgestaltung der Fall. Hier existieren in Form der DIN und der DIN seit den siebziger Jahren Normen, die eindeutige Anforderungen und Planungsanleitungen für das barrierefreie Bauen beinhalten. Dabei ist zweitrangig, ob diese Normen Eingang in die gesetzlichen Baubestimmungen der Länder gefunden haben, oder ob sie lediglich als allgemein anerkannte Regeln der Technik Anwendung finden. Tatsache ist, dass diese Normen, die zukünftig in der DIN zusammengefasst werden sollen, die barrierefreie Lebensraumgestaltung maßgeblich beeinflussen. Das Problem der Empfehlungen für eine barrierefreie Fahrzeuggestaltung ist aber in erster Linie noch nicht einmal ihre Anzahl; das eigentliche Problem stellen die in den einschlägigen Empfehlungen enthaltenen konkurrierenden Anforderungen dar! Diese basieren zu einem großen Teil nicht auf einem wissenschaftlichen Dissens, sondern sind Ausdruck eines Interessenausgleichs zwischen Deutschland und Europa, mobilitätseingeschränkten Nutzern und politischen Entscheidungsträgern, mobilitätseingeschränkten Nutzern und Verkehrsunternehmen, Verkehrsunternehmen und politischen Entscheidungsträgern usw. Hinzu kommt, dass die einzelnen Vorgaben und Planungsempfehlungen für die Fahrzeuggestaltung spätestens an der Schnittstelle Fahrzeug/Haltestelle bzw. Fahrzeug/Bahnsteigkante mit den Richtlinien und Normen des zuständigen Baulastträgers in Übereinstimmung gebracht werden müssen, um tatsächlich eine barrierefreie Nutzung des Fahrzeuges zu erreichen. Diejenigen, die sich professionell oder als einfache Nutzer dem Thema nähern wollen, stehen vor dem Problem, dass ihnen eine eigenständige (wissenschaftliche) Abwägung und Beurteilung der verschiedenen Vorgaben abverlangt wird. Es liegt auf der Hand, dass Konstrukteuren, Designern, mobilitätseingeschränkten Nutzern und ihren Vertretern, Verwaltungsbeamten und politischen Entscheidungsträgern die Rolle des Anwenders solcher Empfehlungen schwer fällt. Derzeit gibt gibt es nur wenige Alternativen, sich intensiv mit den einschlägigen Empfehlungen für die Fahrzeuggestaltung zu beschäftigen. Um hierbei zu gesicherten Erkenntnissen zu gelangen, ist außerdem ein Abgleich der darin enthaltenen Anforderungen mit denen des Hochbaus und seine gesetzlichen und normativen Grundlagen zwingend erforderlich. Es liegt auf der Hand, dass sich die Grundbedürfnisse mobilitätseingeschränkter Personen hinsichtlich der Gestaltung barrierefreier Fahrzeuge in den meisten Punkten nicht von denjenigen unterscheiden, 101

102 die im Bausektor relevant sind, es bei der Fahrzeuggestaltung lediglich schwieriger ist, sie angemessen zu berücksichtigen. Gestaltungsempfehlungen, gesetzliche und normative Grundlagen Ein Blick auf die wesentlichen Gestaltungsempfehlungen und gesetzlichen wie normativen Grundlagen der barrierefreien Fahrzeuggestaltung verdeutlicht den oben skizzierten Sachverhalt. Wesentlichste historische Grundlage für eine moderne Fahrzeuggestaltung im öffentlichen Personenverkehr bildet der europäische COST- 322-Bericht aus dem Jahre 1995 über das Niederflurbussystem und seine Potenziale nicht nur hinsichtlich der Beförderung älterer und behinderter, sondern auch aller übrigen Fahrgäste. Durch den Nachweis einer weitgehenden Übereinstimmung der Mobilitätsbedürfnisse älterer und behinderter Menschen mit den Bedürfnissen nicht in ihrer Mobilität eingeschränkter Fahrgäste und auch des Interesses der Verkehrsunternehmen nach schnelleren Ein- und Ausstiegszeiten würden der Durchsetzung des Niederflurbussystems in Europa nicht zu unterschätzende Impulse verliehen. In der Zwischenzeit wird im Rahmen der COST 349 Aktion an europäischen Empfehlungen für Reisebusse und Omnibusse im Überlandverkehr gearbeitet. Ob der Endbericht der eingesetzten Kommission, der für Ende 2005 erwartet wird, ähnliche Auswirkungen wie der COST- 322-Bericht haben wird, bleibt abzuwarten. Immerhin ist der Überlandverkehr nicht nur in Europa, sondern nach wie vor auch in Deutschland von einem hohen Anteil an Hochflurbussen gekennzeichnet. Und auch im Reisebusverkehr sind die vorhandenen Probleme hinsichtlich einer barrierefreien Gestaltung der Fahrzeuge evident. Nahezu zeitgleich mit den Arbeiten im Rahmen von COST 322 wurde auf europäischer Ebene die Arbeit an einer Zulassungsrichtlinie für Omnibusse begonnen. Nach rund zehn Jahren Diskussion trat diese im Februar 2002 in Kraft. Insbesondere in den letzten Jahren ihrer Erarbeitung konnten Vertreter behinderter Menschen in nicht unerheblichem Maß auch die Belange mobilitätseingeschränkter Fahrgäste darin unterbringen. Die Richtlinie 2001/85/EG enthält zum einen einen Anhang VII, in dem dezidiert die Anforderungen an barrierefreie Fahrzeuge vor allem solche im Stadtlinienverkehr benannt werden, und legt darüber hinaus zahlreiche Merkmale fest, die alle Busse, für die eine Zulassung beantragt wird, aufweisen müssen. Gerade dieser allgemeine Teil berücksichtigt die große Gruppe älterer und daher in ihrer Mobilität eingeschränkter Personen. 102

103 Wenngleich die Busrichtlinie ab Februar 2005 verbindlich in allen Mitgliedstaaten der EU sein wird, hält sie hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung einzelner Anforderungen zur Barrierefreiheit doch auch nationale Gestaltungsspielräume offen. So ist beispielsweise die Anbringung von Kommunikationseinrichtungen und Bedienelementen wie etwa Haltewunschtaster in verschiedenen Höhen erlaubt, sofern die Mindest- und Maximalhöhenangaben der Richtlinie nicht unter- bzw. überschritten werden. Auch die Bestimmungen zur Sicherung des Rollstuhlnutzers und des Rollstuhls sehen vom Grundsatz her zwei Varianten von Rückhaltesystemen vor: Entweder eine Angurtung des Rollstuhls oder eine gegen die Fahrtrichtung ausgerichtete Rückenlehne mit zusätzlichem seitlichen Haltegriff, der das seitliche Verrutschen des Rollstuhls verhindert. Insbesondere die Variante der Rückenlehne wurde von deutscher Seite in Bezug auf das vorzuschreibende Rückhaltesystem präferiert. Bereits die genannten zwei Beispiele zeigen, dass mit der EU-Busrichtlinie keinesfalls die Notwendigkeit abhanden gekommen ist, sich mit den Grundlagen der Gestaltung barrierefreier Fahrzeuge zu befassen. Einen Beitrag hierzu liefern z. B. die Mitteilungen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die sich mit der nutzerfreundlichen und barrierefreien Gestaltung von Fahrzeugen beschäftigen. Während sich die VDV-Rahmenempfehlung für Stadt-Niederflur-Linienbusse aus 2001 in weiten Teilen auf die (seinerzeit noch nicht in Kraft getretene) EU-Busrichtlinie bezieht, können Akteure auf dem Feld der barrierefreien Fahrzeuggestaltung zahlreiche wichtige deutsche Spezifika aus den bereits 1998 erschienenen VDV-Mitteilungen Kundenorientierter und behindertenfreundlicher ÖPNV, Teil 1 (Betrieb nach BOKraft), oder auch aus dem im Jahr 2000 erschienenen Teil 2 (Betrieb nach BOStrab) entnehmen. Einen umfassenden Überblick über die in Deutschland vorzufindenden Standards hinsichtlich eines barrierefreien ÖPNV nicht nur bezogen auf die Fahrzeuggestaltung, sondern auf alle relevanten Aspekte vermittelt das 2003 vom VDV herausgegebene Werk Barrierefreier ÖPNV in Deutschland, welches sich u. a. durch die Darstellung zahlreicher Good-Practice-Beispiele auszeichnet. Nur im Hinblick auf einzelne Fragestellungen und Problemfelder sind demgegenüber das ebenfalls vom VDV herausgegebene Telematik- Buch sowie die DIN-Normen (fahrzeuggebundene Hubeinrichtungen) und (fahrzeuggebundene Rampen) wichtig. Ersteres beschäftigt sich nur am Rande mit den Belangen mobilitätseingeschränkter Fahrgäste, insbesondere in Bezug auf Fahrgastinformation, 103

104 letztgenannte Normen beziehen sich auch und gerade auf Hublifte und Rampen für Sonderfahrzeuge zur Beförderung behinderter Menschen, also nicht unmittelbar auf den ÖPNV. Einen wesentlichen Beitrag zur Herstellung der Barrierefreiheit im öffentlichen Personenverkehr liefert seit Jahren die Reihe direkt des Bundesministeriums für Verkehr Bau- und Wohnungswesen (BMVBW). Seit mehr als 10 Jahren widmen sich einzelne, in unregelmäßigen Abständen herausgegebene Forschungsberichte in dieser Reihe den Fragen einer barrierefreien Umweltgestaltung. Dabei wurden, je nach spezifischer Themenstellung des jeweiligen direkt-heftes, auch immer wieder Aussagen über die Gestaltung barrierefreier Fahrzeuge des ÖPNV getroffen. Der zuletzt zum Thema Barrierefreiheit herausgegebene direkt-band 56 aus dem Jahr 2001 fasst die wesentlichen in den vergangenen Jahren gewonnenen Erkenntnisse zusammen und ermöglicht eine anwenderfreundliche computergestützte Erfassung und Bewertung von Barrieren. Bei aller Bedeutung der direkt-reihe des BMVBW für eine Fahrzeuggestaltung, die die Belange mobilitätseingeschränkter Fahrgäste berücksichtigt, war in der Vergangenheit ein wesentlicher Aspekt zwischen den Forschungsergebnissen im Auftrage des BMVBW und den von den Verbänden behinderter Menschen formulierten Anforderungen stets strittig. Dieser Aspekt betrifft die Schnittstelle Fahrzeug/Haltestelle und ist auch für die heutige Diskussion nicht nur von historischem Interesse. Unter anderem zurückzuführen auf Studien im Auftrag des BMVBW sind Erkenntnisse, wonach es mobilitätseingeschränkten Fahrgästen möglich sei, einen Restspalt zwischen Haltestelle und Fahrzeug in Kombination mit einem Resthöhenunterschied zwischen Haltestellenoberfläche und Fahrzeugboden von jeweils 5 cm zu überwinden. Ferner sei ein Höhenunterschied von 10 cm in Kombination mit einem Restspalt von 5 cm oder ein Höhenunterschied von 5 cm in Kombination mit einem Restspalt von 10 cm mit Erschwernissen zu überwinden. Ungeachtet der Tatsache, dass diesem in den einschlägigen direkt-heften wiedergegebenen Forschungsergebnis seitens der Behindertenverbände stets widersprochen wurde und andere Forschungsvorhaben zu anderen Ergebnissen gelangt sind, hatte das Ergebnis der BMVBW-Veröffentlichungen über lange Jahre den Effekt, dass versucht wurde, das Niederflurbussystem ohne fahrzeuggebundene Einstiegshilfe, aber mit entsprechender Haltestellenanpassung als optimale Lösung für einen barrierefreien ÖPNV durchzusetzen. 104

105 Der aufgezeigte Dissens hat sich zwar spätestens mit dem Inkraftreten der Richtlinie 2001/85/EG und der darin enthaltenen Bestimmung, dass Busse im Stadtlinienverkehr zwingend eine fahrzeuggebundene Einstiegshilfe aufweisen müssen, für die Zukunft für diese Fahrzeugart praktisch erledigt. Relevant ist er hingegen nach wie vor für den Bereich des Schienenpersonenverkehrs, aber auch für Fahrzeuge, die neben Omnibussen dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) unterliegen so zum Beispiel Straßenbahnen, Stadtbahnen und U-Bahnen. Die Frage der Gestaltung barrierefreier Fahrzeuge, die den Vorschriften der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung (EBO) unterliegen, weist viele Gemeinsamkeiten zur barrierefreien Gestaltung von Omnibussen auf. Es ist zu berücksichtigen, dass die ungleich längere Lebensdauer von Fahrzeugen des Schienenpersonennah- und -fernverkehrs sowie die nur langfristig greifenden Harmonisierungsbemühungen zwischen den Bundesländern einerseits und den europäischen Ländern andererseits hinsichtlich der Standardhöhen von Bahnsteigen den Zeitraum, in dem neue Erkenntnisse und Empfehlungen in die Praxis umgesetzt werden können, erheblich vergrößern. Hinzu kam in den vergangenen Jahren das Monopol der Deutschen Bundesbahn bzw. der Deutschen Bahn AG im Schienenpersonenverkehr, das bewirkte, dass entsprechende Konzepte zur barrierefreien Fahrzeuggestaltung ausschließlich in Zusammenarbeit mit einem einzigen Unternehmen umgesetzt werden konnten. Die Probleme im Eisenbahnverkehr hinsichtlich einer Gestaltung von Fahrzeugen, die von allen Menschen problemlos und komfortabel genutzt werden können, widerspiegeln sich insbesondere im UIC-Kodex von 1997, der Hinweise für die Ausstattung von Reisezugwagen, in denen auch behinderte Fahrgäste in ihren Rollstühlen befördert werden können, enthält. Zahlreiche bis dahin vorliegende Erkenntnisse aus dem Bereich der nicht-schienengebundenen Fahrzeuge sowie insbesondere aus dem Bereich des Hochbaus sind in diese Empfehlung nicht eingeflossen. Ein Durchbruch in Bezug auf das hier behandelte Thema gelang erst dem COST-335-Bericht von 1999 über die Zugänglichkeit des Eisenbahnsystems in Europa. Zwar macht auch dieser den nicht immer gelungen Versuch, die Interessen der verschiedenen Eisenbahngesellschaften in Europa in Einklang zu bringen. Darüber hinaus enthält der Bericht aber zahlreiche und oftmals sehr nützliche Hinweise darauf, wie den Belangen mobilitätseingeschränkter Personen im Eisenbahnverkehr adäquat Rechnung getragen werden kann. Erfreulich ist, dass 105

106 sich sowohl Betreiber als auch Fahrzeughersteller zusehends auf die Empfehlungen des COST-335-Berichts beziehen. Im Jahr 2000 formulierte eine Arbeitsgruppe aus Vertretern bundesdeutscher Behindertenverbände bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation ein so genanntes Anforderungsprofil für einen barrierefreien Eisenbahnwagen des Personennah- und -fernverkehrs. Dieser Anforderungskatalog enthält neben Empfehlungen, die sich auch im COST-335-Bericht finden, insbesondere solche, die sich aus der Spezifik des Reisens in Deutschland und der unausweichlichen Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG ergeben. Im Jahr 2001 veröffentlichte der VDV im Rahmen des dritten Bands seiner Mitteilungen zum kundenorientierten und behindertenfreundlichen ÖPNV Hinweise zum Betrieb nach EBO. Ebenso wie die erwähnten Veröffentlichungen zum Betrieb nach BOKraft und BOStrab enthält auch diese Empfehlungsschrift zahlreiche nützliche Hinweise zur Gestaltung barrierefreier Fahrzeuge. Ein Problem im Schienenpersonenverkehr ist nach wie vor die Problematik der barrierefreien Toilettenanlage. Die grundsätzliche Anforderung mobilitätseingeschränkter Menschen, barrierefreie Toiletten so zu gestalten, dass das WC-Becken zum Beispiel für Rollstuhlnutzer von beiden Seiten aus anfahrbar ist also vergleichbar der Bestimmung für öffentlich zugängliche Gebäude nach DIN und darüber hinaus die notwendigen Bewegungsflächen vorzuhalten sind, ist als Problem zwar erkannt, bleibt aber mangels entsprechender Empfehlungen, die der Spezifik des Eisenbahnfahrzeugbaus gerecht werden, in der Praxis ungelöst. Bislang konnten lediglich die funktionalen Anforderungen in entsprechenden Studien bzw. Lastenheften benannt werden. Empfehlungen, die darüber hinaus ins Detail gehen, basieren im Wesentlichen nicht auf einem Abgleich der Belange mobilitätseingeschränkter Fahrgäste mit denen des Fahrzeugbaus, sondern übertragen weitgehend die Gestaltungsvorgaben für den Hochbau auf das Fahrzeugdesign. Während alle bislang genannten Empfehlungen, gesetzlichen und normativen Vorgaben für die Gestaltung barrierefreier Fahrzeuge im öffentlichen Personenverkehr nicht nur, aber schwerpunktmäßig die Belange gehbehinderter Personen und solcher Fahrgäste, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, behandeln, existieren auch einige Schriften. Sie benennen ganz gezielt die Anforderungen von blinden und sehbehinderten Menschen sowie Personen mit anderen Beeinträchtigen. Wesentlich für sehbehinderte Menschen ist eine bereits 106

107 1996 veröffentlichte und vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebene Studie über die Verbesserung der visuellen Information im öffentlichen Raum. Bis heute sind die Ergebnisse dieses Forschungsauftrags insbesondere im Hinblick auf die Frage nach einer nutzergerechten Kontrastierung von großer Bedeutung, wenngleich sich in jüngster Zeit im Rahmen eines Normungsvorhabens eine Debatte über entsprechende Messverfahren ergeben hat. Darüber hinaus ist im Jahr 2002 der DIN-Fachbericht 124 erschienenen, der Anforderungen an die Gestaltung barrierefreier Produkte benennt, was sich letztendlich auf wesentliche Bereiche des Fahrzeuginnendesigns auswirken kann und sowohl zum Nutzen blinder und sehbehinderter, als auch hörbehinderter und gehörloser, als auch im engeren Sinne in ihrer Mobilität eingeschränkter Fahrgäste sein kann. Funktionsbereiche und Gestaltungsmerkmale Um sich einer barrierefreien Gestaltung von Fahrzeugen in der Praxis zu nähern, ist es hilfreich, zunächst einzelne Funktionsbereiche und Gestaltungsmerkmale zu benennen und für diese in einem zweiten Schritt die Anforderungen der einzelnen Personengruppen zuzuordnen. Solche Bereiche und Merkmale werden im folgenden benannt, wobei es sich von der Systematik her anbietet, zu unterscheiden zwischen dem Ein- und Ausstieg, dem Innendesign, den optischen, sowie den akustischen Anforderungen. Für den Ein- und Ausstieg sind folgende Funktionsbereiche und Gestaltungsmerkmale von besonderer Bedeutung: der zu überwindende Höhenunterschied zwischen Fahrzeug und Haltestelle/Bahnsteig der zu überwindende Spalt zwischen Fahrzeug und Haltestellen- bzw. Bahnsteigkante eine fahrzeuggebundene Einstiegshilfe (Rampe oder Lift) die Bewegungsfläche im Eingangsbereich innen die angenommene Bewegungsfläche vor dem Fahrzeug die Türbreite die Türhöhe das Auffinden der Tür von außen die Erkennbarkeit der Tür von außen und innen der Öffnungs- und Schließmechanismus die Haltestangen/-griffe im Tür- und Eingangsbereich die Anforderungstaster innen und außen 107

108 In Bezug auf ein barrierefreies Innendesign sind folgende Bereiche relevant: Durch- und Zugänge Bewegungsflächen Stellflächen Oberflächenbeschaffenheit Stufen Sitzplätze Sitzgestaltung Handläufe, Haltestangen und -griffe Haltewunschtaste Notsprechanlage Unter dem Gesichtspunkt der barrierefreien optischen Gestaltung der Fahrzeuge sowie der dazugehörigen Fahrgastinformation sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen: Informationen mit Warnfunktion Informationen mit Entscheidungsfunktion Informationen mit Leitfunktion Fahrtzielanzeige außen Halteanzeige innen Auch für die barrierefreie akustische Gestaltung von Fahrzeugen und Fahrgastinformation empfiehlt sich eine Unterteilung in: Informationen mit Warnfunktion Informationen mit Entscheidungsfunktion Informationen mit Leitfunktion Über die genannten Funktionsbereiche und Gestaltungsmerkmale hinaus ist zu beachten, dass selbstverständlich Omnibusse und Schienenfahrzeuge nicht nur gemeinsame, sondern auch spezifische Bereiche und Merkmale aufweisen, denen es unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit Rechnung zu tragen gilt. Für Omnibusse sind dies die folgenden: Art des Fahrzeuges Hublift (allgemein) Rampe (allgemein) Hublift an Tür 1 Rampe an Tür 1 Rampe an Tür 2 Hublift an Tür 1 und Rampe an Tür 2 Rampe an Tür 1 und Rampe an Tür 2 108

109 Bewegungsraum im Eingangsbereich Stellflächen Durch die größeren Wegstrecken, die im Vergleich zu Bussen in Fahrzeugen des Schienenpersonenverkehrs i. d. R. zurückzulegen sind, durch signifikante Unterschiede bei den angefahrenen Bahnsteighöhen, insbesondere aber durch den Umstand, dass sowohl Züge des Fern- wie auch des Nahverkehrs über Toiletten verfügen, ergeben sich für Schienenfahrzeuge die nachfolgenden spezifischen Funktionsbereiche und Gestaltungsmerkmale, die für eine barrierefreie Gestaltung entscheidend sind: Anforderungstaster außen Stufen im Einstiegsbereich Bewegungsfläche im Eingangsbereich Durch- und Zugänge zum Fahrgastraum Türen Stellflächen Sitzplätze Sitzgestaltung Gepäckablage WC: Bewegungsfläche vor WC-Tür Tür (Maße) Tür (Öffnung, Bedienung, Ver- und Entriegelung) Bewegungsflächen im WC (vor und neben WC-Becken, vor Waschtisch) Sitzhöhe WC-Becken WC-Tiefe Haltegriffe Spülung Toilettenpapierhalter Waschtisch Spiegel Bedienelemente (Armaturen, Seifenspender, Papiertücher, Handtrockner, etc.) Abfallbehälter Notruftaster Anforderungen an die Fahrzeuggestaltung Auf der Grundlage der benannten Funktionsbereiche und Gestaltungsmerkmale ergeben sich bezogen auf die o. g. vier Personengruppen 109

110 (gehunfähige, gehbehinderte, blinde und sehbehinderte sowie hörbehinderte und gehörlose Fahrgäste) grundsätzliche Anforderungen an eine barrierefreie Fahrzeuggestaltung. Diese Anforderungen werden in der folgenden, in Seminaren des Instituts für barrierefreie Gestaltung und Mobilität (IbGM) verwendeten Tabelle exemplarisch für den Bereich des Ein- und Ausstiegs dargestellt: Gestaltungsmerkmal/ Funktionsbereich Rollstuhlnutzer gehbehinderte Person sehbehinderte bzw. blinde Person hörbehinderte bzw. gehörlose Person Höhenunterschied zwischen Fahrzeugboden und Haltestelle/ Bahnsteig stufenlos resp. geringer Höhenunterschied geringer Höhenunterschied optische und taktile Erfassbarkeit Spalt zwischen Fahrzeugboden und Bahnsteig-/ Haltestellenkante spaltenlose resp. geringe Restspalte geringe Restspalte optische und taktile Erfassarkeit Fahrzeuggebundene Einstiegshilfe (Rampe oder Lift) rollstuhlabhängige Abmessung; max. Neigung und Länge (Rampe); Sicherheit i.d.r. nicht nutzbar, ansonsten max. Neigung und Länge (Rampe) Bewegungsfläche im Eingangsbereich innen rollstuhl- und bewegungsabhängige Abmessung; max. Fussbodenneigung horizontal zur Fahrbahn hilfsmittel- und bewegungsspezifische Abmessung; max. Fussbodenneigung horizontal zur Fahrbahn ohne Hindernisse; Optischer Kontrast; hilfsmittel- und bewegungsspezifische Abmessung Bewegungsfläche vor dem Fahrzzeug (außen) relevant nur bei Einstiegshilfe; rollstuhl und bewegungsab-abhängige Abmessung Türbreite rollstuhlabhängige Abmessung; hilfsmitelspezifische Abmessung hilfsmitelspezifische Abmessung Tab.1: Anforderungen an Gestaltungsmerkmale/Funktionsbereiche für einen barrierefreien Ein- und Ausstieg 110

111 Gestaltungsmerkmal/ Funktionsbereich Rollstuhlnutzer gehbehinderte Person sehbehinderte bzw. blinde Person Türhöhe körpergrößen abhängige Abmessung hörbehinderte bzw. gehörlose Person Auffinden der Tür von außen optische und taktile Erfassung Erkennbarkeit der Tür von außen und innen Anforderung; optische und taktile erfassbarkeit; einfache Bedienbarkeit; Vorgangsbestätigung Öffnungs- und Schließungsmechanismus leichtgängig; einfache Handhabung leichtgängig; einfache Handhabung einfache Handhabung; optische und akustische Vorgangsbestätigung (ggf. als Warnhinweis) optische Vorgangsbestätigung als Warnhinweis Haltestangen-/ griffe im Tür- und Eingangsbereich Anordnung; Greifhöhe; Beschaffenheit Anordnung; Greifhöhe; Beschaffenheit optischer Kontrast; Anordnung Anforderungstaster innen und außen Anordnung; Bedienhöhe Anordnung; Bedienhöhe Anordnung; optische und taktile Erfassbarkeit; einfache Bedienbarkeit; Vorgangsbestätigung Tab.1: Anforderungen an Gestaltungsmerkmale/Funktionsbereiche für einen barrierefreien Ein- und Ausstieg (Fortsetzung) Über diese allgemeinen Anforderungen an den Bereich des Ein- und Ausstiegs hinaus sind noch weitere spezifische Anforderungen von Belang. Sie betreffen z.b. nur Omnibusse oder nur Fahrzeuge des Schienenpersonenverkehrs. 111

112 Bei Bussen ist beispielsweise von Relevanz, ob es sich um ein Nieder- oder Hochflurfahrzeug handelt, ob sich eine fahrzeuggebundene Einstiegshilfe an Tür 1 oder 2 befindet und ob es sich hierbei um eine Rampe oder einen Hublift handelt. Bei Schienenfahrzeugen ist wiederum zu beachten, dass für den Fahrgast die Höhe des Anforderungstasters an der Türaußenseite je nach Bahnsteighöhe variiert. Lastenhefte Die u.a. in der obigen Tabelle erfassten grundsätzlich zu berücksichtigten Anforderungen an die Gestaltung barrierefreier Fahrzeuge im Hinblick auf die vier genannten wesentlichen Personengruppen können und sollten Grundlage aller weiteren Überlegungen hinsichtlich einer Fahrzeuggestaltung sein, die auch und gerade die Belange älterer Nutzer des öffentlichen Personenverkehrs berücksichtigt. Hiervon ausgehend lassen sich von den entsprechenden Akteuren auf diesem Feld Lastenhefte entwickeln, die entweder funktionaler Natur sein können oder auch ein sehr hohes Maß an detaillierten Vorgaben machen. Voraussetzung für ein solches Lastenheft zur Gestaltung barrierefreier Fahrzeuge ist zum einen, dass die Anforderungen an das Fahrzeug, welches man gestalten will, und seines voraussichtlichen Einsatzortes definiert sind. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass man die Anforderungen ignoriert, die offensichtlich nicht der Spezifik des Fahrzeugs, seines betrieblichen Umfelds sowie der Haltestellen-/Bahnsteiginfrastruktur, für die es konzipiert wird, entsprechen. 1 Zweitens ist es erforderlich, die Aussagen der in Kapitel IV erwähnten wesentlichen Gestaltungsempfehlungen den in vorgenannter Tabelle aufgeführten Anforderungen der einzelnen Personengruppen zuzuordnen und hieraus einen entsprechenden Maßnahmenkatalog zu entwickeln. Drittens sollte man mögliche konkurrierende Empfehlungen nicht ignorieren, sondern als solche darstellen und anschließend einer sachgerechten Abwägung unterziehen. Hierfür ist es in vielen Fällen hilfreich 1 So können beispielsweise bei der Gestaltung eines hochflurigen Busses die Anforderungen hinsichtlich einer Rampe vernachlässigt werden, weil eine solche dort nicht zum Einsatz kommen kann. Bei einem S-Bahn-Fahrzeug, welches an einem Bahnsteig mit 96 cm Bahnsteighöhe eingesetzt werden soll und eine Fahrzeugbodenhöhe aufweist, die den nahezu niveaugleichen Einstieg ermöglicht, kommt wiederum ein Hublift als Gestaltungsmerkmal nicht in Frage. 112

113 und ratsam, die wenigen normativen Regelwerke des Hochbaus zu Rate zu ziehen. Wie bereits erwähnt sind insbesondere in die DIN-Normen zum barrierefreien Bauen die Erfahrungen und Ergebnisse von rund drei Jahrzehnten Beschäftigung mit diesem Thema eingeflossen, und ein großer Teil der unter der Beteiligung von Architekten, Designern, Rehabilitationswissenschaftlern und behinderten Fachleuten entwickelten Bestimmungen unterscheiden sich nicht von denjenigen, die auch im Fahrzeugbau Berücksichtigung finden sollten. Die Heranziehung der einschlägigen Baunormen ist selbstverständlich auch dann immer sinnvoll und hilfreich, wenn die Empfehlungen für eine barrierefreie Fahrzeuggestaltung keine oder nur unzureichende Aussagen über eine einzelne Anforderung eines bestimmten Personenkreises treffen. Ausblick Die Qualität des ÖPNV wie des SPNV wird maßgeblich durch die Vorgaben der Aufgabenträger, z. B. in Form von Verträgen und Ausschreibungen der Verkehrsleistungen, an die Wettbewerber resp. Betreiber bestimmt. Durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) des Bundes sind die Aufgabenträger des ÖPNV mittlerweile verpflichtet, in ihre Nahverkehrspläne Aussagen über die Herstellung möglichst weitreichender Barrierefreiheit aufzunehmen. Von dieser Verpflichtung unmittelbar berührt ist per gesetzlicher Vorgabe jedoch nur der Bereich, der dem PBefG unterliegt. Darüber hinaus besteht durch die durch das BGG geänderte EBO für die Eisenbahnen in Deutschland die Verpflichtung, Programme zur Herstellung möglichst weitreichender Barrierefreiheit aufzustellen. Nicht zuletzt entwickeln die Hersteller von Fahrzeugen aller Art ihre eigenen Konzepte bezüglich der Gestaltung ihrer Fahrzeuge, wobei auch hier in den vergangenen Jahren mehr und mehr das Thema Barrierefreiheit eine Rolle spielte. Leider ist die Beschäftigung mit dem hier behandelten Thema seitens der Aufgabenträger des ÖPNV bzw. des SPNV, der Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie der Fahrzeughersteller in der Vergangenheit nicht so intensiv gewesen, wie dies aus der Sicht mobilitätseingeschränkter Nutzer wünschenswert wäre. So verwundert es nicht, dass kaum einer dieser Akteure heutzutage in der Lage ist, ein umfassendes, fachlich fundiertes und aus der Sicht mobilitätseingeschränkter Fahrgäste weitgehend fehlerfreies Konzept für ein barrierefreies Fahrzeug des öffentlichen Personenverkehrs vorzulegen. 113

114 Seit Inkrafttreten des BGG im Mai 2002 bemüht man sich teilweise zumeist unter Hinzuziehung externen Sachverstandes behinderter Menschen, ihrer Verbände und deren Beratungsinstitutionen dieses Versäumnis nachzuholen. Wünschenswert wäre aus Nutzersicht natürlich, die in Zusammenarbeit mit ihren Expertengremien und institutionen identifizierten Anforderungen und notwendigen Maßnahmen für eine tatsächlich barrierefreie Fahrzeuggestaltung würden nicht nur lokal, regional, fahrzeug- oder unternehmensbezogen wirksam werden, sondern sich in einem wissenschaftlich begleiteten Prozess in ganz Deutschland als Standard durchsetzen. Ob dies vor dem Hintergrund der komplexen Gesetzgebung im öffentlichen Personenverkehr realistisch ist, darf allerdings mehr als bezweifelt werden. Literatur Bundesarbeitsgemeinschaft der Clubs Behinderter und ihrer Freunde, Designprojekt Konrad Weinhuber (1999) Modulare behindertengerechte WC-Zelle für Verkehrsmittel mit beengten Platzverhältnissen, Mainz, München. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (1998) Anforderungsprofil für einen barrierefreien innovativen Eisenbahnwagen des Personennah- und fernverkehrs. Erarb. von der BAR-Arbeitsgruppe Behindertengerechte Umweltgestaltung, Frankfurt/M.. Bundesministerium für Gesundheit (1996) Verbesserung von visuellen Informationen im öffentlichen Raum Handbuch für Planer und Praktiker zur bürgerfreundlichen und behindertengerechten Gestaltung des Kontrastes, der Helligkeit, der Farbe und der Form von optischen Zeichen und Markierungen in Verkehrsräumen und in Gebäuden, Bad Homburg: FMS Verlag. Bundesministerium für Verkehr (1997) Bürgerfreundliche und behindertengerechte Gestaltung von Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs. Reihe direkt. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, H. 51, Bad Homburg: FMS Verlag. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (1998) Gästefreundliche, behindertengerechte Gestaltung von verkehrlichen und anderen Infrastruktureinrichtungen in Touristikgebieten Ein Handbuch für Planer und Praktiker. Reihe direkt. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, H. 52, Bad Homburg: FMS Verlag. 114

115 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (2000) Bürgerfreundliche und behindertengerechte Gestaltung des Straßenraumes Ein Handbuch für Planer und Praktiker. 2., vollst. neu bearb. Aufl., Reihe direkt. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, H. 54, Bad Homburg: FMS Verlag. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (2000) Bürgerfreundliche und behindertengerechte Gestaltung des Niederflur-ÖPNV in historischen Bereichen. Reihe direkt. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, H. 55, Bad Homburg: FMS Verlag. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (2001) Computergestützte Erfassung und Bewertung von Barrieren bei vorhandenen oder neu zu errichtenden Gebäuden, Verkehrsanlagen und Umfeldern des öffentlichen Bereichs. Reihe direkt. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, H. 56, Bad Homburg: FMS Verlag. DIN (1998) Barrierefreies Bauen Straßen, Plätze, Wege, Öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze Planungsgrundlagen. DIN (1996) Barrierefreies Bauen Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten Planungsgrundlagen. DIN (1992) Barrierefreie Wohnungen Wohnungen für Rollstuhlbenutzer Planungsgrundlagen. DIN (1992) Barrierefreie Wohnungen Planungsgrundlagen DIN (1994) Fahrzeuggebundene Hubeinrichtungen für Rollstuhlbenutzer und andere mobilitätsbehinderte Personen, Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfung. DIN (1998) Fahrzeuggebundene Rampen für Rollstuhlbenutzer und andere mobilitätsbehinderte Personen, Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfung. DIN-Fachbericht 124 (2002) Gestaltung barrierefreier Produkte. Europäische Kommission, Generaldirektion Verkehr (1995) COST 322. Niederflurbusse. Das Niederflurbussystem. Schlussbericht, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. European Commission, Directorate General Transport (1999) COST 335. Passengers Accessibility of Heavy Rail Systems.sfFinal Report of the Action, Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities. Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze vom 27. April 2002 (Behindertengleichstellungsgesetz BGG), BGBl I S

116 Hintzke, A. (1998) Mobilitätsbehinderte Menschen im Verkehr. Recherchen und Auswertungen zur Verkehrsplanung, Entwicklung und Verbesserung von Verkehrsmitteln und systemen, Forschungsprojekt der Bundesregierung, Typoskript. Richtlinie 2001/85/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2001 über besondere Vorschriften für Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und zur Änderung der Richtlinien 70/156/EWG und 97/27/EG, ABl. L42 vom UIC-Bericht Nr VE (1997) Hinweise für die Ausrüstung von Reisezugwagen, in denen auch Behinderte mit ihren Rollstühlen befördert werden können, Neuaufl.. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (2003) Barrierefreier ÖPNV in Deutschland Barrier-free Public Transport in Germany, Düsseldorf: Alba Fachverlag. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (2001) Telematik im ÖPNV in Deutschland Telematics in public transport in Germany, Düsseldorf: Alba Fachverlag. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (1998) VDV-Mitteilungen Nr Kundenorientierter und behindertenfreundlicher ÖPNV Teil 1: Betrieb nach BOKraft, Köln. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (2000) VDV-Mitteilungen Nr Kundenorientierter und behindertenfreundlicher ÖPNV Teil 2: Betrieb nach BOStrab, Köln. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (2001) VDV-Mitteilungen Nr Kundenorientierter und behindertenfreundlicher ÖPNV Teil 3: Betrieb nach EBO, Köln. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (2001) VDV-Schrift Nr Rahmenempfehlung für Stadt-Niederflur-Linienbusse (SL III), Köln. 116

117 Fahrerassistenzsysteme für ältere Menschen von Henning Wallentowitz und Dirk Neunzig Einleitung Heute sind 21% der EU-Bevölkerung und damit rund 70 Millionen Menschen älter als 60 Jahre. Im Jahr 2020 wird der Anteil dieser Personengruppe in Deutschland schon mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen. In der Forschungslandschaft spiegelt sich diese Entwicklung durch eine intensivierte Analyse des Mobilitätsverhaltens älterer Menschen wieder. Die Studie AEMEÏS ( Ältere Menschen im Straßenverkehr, im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen) erarbeitete beispielsweise Maßnahmen, die auf eine angemessene Mobilität und die Erhöhung der Sicherheit älterer Verkehrsteilnehmer hin wirken können. Das BMBF - geförderte Projekt FRAME ( Freizeitverkehr älterer Menschen ) untersucht die Fortbewegung und Verkehrsmittelwahl älterer Menschen in ihrer Freizeit. Ziel ist es, die Ansprüche Älterer in der Verkehrsgestaltung berücksichtigen zu können. Maßnahmen zur Sicherstellung bzw. Verbesserung des Zugangs zur Mobilität und zur Erhöhung der Mobilitätsqualität von älteren Menschen stehen somit im Blickpunkt der aktuellen Forschung. Beispielsweise sind laut des Projektes FRAME die Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel für ältere Menschen oft unübersichtlich oder die Haltestellen bieten keinen Schutz. Ältere Menschen bevorzugen daher die Nutzung des PKW. Laut der Studie AEMEÏS fahren ungefähr 2/3 aller älteren Befragten 3-6 mal wöchentlich oder sogar täglich mit dem PKW, nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel aber nie oder seltener als ein Mal im Monat. Trotz aller Bemühungen zur stärkeren Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs liegt die Aufgabe der Mobilitätssicherung auch weiterhin beim PKW. Ältere Menschen spielen damit eine immer stärkere Rolle als aktive, den PKW nutzende Teilnehmer im Straßenverkehr. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass in dieser Gruppe der Bevölkerung häufiger Leistungsminderungen im Straßenverkehr festzustellen sind, als in anderen Altersgruppen. 117

118 Allgemein wird beobachtet, dass mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit des Nachlassens von Sinnesleistungen (Sehen, Hören und Informationsverarbeitung) und psychophysischen Fähigkeiten steigt. Unter psychophysischen Fähigkeiten werden in diesem Zusammenhang vor allem eine langsamere visuelle Orientierung, verminderte (Mehrfach-)Reaktionsleistungen oder auch das Erfassen komplexer, neuer Situationen verstanden. In komplexen Verkehrssituationen führen die nachlassenden Leistungen potentiell zu einer steigenden Gefährdung. Die Unfallforschung gibt hier eine Reihe von relevanten Verkehrssituationen an: Einordnen bei Spurwechseln und in Kreuzungssituationen Parkier, Wende- und Abbiegemanöver Bewältigung von Konfliktsituationen Bewältigung von Situationen, die eine Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern notwendig machen Fahren in Situationen mit verminderter oder eingeschränkter Sicht (Nacht, Nebel, etc.) Anhand der Analyse dieser Verkehrssituationen können gezielt Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Mobilitätsqualität entwickelt werden, die auf die Anforderungen älterer Menschen zugeschnitten sind, insbesondere bei der Nutzung des PKW. Sog. Fahrerassistenzsysteme können im Zentrum dieser Maßnahmenentwicklung stehen. Ziel ist es, ältere Menschen bei der Fahrzeugführung mit Hilfe von Assistenzsystemen bedarfsgerecht zu unterstützen, so dass die Mobilitätsqualität genauso positiv beeinflusst wird wie die Verkehrssicherheit. Hierbei spielt die objektive Steigerung dieser Größen, also der messbare Anstieg der Qualität und der Sicherheit, ebenso eine Rolle wie das subjektive Empfinden der Fahrzeugführer im Bezug auf die eigene Zufriedenheit und das Situationsvertrauen. Aus technischer Sicht ergeben sich heute die folgenden Forschungsfragen bei der Unterstützung älterer Menschen durch bedarfsgerechte Fahrerassistenzsysteme: 1. Welche Assistenzfunktionalitäten werden benötigt? 2. Wer muss wo (an welchem Ort in welchen Situationen) wie (mit Information und Assistenz) unterstützt werden? Im Rahmen dieses Beitrags werden diese Forschungsfragen aufgegriffen und diejenigen Assistenzfunktionen betrachtet, die ein besonderes Potenzial für die Nutzergruppe ältere Menschen aufweisen können. 118

119 Verkehrssicherheit aus der Sicht des Verkehrsablaufes Ausgangspunkte für Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Fahrerassistenzsysteme sind die hierfür vorhandenen Stellelemente (Wallentowitz 2004). Diese lassen sich anhand des Verkehrsablaufes verdeutlichen (Abb. 1): Sicherer Verkehrsablauf auf makroskopischer Ebene Minimierung des Unfallrisikos auf mikroskopischer Ebene Vermeidung des Unfalls in einer Konfliktsituation Schutz der Insassen und der Partner bei einem nicht vermeidbaren Unfall Einleitung einer schnellen Rettung und Versorgung von Verletzten nach einem Unfall Bei der Betrachtung des Verkehrssystems steht die makroskopische Sicht des Verkehrsablaufs im Vordergrund. Das bedeutet, die Beschreibung des Verkehrs und der herrschenden Situation erfolgt über die Verkehrsstärke (Anzahl der Fahrzeuge pro Minute, die einen bestimmten Querschnitt passieren), die Durchschnittsgeschwindigkeit und die Verkehrsdichte (Anzahl der Fahrzeuge auf einem definierten Streckenabschnitt). Das einzelne Fahrzeug und das Verhalten des einzelnen Fahrers spielen hierbei nur eine untergeordnete Rolle. Ziel dieser Sichtweise ist es, einen effizienten und sicheren Verkehrsablauf Abb. 1: Die Stellelemente zur Erhöhung der Verkehrssicherheit 119

120 zu etablieren, bei dem die Anzahl potenzieller Unfallsituationen a priori niedriger ist. Bei der makroskopischen Betrachtung werden einzelne Teilnehmergruppen des Verkehrs wie Fahranfänger oder ältere Menschen explizit nicht unterschieden. Bei der mikroskopischen Betrachtung des Verkehrs hingegen wird der Fokus auf die Betrachtung einzelner Fahrzeuge und Fahrzeugführer gesetzt. In diesem Zusammenhang spricht man von Fahrmanövern bzw. Fahrsituationen. Auf dieser Betrachtungsebene kann die Verkehrssicherheit durch eine Risikominimierung verbessert werden. Assistenzsysteme können gezielt an den Problemfeldern älterer Verkehrsteilnehmer ansetzen. Die nächste Betrachtungsebene setzt sich mit einer expliziten Konfliktsituation auseinander (potenzielle Kollision). Hierbei steht die Fragestellung im Vordergrund, wie diese Kollision vermieden werden kann. Die Betrachtungsebene der Kollisionsvermeidung ist aus Sicht der älteren Verkehrsteilnehmer die entscheidende im Hinblick auf den Einsatz von Assistenzsystemen. Ist eine Kollision nicht vermeidbar, ist das Ziel, die Folgen der Kollision zu minimieren. Zum Schutz der Insassen und des Unfallpartners werden hierbei hauptsächlich technische Systeme eingesetzt. Nach dem Unfall hat die Rettung und die Versorgung der Verletzten mit den erforderlichen Mitteln höchste Bedeutung. Eine Unfallstellenabsicherung zur Vermeidung weiterer Unfälle kann ebenfalls zu den Maßnahmen des Rettungsmanagements hinzugezählt werden. Klassifizierung von Fahrerassistenzsystemen zur Unterstützung des Fahrers Neben der Unterstützung des Fahrers bei der Bewältigung seiner Fahraufgabe sollen sog. Fahrerassistenzsysteme (auch als ADAS bezeichnet: Advanced Driver Assistance Systems) ihn auch von monotonen Aufgaben entlasten, damit der Fahrer genügend Ressourcen frei hat für andere wichtigere Aufgaben. Daneben sollen Assistenzsysteme auch die bekannten Schwächen des menschlichen Fahrers kompensieren (Wallentowitz, 2004). Zur Erfüllung dieser Aufgaben sind Fahrerassistenzsysteme in der Regel mit allen drei Elementen des geschlossenen Regelkreises Verkehr (Fahrzeug, Umgebung und Fahrer) verknüpft (vgl. Abbildung 2). Es gibt aber auch Systeme, die eine Fahraufgabe komplett übernehmen und bezogen auf diese definierte Fahraufgabe den Fahrer ersetzen, 120

121 Abb. 2: Fahrerassistenzsysteme im Verkehr d.h. hierbei besteht der Regelkreis aus Fahrzeug, Umgebung und Fahrer- assistenzsystem. Fahrerassistenzsysteme können den Fahrer beim Erreichen eines oder mehrerer der folgenden Ziele unterstützen: Fahrkomfort: bei den ersten Fahrerassistenzsystemen stand insbesondere der Fahrkomfort im Vordergrund. Hierbei handelt es sich um Systeme, die den Fahrer von lästigen bzw. monotonen Fahraufgaben entlasten und ihm das Fahren erleichtern. Diese Systeme haben zwar auch einen Effekt auf die Sicherheit, dieser ist aber sekundär. Sicherheit: Fahrerassistenzsysteme lassen sich zur Vermeidung von Unfällen, zur Verringerung der Unfallfolgen und zum verbesserten Rettungsmanagement einsetzen. Dabei übernehmen die Assistenzsysteme entweder komplett die Fahrzeugkontrolle oder sie geben dem Fahrer zusätzliche Informationen (Fahrzeug im toten Winkel) bzw. Warnungen. Verkehrseffizienz: Durch den Einsatz von Fahrerassistenzsystemen wird eine verbesserte Ausnutzung der Straßenkapazität angestrebt. Dadurch sollen Staus vermieden werden bzw. schneller aufgelöst werden und Fahrzeuge, die sich vor dem Stau befinden, automatisch umgeleitet werden. 121

122 Umwelt: Die Unterstützung des Fahrers durch technische Systeme kann dazu genutzt werden, Kraftstoffverbrauch und Lärm zu reduzieren. Dabei wird dem Fahrer eine situationsabhängige und vorausschauende Fahrweise empfohlen, bzw. bei komplexen Antriebsstrukturen (Hybridantriebe) die Betriebsstrategie optimal angepasst. Durch die Übernahme von Teilaufgaben des Fahrers fungieren Assistenzsysteme selbst als Regler bzw. als Reglerkomponenten. Während der Fahrer auf seine Wahrnehmung zur Informationsaufnahme angewiesen ist, werden hierzu bei den Assistenzsystemen Sensoren eingesetzt (vgl. Abbildung 3). Dies sind zum einen Sensoren zur Detektion des eigenen Fahrzustandes (Geschwindigkeit, Beschleunigung, Gierrate etc.) und zum anderen Sensoren zur Detektion des Verkehrsumfeldes (z. B. Abstand zum Vorderfahrzeug). Die Informationsverarbeitung erfolgt in einem Steuerrechner. Die Reaktion des Systems wird über Aktuatoren umgesetzt. Dies können Bildschirme zur Information oder Warnung des Fahrers sein oder auch Aktuatoren zum Eingriff in die Drosselklappe bzw. in das Bremspedal. Über eine geeignete Mensch-Maschine- Schnittstelle (MMS) erfolgt die Bedienung des Assistenzsystems durch den Fahrer. Bei machen Systemen beschränkt sich die MMS auf einen Aktivierungsschalter. Andere Systeme hingegen verfügen über keinerlei MMS und sind fortwährend aktiv. Die Fahrerassistenzsysteme lassen sich in Abhängigkeit vom Entwicklungsschwerpunkt nach unterschiedlichen Kriterien klassifizieren. Steht die Technik und die Sensorik im Vordergrund, werden diese in infrastrukturbezogene, fahrzeugautonome und kombinierte Systeme eingeteilt (siehe Abbildung 4). Als Zuordnungskriterium ist hauptsächlich die Art der Ermittlung der Umfeldinformationen zu sehen. So werden bei fahrzeugautonomen Systemen die für die Systemfunktion notwendigen Größen durch im Fahrzeug befindliche Sensorik ermittelt. Bei den infrastrukturgestützten Systemen werden die Informationen von der Infrastruktur in das Fahrzeug übermittelt. So ist z.b. eine Information über die zulässige Höchstgeschwindigkeit mittels Funkübertragung denkbar. Bei kombinierten Systemen ist die Verknüpfung extern beigesteuerter zu intern ermittelten Daten die Grundlage für die Systemreaktion. Die Umsetzung übernehmen dabei immer fahrzeugseitige Aktuatoren. Diese Unterteilung ist veraltet und biete keinen besonderen Mehrwert, da sie sehr grob ist und die Art der technischen Informationsgewinnung nicht weiter aufnimmt. 122

123 Abb. 3: Der Prozess der Fahrzeugregelung im Vergleich Abb. 4: Klassifizierung der Assistenzfunktionen nach Systemarchitektur 123

124 Wenn der Entwicklungsschwerpunkt mehr auf die Regelung gesetzt wird, werden die Assistenzsysteme nach der Fahraufgabenebene klassifiziert, auf der sie wirken (vgl. Abbildung 5). So ist z.b. ein ACC (Adaptive Cruise Control), das den Abstand zu einem Vorderfahrzeug autonom einregelt, der Führungsebene zu zuordnen, während ein Navigationssystem der Navigationsebene und eine Fahrdynamikregelung ESP (Electronic stability control) der Stabilisierungsebene zugewiesen werden. Hierbei dient die Klassifikation der Assistenzsysteme auch gleichzeitig als allgemeine Beschreibung derselben. So sind beispielweise Assistenzsysteme der Stabilisierungsebene aufgrund der Zeitkritikalität in der Regel intervenierende Systeme, die entweder nur über eine Aktivierungs-Deaktivierungs-Mensch-Maschine-Schnittstelle (MMS) oder über keinerlei MMS verfügen. Damit ergibt sich eine weitere Klassifizierungsart von Fahrerassistenzsystemen, nämlich nach ihrer Art der Unterstützung (vgl. Abbildung 6): informierend/warnend (optisch, akustisch, haptisch, z. B.: Kollisionswarnung) intervenierend (z.b. ABS, ESP etc.) autonom (z.b. ACC, Spurhaltung etc.) Häufig werden zur Klassifizierung von Assistenzsystemen beide Methoden genutzt (Art der Fahraufgabe und Unterstützungsart). Damit lassen Abb. 5: Klassifizierung der Assistenzfunktionen nach Fahraufgabe 124

125 Abb. 6: Klassifizierung der Assistenzfunktion nach Art der sich alle Systeme zusammenfassen, die auf ähnlichen Mechanismen basieren und bei denen auch ähnliche Problemstellungen auftauchen. Dieser Klassifikationsansatz wird deshalb eher bei der Entwicklung von Assistenzsystemen genutzt. Fahrerassistenzsysteme im Überblick Ein sicherer Verkehrsablauf als Ausgangspunkt der Sicherheitskette Verkehr-Fahrer-Fahrzeug (vgl. Abbildung 1) verringert die Anzahl von Fahrsituationen, die potenziell zu einer Gefährdung der Fahrzeuginsassen und anderer Verkehrsteilnehmer führen könnten. Hierzu gehören ebenso Maßnahmen zur optimierten Anlage von Straßen, wie eine gezielte Beeinflussung des Verkehrsablaufs durch Verkehrsmanagement. Insbesondere die Verringerung von Verkehrssituationen mit hoher Dynamik und demzufolge hoher Staugefahr auf Autobahnen mindert die Anzahl potenziell gefährlicher Fahrsituationen bzw. Fahrzustände. Verkehrsbeeinflussungsanlagen mit angepassten Geschwindigkeitsbeschränkungen haben hier in der Vergangenheit bereits sehr gute Ergebnisse gezeigt: Als Beispiel für die Effekte der Verkehrsbeeinflussung kann die Linienbeeinflussungsanlage auf der BAB A 9 im Norden von München angeführt werden (Metz & Seika, 1998). Hier wurden zur Verringerung der Verkehrsunfälle Wechselverkehrszeichen installiert, die eine verkehrszustandsabhängige Übermittlung von z.b. Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Stauwarnungen ermöglichen. Hierdurch konnte eine Reduzierung der Stop&Go-Anteile um 90% er- 125

126 zielt werden. An der Schnittstelle von Verkehrssystem und Fahrmanöver stehen Maßnahmen zur Risikovermeidung, die vor allem das Verhalten der Fahrer selbst betreffen. Die sichere Erkennung potentiell gefährlicher Verkehrs- und Fahrsituationen durch den Fahrzeugführer ist die Voraussetzung für die Risikovermeidung. Wird der Fahrer bei der Fahrzeugführung durch ein sog. Assistenzsystem unterstützt, muss dieses, insbesondere wenn das Fahrzeug selbst reagieren soll, über ähnliche Sinne zur Erfassung des Fahrzeugumfelds verfügen wie der menschliche Fahrer. Hierbei können prinzipiell Fahrzeugumgebungssensoren auf Basis der Radar-, Lidar- oder Bildverarbeitungstechnologie eingesetzt werden. Bei der Kollisionsvermeidung gehen optimierte Fahrmanöver und eine angepasste Fahrzeugtechnik Hand in Hand. Das Fahrzeug kann beispielsweise ein Stauende erkennen und ggf. eine Notbremsung selbständig durchführen. Ebenso sind automatische Ausweichmanöver zur Vermeidung eines Unfalls denkbar. Auch sind die Sinne des Fahrzeugs und damit Licht- und Fahrzeugumgebungssensoren von besonderer Bedeutung. Abb. 7: Umfeldsensorik 126

127 Den Abschluss der Sicherheitskette Verkehr-Fahrer-Fahrzeug bilden die klassischen Maßnahmen zur Minderung von Unfallfolgen durch Insassenschutz ( passive Sicherheit ) und ein optimiertes Rettungsmanagement (vgl. Abbildung 1). Im Rahmen dieses Artikels stehen jedoch Technologien zur Risikovermeidung und Kollisionsvermeidung und somit optimierte, ggf. situationsadaptive Lichtsysteme und Fahrerassistenzsysteme im Mittelpunkt der Betrachtung. Vorausschauende Sicherheitssysteme bieten die Möglichkeit zur aktiven Kollisionswarnung und -vermeidung, falls ausreichende Informationen über vorausliegende Streckeneigenschaften und die vorausliegende Verkehrssituation vorliegen. Heute verfügbare Assistenzsysteme wie das ACC (Adaptive Cruise Control, automatische Regelung von Abstand und Differenzgeschwindigkeit) verfügen nur über eine sehr eingeschränkte Sicht auf den vorausliegenden Verkehrsablauf (vgl. Abbildung 8): Selbst im optimalen Fall können nur das vorausfahrende und das vor-vorausfahrende Fahrzeug erfasst werden. Aus diesem Grund handelt es sich bei den heute verfügbaren ACC-Systemen auch nicht um Sicherheitssysteme, sondern um reine Komfortsysteme zur Unterstützung der längsdynamischen Fahrzeugführung. Erst zukünftige Entwicklungsstufen des ACC werden sicherheitsrelevante Unterstützungsfunktionen adressieren können. Abb. 8: ACC (Adaptive Cruise Control, automatische Regelung von Abstand und Differenzgeschwindigkeit), Quelle: BMW 127

128 Neben den rein längsdynamischen Fahrerassistenzsystemen sind auch Systeme für die Querführung in der Entwicklung. So kann mit Hilfe eines Spurhalteassistenten dem Fahrer die Führung auf der Fahrspur erleichtert werden (Reichart & Haller, 1995; Mehring et al., 1996). Ein weiteres System unterstützt den Fahrer beim Spurwechsel. Er muss im Gegensatz zur Längsführung nicht nur das Führungsfahrzeug auf der eigenen Fahrspur, sondern den gesamten Verkehr vor und hinter dem Fahrzeug auf Fahr- und Zielspur berücksichtigen. Mit Hilfe geeigneter Sensorik werden Fahrzeuge im kritischen Bereich erkannt und die Fahrer durch optische (z.b. Leuchten im Außenspiegel), akustische oder haptische (z.b. Vibration des Blinkerhebels) Signale gewarnt. Ein sicherheitskritischer Spurwechsel kann auf diese Art verhindert werden. Die Warnung vor möglichen Kollisionen durch sog. Collision Warning Systems (CW) geht über die Unterstützung hinaus. Dazu müssen in die Umfelderkennung auch stehende Ziele aufgenommen werden. Die Situationsinterpretation wird durch die Sicherheitsrelevanz sehr komplex. Es sind dann unkritische Hindernisse, wie innerstädtisch parkende Autos, von gefährlichen, wie plötzlich auftretenden Stauenden, zu unterscheiden. Eingesetzt werden zu diesem Zweck sog. scannende Sensoren auf Radar- oder Lidarbasis, die einen großen Erfassungsbereich haben. Anhand ihrer Daten lassen sich Hindernisse erkennen und ihre Lage genau ermitteln. Das Bremsmanöver selbst ist von den Fahrern einzuleiten. Akustische und optische Warnungen fordern diese dazu auf. Aktuatoren, die die Fahrmanöver autonom durchführen, sind bei dieser Ausbaustufe nicht notwendig. Diese Aktuatoren finden ihren Einsatz bei der Erweiterung des CW zum automatischen Kollisionsvermeidungssystem (auch: Collision Avoidance = CA). Hierbei werden Brems- und Ausweichmanöver automatisch eingeleitet. Das bedeutet, dass eine automatische Bremsenansteuerung (z.b. durch einen elektronisch geregelten Bremsbooster, Brake-by-Wire-Systeme) notwendig wird. Die Funktionsweise der Bremse ist prinzipiell dieselbe wie beim ACC, nur dass beim CA mit maximaler Verzögerung bis in den Stillstand abgebremst werden muss. Eine deutliche Erweiterung stellt die automatische Lenkung dar, welche die Ausweichmanöver steuert. Eine aufgeschnittene Lenksäule ist ebenso denkbar wie die Lösung eines Steer-by-Wire-Systems durch Überlagerungslenkung. Bedingt durch die autonome Durchführung von Notfallmanövern steigen die Anforderungen an die vorausschauende Situationsinterpretation und damit an die Umfeldsensorik. Hier muss insbesondere die kom- 128

129 Abb. 9: Kooperative Fahrerassistenzsysteme auf Basis von Kommunikationstechnologien, Gefahrenwarnung und Kreuzungsassistenz, Quelle: DaimlerChrysler binierte Auswertung unterschiedlicher Sensordaten (z.b. aus aktiven Lichtsystemen, Bildverarbeitung und Radar-/Lidarsensoren) realisiert werden, um auf eine möglichst breite Informations- und Datenbasis zurückgreifen zu können. Über Lichtsysteme und Bildverarbeitungssysteme wird es möglich sein, eine umfassende Analyse der Umgebung durchzuführen. Diese Informationen werden mit einem Radar- oder Lidarsensor verknüpft, der die genauen Bewegungsdaten der erkannten Objekte liefert. Einen aktuellen Entwicklungsschwerpunkt stellen die sog. kooperativen Fahrerassistenzsysteme dar. Hierbei werden fahrzeugautonome mit infrastrukturbezogenen Systemen verbunden. Die Schlüsselrolle nimmt bei diesen Systemen eine sog. Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation oder die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur ein. Zum Einsatz kommen hierbei Technologien aus dem Bereich des Mobilfunks der 2. und 3. Generation wie GPRS oder UMTS sowie das bei Computernetzwerken inzwischen weit verbreiteten Wireless Local Area Network (WLAN). Mit Hilfe dieser Kommunikationstechnologien werden Fahrerassistenzsysteme über die sichtbasierte Auswertung des Fahrzeugumfelds hinaus erweitert, so dass auch weit vorausliegende Unfälle oder komplexe Kreuzungssituationen bewältigt werden können. Die Kreuzungsassistenz bietet ein erhebliches Potential, die Anzahl gefährlicher Fahrsituationen im Stadtverkehr zu verhindern oder, falls der Unfall nicht mehr vermeidbar ist, dessen Folgen zu mindern (vgl. Abbildung 9). Allerdings ist mit der Einführung dieses Fahrerassistenz- 129

130 Abb. 10: Parkassistenz, Quelle: BMW Abb. 11: Assistenzsysteme zur Sichtverbesserung, Quelle: Hella 130

131 systems erst langfristig zu rechnen. Kurz vor der Serieneinführung steht der sog. Parkassistent (vgl. Abbildung 10). Dieses Assistenzsystem vermisst während der Vorbeifahrt an der Parklücke deren Größe und unterstützt den Fahrer in der Folge beim eigentlichen Einparkvorgang. Hierbei sind Systeme denkbar, die eine Vorgabe für den richtigen Lenkeinschlag geben, den der Fahrer dann selbst einstellen muss, und Systeme, die automatisch während des Einparkens lenken. Allen Ansätzen ist gemeinsam, dass der Fahrzeugführer Gaspedal und Bremse weiterhin betätigen muss und damit die volle Verantwortung über den Einparkvorgang hat. Eine Gruppe von bereits eingeführten Assistenzsystemen sind die sog. sichtverbessernden Systeme (vgl. Abbildung 11). Hierzu zählen die intelligenten Lichtsysteme, welche die Lichtverteilung variabel an die Fahrsituation anpassen (z.b. Kurvenlicht ) oder Nachtsichtsysteme ( Night Vision ), die ein Infrarot-Kamerabild z.b. in die Windschutzscheibe einspiegeln. Anwendung von Fahrerassistenzsystemen zur Unterstützung der älteren Fahrzeugführer Keines der beschriebenen Assistenzsysteme wird hinsichtlich seiner Funktionalität oder Bedienbarkeit speziell für die Nutzergruppe der älteren Menschen entwickelt. Vielmehr werden durch die Assistenzsysteme ganz allgemein unkomfortable oder sicherheitskritische Fahr- und Verkehrssituationen betrachtet. Dennoch eignen sich eine Reihe von Fahrerassistenzsystemen im besonderen Maße für die Unterstützung der älteren Fahrzeugführer, da sie die für diese Nutzergruppe besonders schwierigen Fahrsituationen adressieren können, Abbildung 12 und Einleitung, In der Regel findet eine Anpassung der eigentlichen Assistenzfunktion an eine spezifische Nutzergruppe nicht statt, sondern das System wird auf eine hohe allgemeine Nutzerakzeptanz über alle Anwenderarten hin optimiert. Bei Sicherheitssystemen wie dem Spurwechsel- oder dem Kreuzungsassistenten ist eine solche Anpassung der Systemreaktion auch weder notwendig noch gewünscht: Das System muss in allen relevanten Fahrsituationen sicher und früh genug reagieren, um eine kritische Situation zu verhindern oder deren Folge zu mildern. Notwendig erscheint dagegen eine Anpassung der Mensch-Maschine- Schnittstelle an die Möglichkeiten und Grenzen älterer Menschen. Neben der potenziell geringen Erfahrung mit computerbasierten technischen Systemen ist auf die mit zunehmendem Alter steigende Wahrschein- 131

132 Information und Warnung unterstützend Assistenzsystem Night Vision Einordnen bei Spurwechseln und in Kreuzungssituationen Parkier-, Wende und Abbiegemanöver Bewältigung von Konfliktund Interaktionssituationen Fahren in Situationen mit verminderter oder eingeschränkter Sicht Adaptive Lichtverteilung X X Spurwechselassistenz X X X Gefahrenwarnung X X Notbremsassistent X X Parkassistenz Spurhalteassistenz X X Kreuzungsassitenz autonom Abstandsregelung X X X Abb. 12: Ausgewählte Fahrerassistenzsysteme und besonders für ältere Menschen relevante Verkehrssituationen X X lichkeit des Nachlassens von Sinnesleistungen und psychophysischen Fähigkeiten zu reagieren. Dies hat Auswirkungen auf das Bedienkonzept sowie auf die Warn- bzw. Interaktionsstrategie und auf die Informationsdarbietung. Im Hinblick auf die eingangs aufgestellten Forschungsfragen (Welche Assistenzfunktionalitäten werden benötigt? Wer muss wo in welchen Situationen wie mit Informationen und Assistenz unterstützt werden?) bleiben somit wesentliche Aufgabenstellungen zu lösen: Die Frage nach der richtigen Assistenzfunktion wird, wie beschrieben, dabei automatisch durch die Einführung sicherheitsrelevanter Assistenzsysteme beantwortet. Die situationsgerechte Anpassung der Mensch-Maschine-Interaktion entsprechend den Anforderungen älterer Menschen ist dagegen noch weitgehend unbeantwortet und ist in kommenden Forschungsvorhaben zu beantworten. Das Forschungsthema erfordert eine interdisziplinäre Bearbeitung aus Sicht der Ingenieurwissenschaften, der Psychologie, der Medizin sowie der Informatik und stellt eine wichtige Herausforderung für die Zukunft dar. Literatur Mehring S, Franke U & Suissa A (1996) Optische Spurhaltung Eine Unterstützung des Fahrers bei der Lenkaufgabe, Automatisierungstechnik, Heft

133 Metz M & Seika M (1998) Die Luftqualität in Europa bis zum Jahre 2010 mit und ohne EURO IV Grenzwerte, VDI Fortschritt-Berichte, Reihe 12 Verkehrstechnik/Fahrzeugtechnik, Nr. 3487: Düsseldorf. Reichart G & Haller R (1995) Mehr aktive Sicherheit durch neue Systeme für Fahrzeug und Straßenverkehr. In: Fastenmeier W ed. Autofahrer und Verkehrssituation. Köln: TÜV Rheinland. Wallentowitz H (2004) Umdruck zur Vorlesung Fahrzeugtechnik 3 (Fahrzeugsicherheit). Institut für Kraftfahrwesen der RWTH Aachen, Aachen,

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135 Planung des Verkehrsraums unter Berücksichtigung der Mobilität älterer Menschen von Kurt Ackermann und Jürgen Gerlach Ausgangslage und Problemfelder Die Zahl der bei Unfällen mit Personenschaden beteiligten Personen im Alter von 65 und mehr Jahren (65+) betrug im Jahr 2003 rd , was 8,6% der erfassten Unfälle mit Personenschaden entspricht (vgl. Statistisches Bundesamt, 2004). Die Zahl der Getöteten der Personengruppe 65+ betrug rd und damit mehr als 20% der im Verkehr Getöteten. Der Anteil der über 65-jährigen an der Gesamtbevölkerung beträgt demgegenüber rd. 17%. Die einzige Altersgruppe, bei der 2003 mehr Getötete registriert wurde als im Vorjahr, waren die Seniorinnen und Senioren über 65 Jahre. Auch wurden mehr Senioren schwer verletzt (10.400) bzw. leicht verletzt (28.500). Fast die Hälfte aller getöteten Fußgänger (48%) und Fahrradfahrer (45%) war 2003 mindestens 65 Jahre alt. Bei den getöteten Pkw-Insassen gehörte rd. jeder siebte zur Altersgruppe der Senioren (15%). Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass bezogen auf die Verkehrsleistung von älteren Verkehrsteilnehmern eine höhere Unfallgefahr infolge von Defiziten im physiologischen und kognitiven Bereich ausgeht. Zugleich nimmt das spezifische Verkehrsaufkommen mit zunehmendem Alter ab (Abbildung 1). Dabei weisen in allen Altersgruppen die Männer eine höhere Mobilität als Frauen auf. Mit Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ändert sich das Mobilitätsverhalten grundlegend. Die Menge der Kommunikations- und Mobilitätsanlässe wird mit dem Altersfortschritt rückläufig und vermehrt ortsgebunden. Neben Wegen zur Versorgung möglichst im fußläufigen Einzugsbereich der Wohnung gewinnen im Alter auch Wege als Freizeitverkehr mit hohem Fußweganteil Bedeutung. Gerade dies hat für den Personenkreis gesundheits- und lebenserhaltende Funktion. Abbildung 2 zeigt einen auffällig hohen Fußweganteil bei den Senioren. Auch der Anteil der MIV-Nutzung ist relativ hoch; er wird weiter 135

136 Abb. 1: Spezifisches Verkehrsaufkommen der Senioren (SrV-Städtepegel steigen und ist bisher vor allem durch Männer bestimmt. Der ÖPNV weist dagegen einen höheren Anteil von Frauen als Nutzer auf. Ortsveränderungen mit dem Fahrrad erfreuen sich bei Senioren zunehmender Beliebtheit. Das ist vor allem auf ein besseres Angebot an Radverkehrsanlagen und auf die zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Straßennebennetz weitgehend durchgesetzte Tempo 30-Regelung zurückzuführen. Da der Anteil älterer Verkehrsteilnehmer infolge der zu erwartenden demografischen Entwicklung wächst, besteht Bedarf, die Ansprüche dieser Bevölkerungsgruppe stärker bei der Planung und Gestaltung von Verkehrsanlagen zu beachten. Wesentliche Ursache von Verkehrsunfällen mit Beteiligung älterer Menschen ist, dass die Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit älterer Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger eingeschränkt ist komplexe 136

137 Abb. 2: Verkehrsmittelwahl nach Altersgruppen (SrV-Städtepegel 2003) Aufgaben können infolge des Nachlassens der Muskelkraft, der schnelleren Erschöpfung, der langsameren Orientierungsfähigkeit und vor allem der verminderten Mehrfach-Reaktionsleistungen nicht mehr richtig aufgeteilt werden. Kompensiert werden die Einschränkungen weitgehend über eine große Fahrpraxis und ein hohes Sicherheitsbewusstsein, verbunden mit einer vorsichtigen Fahr- und Bewegungsweise. Eine erhöhte Unfallgefahr geht somit weniger von der Missachtung der Verkehrsregeln aus, sondern besteht dennoch oftmals aufgrund der eigenen Überschätzung, Fehldeutung, mangelnden Wahrnehmung oder zusammengefasst aufgrund von Überforderungen. An dieser Stelle setzt eine wichtige Erkenntnis an wenn Überforderungen ein gravierendes Unfallrisiko darstellen, gilt es, die Anforderungen, die komplexe Verkehrssituationen an Verkehrsteilnehmer stellen, zu reduzieren. Entzerrungs- und Entflechtungsmaßnahmen können 137

138 maßgebend zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und damit zur Mobilitätssicherung bis ins hohe Alter beitragen. Derartige komplexe Situationen, bei denen ältere Verkehrsteilnehmer Verhaltensprobleme aufweisen, sind beispielsweise das Einordnen bei Spurwechseln und in Kreuzungssituationen Wende- und Abbiegemanöver die Bewältigung von Verkehrskonfliktsituationen die Bewältigung von Situationen, die eine Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern notwendig machen, und das Auffinden, Verstehen und Verarbeiten von Informationen (vgl. Ackermann et al., 1997). Unfallrisiken für ältere Verkehrsteilnehmer treten vor allem an Knotenpunkten (Vorfahrt, Abbiegen, Erkennen der Signalregelung) und bei Querungen der Fahrbahnen als Radfahrer oder Fußgänger sowie beim Wenden und Rückwärtsfahren auf. Probleme ergeben sich zudem bei Überhol- und Spurwechselvorgängen sowie beim Lesen der Beschilderung als Zusatzaufgabe zur Bewältigung der jeweiligen Fahrmanöver. Die Notwendigkeit zur Anpassung der Verkehrsinfrastruktur ergibt sich u.a. aus dem Sachverhalt, dass die weit überwiegende Mehrheit der Generation 65+ weder pflege- noch hilfsbedürftig ist und nicht unterhalten und betreut werden, sondern sozial aktiv das Leben gestalten und damit auch weiterhin mobil sein will (vgl. Ministerium für Gesundheit, Soziales und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen, 2003). Die Sicherung der Mobilität dieser Personengruppe besitzt damit neben der individuellen auch eine gesellschaftliche und ökonomische Dimension. Eine elementare Voraussetzung für die uneingeschränkte Teilnahme aller Menschen am gesellschaftlichen Leben ist die barrierefreie Planung und Gestaltung des öffentlichen Verkehrsraums sowie die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit aller öffentlichen Einrichtungen. Das ist nur dann möglich, wenn die aus gesundheitlichen oder altersbedingten Einflüssen resultierenden Einschränkungen bei der Gestaltung der Umwelt umfassend berücksichtigt und mobilitätsbehindernde Barrieren vermieden bzw. beseitigt werden. Der Anteil der Personen mit Mobilitätseinschränkungen beträgt derzeit etwa 1/3 der Gesamtbevölkerung mit zunehmender Tendenz. Mögliche Funktionseinschränkungen betreffen die Beweglichkeit, das Sehvermögen, das Gehör, die Reaktionszeit sowie die Fähigkeit, mehrere gleichzeitig stattfindende Ereignisse zu koordinieren. Mitunter können 138

139 das Ignorieren derartiger Einschränkungen und eine gewisse Selbstüberschätzung Älterer deren Sicherheitsrisiko im Verkehr erhöhen. Neben der erforderlichen Berücksichtigung der Belange mobilitätseingeschränkter Personen ist die Befriedigung der Bedürfnisse der mobilen Alten ein wesentliches Ziel. Die bauliche und soziale Umwelt ist auf diese Anforderungen längst nicht ausreichend eingestellt (vgl. Oberste Baubehörde im Bayerischeb Staatsministerium, des Innern, 2003) die Veränderung der vielmehr auf Leistungsfähigkeit und Schnelligkeit ausgelegten Verkehrslandschaft tut dringend Not und steckt derzeit eher noch in den Kinderschuhen. Für eine systematische Anpassung des Verkehrsraums an ältere Verkehrsteilnehmer fehlt in vielen Fällen noch konkretes Wissen darüber, wie Straßenbau und -betrieb den Bedürfnissen von älteren Verkehrsteilnehmern entsprechend durchgeführt werden können. Die im Folgenden beispielhaft aufgeführten Maßnahmen sind aus konkreten Unfallsituationen vorwiegend innerorts abgeleitet und mögen einen groben Überblick zur zukünftigen Auseinandersetzung mit der anstehenden Thematik bieten. Notwendige Anpassungen der straßenbezogenen Infrastruktur Knotenpunktsgestaltung und Lichtsignalsteuerung Unfallanalysen lassen generell den Schluss zu, dass ältere Verkehrsteilnehmer insbesondere Probleme beim Abbiegen von Haupt- in Nebenstraßen oder beim Einbiegen von Neben- in Hauptstraßen haben, wenn dabei Vorfahrtsströme zu berücksichtigen sind. Überforderungen treten aufgrund der komplexen Verkehrssituationen vor allem in Knotenpunkten auf, so dass die Knotenpunktsgestaltung und -regelung besondere Beachtung verdient. Entscheidend kann bereits die richtige Wahl des Knotenpunkttyps bzw. der Knotenpunktform sein. Es gilt der Grundsatz der übersichtlichen Gestaltung zur Vereinfachung der Situation im Zweifelsfall ist eine Signalisierung einem nicht lichtsignalgeregelten Knotenpunkt vorzuziehen. Lassen die Verkehrsstärken und Platzverhältnisse die Anlage eines Kreisverkehres zu, so hat sich dieser mit einstreifiger Kreisfahrbahn und einstreifigen Zufahrten durchaus auch bei älteren Verkehrsteilnehmern als sicher bewährt. Problematisch dagegen ist ein unsignalisierter Kreisverkehr mit zweistreifiger Kreisfahrbahn oder zweistreifigen Zufahrten aufgrund der notwendigen Spurwechselvorgänge, 139

140 sodass bei hohen Verkehrsmengen eine Signalregelung die sicherere Lösung darstellt. Unsignalisierte Knotenpunkte sollten überschaubaren und von Weitem erkennbaren Bereichen vorbehalten bleiben und geringe Verkehrsmengen z.b. im Erschließungsstraßensystem aufweisen. Wichtig ist hierbei, dass die Breite und Gestaltung der Zufahrten, die Vorfahrtregelung, Beschilderung, Markierung und Beleuchtung eine Einheit bilden, so dass die Vorfahrtregelung eindeutig erkennbar ist (Abbildung 3). Eine erhöhte Unfallgefahr geht sowohl an unsignalisierten als auch an signalgeregelten Knotenpunkten vom Konflikt zwischen dem rechtsabbiegenden Fahrzeugführer und dem querenden Fußgänger oder Radfahrer aus. Entscheidend ist hier ein frühzeitiger Sichtkontakt zwischen Fußgängern/Radfahrern und Fahrzeugführern, so dass der Bereich zwischen dem Geh-/Radweg und der Fahrbahn in ausreichendem Abstand vor dem Knotenpunkt (mindestens 20 m) von jeglichen Sichtbehinderungen insbesondere von Parkständen, Werbetafeln und dichtem Bewuchs freizuhalten ist. Diese Forderung klingt zwar banal sie ist aber im derzeitigen Bestand leider nicht in den überwiegenden, sondern eher in seltenen Fällen umgesetzt. Zudem ist eine fahrbahnnahe Führung des Radverkehrs und ein ausreichender Vorlauf des querenden nicht motorisierten Verkehrs vor dem rechtsabbiegenden Kfz-Verkehr (min. 2 sec.) sicherzustellen, damit Fußgänger und Radfahrer sich schon auf der Fahrbahn befinden, bevor das Fahrzeug die Konfliktfläche erreicht. Abb. 3: Schlechte Erkennbarkeit der Vorfahrtregelung/Verbesserungsmaßnahme (Quelle: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2000, S.49) 140

141 An signalgeregelten Knotenpunkten sollten grundsätzlich alle Knotenpunktszufahrten und alle Ein- und Ausfahrten über 24 h/tag signalisiert sein. Unfallschwerpunkte sind nicht signalisierte Ein- und Ausfahrten, beispielsweise von Tankstellen oder Handelsbetrieben im unmittelbaren Bereich signalgeregelter Knotenpunkte. Darüber hinaus wird in vielen Kommunen momentan die Nachtabschaltung von Signalanlagen diskutiert, was insbesondere für ältere Verkehrsteilnehmer aufgrund des oftmals eingeschränkten Seh- und Reaktionsvermögens zu folgeschweren Unsicherheiten führt. Paradebeispiel komplexer Verkehrssituationen an signalisierten Knotenpunkten ist der freie Rechtsabbieger, der zur Verringerung von Wartezeiten für den rechtsabbiegenden Verkehr also aus Gründen der Schnelligkeit unsignalisiert an einer Dreiecksinsel vorbeigeführt und von der Signalsteuerung ausgenommen wird. An zahlreichen Stellen dieser Art ereignen sich derart viele Unfälle, dass diese immer noch anzutreffende Auswahl einer Knotenpunktsregelung völlig unverständlich ist. Ein typischer Unfallhergang ist, dass ein vorsichtiger Verkehrsteilnehmer bei der Einfahrt in den Hauptstrom anhält, obwohl gerade kein Fahrzeug im Hauptstrom zu verzeichnen ist. Zur gleichen Zeit biegt ein zweiter Verkehrsteilnehmer rechts ab, sieht die ausreichende Zeitlücke im Hauptstrom, übersieht aber das vor ihm stehende Fahrzeug. Im Jahresverlauf kommt es zu zahlreichen Auffahrunfällen (s. z.b. Abbildung 4), wobei einzelne Konflikte, bei denen das vordere Fahrzeug auf gerade querende Fußgänger oder Radfahrer geschoben wird, mit schweren Unfallfolgen verbunden sind. Insofern sollte ein freier Rechtsabbieger grundsätzlich vermieden und der Bestand dementsprechend umgestaltet werden, zumal der Knotenpunkt auch mit signalisiertem Rechtsabbieger in den meisten Fällen leistungsfähig ist. Schwerwiegende Konflikte ergeben sich zudem bei der gleichzeitigen Freigabe bedingt verträglicher Ströme. Knotenpunkte mit einer Zwei- Phasen-Regelung, bei denen der Linksabbieger mit dem entgegenkommenden Geradeausverkehr gleichzeitig freigegeben ist, weisen ein signifikant höheres Unfallgeschehen auf als Knotenpunkte mit Vier-Phasen-Regelung. Als Argumentation für eine Zwei-Phasen-Regelung wird i.d.r. die Leistungsfähigkeit des Knotens bei hohen Verkehrsmengen angeführt, wobei bei näherer Betrachtung die Linksabbieger nur in den Zwischenzeiten ausreichende Zeitlücken im Hauptstrom vorfinden, so dass eine alternative Vier-Phasen-Regelung keine bis nur geringfügige Leistungseinbußen zur Folge hat. So sind kurze gesicherte Freigabezeiten für Linksabbieger den derzeit noch vorherrschenden Zugabe- bzw. Vorgabezeiten vorzuziehen. 141

142 Abb. 4: Typische Unfallsituation an Knotenpunkten mit freilaufendem Rechtsabbieger An dieser Stelle ist anzumerken, dass die überwiegend auf Leistungsfähigkeit ausgerichtete Signalsteuerung an Knotenpunkten in Zukunft grundsätzlich zu überdenken ist. Die Auslegung auf Spitzen-Viertelstunden-Belastungen führt dazu, dass potenziell unsichere Signalsteuerungen über den ganzen Tag geschaltet werden. Forschungs- und Handlungsbedarf besteht in einer flexibleren Anpassung der Steuerung, bei der zumindest in 23 von 24 Stunden am Tag sichere Schaltzustände beispielsweise unter Vermeidung des erforderlichen Aufenthalts von Fußgängern auf der Mittelinsel beim Queren mehrstreifiger Straßen oder unter Bereitstellung eines Rundum-Grüns für Radfahrer und Fußgänger, die ein diagonales oder auch langsames senkrechtes Queren anbieten ermöglichen. 142

143 Abb. 5: Verwechslungs- und Unfallgefahr bei Signalisierung mit Vollscheibe und Pfeildarstellung an einer Zufahrt Komplementär ist eine eindeutige Erkennbarkeit und Interpretation der Signalgeber zu gewährleisten. Sie sollten aus einer Entfernung von 150 m gut sichtbar und nicht durch Verkehrszeichen, Wegweisung oder Bewuchs verdeckt oder durch Blendung beeinträchtigt sein. Problematisch ist insbesondere die Anwendung der Vollscheibe für einzelne Ströme, die genutzt wird, weil bedingt verträgliche Fußgängerquerungen gleichzeitig freigegeben sind bei Signalisierung eines anderen Stromes in der gleichen Zufahrt mit Pfeildarstellung (Abbildung 5). Dieses führt regelmäßig zu Verwechslungen und Überforderungen, sodass insbesondere in solchen Fällen Phasenabläufe eingerichtet werden sollten, bei denen eine gleichzeitige Freigabe von Konfliktflächen vermieden wird. Zudem sollten Signale für unterschiedliche Fahrstreifen nicht nebeneinander angebracht sein. Der schlaglichtartig aufgeführte Anpassungsbedarf an Knotenpunkten ließe sich weiter ergänzen er zeigt aber bereits, dass manchmal gering- 143

144 fügige Modifizierungen große Wirkung und in diesem Fall maßgebende Erhöhungen der Verkehrssicherheit für ältere Menschen und im übrigen auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer zur Folge haben können. Anlagen und Ausstattungen für den fließenden und ruhenden Verkehr Generell gilt es, die Ablenkungs- und Informationsfülle im Straßenverkehr auf ein Mindestmaß zu reduzieren, um die Aufmerksamkeit älterer Menschen auf die notwendigen Verkehrsaufgaben zu konzentrieren. Die Tendenz zur Übermöblierung der Straßenrandbereiche mit Beschilderungen und Werbeelementen ist zwar vor dem Hintergrund des Regelungs- und Vermarktungsbedarfs verständlich, führt aber zur Überforderung bei komplexen Situationen. Zwingend notwendige Informationen sollten sich klar und deutlich von den übrigen Angeboten abheben störende Elemente im Blickfeld des Verkehrsteilnehmers sollten konsequent entfernt werden. Die Tendenz zu Überforderungen ist auch in Baustellenbereichen ersichtlich. Probleme bereiten u.a. die Differenzierung der gültigen gelben Markierungen von den meist verbleibenden weißen Markierungen, die Informationsfülle durch die Beschilderungen und die Verengung der Fahrstreifenbreiten auf 2 m oder weniger. Die Straßenraumgestaltung muss sich verstärkt auf die Problembereiche der Beeinträchtigung der zentralen Tagessehschärfe und der Dämmerungssehschärfe, der Zunahme der Blendungsempfindlichkeit und Nachtkurzsichtigkeit und des eingeschränkten Gesichtsfeldes einstellen (vgl. Gisa, 2004). Besondere Bedeutung kommen da dem Einsatz stark retro-reflektierender Folien für Verkehrszeichen und regelmäßigen Kontrollen der Erkennbarkeit der Verkehrsregelungen und -zeichen zu. Ebenso sollten an Stellen mit komplexen Verkehrssituationen Fahrbahnmarkierungen mit verbesserter Nacht-/Nässesichtbarkeit verwendet werden. Kontraste in der Straßenraumgestaltung werden bei zunehmenden und sehr unterschiedlichen Sehstörungen an Bedeutung gewinnen und maßgebend für die sichere Bewegung in Anlagen des Straßenverkehrs sein. Hier müssen die funktionellen Belange gegenüber den gestalterischen Argumenten in den Vordergrund gerückt werden oftmals setzen sich derzeit Architekten mit einer einheitlichen und damit einfarbigen (meist grauen) Gestaltung bei Straßen und Plätzen durch und verdrängen damit real zu verzeichnende Sicherheitsprobleme (Abbildung 6). 144

145 Abb. 6: Erhöhtes Gefährdungspotenzial durch einheitliche, kontrastarme Straßenraum- und Platzgestaltung Aufgabe einer zweckmäßigen Beleuchtung ist es, den Verlauf und die Begrenzung der Fahrbahnen und Randbereiche, Wege und Plätze sowie Hindernisse und Gefahrenstellen auch in der Dämmerung und in der Nacht sichtbar zu machen. Rastermaße, die bei der Anlage von Beleuchtungsmasten i.d.r. angewendet werden, führen zu einer gleichmäßigen Beleuchtung, vernachlässigen aber die erforderliche erhöhte Aufmerksamkeit auf besondere Gefahrenstellen. Besonders ausgeleuchtet werden sollten Knotenpunkte, Übergänge zwischen zwei Straßenkategorien, Ortseingangsbereiche, Querungsstellen und Haltepunkte/-stellen des öffentlichen Verkehrs. Hier reicht die Ausleuchtung des Wartehäuschens nicht aus Gefahrenstellen sind insbesondere die Ein- und Ausstiegsbereiche, die meist unzureichend beleuchtet sind. Hinzu kommt hierbei der Aspekt der subjektiven und sozialen Sicherheit, die berechtigte Ansprüche an die durchgängige Vermeidung unbeleuchteter oder wenig beleuchteter Bereiche aufkommen lässt. Zur Mobilitätssicherung gehört es insofern, Einspareffekte für kommunale Haushalte nicht über eine Einschränkung der Beleuchtung von frequentierten Straßenraumsituationen erzielen zu wollen. Die vorgenannten Ausführungen gelten sowohl für Straßenräume als auch für Anlagen des ruhenden Verkehrs. Hier kommt hinzu, dass die derzeit noch vielfach anzutreffende Ausstattung von Parkhäusern und Tiefgaragen mit farblosen bzw. betongrauen Bauteilen, engen Radien, schwacher Beleuchtung und schwer erkennbarer Wegweisung sowie 145

146 durch schwer zugängliche Abfertigungssysteme die Nutzung durch ältere Menschen erschwert, so dass die Zahl der verfügbaren Parkstände sich auf den Straßenraum begrenzt und Parksuchverkehr erzeugt wird. Der ruhende Verkehr im Straßenraum beeinträchtigt wiederum durch fehlende Bordsteinabsenkungen und fehlende Sicherheitsabstände den nicht motorisierten Verkehr und die urbane Nutzung des öffentlichen Raumes. Anlagen des Rad- und Fußverkehrs A und O einer sicherheitsbewussten Straßenraumgestaltung ist die Gewährleistung eines ständigen Sichtkontaktes zwischen Fußgängern, Radfahrern und Fahrzeugführern. Diesem Sachverhalt wurde beispielsweise in der aktuellen RFGÜ (vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2002) Rechnung getragen, die die Anlage von Fußgängerüberwegen ( Zebrastreifen ) nur noch dann empfiehlt, wenn die Querungsanlage aus einer Entfernung von 100 m und die Wartefläche aus einer Entfernung von 50 m gut erkennbar und einsehbar ist. Die Sicherstellung eines uneingeschränkten Sichtkontaktes ist sinngemäß an allen Querungsstellen, Einmündungen, Knotenpunkten Abb. 7: Freizuhaltende Sichtfelder vor Fußgängerüberwegen (Quelle: Richtlinie für die Anlage von Fußgängerüberwegen, 2000, Bild 1a) 146

147 und Grundstückszufahrten zu fordern (Abbildung 7). Im Längsverkehr sind Geh-, Rad- und Fahrwege deutlich voneinander abzugrenzen, wobei insbesondere auf die Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern infolge des unterschiedlichen Geschwindigkeitsund Bewegungsverhaltens hinzuweisen ist. Zwischen Geh- und Fahrwegen sollten Kantensteine mit einer tastbaren Höhe von mindestens 3 cm angelegt werden Beläge niveaugleicher Geh- und Fahrwege müssen sich optisch und taktil voneinander abheben und zusätzlich durch einen mindestens 75 cm breiten Schutzstreifen getrennt werden. Die DIN Barrierefreies Bauen im Außenbereich fordert darüber hinaus bei Rad- und Gehwegen auf gleichem Niveau die Anlage eines mindestens 50 cm breiten Begrenzungsstreifens. Sollten die Platzverhältnisse optisch und baulich keine eindeutige Trennung zwischen Radund Gehweg ermöglichen, so sollte die Führung des Radverkehrs auf Fahrbahnniveau künftig verstärkt bevorzugt werden. Die Auswahl der jeweils geeigneten Radverkehrsanlagen wird aber auch weiterhin ein Abwägungsprozess im Einzelfall bleiben, da das Sicherheitsrisiko von Radverkehrsanlagen auf Gehweg- und Fahrbahnniveau derzeit in etwa gleich einzustufen ist, wobei spezifische Rahmenbedingungen im Einzelfall für die ein oder andere Lösung sprechen. So sollten beispielsweise bei häufigen Einmündungen und Grundstückeinfahrten sowie beengten Platzverhältnissen Radfahrstreifen und bei hohen Verkehrsmengen mit großem Schwerverkehrsanteil Radwege bevorzugt werden. Gehwegbreiten sollten ausreichend bemessen sein, was auch die notwendigen Sicherheitsabstände und Zuschläge zu Einbauten und Hindernissen einschließt. Alle 300 m sollten Ruhezonen und Verweilplätze eingeplant werden. Das maximale Längsgefälle liegt bei 6%, das maximale Quergefälle bei 2,5% Treppen sollten als einzige vertikale Lösung als unzulässig gelten. Sie sind durch Aufzüge oder Rampen zu ergänzen. An jeder Stufe sollte eine optisch kontrastierende Markierung an der Stufenkante mit einem 4 cm breiten Streifen angebracht werden. Beidseitig des Treppenlaufs und an Rampen sind Handläufe mit einem Durchmesser von mm anzuordnen, wobei ab einer Breite von 2,50 m die Montage eines mittig angeordneten Handlaufs zu empfehlen ist (DIN 18024). Bei Fußgängerquerungen kommt der Anlage von Mittelinseln eine besondere Bedeutung zu. Mittelinseln ermöglichen die Konzentration der Aufmerksamkeit auf zunächst nur eine zu querende Fahrtrichtung zudem ist auf der Mittelinsel bei einer ausreichend breiten Gestaltung (mindestens 2,00 m) ein Verweilen möglich. Insofern dienen Mittelinseln signifikant der Entzerrung komplexer Situationen und der Vermeidung 147

148 Abb 8: Unfälle mit Fußgängerbeteiligung im Bereich einer Bushaltestelle (3- Jahreskarte) von Unfällen. Das in Abbildung 8 dargelegte Beispiel einer fehlenden Querungshilfe im Bereich einer Bushaltestelle verdeutlicht bei leider zu verzeichnenden schweren Unfällen mit überwiegender Beteiligung älterer Menschen eindrucksvoll die negativen Auswirkungen des Fehlens einer notwendigen Querungshilfe im Bereich einer Bushaltestelle. An signalgeregelten Querungsstellen ist die verminderte Gehgeschwindigkeit älterer Menschen zu berücksichtigen. Die im Entwurf befindliche DIN fordert den Ansatz einer Querungsgeschwindigkeit von 0,6 m/sec. zur barrierefreien Gestaltung, was in etwa einer Verdopplung der derzeitigen Grün- bzw. Räumzeiten für Fußgängerquerungen entsprechen würde. Um die Akzeptanz und Leistungsfähigkeit von Signalsteuerungen nicht unverhältnismäßig zu beeinträchtigen, werden 148

149 zukünftig verstärkt flexible Lösungen, wie die Anforderung längerer Grünzeiten über einen speziellen Druckknopf, zur Anwendung kommen müssen. Barrierefreie Wegesysteme Eine altengerechte Stadt- und Verkehrsplanung zielt auf eine stadtstrukturell vorteilhafte Zuordnung der städtischen Grundfunktionen, die barrierefrei miteinander verbunden werden. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass es nicht ausreicht, bei Neubauvorhaben barrierefrei zu planen die Schaffung zusammenhängender Wegesysteme bedingt auch die Veränderung des Bestandes. In vielen Kommunen herrscht derzeit Unsicherheit in Bezug auf die Berücksichtigung der Belange mobilitätseingeschränkter Personen bei Straßenplanungen, zumal in den meisten Ländern für die Bereitstellung von Mitteln aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz die Stellungnahme der Behindertenverbände gefordert ist. Je nach Engagement und Einflussnahme ergeben sich so unterschiedliche und individuelle Lösungen bezüglich Wo?, Was? und Wie? von entsprechenden Maßnahmen wie z.b. Leitstreifen, Auffangstreifen, Aufmerksamkeitsfelder, Bordsteinabsenkungen und akustische Zusatzeinrichtungen für Sehbehinderte an lichtsignalgeregelten Querungsstellen. Gefragt ist zukünftig die Einigung auf einheitliche Regelungen, die beispielsweise auf der Basis der Festlegung barrierefrei auszugestaltender Achsen Maßnahmenprogramme zur Bestandsanpassung umfassen. Durch verträgliche Nutzungsmischungen und -verdichtungen sollten erforderliche Wegelängen reduziert werden. Eine wohnungsnahe (fußläufige) Versorgung und eine fußgängerfreundliche Umfeldgestaltung ist nicht zuletzt wegen des häufig eingeschränkten Aktionsradius älterer Menschen Voraussetzung für Alltagsbewältigung und Freizeitgestaltung. Die Aufwertung innerstädtischer Bereiche durch verkehrsberuhigende Maßnahmen und die damit verbundene Rückgewinnung von Flächen für Aufenthaltsfunktionen begünstigt die mobilitätsfördernde Gestaltung derartiger Stadträume; die Einordnung von Grünanlagen unterstützt dieses Anliegen. Zugleich sind damit zusammenhängende und sichere Fuß- und Radwegsysteme möglich. Erfahrungen besagen, dass von vornherein alten- und behindertengerecht geplante oder im Zuge von Sanierungen durchgeführte Maßnahmen kaum mehr Aufwand verursachen entsprechende Nachrüstungen werden jedoch teuer. Nicht zuletzt damit wird die Notwendigkeit der Einordnung barrierefreier Maßnahmen in Dokumente der Stadt- und 149

150 Abb. 9: Barrierefreie Haltestelle (Quelle: Ackermann, Pfeil, 2000, Abb. 4-4) Verkehrsplanung unterstrichen. Für die Planung, Gestaltung und Dimensionierung barrierefreier öffentlicher Räume gibt es auf der Grundlage z.b. der DIN und sowie der im Entwurf befindlichen DIN zahlreiche praxiserprobte und bewährte Entwurfselemente, die hier nicht näher aufgeführt werden sollen. Sie dienen zur Angebotserstellung von Verbindungen ohne bauliche Hindernisse. Diese können ggf. mit Unterstützung durch Leitelemente von älteren und behinderten Menschen selbständig bewältigt werden. Derartige Verbindungen sind in öffentlichen Verkehrsräumen (Seitenräume von Straßen, verkehrsberuhigte Bereiche, Fußgängerbereiche, Passagen usw.) als geschlossene oder partielle Wegesysteme vorzusehen und entsprechend zu gestalten. Schwerpunkte sind dabei Wohngebiete samt Umfeld, zentrale Bereiche sowie Ausflugs- und Erholungsgebiete. Neben den Entwurfsgrund- 150

151 lagen sind Informations- und Orientierungssysteme für barrierefreie Verkehrsräume unverzichtbar. Dazu gehören akustische und optische Informationen ebenso wie taktile Bodenelemente. Zur barrierefreien Gestaltung von Wegeketten zählen selbstverständlich auch Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Verkehrs, die an dieser Stelle nur angerissen werden sollen. Neue Niederflurfahrzeugtechnik im Verbund mit nutzerfreundlicher Haltestellengestaltung sowie die stadtstrukturell günstige Einordnung von Haltestellen und deren Erreichbarkeit für alle Bevölkerungsgruppen machen den ÖPNV als auch künftig tragende Säule des Stadtverkehrs attraktiv. Die Haltestellen des ÖPNV, das unmittelbare Haltestellenumfeld und die Zugänge sind barrierefrei und damit nutzerfreundlich zu gestalten. Dabei ist die Verbesserung der Einstiegsverhältnisse von besonderer Bedeutung. Die Spaltbreite zwischen Bahnsteig- bzw. Warteflächenkante sollte ebenso wie die Reststufe zwischen Bahnsteig- bzw. Warteflächenoberkante und Fahrzeugboden d 5 cm (max. 10 cm) betragen. Ausgewählte Elemente einer barrierefreien Haltestellengrundausstattung und -gestaltung zeigt die Abbildung 9 (vgl. Ackermann & Pfeil, 2000). Verkehrsregelungen Unangepasste und überhöhte Geschwindigkeiten sind die wesentlichen Ursachen aller Unfälle. Durch überhöhte Geschwindigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer und das vereinzelte, aber doch immer wieder auftretende Phänomen von Verkehrsrowdies wird die Teilnahme am Verkehrsgeschehen für ältere Menschen oft zur Qual. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen wird immer wieder gefordert und ist in diesem Zusammenhang sicher zweckmäßig wesentliche Vermeidungspotenziale resultieren aber vielmehr aus einer konsequenten und rigorosen Überwachung und Ahndung von Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Während in vielen anderen Ländern Verkehrsverstöße regelmäßig und in einem dichten Netz überwacht und mit hohen Strafen geahndet werden, gelten sie in Deutschland eher als Kavaliersdelikte, was sich im realen Verkehrsgeschehen durch verkehrsgefährdende Verhaltensweisen widerspiegelt. In diesem Bezug ist eine deutliche Verdichtung stationärer und mobiler Geschwindigkeitsüberwachungen und eine Vervielfachung der Ahndungshöhen angezeigt. Verkehrsregelungen sind grundsätzlich so vorzunehmen, dass sie von der Bevölkerung akzeptiert werden, leicht verständlich und bekannt 151

152 sind. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise die derzeitige Benutzungspflicht für derartig ausgewiesene Radverkehrsanlagen sowie einige Vorfahrtregelungen wie der Vorrang des querenden Fußgängers ausschließlich vor Rechtsabbiegern in Frage zu stellen. Es sei an dieser Stelle auch angemerkt, dass die einmalige Fahrschulung bei Führerscheinerwerb bei sich ständig verändernden allgemeinen wie individuellen Rahmenbedingungen als nicht ausreichend angesehen werden muss. So sollten mindestens bei mehreren Änderungen der Straßenverkehrsordnung aber auch bereits bei geringfügigen Verkehrsauffälligkeiten bzw. -delikten Nachschulungen obligatorisch sein. Ausblick Zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen und damit gleichzeitig der Mobilität aller und insbesondere der schwächeren Verkehrsteilnehmer ist es zwingend erforderlich, sicherheitsrelevante Aspekte der Gestaltung und des Betriebes von Straßenverkehrsanlagen in Abwägung mit allen übrigen Belangen ein höheres Gewicht zu verleihen. Hier ist ein Umdenken gefordert, dass das vorrangige Blickfeld von Entscheidungsträgern und Planern weg von der Ausrichtung der Verkehrsinfrastruktur auf Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit hin zur Verkehrssicherheit mit der Entzerrung komplexer Verkehrssituationen lenkt. Prozesse und Verfahren, die diesen Umdenkungsprozess hinterfüttern können, sind die Einführung des Sicherheitsaudits für Straßenplanungen, bei dem ein unabhängiger Auditor gezielt Sicherheitsdefizite aufzeigt oder die Durchführung von Kontrollen und Verkehrsschauen zur Überprüfung des Bestandes in regelmäßigen Abständen bei Tag und Nacht. Damit allein ist es aber nicht getan die Berücksichtigung der Belange älterer Menschen und Mobilitätseingeschränkter bei Neuplanungen ist auszudehnen auf die Umrüstung des Bestands unter Bereitstellung ausreichender Finanzierungsmittel. Seit Jahren liegt eine Fülle einschlägiger Literatur mit Richtlinien und DIN-Normen zur barrierefreien Planung vor. Dennoch wird auch heute noch gegen elementare Prinzipien alten- und behindertengerechter Planung und Gestaltung des öffentlichen Verkehrsraums verstoßen eine ebenso unverständliche wie bedenkliche Tatsache. Künftige Untersuchungen sollten die Erfordernisse der mobilen und mobilitätseingeschränkten Alten stärker akzentuieren. In Zeiten knapper Kassen gilt es, Prioritäten zu setzen und beispielsweise auf aufwändige Infrastrukturmaßnahmen mit kostenintensiven 152

153 Kunstbauwerken oder auf technisch anspruchsvolle Telematikanwendungen zugunsten einer altengerechten Umgestaltung von Straßenräumen zu verzichten. Angesichts der demografischen Entwicklungen kommen andernfalls Zweifel hinsichtlich der Finanzierbarkeit der Verkehrsinfrastruktur für die zukünftigen Generationen mit einem zu befürchtenden hohen Anteil von Erwerbslosen auf. Zur Mobilitätssicherung gehört auch die Bereitstellung einer künftig noch zu finanzierenden Infrastruktur, die es auch älteren Menschen ermöglicht, die finanziellen Aufwendungen für Ortsveränderungen aufbringen zu können. Nicht allein im Verkehr leben wir über unsere Verhältnisse und lasten beispielsweise durch private Vorfinanzierung den zukünftigen Nutzern der Verkehrsinfrastruktur und damit den zukünftigen Generationen ein ungeheures Maß an Erhaltungsaufwendungen auf. Zum Umdenkungsprozess gehört ebenfalls das kritische Hinterfragen das einem Grundrecht nahekommenden Anspruches des lebenslangen und nahezu restriktionsfreien Führerscheinbesitzes. Regelmäßige Überprüfungen der Führerscheintauglichkeit aller Fahrzeugführer würden dazu beitragen, dass das derzeitige über die gesamte Lebenszeit zu verzeichnende Verletzungsrisiko im Straßenverkehr von rd. 1:2 signifikant zu senken. Betont werden muss, dass viele Instrumente zur alten- und behindertengerechten Planung schon lange entwickelt, dokumentiert und bekannt sind. Es mangelt vielmehr an der Sensibilisierung von Entscheidungsträgern und Planern und der konsequenten Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Literatur Statistisches Bundesamt (2004) Pressemitteilung vom 30. März Ministerium für Gesundheit, Soziales und Familie des Landes Nordrhein- Westfalen (2003) Einkommen und Ausgaben älterer Menschen in Nordrhein-Westfalen.Ergebnisse der Repräsentativumfrage, Düsseldorf. Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern (2003) Die Stadt für alle Barrierefreie Gestaltung in der städtebaulichen Sanierung und Erneuerung, München. Gisa S (2004) Anforderungen an eine seniorengerechte Straßenausstattung. In: Internationales Verkehrswesen, Heft Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2002) Richtlinie für die Anlage von Fußgängerüberwegen (RFGÜ), Köln. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001) Merk- 153

154 blatt für die Auswertung von Straßenverkehrsunfällen, Teil 2: Maßnahmen gegen Unfallhäufungen, Köln. Ackermann K, Bartz, Feller (1997) Behindertengerechte Verkehrsanlagen Werner Verlag. Ackermann K, Pfeil (2000) Bürgerfreundliche und behindertengerechte Gestaltung des Niederflur-ÖPNV in historischen Bereichen.In: Reihe direkt, Heft 55, Hrsg. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh- 154

155 Raum- und Siedlungsplanung unter Berücksichtigung der Mobilität älterer Menschen von Felix Huber und Thomas Baum Raum-, Stadt- und Verkehrsplanung haben die Aufgabe, durch die Gestaltung von Siedlungs-, Bau-, Nutzungs- und Infrastrukturen in einer geordneten städtebaulichen Entwicklung die Erfüllung der Bedürfnisse der Menschen zu unterstützen und in einer menschenwürdigen Umwelt deren Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zu gewährleisten. In einer Gesellschaft, in der sich der Altenquotient 1 stetig erhöht, stellt sich für die Stadt- und Verkehrsplaner die Frage, welche besonderen Spezifika die Bedürfnisse älterer Menschen aufweisen und wie dem in der Planung und dem Bau von Siedlungen und Infrastruktur Rechnung getragen werden kann. Unsere Gesellschaft altert. Im Jahr 2040 werden rund 50% der Bevölkerung über 50 Jahre alt sein. Altern ist der Vorgang von irreversiblen Veränderungen der lebenden Substanz als Funktion der Zeit (PSCHY- REMBEL, 1982, S. 35). Mediziner unterscheiden dabei normales, pathologisches und optimales Altern. Während normales Altern mit einer mittleren Lebensdauer, durchschnittlichen, dem Alter entsprechenden Einbußen und einer durchschnittlichen Lebensqualität verbunden ist, führt das pathologische Altern zu einer Verkürzung der Lebensdauer und vielfältigen krankheitsbedingten Einschränkungen. Im Jahr 2040 werden die Senioren durch deutlich differenzierte Lebenslagen und Lebensstile gekennzeichnet sein. Damit werden sie sich auch in hohem Maß von den heutigen Senioren unterscheiden 2. Aus gesellschaftlicher Sicht ist bedeutend, dass in der Tendenz diejenigen Menschen, die eine bestimmte Altersschwelle überschritten haben, deutlich älter werden als derzeit. 1 Der Altenquotient stellt das zahlenmäßige Verhältnis der älteren Bevölkerung zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter dar. 2 Das Bild der heutigen Siedlungsplaner ist stark vom Verhalten der heutigen Senioren geprägt. Es besteht die Gefahr, dass zukünftige Seniorengenerationen in ihrem Siedlungsverhalten falsch eingeschätzt werden. 155

156 Die Stadt- und Verkehrsplanung kann bezüglich der Entwicklung von Bedürfnissen, von Einstellungen und Verhalten sowie körperlichen und mentalen Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Alterungsprozess des Menschen von der Sozialmedizin, der Sozialpsychologie und der Sozialökologie lernen. Wahl betont die Bedeutung des Raumes für alternde Menschen: Grundlegender Ausgangspunkt einer Sozialökologie des Alter(n)s ist die Überlegung, dass Entwicklungsprozesse in höherem Lebensalter in besonders intensiver und kontingenter Weise von den Ressourcen und Begrenzungen der jeweils gegebenen Umweltbedingungen abhängig sind bzw. von diesen stimuliert und gefördert oder unterdrückt und begrenzt werden können. (...) Die Argumentation in Richtung einer besonderen Bedeutung der Umwelt für ältere Menschen bzw. einer besonderen Sensibilität älterer Menschen für positive wie negative Charakteristika der Umwelt basiert dabei wohl vor allem auf der Annahme eines mit dem Alter verbundenen Rückgangs der Adaptionsfähigkeit bezüglich Umweltan- und -herausforderungen. (Wahl, 2002, S. 50) In der Unterschiedlichkeit der Senioren in Bezug auf ihre Verhaltenskompetenz, ihre Fähigkeit zur Sinnsuche und ihre Vorstellung von Lebensgestaltung bzw. ihre körperlichen und mentalen Fähigkeiten zur Lebensgestaltung liegt die besondere Herausforderung für Planung. Ausserdem können sehr unterschiedliche Phasen der Seniorenzeit ermittelt werden. Für Planer stellt sich vor allem die Frage nach der Gestaltung der Phasenübergänge. Fasst man die Literatur zusammen, so zeichnet sich folgendes Bild ab: Verhaltenskompetenz steht mehr und mehr in Frage, Prävalenz und Inzidenz von chronischen Krankheiten steigt >90 Jahre Junge Alte Mittlere Alte Alte Alte und Hochaltirge Suche nach Umweltsimulation durch anregende Umweltbezüge Stützung durch Umwelt und Suche nach Schutzfunktion von Umwelt Abb. 1: Lebensphasen im Alter 156

157 Generell spricht man von Senioren ab dem 65. Lebensjahr. Durch Regelungen eines frühen Vorruhestandes traten in den letzten Jahren vermehrt Menschen deutlich vor diesem Zeitpunkt in den dritten Lebensabschnitt. Entscheidende Phasen des Lebens wie die Gründung einer Familie, Kindererziehung und das Finden von Erfüllung in einer beruflichen Aufgabe haben diese Menschen bereits hinter sich oder aus verschiedenen Gründen nicht durchlaufen. Viele der rüstigen Frührentner stehen nun in einem Lebensabschnitt von absehbar mindestens 30 Jahren, in dem sie ihr Leben aktiv gestalten wollen. Sie suchen nach Umweltstimulierung durch anregende Umweltbezüge, sofern sie hierzu geistig und finanziell in der Lage sind. Diese Stimulierung kann sowohl eher passiv im Sinne von Konsum, als auch aktiv im Sinne von Engagement erfolgen. In den Möglichkeiten der Umweltstimulierung, in der spezifischen Attraktivität ihrer naturräumlichen oder infrastrukturellen Gegebenheiten, ihrer Strukturen und Angebote für ältere Menschen unterscheiden sich Länder, Orte und Kommunen erheblich. Dies manifestiert sich u.a. im umfassenden Wechsel ihres Wohnstandortes durch die jungen Alten. Diese brechen mit allen bisherigen Bezügen (Nähe zu Kindern, Freunden, Verein usw.). Die neue eigen-bestimmte Aktivität definiert den Standort des künftigen Lebensmittelpunkts: So verwirklichen sich junge Alte der Oberschicht etwa durch den Kauf einer Finca in Spanien zur Kultivierung von Ölbäumen, einer Farm in Namibia zur Rinderzucht und Jagd oder eines Segelschiffs in Alanya 3. Aber auch die Reisetätigkeiten gut situierter älterer Menschen in Form von Bildungs- und Städtereisen oder die organisierten Club- und Einkaufsfahrten der Normalrentner zeigen, dass Orte existieren, die für und in dieser Lebensphase einen Stimulus aufweisen, der anderen Orten fehlt. Diese Attraktivität liegt in klimatischen Vorzügen (mildes, wärmeres Klima, bessere Luft), einem Aktivitätenangebot in Form von unfertigen Projekten mit offensichtlichem Entwicklungs- und Betätigungsbedarf, einer Sport- und Hobbyorientierung, dem Kick fremder Kulturen oder geringer Regelungs-/ bzw. Konventionendichte und den Vorzügen eines landschaftlichen oder dorf-/ städtebaulichen Reizes. Alternativ zu der Selbstverwirklichung durch Konsum oder verpflichtungsfreies Wirtschaften übernehmen aktive Senioren neue Aufgaben in 3 Dieser Personenkreis bricht allerdings beim Übergang in die Hochaltrigkeit mit seiner Lebensphasenlüge, sofern er finanziell dazu in der Lage ist. Er gibt dann seinen Auslandsstandort auf und kehrt zur besseren Versorgung und Pflege in den Schoß der Bundesrepublik zurück. 157

158 ihrer angestammten Umgebung. In der letzten Zeit nimmt das Engagement von Senioren zur Übernahme neuer Pflichten in der Gesellschaft deutlich zu. So sind in vielen Kommunen bereits Seniorennetzwerke entstanden, die von der Hausaufgabenbetreuung bis zum technischen Service bürgerschaftlich engagiert sind 4. In großen Städten bilden sich eigenständige Seniorenvertretungen, die die Belange der alten Menschen in der Politik vertreten. Wissenschaftlich kann dies so konstatiert werden: Die meisten Leute im Ruhestand und Vorruhestand sind nicht ruhig. Was sie zur gesellschaftlichen Wohlstandsproduktion beitragen, ist schwer zu ermessen, aber beträchtlich. Es reicht von Nachbarschaftshilfe mit fließenden Übergängen zur Schwarzarbeit über häusliche Pflegeleistungen und Unterstützung der Pflegenden bis hin zur handwerklichen und gärtnerischen Eigenproduktion. Manchmal zieht es die jungen Alten als Ärzte ohne Grenzen, Ingenieure oder Managementberater bis nach China. Hauptsächlich aber fließen die wohlstandssteigernden Leistungsströme innerhalb derselben Familien von den jungen Alten zu ihren schon erwachsenen Kindern die Großmutter kümmert sich um die Enkelkinder und erleichtert damit der Tochter oder Schwiegertochter die Berufstätigkeit oder in der ganz anderen Richtung, zwischen den jungen Alten und ihren ganz alten Eltern. (Hondrich, 2004, S.7) Hinzu kommt eine Bewusstseins-Orientierung, die in Aktivitäten zur Steigerung oder Erhaltung der körperlichen Fitness mit Bewegungssportarten wie Radfahren, Schwimmen, Wandern oder Skilanglauf, bewusster Ernährung mit Einkauf bei direkt vermarktenden Biolandwirten, auf Biomärkten oder in Reformhäusern oder einer spirituellen Orientierung mit der Betätigung in z.b. kirchlichen Einrichtungen ihren Ausdruck findet. Nach Wahl stellt in diesem dritten Lebensabschnitt das Personen- Umwelt-System solange es sich in einem Gleichgewichtszustand befindet die grundlegende Basis für Entwicklungsprozesse auf anderen Ebenen bereit. Hierzu sind etwa die Aufrechterhaltung von Wohlbefinden und Kompetenz, die Verfolgung von Lebenszielen im Bereich von Interessen und Sozialkontakten und die Nutzung der außerhäuslichen Lebenswelten zu rechnen. 4 Zum Beispiel die Düsseldorfer Netzwerke die eher von den klassischen Trägern der Altenarbeit geformt werden, oder das netzwerk das Beziehungen zwischen Angeboten und Gesuchen von Aktivitäten herstellt. 158

159 Was trägt die Wohnumgebung zum Wohlbefinden älterer Menschen bei? Und was ist das für Senioren Spezifische? Mit hoher Sicherheit kann vermutet werden, dass diese sich in familien-, kinder- und frauengerechten Wohnumgebungen ebenfalls wohl fühlen. Senioren können sich bei entsprechender Mittelausstattung im Rahmen ihres Aktivitätenpotenzials ihre Wünsche nach Waren, Immobilen, Bildungs- und Freizeitangeboten usw. erfüllen. Insofern entsteht hier für die zunehmende Zahl der Alten zunächst keine neue, eigenständige Planungsaufgabe. Man könnte sich jedoch fragen, ob diese Personengruppe nicht auch den Stimulus der sinnstiftenden Betätigung, des Engagements für eine lohnende Sache, den Reiz des Unfertigen? Wir sollten überprüfen, ob nicht in leer fallenden Bebauungsstrukturen und in der sich entwickelnden perforierten Stadt Ansätze zu einer aneignenden, selbst bestimmten, sinnstiftenden Betätigung liegen. Die sich gründenden Seniorennetzwerke können auf der Basis der hohen Kompetenz der zukünftigen Senioren Freiräume in Siedlungen ebenso für ihre Zwecke umfunktionieren wie dies auch andere Gruppen tun. Diese Gruppe wird sich künftig beispielsweise besondere Sport- und Betätigungsmöglichkeiten selbst schaffen. Dieser Prozess könnte zeitgleich mit dem Angebotsabbau von jugendorientierten Einrichtungen wie Kinderspielplätzen, Kindergärten oder Schulen erfolgen. In baulicher Hinsicht geht es um Um- und Neubauaufgaben von Turnhallen, Sportflächen und Spielplätzen zu sportlichen Bewegungsflächen für fitte Senioren. Hallen- und Freibäder sollten als Zukunftsinvestition erhalten werden und benötigen die Ergänzung um Wellness-Bereiche. Die Aufgabe von Kommunen und Sozialpartnern besteht hier weniger im Schaffen neuer Angeboten als vielmehr in der Steuerung der sich entwickelnden Aktivitäten, wobei die soziale Ausgewogenheit im Sinne der Fürsorge weiterhin erhalten bleiben sollte. Kritisch werden Entwicklungen für die älteren Menschen, wenn das Personen-Umwelt-System aus dem Gleichgewicht gerät. Dies führt zu Übergängen in eine andere Lebensphase zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes etwa durch bestimmte Wohnformen oder neue Technologien. Dieses kann auch den Umzug in besondere, für ältere Menschen konzipierte, Einrichtungen zur Folge haben, was einen besonders starken Einschnitt in das Leben darstellt. Die Dimensionen der Gesundheit im Alter stellen sich als altersphysiologische Veränderungen von Funktionen und Prozessen dar, die selbst noch nicht krankheitswertig sein müssen, aber Risikofaktoren bilden. 159

160 Die Veränderungen betreffen die körperliche und die psychische Gesundheit zunächst mit körperlichen Einbußen und später mit Krankheiten. Vor allem chronische und psychische Erkrankungen treten im Alter mit höherer Wahrscheinlichkeit auf. Darüber hinaus spielt die subjektive, also die wahrgenommene, selbst eingeschätzte Gesundheit eine besondere Rolle. Nach Wahl gehört es zu den Grundzügen des Alter(n)s, dass gegebene oder wiederhergestellte Gleichgewichte im Personen-Umwelt-System in der Phase des hohen Alters zunehmend stets durch neuerliche Veränderungen bedroht sind (vgl. Wahl, 2002, S. 51 und 52). Hierbei tritt aufgrund steigender Lebenserwartungen die Sturzprävention und in besonderem Maße die Altersdemenz 5 in das Zentrum der Betrachtung. Abb. 2: Eintrittswahrscheinlichkeit von Demenz und Pflegebedürftigkeit mit fortschreitendem Alter (Eigene Darstellung nach Quelle: de/download/09 Gesundheit+Krankheit.pdf und 3. Altenbericht der Bundesregierung, 2001, S. 67) 5 Demenz ist ein in Stufen fortschreitender Verlust an Gedächtnisleistungen und kognitiven Funktionen, der meist nach mehrjährigem Verlauf in geistigen Verfall mit Verlust der Sprachfähigkeit übergeht und schließlich zu Pflegebedürftigkeit und Tod führt. 160

161 Mit der Betonung der stabilisierenden Bedeutung des Personen-Umwelt-Systems und der Frage nach der Gestaltung der Phasenübergänge definiert Wahl den Anspruch an die Raum-, Stadt- und Verkehrsplanung. Es ergibt sich somit auf der einen Seite die Anforderung der Gestaltung anregender, erlebnisreicher und die Aktivitäten und Kontakte fördernder Siedlungsstrukturen und Mobilitätsangebote für die jungen und mittleren Alten in der dritten Lebensphase. Er fordert andererseits den Aufbau und die Entwicklung von Strukturen, die ggf. unter Technikeinsatz dazu beitragen, dass besonders Hochaltrige mit verschiedenen Arten von Kompetenzeinbußen, körperlichen Einschränkungen oder Behinderungen möglichst lange am allgemeinen Leben teilhaben können. Mit der demografischen Entwicklung kommen mehr Menschen mit Behinderung in das höhere Seniorenalter. Ziel der Forschung im Wohnungsbau sind daher neue Wohnformen zur Verbesserung der Wohn- und Lebensmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und das Zusammenleben von älteren und jüngeren Menschen mit Behinderung. Es geht diesen Projekten um die Vermeidung ausgrenzender Fürsorge und um die einbeziehende Teilhabe, um die Vermeidung abwertenden Mitleids und um respektierende Gleichstellung, um die Vermeidung wohlmeinender Bevormundung und um tatsächliche Selbstbestimmung. Projekte sind beispielsweise: Zukunftsweisende Architektur und Betreuung für Demenzkranke Weiterentwicklung zukunftsorientierter Wohn- und Pflegeangebote für alte Menschen Aufbau vernetzter Versorgungsstrukturen für ältere Menschen; Koordination durch Ärztenetz; Nutzung von Informationstechnologie zur Schaffung eines Virtuellen Altenheims. (Quelle: Planung für ältere Menschen gibt es in Deutschland zumindest seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach Manfred Morgenstern, Staatssekretär im Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport NRW, gilt im Alter mehr denn je: Die Lebensqualität wird entscheidend durch die Qualität der Wohnung und des direkten Wohnumfeldes bestimmt. So hat Nordrhein-Westfalen ein Gütesiegel für Senioren- und Pflegeheime entwickelt, die neben Standortqualität und barrierefreiem Bauen weiteren Anforderungen entsprechen müssen. Sie müssen über bequem erreichbare Grünflächen verfügen, eine gute ÖPNV- Anbindung und wohnungsnahe Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungsangebote aufweisen. Damit erhalten auch Ältere und Behinderte die Chance zur Teilnahme am öffentlichen Leben. Kernelemente des 161

162 barrierefreien Bauens sind unter anderem der stufenlose Zugang von der Straße, Aufzüge, Wohnräume ohne Schwellen und Stufen in der Wohnung und zu Balkon und Terrasse, bodengleiche Duschen, ausreichend breite Türen und angemessene Bewegungsflächen. Mit den Modernisierungs- und Wohnraumförderbestimmungen 2004 hat NRW erweiterte Förderangebote zum Wohnen und zur Pflege im Alter geschaffen: Gruppenwohnungen für bis zu acht ältere, pflegebedürftige- oder behinderte Menschen, die ihre Pflege oder Betreuung individuell mit Hilfe ambulanter Dienste organisieren 6. Wohnungsanlagen mit integrierten Pflegestationen, bei denen die Anzahl der Pflegewohnplätze im Verhältnis zu den Mietwohnungen möglichst nicht mehr als 25% beträgt. Modellmaßnahmen, um bestehende Wohn- und Pflegeheime an die heutigen Wohn- und Nutzungsqualitäten baulich anzupassen. (Quelle: Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB) RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport v IV A /03 geändert durch RdErl. v IV A /03, 3). In diesem Feld sind viele und gute öffentliche, halböffentliche und private Angebote in Form von altengerechten Wohnungen, Seniorenheimen und betreutem Wohnen durch die Kooperation der Akteure der Wohnungswirtschaft, sozialer Träger und der Pflegedienste entstanden. Die Pflegeversicherung leistet in Verbindung mit der privaten ambulanten Versorgung sicher ihren Beitrag dazu, dass heute im Alter Menschen in Würde länger als in der Vergangenheit in ihrer angestammten Umgebung verbleiben können. Auch die Wirtschaft, die Wohnungswirtschaft und der Dienstleistungssektor haben die Alten als wichtige Zielgruppe erkannt. Die Dimension der in der nächsten Zukunft zu schaffenden Neubauten kann in etwa dadurch beschrieben werden, dass seit 1900 so viele Altenwohnplätze gebaut worden sind, wie dies in den nächsten 10 Jahren erforderlich sein wird (Karin Nell, Diakonie Düsseldorf). Heute können sich die finanzkräftigen jungen Alten die Leistungen und Dienstleistungen, die sie zu einem aktiven und attraktiven dritten 6 In einer Berliner Wohnung verbringen sechs Menschen gemeinsam ihren Lebensabend ohne einander zu kennen. Wie 1,5 Millionen andere in Deutschland leiden sie unter Demenz. Die verwirrten Alten in WGs zu betreuen, ist eine Alternative zur gefürchteten Heimabschiebung

163 Lebensabschnitt benötigen, auf dem freien Markt einkaufen (z.b. Leben mit Pferden, der biodynamische Bauernhof, künstlerische Betätigung, Seniorenstudium). Dieser Gruppe kam in der Vergangenheit zugute, dass sie auf Grund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung mit einer guten Verzinsung von Vermögen und einer überdurchschnittlichen Wertsteigerung von Immobilienbesitz rechnen konnte. Hiermit konnte sich diese Gruppe in den letzten Jahren Lebensträume verwirklichen. Für die vorausschauende räumliche Planung stellt sich die Frage, welche Aufgaben für Sie aus der demografischen Entwicklung einer alternden Gesellschaft und den sich abzeichnenden Anforderungen einer alten Gesellschaft erwachsen. Im Vergleich zur Vergangenheit verfügen Kommunen nur noch über minimale Mittel für Gestaltungsaufgaben. Sie sind dauerhaft auf privates Engagement, etwa auch in Form von Seniorenaktivitäten, angewiesen. Die Entwicklung nach 2020 wird vermutlich deutlich anders verlaufen als die Entwicklung der vergangenen Jahre. Die Effekte der andauernden wirtschaftlichen Depression in Verbindung mit den Wirkungen der demografischen Entwicklung für die Gestaltung etwa künftiger Renten und Pensionen sind noch weitgehend unklar. Zur Ergänzung der Renten müssen in Zukunft vermehrt Vermögenswerte veräußert werden. Es kann daneben erwartet werden, dass zunehmend auch im Alter durch Arbeit zur wirtschaftlichen Sicherung beigetragen werden muss. Langfristigen Anlagen (Immobilien) drohen Kursverluste mit Vernichtung von Vermögenswerten. Es kann sich ergeben, dass ab etwa dem Jahr 2020 die Mittel, die im zweiten Lebensabschnitt akkumuliert wurden, im dritten und vierten Lebensabschnitt wieder eingesetzt und aufgezehrt werden müssen, um den Lebensunterhalt und die Gesundheits-, Sozial und Pflegedienste zu finanzieren. Hinzu kommt, dass sich Vermögen kaum mehr verzinsen und Immobilien in der Wertentwicklung stagnieren oder deutliche Wertberichtigungen verzeichnen müssen. Gerade Single-Haushalte und kinderlose Ehepaare werden sich Ansprache und Pflege einkaufen müssen. Entsteht für Senioren in Zukunft ein besonderer Planungsbedarf, der über das hinausgeht, was Planung heute bereits im Rahmen ihrer Pflichtaufgaben erfüllt? Alte Menschen entwickeln sich dann zu einer besonderen Planungsaufgabe, wenn sie in einem Siedlungskontext eine zahlenmäßig überwiegende Gruppe bilden. Bis zu diesem Moment ist das altengerechte Planen zu allererst eine Aufgabe der Hochbauarchitektur, die sich mit alten- und behindertengerechtem Wohnen auseinandersetzt. In vielen Kommunen wird das Erfordernis, für die Belange der Alten besondere Planungen zu ergreifen, bisher noch un- 163

164 terschätzt, da sich ältere Menschen möglicherweise nur in Teilräumen in einer größeren Menge aufhalten. Auch artikulieren diese (noch) ihre Interessen weniger. Kleinräumig bedeutende Bevölkerungsanteile von Senioren entwickeln sich durch: Migration: Aktives Wandern an Wunschorte mit Kumulation von Senioren Segregation: Junge ziehen weg und Alte bleiben zurück Alterung der Menschen mit einem homogen bezogenen Wohngebiet. Das Ergebnis von Migration, Alterung und Segregation sind räumlich kumulierte Wohnstandorte älterer Menschen. Gesonderte Planungserfordernisse sind dann nicht gegeben, wenn die allgemeine Versorgungslage durch die Zuordnung des Gebietes im Siedlungskontext als gut zu bezeichnen ist. Das ist in der Regel bei größeren Städten in Nähe von Versorgungseinrichtungen und öffentlichen Verkehrseinrichtungen der Fall. sich Strukturen auf die Präsenz älterer Menschen eingestellt haben und entsprechende Angebote vorhalten. Dies kann bei Migrationszielen älterer Menschen vermutet werden. Die Migration ist insofern von besonderem planerischen Interesse, als die Zielorte aktiven Zuspruch finden; man verlegt seinen Lebensmittelpunkt bewusst etwa nach Mallorca ( Sun-Belt-Mover ), Bayern, Bad Sassendorf oder Schwelm, um dort einen besseren Lebensabend zu genießen. Diese Orte haben eine Grunddisposition für Altengerechtheit oder sie haben in der Vergangenheit bereits planerisch sehr viel hierfür getan. Analysiert man ihre Vorzüge, so ergeben sich klimatische und naturräumliche Vorzüge. Hinzu kommen zumeist ein positives Ortsbild (schöne Fußgängerzone und Parks) mit einer weit gehenden Verkehrsberuhigung. Bäder (Kuranlagen), Wellness- und gesundheitsbezogene Einrichtungen, eine gute Ärzteversorgung, aber auch Spezialkliniken werden durch Freizeiteinrichtungen (Golfplatz,) und altengerechte Bildungs-(Lesungen, Ausstellungen) und Freizeitangebote (Konzerte, Theater) ergänzt. Diese Orte sind planerisch problemlos, sie stellen vielmehr das probate Studienobjekt für die Planer des Rests der Welt dar, wenn sie etwas für die Altengerechtheit in ihrer Stadt unternehmen wollen. Problematisch stellen sich dagegen die Orte mit Wanderungsverlusten an jungen und leistungsfähigen Menschen dar, in denen bei allgemeinem Bevölkerungsrückgang die Zurückbleibenden altern und sich damit die älteren Menschen zur dominanten Gruppe entwickeln. Diese 164

165 Abb. 3: Karte von Orten mit hohem Altenanteil. (Quelle: de/index.html?/raumordnung/bevoelkerung/bevoelkerung.htm) Segregationsmuster können sich für ganze Orte, für einzelne Stadtquartiere und für einzelne Bereiche (Gründerzeitquartiere, Mietwohnungen an verkehrsreichen Straßen usw.) ergeben. Hier kumulieren vor allem benachteiligte Senioren mit Renten auf Sozialhilfeniveau. Aus Sicht der Siedlungsplanung ist dabei zu berücksichtigen, dass jede größere Siedlungseinheit, die in einem kurzen zeitlichen Kontext entwickelt worden ist, in ihrer Entwicklung eine kritische Phase durchläuft. Für die Siedlungen, insbesondere für Neubausiedlungen, wird der übliche Entwicklungsprozess der Bevölkerung immer wichtiger, da insbesondere die massenhaften Entwicklungen der letzten Jahrzehnte mehr oder weniger gleichzeitig mit den Bewohnern altern. Die Siedlungsbewohner der ersten Generation werden durch junge Familien 165

166 ersetzt werden. Hierbei stellt sich nun die Frage, zu welchem Zeitpunkt in diesem Prozess der schrittweisen Entwicklung der Siedlungen mit ihrer alternden Wohnbevölkerung dem Angebot keine adäquate Nachfrage mehr gegenübersteht. Zunächst werden sicher die Immobilienpreise sinken und eine qualitative und quantitative Ausweitung der Nachfrage nach billiger werdendem Wohnraum gegenüber stehen. Es findet eine Extensivierung statt. Dann könnte es sich jedoch ergeben, dass bestimmte Räume, Lagen, Standort- und Immobilienformen nicht mehr nachgefragt werden. Es entwickeln sich Immobilien, die nicht mehr vermittelt werden können, und Leerstände. Es entstehen perforierte Siedlungen, Stadtquartiere und Städte. Es ist davon auszugehen, dass minderwertige Adressen und umweltbeeinträchtigte Lagen etwa an hochbelasteten Bundesstraßen die Verlierer in diesem Spiel sein werden. Die verdichteten Wohnformen des Geschosswohnungsbaus werden die Verlierer vor den niedriggeschossigen extensiven Wohnformen sein. Aber werden die peripheren Teile des suburbanen Raumes sich zu Verlierern gegenüber den kernstadtnahen Flächen entwickeln? Welche Wohnformen werden die dann jungen Alten entwickeln? Welche Bedeutung bekommt die Reurbanisierung? (Huber & Beckmann, 2004, S. 14 f.). In Folge ist damit zu rechnen, dass Fehlauslastungen insbesondere Unterauslastungen in Entleerungsräumen wie peripheren strukturschwachen Regionen, Großwohnsiedlungen oder qualitativ minderwertigen Altstadtquartieren der Kernstädte von Verkehrsinfrastrukturen und Verkehrsangeboten zum Teil die Funktionsfähigkeit, zum Teil die Wirtschaftlichkeit und Effizienz und damit auch eine angemessene Erhaltung dieser Infrastrukturen beeinträchtigen werden. Besonders betroffen sind: die peripheren und strukturschwachen ländlichen Räume, überwiegend in Ostdeutschland die strukturschwachen, altindustrialisierten Räume in Ost- und Westdeutschland, die den Strukturwandel noch nicht bewältigt haben, die Kernstädte sowohl in strukturschwachen als auch in prosperierenden Regionen die Großwohnsiedlungen der 70er und 80er Jahre sowie Quartiere mit Geschosswohnungsbau der Gründerzeit, der 20er und 30er Jahre, der 50er und 60er Jahre, die noch keine umfassende Sanierung erhalten haben. In solchen Siedlungen leben nach 40 Jahren vor allem alte Menschen, 166

167 deren Kinder zur Ausbildung, Studium und Partnerwahl die Siedlung verlassen haben. Einrichtungen der sozialen Infrastruktur wie Kindergarten oder Grundschulen und Spielplätze sind geschlossen oder reduziert worden. Verfügten diese Siedlungen lange Zeit über einen oder mehrere Läden der Nahversorgung, mussten diese in den letzten Jahren auf Grund des Wirtschaftsdruckes aufgeben werden, wenn nicht bereits die Kommune mit Sicherungsmaßnahmen eingeschritten ist. Diese Siedlungen bergen für ihre Bewohner Versorgungs- und Unterhaltungsprobleme. Während es im gärtnerischen Bereich und der Instandsetzung genügend Service-Angebote gibt, ist der Bereich des Lieferservices von Waren noch unterentwickelt. Aufwertungen der Siedlungen können durch architektonische Konzepte für eine andere Bewohnerstruktur erreicht werden. Da zum Beispiel die Grundstücksgrößen heute oft nicht mehr den Vorstellungen entsprechen, können Konzepte zur Nachverdichtung in die Jahre gekommene Einfamilienhausgebiete für junge Familien attraktiv machen und mit Neubauten Initialeffekte auslösen. Gebäude können so umgebaut werden, dass etwa die Eigentümerfamilie (Senioren) in das Obergeschoss zieht und das Erdgeschoss als Eigentumswohnung einer jungen Familie veräußert, die dann auch die Gartenpflege übernimmt. Die grundrisstechnischen Umbaumaßnahmen, die in diesem Zusammenhang notwendig werden, können zur energietechnischen Aufwertung (Heizung, Fenster, Wärmedämmung, alternative Energien) und zur Verbesserung der Haustechnik (Bäder) genutzt werden. Siedlungshäuser stellen nicht unbedingt den Wunschtraum junger Familien dar, finden aber bei entsprechenden Preisnachlässen ihren Neubesitzer. Insofern stellen diese Siedlungen kein unmittelbares Problem dar, wenn dies rechtzeitig planerisch festgestellt und der Kurswechsel im Dialog zwischen Planern und Eigentümern möglich wird. Hier entsteht ein großer Markt für Betreuung und Beratung durch Architekten, die Wohnungswirtschaft und Servicedienstleister. Eine weitere Notwendigkeit für Planung ergibt sich aus dem Versorgungsgedanken. Hier setzen insbesondere das Raumordnungsgesetz (ROG) und die ausfüllenden Ländergesetze die Maßstäbe. Danach muss implizit über das System der zentralen Orte ein Versorgungs- Mindeststandard sichergestellt werden. Die Siedlungsstruktur entwickelt sich in verschiedenen Regionen deutlich unterschiedlich. Die Regionalplanung hat zur Beschreibung verschiedene Raumkategorien entwickelt. Versorgungsrisiken bestehen in den einzelnen Raumkategorien in unterschiedlicher Weise. Sie ergeben sich aus der Kombination von Siedlungsstruktur (etwa 167

168 Gemeindegröße) und Raumkategorie, die auch eine Aussage über die Versorgung mit Mobilitätsgelegenheiten, wie etwa dem öffentlichen Personenverkehr, ermöglicht. Risiken werden vor allem in kleinen Siedlungseinheiten gesehen, die unterhalb der Bevölkerungsgröße liegen, die von privaten Akteuren als attraktiv für Einzelhandel eingestuft werden. Deshalb kann tendenziell davon ausgegangen werden, dass in Gemeinden von Agglomerationsräumen eine Ansiedlung etwa von Lebensmitteleinzelhandel auch an dezentralen Standorten möglich ist, da regionale Einzugsbereiche ausreichend profit-versprechend sind. Ausgehend von der Einstufung in siedlungsstrukturelle Gemeindetypen der Bundesanstalt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) kann das Risiko einer Unterversorgung kleinerer Siedlungseinheiten formuliert werden. Ein hohes Risiko besteht grundsätzlich in kleinen Gemeinden ländlicher Kreise. Dabei sind die Gemeinden in Agglomerationsräumen und verstädterten Räumen nur bei sehr geringer Dichte, in ländlichen Räumen auch bei höherer Dichte gefährdet. Ein mittleres Risiko kann bei Ober- und Mittelzentren ländlicher Kreise geringerer Dichte, bei unbedeutenden Gemeinden verdichteter Kreise von Agglomerationsräumen und verstädterten Räumen gesehen werden. Die Siedlungsplanung hat bezüglich der Versorgung älterer Menschen vornehmlich zwei Ziele: Erhöhung, bzw. Erhaltung der Mobilität zur Erreichung von Versorgungs- und anderen Einrichtungen Entwicklung dezentraler Versorgungskonzepte. Unter dem Versorgungsaspekt können verschiedene Versorgungsformen verstanden werden. Bedeutung hat die Versorgung mit Wohnungen, Waren und Dienstleistungen, wie etwa Ärzteversorgung. Nach aktuellem Kenntnisstand ist die mengenmäßige Versorgung älterer Menschen mit Wohnraum unproblematisch. Dagegen leben 10-20% der älteren Menschen in qualitativ nicht adäquaten Wohnungen. Marktmechanismen wirken hier nur bedingt korrigierend. So leben einerseits viele Menschen in zu großen und nur mit hohem Aufwand zu erhaltenden Wohnungen. Dieser so genannte Remanenzeffekt ist derzeit insbesondere im ländlichen Raum und in Siedlungen der 50er und 60er Jahre zu beobachten und betrifft vor allem Einfamilienhausgebiete. Auf der anderen Seite fehlen trotz der geschilderten Entwicklung vor allem preiswerte altengerechte Wohnungen. Es ist absehbar, dass bezahlbare Kleinwohnungen nicht in ausreichender Zahl an den angestammten Standorten, insbesondere in Ballungsräumen, zur Verfügung stehen werden. Das Segment des Wohnungsmarkts, das diese Woh- 168

169 nungen bisher gesichert hatte, der soziale Wohnungsbau, ist derzeit nicht ausreichend finanziell abgesichert. Innovative Konzepte, wie Seniorenwohngemeinschaften, stellen gute Lösungsansätze dar. Parallel dazu müssen als öffentliche Infrastruktur in stärkerem Maße Sicherungssysteme konzipiert werden, die ältere allein stehende Menschen ( Alterssingles ) auch in der Wohnung begleiten. Hier werden auch ungewöhnliche Wege zu beschreiten sein. In Japan etwa wird bereits mit Robotern experimentiert, die von der Medikamenteneinnahme bis zur Lebensmittelversorgung die Menschen begleiten und auch im Notfall Meldung an die Sozialbehörde absetzen. Die Entscheidung über Alterswohnsitze erfolgt in der Regel in einem emotionalen Prozess, der auf Grund in der Regel fehlender Informationen oder mangelnder Entscheidungskompetenz zu einer ungünstigen Standortwahl führen kann. Eine Wohnstandortberatung, wie sie in vielen Gemeinden bereits eingeführt ist, kann in Zukunft dazu führen, dass schwierige Versorgungslagen vermieden werden können. Allerdings ist nur dort mit Erfolg zu rechnen, wo ein neuer Wohnstandortwechsel wirtschaftlich überhaupt in Frage kommt. Auf die Schwierigkeit, etwa im ländlichen Raum in Zukunft Wohneigentum zu veräußern, sei hier hingewiesen. Mit dem Grundsatz des Raumordnungsgesetzes wäre es nicht vereinbar, wenn alte Menschen sich eine (motorisierte) Mobilität nur deshalb aufrecht erhalten, weil ohne sie ihre Versorgung nicht mehr sicher gestellt wäre. Diese Versorgungsform würde diejenigen ausschließen, die nicht mehr zu einer Eigenmobilität in der Lage sind (siehe Diagramm zur Demenz und Pflegebedürftigkeit). Die dezentrale Grundversorgung bleibt vor allem wegen der Gleichbehandlung der Menschen und der Menschenrechte eine hohe öffentliche Aufgabe. In der jüngeren Vergangenheit konnte diese mehr oder weniger privaten Akteuren überlassen werden. Vor allem die höheren Personalkosten haben in Verbindung mit der Entwicklung der Großdiscounter zu einer unausgewogenen Versorgungslage in der Fläche geführt. Mit Zunahme der Menschen, die weniger motorisiert mobil sind, wird das Thema der Altenversorgung wichtiger. Klassisches Instrumentarium einer flächendeckenden Versorgung mit Waren und Dienstleistungen ist der Quartiersladen ( Tante- Emma -Laden). Dessen weitgehendes Verschwinden wird neben der Veränderung der generellen Rahmenbedingungen teilweise dem gut funktionierenden Zentrale-Orte-System zugeschrieben. Durch den raumplanerisch gewollten Ausbau der Versorgungsfunktion der Zentralen Orte seien die in der Regel kleinteiligen und damit sehr labilen 169

170 Nahversorgungsstrukturen nicht zentraler Orte im ländlichen Raum weitgehend zerstört worden. (Acocella, 2004, S. 3) Auch wenn die These nicht abschließend belegt werden kann, arbeitet die Regionalplanung an entsprechenden Gegenstrategien. In Brandenburg werden in den neuen Regionalplänen z.b. Ländliche Versorgungsorte als unterzentralörtliche Stufe ausgewiesen. 7. Damit werden die Verantwortung des Staates für die dezentrale Versorgung anerkannt und Maßnahmen aus Infrastrukturmitteln angesprochen. Das Land Schleswig-Holstein hat mit der Initiative Ländliche Dienstleistungszentren MarktTreffs begonnen, die Versorgung des ländlichen Raumes zu verbessern. Jeder MarktTreff bietet unter einem Dach: Lebensmittel-Einzelhandel, Gastronomie bis zu regionalen Direktvermarktern, Dienstleistungen wie Lotto/Toto, Reinigungs-Annahmestelle, Servicepunkte von Post, Sparkassen und Gemeindeverwaltung. Häufig ist auch ein günstiger Internetzugang für Kundinnen und Kunden vorhanden. Der Ort ist natürlich auch ein Treffpunkt zum Gespräch, für gemeinsame Aktivitäten oder neues Lernen. Die dörfliche Gemeinschaft macht die MarktTreffs zu lebendigen erfolgreichen Zentren. Hierdurch wird der soziale Kontakt gefördert, der bislang durch die lokalen Händler oder etwa die Kirche sichergestellt wurde. Das Konzept ist auf ländliche Orte zwischen 700 und Einwohnern ausgerichtet. Die Versorgungsangebote werden von der Landesregierung und durch EU-Mittel gefördert ( Die österreichische Supermarktkette Adeg hat ein Konzept für spezielle altengerechte Geschäfte entwickelt. Der Pilotmarkt scheint sehr erfolgreich zu sein (Quelle: Nach wie vor stellt das Liefern von Waren die beste Alternative für die altengerechte Versorgung dar. Der Aspekt körperlichen Alterns bezieht sich ja nicht nur auf die Bewegungsfähigkeit, sondern auch auf die persönliche Transportfähigkeit. Die Lieferung von Waren ist für Senioren und für Familien mit kleinen Kindern sehr bequem. Innovative Siedlungskonzepte bieten heute bereits einen Lieferservice des lokalen Lebensmittelmarkts. Ein Beispiel hierfür ist die Belieferung im Gebiet Vauban der Stadt Freiburg. Mit der Lieferung von Waren ist die Frage der Warenbestellung verbunden. Neben der üblichen Art und Weise des Einkaufens kommen immer 7 Regionalplan, Zentralörtliche Gliederung der Nahbereichsstufe, Selbstversorgerorte, Ländliche Versorgungsorte, Satzung, Regionale Planungsstelle, Beeskow,

171 Abb. 4: Vauban (Quelle: Forum Vauban e.v.: CD-ROM zum Stadtteil, Freiburg, 2003) mehr digitale Bestellmöglichkeiten zur Anwendung. Bei einer Umfrage der Stadt Bonn über die Einkaufsgewohnheiten von Frauen wurde festgestellt, dass jüngere Frauen bereits zu ca. 8% auch Lebensmittel im Internet bestellen und geliefert bekommen. Hier sei auf entsprechende Pilotprojekte der großen Kataloghändler oder etwa auf den Bestellund Lieferdienst des Hauses Manufaktum speziell für Lebensmittel hingewiesen. Spätestens für die übernächste Generation von Senioren wird diese Möglichkeit in stärkerem Maße in Betracht kommen. Aufgabe der Siedlungsplanung sollte es in Zukunft in höherem Maße sein, neben einer wohnungsnahen Geschäftsversorgung stärker auf eine wohnungsnahe Warenbelieferung Bezug zu nehmen. Die zusätzlichen Kosten einer solchen Infrastruktur im Vergleich zum eigenen Einkauf können zu einem Teil durch Einspareffekte beim Einkaufstransport in Verbindung mit höheren Preisen und zum anderen Teil sicher auch durch öffentliche Infrastrukturmittel gedeckt werden. Die Mobilität ermöglicht den Senioren, aus eigenem Antrieb in der von ihnen gewünschten Art und Weise am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sie ist somit die Voraussetzung für eine gleichberechtigte 171

172 Teilhabe. Senioren der Zukunft werden in stärkerem Maße mit dem Kraftfahrzeug verbunden sein als derzeit. Die Versorgung mit Pkw wird deshalb in Zukunft auch in hohem Alter gegeben sein. Gegenüber heute werden auch die Frauen in stärkerem Maße Pkw-mobil sein. Parallel dazu haben sich in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Mobilitätsmöglichkeiten entwickelt, zwischen denen ältere Menschen auswählen können. Neben den eigentlichen Verkehrsmitteln stehen inzwischen auch eine Reihe von Instrumenten der organisatorischen Infrastruktur zur Verfügung. Dabei sind grundsätzlich zwei Arbeitsfelder der Verkehrswissenschaft zu unterscheiden. Zum einen der Versuch, in Ballungsgebieten Mobilität durch Kooperation zu sichern, Beispiel sind etwa die Car-Sharing-Organisationen. Zum anderen das Bemühen, im ländlichen Raum zu einer flexiblen, jedoch ausreichenden Mindestbedienung zu gelangen (vgl. Beutler & Brackmann, 1999). Aufbauend auf dem Busprinzip sind hier z.b. Anrufbus und ähnliche Systeme, Rufbus, Anruf-Linienfahrt (ALF), Taxibus und der Bürgerbus zu nennen. Taxiartig arbeiten das Anruf-Sammel-Taxi (AST) und das Velotaxi. Zur besseren Verkehrsorganisation tragen Tarif-, Fahrplanauskunfts- und Buchungssysteme, Fahrgemeinschaften, Organisierte Nachbarschaftsdienste, Car Pool, Mitfahrgemeinschaften, Mitfahrzentralen, Car-Sharing und Mobilitätszentralen bei. Das Verknüpfen unterschiedlicher Verkehrsmittel wird durch Park and Ride oder Fahrradstationen sichergestellt. Neben den gemeinschaftlich ausgerichteten Mobilitätsformen stehen in Zukunft auch vermehrt alternative individuelle Fortbewegungsformen wie etwa Elektroräder und Elektromobile zur Verfügung, die auch älteren Menschen mit Gehbeschwerden zu einer besseren eigenständigen Mobilität als heutzutage verhelfen können. Die Industrie hat die Tendenz erkannt und bedient den wachsenden Markt mit fahrbaren Untersätzen jeder Preisgruppe. Einige Firmen bieten inzwischen auch einen Mietservice und Gebrauchtfahrzeugverkauf an. Ein gebrauchtes Elektromobil ist heute bereits unter EUR zu erhalten. Die Eigenmobilität der Senioren wird sich auch in Zukunft sicherstellen lassen. In den kritischen Teilräumen der Bundesrepublik werden jedoch die Organisationsformen weniger zum Tragen kommen, die auf Kooperation setzen. Eine Bedienungsform, die speziell von alten Menschen im ländlichen Raum genutzt wird, ist der Bürgerbus. Bei diesem Konzept können in einem Kleinbus mit max. 8 Plätzen Mitfahrende von einem Fahrer mit Pkw-Führerschein und ohne weiteren Personenbeförderungsschein befördert werden. Durch den somit möglichen ehrenamtlichen Betrieb kann der Großteil üblicher ÖPNV- Kosten eingespart werden. Der Bus wird in Pilotprojekten in Nordrhein- 172

173 Westfalen derzeit mit ca EUR/a gefördert. Die Bereitstellung von Mobilitätsformen mit höherem Organisationsaufwand wird in Zukunft auch für die Siedlungsplanung an Bedeutung gewinnen. Für Senioren ist neben der materiellen Infrastruktur in Form von Straßen und Wegen und der Bereitstellung von Verkehrsmitteln in Form von Fahrzeugen verschiedener Art die Bereitstellung von Transportleistungen wichtig. Können diese nicht vom Markt zu bezahlbaren Konditionen erbracht werden, ist öffentliche Infrastruktur bereitzustellen. Nachdem sich der klassische ÖPNV in eher ländlich strukturierten Gebieten zunehmend als zu teuer herausstellt, sind informellere Bedienungsformen mit höherer sozialer Komponente, wie etwa der Bürgerbus, weiterführend. Zur Sicherung der Versorgung von Senioren steht im Bereich der persönlichen Mobilität in Zukunft eine vielfältige Palette von motorisierten Verkehrsmitteln zur Verfügung, die zumindest die Nahmobilität sicher stellen können. Die Planungsaufgabe liegt bezüglich der Verkehrsmittel eher im Bereich der Straßenraumausstattung. Ergänzende siedlungsplanerische Anstrengungen müssen hinsichtlich der Bevölkerungsteile unternommen werden, die nicht selbstständig mobil bleiben können. Die lokale Versorgung ist entweder über Einzelhandel auf kleinräumiger Ebene oder über die direkte Warenbelieferung sicher zu stellen. Da diese Versorgungsformen nach derzeitiger Kenntnis nicht in vollem Umfang privatwirtschaftlich zu betreiben sind, müssen Infrastrukturmittel hierfür aufgewandt werden. Praxisbeispiele werden für verschiedene Versorgungsangebote derzeit erprobt. Was bedeutet die Veränderung der Altersstruktur für die Gestaltung der Straßenräume in den deutschen Städten? Bei der gemeindlichen Straßen- und Straßenraumplanung müssen neben der demografischen Entwicklung weitere Aspekte beachtet werden. Die zunehmende kommunalen Konkurrenz führt zum Beispiel zu neuen Ansiedlungsanstrengungen für Wohnen und Gewerbe. Dies bedeutet für die Kernbereiche der Städte und Gemeinden, dass dort die Straßenräume zum einen als verlängerte Ladentheke aufgewertet und gestaltet werden, zum anderen die Bedeutung der Hauptverkehrsstraßen für den fließenden Verkehr gestärkt wird. Die Tendenz ist also, dass die Nutzer der Straßenseiten an städtischen Hauptverkehrsstraßen sich auch in Zukunft dem fließenden motorisierten Verkehr unterordnen müssen. Hier sind Parallelen zu den 60er und 70er Jahren zu sehen. Die Gentrifizierung von Stadtvierteln und ganzen Städten führt zur Veränderung der Straßenraumansprüche. Der Konflikt Barrierefrei- 173

174 heit versus Erlebnisqualität für jüngere Menschen wird zunehmend ausgetragen oder in neue Straßenraumkonzepte überführt werden müssen. Die Automobil-Orientierung wird wohl in Zukunft allein wegen der Anhebung des Durchschnittsalters der Autofahrer zumindest nicht sinken, da das Automobil oder auch andere motorisierte Gefährte ein wichtiger Garant für die empfundene Mobilität bei älteren Menschen sind. Eine Gegenbewegung kann sich hier etablieren, wenn die Versorgung der Menschen wieder mehr quartiersbezogen stattfinden kann. Erste Ansätze, etwa durch die Rückkehr der Lebensmitteldiscounter in allerdings ausgesuchte Ortslagen, sind bereits vorhanden. Eine weitere Entmotorisierung ist möglich, wenn die Belieferung von Haushalten mit Waren zunimmt. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit die ältere Bevölkerung überhaupt noch und in welchem Umfang in Zukunft zum Leben auf der Straße beitragen kann und will. Die Gestaltung der Straßenräume mit Aufenthaltsqualität sowie deren Leistungsfähigkeit werden auch davon abhängen, mit welchen Verkehrsmitteln sich ältere Menschen in Zukunft bewegen. Hier sind ebenfalls verschiedene Entwicklungspfade denkbar: Ältere Menschen werden neben dem ÖPNV und zu Fuß im wesentlichen beim Pkw als Fortbewegungsmittel bleiben. In diesem Szenario werden sich die Straßengrundstrukturen von heute nicht verändern. Die Leistungsfähigkeit der Knotenpunkte könnte, bedingt durch die geringere Reaktionsfähigkeit älterer Menschen, geringfügig abnehmen. Die verkehrstechnischen Parameter von Lichtsignalsteuerungen müssen möglicherweise angepasst werden. Eine Veränderung des üblichen Zeitbedarfswertes für eine Pkw-Vorbeifahrt von derzeit 2 sec auf 2,2 sec, die durch die langsamere Reaktionszeit und eine bedächtigere Fahrweise bedingt sein könnte, würde eine Leistungsreduzierung eines Signals um ca. 10% mit sich bringen. Ein komplexes städtisches Straßensystem könnte dadurch in eben diesem Maße in der Leistungsfähigkeit abnehmen. Ältere Menschen nutzen vermehrt alternative Fortbewegungsmittel wie etwa Elektrofahrzeuge, Elektroräder etc. Ein Großteil der Fahr- 8 Die Industrie nimmt diesen Trend auf. In hochauflagigen Magazinen, wie etwa der Zeitungsbeilage Prisma, wird verstärkt für diese Fahrzeuge Werbung gemacht. In der Nummer 26/2004 finden sich 21 Werbungen für Seniorenmobilität in Form von Treppenliftern und Elektrofahrzeugen. 174

175 zeuge ist derzeit für den Gehweg zugelassen, ein anderer Teil nur für die Fahrbahn 8. Handelt es sich quasi um elektrische Rollstühle, ist durchweg die Gehwegzulassung anzunehmen, diese Fahrzeuge sind nicht schneller als 6 km/h. Bei einigen Neuentwicklungen sind die Zuordnungen noch nicht geklärt, wie etwa für den Segaway. Sollten sich eher Fahrzeuge durchsetzen, die für die Fahrbahn zugelassen sind, wird sich hierdurch die Leistungsfähigkeit der Fahrbahn und damit der gesamten Straße herabsetzen. Bei Geschwindigkeiten von bis zu 20km/h stellen diese Fahrzeuge ein Hindernis dar, das jedoch im Vergleich zu Fahrrädern oder Mofas nicht ohne weiteres bei Gegenverkehr überholt werden kann. Nutzen die Fahrzeuge im anderen Fall jedoch vermehrt den Gehwegbereich, stellt sich die Frage, ob der Gehweg dann noch seiner eigentlichen Funktion dienen kann. Eine Entwertung der Aufenthaltsqualität und -funktion der Gehwege kann im Einzelfall möglich sein. Dies wäre ein vergleichbarer Effekt, der sich heute in Altbaugebieten vornehmlich des 19. Jh. einstellt, wenn dort viele Fahrradnutzer die Gehwege und die Autonutzer die Fahrbahnen und Gehwege zum Abstellen verwenden (vgl. Flade, 2002, S. 116 ff.) In Zukunft könnten hier auch vermehrt Kleinmobile älterer Menschen stehen. Die Fragen der Veränderung der Leistungsfähigkeit von Straßen sind bei zukünftigen Verkehrsplanungen, insbesondere bei Knotenpunktberechnungen, zu berücksichtigen. Aktuell wird vermutet, dass die durch die jungen, aktiven Menschen hervorgerufenen Spitzen in den Tagesganglinien sich abflachen werden und die Täler zwischen der Morgen- und Abendspitze durch die jungen Alten aufgefüllt werden. Insgesamt ergibt sich so eine Bestätigung der Tagesganglinie auf niedrigerem Niveau (vgl. Sammer & Röschel, 2004). Inwieweit dieser Effekt tatsächlich planungsrelevant ist, hängt von den anderen Entwicklungen einer Kommune ab, wie etwa Bevölkerungswachstum oder -schrumpfung oder räumliche Verteilung der Akteure (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, 2002). Eine planerische Vorsorge für den zweiten Fall ist das Vorhalten eines Radverkehrsnetzes, das von anderen Langsamfahrzeugen unter Umständen auch genutzt werden kann. Entsprechende Regelungen der Straßenverkehrsordnung müssen im Hinblick auf diese Fragestellung rechtzeitig angepasst werden. Alternative Fortbewegungsmittel erfordern im Einzelfall unter Umständen neue Stellplatzanlagen, etwa bei Versorgungseinrichtungen, Wohnungen oder öffentlichen Einrichtungen. Ein Elektromobil ist nicht mit einem Pkw gleichzusetzen und hat andere Stellplatzerfordernisse. Es ist zu überprüfen, inwieweit öffentliche Stellplatzanlagen auf diesen neuen Bedarf hin angepasst werden können. Eine Kombination von Fahrradabstellanlagen und Fahrradstationen mit Abstellplätzen von 175

176 Kleinmobilen ist denkbar. Im Gegensatz zu den benannten, eher mittelfristigen Entwicklungen und Planungsgrundlagen werden sich durch den höheren Anteil der Senioren an den Verkehrsteilnehmern kurzfristig erhöhte Anforderungen an die verkehrstechnische Ausgestaltung von Straßen stellen. Die reduzierten Wahrnehmungsmöglichkeiten älterer Menschen erfordern eine andere Informationsweise im Straßen- und Verkehrsraum, insbesondere hinsichtlich der Lesbarkeit von Schriftinformationen, z.b. Fahrpläne an Bushaltestellen und der Kontrastschärfe von Schildern. Insbesondere bei Warnschildern und Signalen müssen reflektierende und kontrastreiche Schilder entsprechend aktuellem Standard eingesetzt werden. Hohe Bedeutung kommt der Überprüfung der Qualitäten nach einer längeren Nutzungsdauer zu. Im Falle der Lichtsignalanlagen kann damit gerechnet werden, dass mit der Umstellung auf LED-Zeichen eine höhere Leuchtdichte bereits erreicht wird. Im Vergleich dazu sind kontrastarme Schilder noch weniger lesbar. Die Gestaltung der Straßen wird sich unter dem Wahrnehmungs- und Nutzeraspekt voraussichtlich nur noch in Einzelfällen ändern lassen, da die finanziellen Mittel für erneute Umgestaltungen und Umnutzungen nicht zur Verfügung stehen. Bei Neukonzeptionen sollte jedoch unbedingt die Kontrastfrage der Umweltwahrnehmung stärker berücksichtigt werden. Multifunktional nutzbare Flächen sollen, soweit es geht, Vorrang vor einzelnen Nutzungsarten zugewiesenen Flächen erhalten. Nach wie vor bleibt es Gestaltungsaufgabe für öffentliche Räume, in ausreichender Weise für Sitz- und andere Aufenthaltsgelegenheiten zu sorgen. Menschen, die sich in öffentlichen Räumen nicht nur für das Zurücklegen von Wegen aufhalten, sorgen für soziale und kommunikative Raumbedeutung, die eine Basis für menschliche Beziehungen darstellt, auch wenn digitale und andere Kommunikation längst wichtig geworden ist. Die Zunahme älterer Bevölkerung wird insgesamt Auswirkungen auf das Verkehrssystem insgesamt haben. Die Tagesbelastung des ÖPNV und der Stadtstraßen kann sich gleichmäßiger darstellen, wenn davon ausgegangen wird, dass ältere Menschen weniger Pendlerverkehr bedeuten. Für die öffentlichen Verkehrsbetriebe würden die teuren Spitzenstunden-Zusatzfahrten entfallen und ein durchgehender Betriebstakt könnte in den Städten umgesetzt werden. Gleichzeitig ist möglich, dass die bisherigen Tarifvergünstigungen im ÖPNV für Rentner zumindest teilweise zurückgenommen werden. Im ländlichen Raum dagegen wird heute ein großer Teil der Bedienungsqualität im 176

177 ÖPNV durch die Schülerverkehre motiviert. Sollten diese Fahrten im ÖPNV entfallen, ist zunächst eine Qualitätsreduzierung zu erwarten, die durch die oben beschriebenen alternativen Bedienformen ausgefüllt werden müsste. Änderungen in der Mobilität älterer Menschen werden durch den Markt aufgefangen. Hoher Handlungsbedarf besteht zunächst eher in der Sozialfürsorge für nicht markt-fähige Menschen, die auch an Zahl zunehmen werden. Konkreter stadt- und verkehrsplanerischer Handlungsbedarf wird sich lokal entwickeln. Die planerischen Instrumente zur Lösung der Aufgabe sind vorhanden. In Zukunft wird ein übergreifender Austausch des Wissens verschiedener Disziplinen (Altenpsychologie, Gerontologie, Stadt- und Verkehrsplanung, Wohlfahrtsverbände) notwendig sein. Durch diesen Austausch können interdisziplinäre Konzepte für die Stadt der Zukunft entwickelt werden. Hilfreich hierbei sind die Angebote und Strukturen von Städten und Gemeinden, die bereits heute stark von Senioren nachgefragt werden. Die straßenverkehrsrechtliche und verkehrstechnische Behandlung von neuartigen Fahrzeugen für Senioren muss weiter betrieben werden, um neue Mobilitätsformen in die Stadtmuster zu integrieren und das gesamte Mobilitätsangebot auch im ÖPNV im Sinne altengerechter, flexibler Bedienung umzugestalten. Literatur Acocella D (2004) Nahversorgung in der Fläche wie lange noch? Vortragsmanuskript Ifr-Jahrestagung: Die Zukunft der Kommunen: in der Region, Hannover. Beutler F, Brackmann J (1999) Neue Mobilitätskonzepte in Deutschland Ökologische, soziale und wirtschaftliche Perspektiven. Veröffentlichungsreihe der Querschnittsgruppe Arbeit & Ökologie beim Präsidenten des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eds. (2004) Verkehr in Zahlen, Hamburg. Bundesregierung (2001) Dritter Altenbericht: Alter und Gesellschaft (2001) Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode/Drucksache 14/5130. Engeln A & Schlag B (2001) ANBINDUNG Abschlußbericht zum Forschungsrpojekt Anforderungen Älterer an eine benutzergerechte Vernetzung individueller und gemeinschaftlich genutzter Verkehrsmittel, Band 196 der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, 177

178 Senioren, Frauen und Jugend, Berlin. Flade A (2002) Städtisches Umfeld und Verkehrsmittelnutzung älterer Menschen. In: Schlag B et al. eds., Forum Vauban (2003) Der Freiburger Stadtteil Vauban Umsetzungsbegleitung des Verkehrskonzeptes auf Vauban, CD, Freiburg. Hondrich K (2004) Die mittleren Jahre. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Mai Huber F & Beckmann KJ. (2004) Demografische Veränderungen und Verkehr. Unveröffentlichtes Arbeitspapier des Arbeitskreises 1.11 der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. Pschyrembel W (1982) Klinisches Wörterbuch. New York, Berlin. Regional Planungsgemeinschaft oder Land-Spree, Regionale Planungsstelle (1996) Regionalplan, Zentralörtliche Gliederung der Nahbereichsstufe Selbstversorgerorte Ländliche Versorgungsorte, Beeskow, Juni Sammer G & Röschel G (1999) Mobilität älterer Menschen in der Steiermark, Graz. Schlag B & Megel K eds. (2002) Mobilität und gesellschaftliche Partizipation im Alter, Band 230 der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin. Wahl H-W (2002) Lebensumwelten im Alter: in: Mobilität und gesellschaftliche Partizipation im Alter, Schriftenreihe Band 230 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin. Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB) (2004) RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport v IV A /03 geändert durch RdErl. v IV A /03. Internet

179

180 180

181 Tourismus und Mehrfachwohnsitze älterer Menschen: Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten und Anforderungen an die Infrastrukur von Peter Neumann und Petra Bollich Einleitung Gegenwärtig durchläuft die Gesellschaft Deutschlands einen tief greifenden Transformationsprozess: bis zum Jahr 2020 werden die über 60jährigen zahlenmäßig deutlich zunehmen, gleichzeitig wird der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung signifikant ansteigen. Parallel zum soziodemographischen vollzieht sich auch ein soziokultureller Wandel, d.h. die Formen der Vergesellschaftung werden sich ändern. Hierzu gehören die Ausdifferenzierung der Lebensstile (z. B. über Zuwanderung Multikulturalisierung ) ebenso wie die sich bereits seit einigen Jahren abzeichnenden Haushaltsveränderungen (Zunahme kleinerer Haushalte, Abnahme der Dauerhaftigkeit von Beziehungen etc.). Aufgrund dieser Entwicklungen gewinnen u. a. Fragen der Freizeitund Reisegestaltung sowie der Mobilitätssicherung älterer Menschen zunehmend an Bedeutung. Damit steht auch die Tourismusbranche vor weitreichenden Veränderungen. Für die Wettbewerbsfähigkeit der Tourismusbranche bedeutet die Anpassung des touristischen Angebots an die Bedürfnisse älterer und mobilitätseingeschränkter Touristen in den kommenden Jahren eine der größten Herausforderungen. Ein wichtiges Thema ist dabei die Zielgruppendiskussion bezogen auf die Gruppe der älteren Menschen. Erste touristische Leistungspakete speziell für Teilgruppen älterer Menschen wurden bereits am Markt platziert. Hier wird sich im Verkauf der Produkte zeigen, in wie weit sie der Realität und den Ansprüchen der über 60jährigen entsprechen. Da sich die meisten grundlegenden Untersuchungen der Vergleichbarkeit halber nach wie vor auf das demografische Merkmal Alter zur Abgrenzung von Senioren stützen, wird auch in diesem Beitrag bei der Beschreibung des Reiseverhaltens älterer Menschen auf das Merkmal Alter zurückgegriffen. 181

182 Nachfolgend werden zunächst die touristischen Merkmale der Zielgruppe älterer Menschen und die Einflüsse auf das Mobilitätsverhalten aufgezeigt. Hieraus werden die Anforderungen an die Infrastruktur abgeleitet und Schlussfolgerungen für die weitere Angebotsentwicklung im Tourismus älterer Menschen gezogen. Touristische Merkmale der Zielgruppe älterer Menschen Beschreibung der Zielgruppe Ältere Menschen sehen sich nicht als eine besondere touristische Zielgruppe und wollen keine Extrabehandlung sie wollen einfach dazu gehören (vgl. Pries, 2004). Dennoch ist zur Entwicklung bedarfsgerechter Angebote, Dienstleistungen und Marketingaktivitäten im Tourismus eine Abgrenzung von Zielgruppen innerhalb der Gruppe älterer Menschen notwendig (vgl. Wiegand, 2004). Da die Gruppe der älteren Menschen nach innen hin nicht homogen ist, muss von individuellen Teilgruppen gesprochen werden, die je nach Alter, Bildung, Einkommen, Mobilitätsgrad etc. ganz unterschiedliche Ansprüche an eine Urlaubsreise haben (vgl. Pries 2004). In diesem Zusammenhang gibt es bereits unterschiedliche Ansätze, die eine Eingruppierung dieser immer größer und damit auch ökonomisch attraktiver werdenden Gruppe der älteren Menschen vornehmen. 50plus, 65plus, 70plus oder auch Best-Ager sind die Schlagworte, mit denen verschiedene Tourismusdienstleister und Marketingfachleute eine Unterteilung der Zielgruppe zu umschreiben versuchen. Eine alleinige Unterscheidung nach dem Alter macht allerdings im Rahmen der Zielgruppendiskussion wenig Sinn, da das Merkmal Alter im Verständnis der Marktforschung kein diskriminierendes Merkmal darstellt (vgl. Wiegand, 2004). Zielführender ist es, sich zusätzlich an spezifischen Bedürfnissen und Lebensstilen zu orientieren: Nicht das Alter, sondern die Vorlieben bestimmen die Verhaltensweisen der neuen Alten (Leschinsky, 2002, S. 14). Dazu gehört auch die Berücksichtigung des Mobilitätsgrades der betreffenden Person, wonach angelehnt an Wiehe (2004) in folgende drei Teilgruppen unterschieden werden kann: Ältere Menschen ohne Mobilitäts- oder Aktivitätseinschränkung Ältere Menschen mit leichten Mobilitäts- oder Aktivitätseinschränkungen bzw. einem starken Sicherheitsbedürfnis Pflegebedürftige ältere Menschen 182

183 Weiterhin kann nach Lebensstilgruppen oder entsprechenden Gruppen- und Konsumprofilen differenziert werden. Hierzu gibt es wiederum sehr unterschiedliche Ansätze. Infratest differenziert beispielsweise in vier verschiedene Gruppen der 55-70jährigen (vgl. Interhoga, 2001): Aktive, neue Alte (25 %) Pflichtbewusste, häusliche Alte (31 %) Sicherheits- und gemeinschaftsorientierte Alte (29 %) Resignierte Alte (15 %) Das Institut für Freizeitwirtschaft (IFF, 1996) unterscheidet wiederum folgende sechs Lebensstilgruppen (nach den Kriterien Lebensphase, Beruf/Bildung, wirtschaftliche Stellung und Gesundheitszustand): Repräsentativ prestigeorientiert (6 %) Bürgerlich angepasst (30 %) Kleinbürgerlich konservativ (24 %) Junggebliebende Singles (3 %) Gepflegter Genuss (32 %) Kritisch alternativ (5 %) Unabhängig von den spezifischen Bedürfnissen und Lebensstilen spielt Urlaub und Freizeit als Konsumgewohnheit für alle Teilgruppen älterer Menschen eine zunehmend bedeutende Rolle. Urlaubs- und Freizeitverhalten Die älteren Menschen von heute unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den über 60jährigen vergangener Generationen: sie sind in der Regel fit und aktiv, überdurchschnittlich mobil, kaufkräftig und reisefreudig. Der Deutschlandurlaub boomt und die älteren Reisenden stellen bereits heute eine der Hauptgästegruppen im Deutschlandtourismus dar. Noch ist die Reiseintensität 1 der älteren Menschen im Vergleich zu der der Gesamtbevölkerung deutlich niedriger (2003: 70 % gegenüber 76, 8 %), eine Angleichung der Reiseintensität für die nahe Zukunft ist aber wahrscheinlich (vgl. IAT, 2002). Innerhalb der letzten 30 Jahre hat die Urlaubsreiseintensität der über 60jährigen einen Zuwachs um 84 % (1972: 36 %, 2003: 70 %, vgl. Abbildung 1) erfahren (vgl. F.U.R., 2004). In diesem Zusammenhang wird bereits von älteren Menschen als 1 Die Reiseintensität kennzeichnet (in %) den Anteil der Bevölkerung ab 14 Jahren, der jährlich mindestens eine Urlaubsreise unternimmt. 183

184 Abb. 1: Urlaubsreiseintensität nach Alter (1972/2003) (Quelle: F.U.R., 2004) dem Wachstumsmotor im Tourismus gesprochen (vgl. DTV, 2002; F.U.R., 2004). Mit durchschnittlich 1,34 Reisen im Jahr zählen Urlaubsreisen zu den wichtigsten Konsumgewohnheiten älterer Menschen (vgl. Wiehe, 2004). Sie sind damit häufiger unterwegs als jüngere Urlauber und verweilen im Durchschnitt auch länger am Urlaubsort (vgl. Interhoga, 2004). Wenn ältere Menschen verreisen, bevorzugen sie vergleichbar der Gesamtbevölkerung Urlaubsreisen in der wärmeren Jahreszeit zwischen Mai und September, wobei die überfüllte Sommerferienzeit in der Regel gemieden wird. Urlaubs- und Kurzreisen innerhalb Deutschlands werden auch in den Sommermonaten unternommen, Zweit-, Dritturlaub oder Mehrurlaube werden demgegenüber vermehrt in der Nebensaison angetreten (vgl. Interhoga, 2004). Als Reiseziel ist bei älteren Menschen Deutschland überdurchschnittlich beliebt; die Hälfte aller Reisen werden im Inland getätigt (vgl. F.U.R., 2001; Interhoga, 2004). Dabei spielen neben der Attraktivität der Tourismusregion Kriterien wie 184

185 Abb. 2: Reiseentscheidung älterer Menschen: Bedeutung spezifischer Vorteile bestimmter Regionen. (Quelle: GFK, 1999) nicht erforderliche Fremdsprachenkenntnisse, mildes Klima, Sicherheit, gewohnte und gute Infrastruktur (v. a. Ärzte) und eine relativ unbeschwerliche und kurze Anreise eine besonders wichtige Rolle (vgl. GFK, 1999; DTV, 2002). Hinsichtlich der Urlaubs- und Freizeitgestaltung älterer Menschen wird deutlich, dass sich die neue Seniorengeneration generell an Konsumund Lebensgewohnheiten der Lebensmitte festhält, d.h. die Urlaubsund Freizeitinteressen sich weitgehend im Lebensverlauf entwickeln (vgl. Pries, 2004). Allerdings wachsen mit dem höheren Lebensalter auch die Qualitätsansprüche an das Leben, so dass sich eine erhöhte Serviceorientierung auch im Urlaub bemerkbar macht (vgl. ITD, 2004). Diese zeigt sich zum Teil bereits bei der Art der Urlaubsreise und bei den Urlaubsmotiven und -aktivitäten. Bevorzugt werden von älteren Menschen folgende Arten von Urlaubsreisen (vgl. F.U.R., 2001): Studienreisen Bade- und Erholungsurlaub Gesundheitsurlaub Städtereisen 185

186 Abb. 3: Reiseentscheidungen älterer Menschen: Bedeutung von Betreuung, Service, Inhalt und Gestaltung touristischer Angebote. (Quelle: GFK, 1999) Obwohl älterer Menschen hinsichtlich ihrer Urlaubserwartungen ähnliche Prioritäten setzen wie die Durchschnittsbevölkerung, sind die Schwerpunkte durchaus unterschiedlich gelagert. Der Aspekt abschalten und ausspannen hat nicht mehr den gleichen hohen Stellenwert, wohingegen Gesundheitsaspekte und Naturerleben stärker ausgeprägt sind (vgl. Interhoga, 2001). Auch aus ökologischer Sicht sind ältere und behinderte Reisende damit eine attraktive Klientel. Ihre Vorliebe für gesundes Klima und Naturerleben sowie ihre häufigere Nutzung Öffentlicher Verkehrsmittel im Alltag und im Urlaub öffnen sie für nachhaltige Tourismusangebote. Reisegewohnheiten, Urlaubsaktivitäten und die Loyalität gegenüber dem Reiseziel und dem Beherbergungsbetrieb sind weitere altersspezifische Erscheinungen (vgl. ITD, 2004). Die GFK Zahlen belegen, dass ältere Menschen im Urlaub keine grundsätzliche Rund-Um-Versorgung wünschen, sondern vielmehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. ADAPT, o.j.). Mit zunehmendem Alter werden die Reisenden zudem immer service- orientierter und zeigen ein höheres Sicherheitsbedürfnis (vgl. ITD, 2004). Ökonomische Bedeutung Nach Berechnungen der Interhoga (2004) unternehmen die deutschen Senioren über 65 Jahre im Jahr rund 15 Millionen Urlaubsreisen und 186

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