Ursachen der Biodiversitätsverluste in Agrarlandschaften. Teja Tscharntke Agrarökologie, Georg-August-Universität Göttingen

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1 Ursachen der Biodiversitätsverluste in Agrarlandschaften Teja Tscharntke Agrarökologie, Georg-August-Universität Göttingen Agrarsoziale Gesellschaft Herbsttagung Zukunftsfähiger Ackerbau, Göttingen

vervierfacht: 19 dt/ha vor 100 Jahren 81 dt/ha heute

2 Die Landwirtschaft - eine Erfolgsgeschichte: Viele & gesunde Lebensmittel hoher Qualität Weizenertrag vervierfacht: 19 dt/ha vor 100 Jahren 81 dt/ha heute ( ) 35% Steigerung allein In den letzten beiden Jahrzehnten.

3 Agrarökosystem-Leistungen: Dienste & Bärendienste (Ecosystem Services and Disservices) Gute Nahrungsmittelversorgung, aber mit ökologischen Kollateralschäden (1) Überdüngung (2) Verluste bei Biodiversität und assoziierten Ökosystemleistungen (3) Ausgeräumte Kulturlandschaften

(1) Überdüngung Zielwert: 80 kg N/ha Realität: 100 kg N/ha Öko-Effizienz (output/input) sank beträchtlich (liegt bei 40%): 1960-1990: Getreideertrag verdoppelt, N-Einsatz versiebenfacht

4 (1) Überdüngung Zielwert: 80 kg N/ha Realität: 100 kg N/ha Öko-Effizienz (output/input) sank beträchtlich (liegt bei 40%): : Getreideertrag verdoppelt, N-Einsatz versiebenfacht Grundwasser-Gefährdung: regional >50 mg/l Nitrat (D-Grenzwert für Trinkwasser) Treibhausgasemissionen: 30-35% aller weltweiten TGEs (D: 11%) Kosten aller N-Verluste in Europa: Mrd. pro Jahr (Wasser-Luft-Boden-Verschmutzung, gesundheitliche Folgen) mehr als die direkten ökonomischen Gewinne aus dem Agrar-N-Einsatz Sutton and van Grinsven, 2011, EU Nitrogen Assessment Report, CUP Überdüngung auch Ursache von Biodiversitätsverlusten (Grünland) Tilman 2001, Science; Keating et al. 2010, Crop Science; Foley et al. 2011, Science, SRU 2013

(2) Biodiversitäts-Verluste Das Insektensterben In Deutschland: 33.

Reservate, mehrere Jahren beprobt) Seit 1990 Bestandsrückgänge bei 51% der Rote-Liste

5 (2) Biodiversitäts-Verluste Das Insektensterben In Deutschland: Insekten, 104 Säuger, 328 Vögel, >98% wirbellose Tierarten Tägliche Insekten-Biomasse (26 Reservate, mehrere Jahren beprobt) Seit 1990 Bestandsrückgänge bei 51% der Rote-Liste Wirbellosen (BfN 2015) Schwebfliegen: minus 30-70% Arten, 70-96% Individuen (Ssymank, BfN 2017) Hallmann et al. 2017, PloS One

und Laufkäfern sowie weniger biologische Schädlingskontrolle Pestizideinsatz: Klares

7 (2) Biodiversitätsverluste bei Intensivierung 9 EU Regionen 1350 Weizenfelder 13 Management & 9 Landschafts-Variable Hoher Ertrag = weniger Arten von Pflanzen, Vögeln und Laufkäfern sowie weniger biologische Schädlingskontrolle Pestizideinsatz: Klares Signal in Europa Flavia Geiger et al. 2010, Basic Appl Ecol Mark Emmerson et al. 2016, Adv Ecol Res

(2) Negative Effekte des Pestizideinsatzes (PSM) Glyphosat leistet einen wesentlichen Beitrag zum Artenschwund (UBA

widerspricht IPM, Boden-Akkumulation beeinträchtigt Zersetzung Bonmatin et al.

Bestäubungsfähigkeit; generell Überleben von Insekten/Wildbienen. Folge: Vogelrückgang!

2014, Nature Jenseits LD 50 - sublethale Exposition gegenüber Pestiziden verändert Reproduktion, Verhalten, Vitalität

8 (2) Negative Effekte des Pestizideinsatzes (PSM) Glyphosat leistet einen wesentlichen Beitrag zum Artenschwund (UBA 2017) 1/3 der 270 Ackerwildkrautarten ist gefährdet Prophylaktische Beizung mit Neonikotinoiden (Neonics) widerspricht IPM, Boden-Akkumulation beeinträchtigt Zersetzung Bonmatin et al. 2015, Env Sci Pollut Res Neonics reduzieren Heimfindevermögen von Honigbienen, Königinnen-Produktion von Hummeln, Bestäubungsfähigkeit; generell Überleben von Insekten/Wildbienen. Folge: Vogelrückgang! Bjoern Klatt et al 2016, Front Ecol Evol; Hallmann et al. 2014, Nature Jenseits LD 50 - sublethale Exposition gegenüber Pestiziden verändert Reproduktion, Verhalten, Vitalität etc. von Nützlingen Desneux et al. 2007, Annu Rev Entomol; Müller et al 2017, Environm Pollution Simplifiziert Nahrungsnetz-Interaktionen ökologisch fatal Dudley et al Biol Conserv Jason Tylianakis et al.20017, Nature Anne Ebeling et al. 2011, Basic Appl Ecol

9 Feldvögel: einst weit verbreitet, seit 1980 immer seltener Biodiversity of European wild birds (Whittingham 2011, J Appl Ecol; EBCC/RSPB/BirdLifeInternational/Statistics)

Bestäubung fördert Ertrag und Qualität Erhöht Produktion von 75% der 115 weltweit bedeutendsten Nutzpflanzen,

(2007) Proc Roy Soc B Jährlicher Wert der globalen Bestäubungs-Dienstleistungen: 235-577 Mrd.

Lebensräume) = 2x soviel Ertrag Andrea Holzschuh et al.

10 Bestäubung fördert Ertrag und Qualität Erhöht Produktion von 75% der 115 weltweit bedeutendsten Nutzpflanzen, beeinflusst 35% der globalen Nahrungsmittel Alexandra Klein et al. (2007) Proc Roy Soc B Jährlicher Wert der globalen Bestäubungs-Dienstleistungen: Mrd. US$, aber: 40% aller Bestäuberarten vom Aussterben bedroht IPBS 2016 Witzenhäuser Kirschen: 3x Wildbienen (2x Lebensräume) = 2x soviel Ertrag Andrea Holzschuh et al.2012, Conserv Biol Bestäubung erhöht Erdbeer-Qualität Rotfärbung und Strahlung Säure-Zucker Verhältnis Festigkeit und Lagerzeit Marktfähiger Ertrag: 39%-53% höher Bee wind self pollination Bjoern Klatt et al 2014, Proc Roy Soc B; Bjoern Klatt et al. 2014, Agric Food Security

Biodiversitätsverluste: natürliche Gegenspieler von Schädlingen

Urban-Fischer, p. 85 Äcker ohne parasitische Wespen und Räuber?

Verdreifachung Getreideläuse (Carsten Thies et al.

2010, Science) Komplexe Landschaften mit naturnahen Lebensräumen

11 Biodiversitätsverluste: natürliche Gegenspieler von Schädlingen Kulturfelder sind keine biologischen Wüsten! Getreide: 1 ha mit 1000 Arten, enden Laufkäfern, Spinnen und Kurzflügelkäfern Tischler 1980, Urban-Fischer, p. 85 Äcker ohne parasitische Wespen und Räuber? Unvorhersehbare Schädlingsprobleme Räuber-Ausschluss: Verdreifachung Getreideläuse (Carsten Thies et al , Ecol Appl; Lu et al. 2010, Science) Komplexe Landschaften mit naturnahen Lebensräumen Fördern natürlich Gegenspieler und reduzieren Schädlinge, z.b. Halbierung Rapsglanzkäfer-Schäden durch Schlupfwespen (Felix Bianchi et al. 2006, Proc Roy Soc B; Thies & Tscharntke 1999, Science)

12 Push-pull Strategie für Mais-Schädlinge Biologische Kontrolle Abschreckende Pflanzen im Mais: Pushing away Attraktive Fallen-Pflanzen außerhalb: Pulling away (Cook et al. 2007, Ann Rev Entomol)

13 (3) Ausgeräumte Kulturlandschaften kontrastreiches Mosaik von Landschaftselementen, Ende des 19. Jh. max. divers Flurbereinigung und Landschafts-Homogenisierung insbesondere seit den 1950er Jahren

14 (3) Ausgeräumte Kulturlandschaften ein Verlust kultureller Ökosystem-Dienstleistungen Kulturfolger auf der Roten Liste: Hase, Hamster, Storch, Ackerwildkräuter Gewöhnliche Feldvögel zunehmend gefährdet Whittingham 2011, J Appl Ecol Die Biodiversiät in Kulturlandschaften wird geliebt jenseits aller monetären Bewertungen Silvertown 2015 Trends Ecol Evol

15 Biodiversität in der Landwirtschaft: Diskrepanz der räumlichen Skalen Global Landschaft Feld Pflanze

(3) Biodiversitätsverluste durch Monotonisierung der Agrarlandschaften Die Heterogenität der Landschaftsstruktur ist von elementarer Bedeutung für die Artenvielfalt Levins klassisches

16 (3) Biodiversitätsverluste durch Monotonisierung der Agrarlandschaften Die Heterogenität der Landschaftsstruktur ist von elementarer Bedeutung für die Artenvielfalt Levins klassisches Metapopulationsmodell: Wenn Schutzgebieten ohne Neubesiedlung: nur Aussterbeprozesse Die Heterogenität in der Zusammensetzung verschwindet monotone Fruchtfolgen, Grünland-/ Brachenverluste, Ausweitung Bewirtschaftung & Düngung 30% weniger Arten (Pflanzen/Insekten) auf Kalkmagerrasen wenn Landschaft mit 80% statt 10% Äcker Kormann et al. 2016, Div Distr Die Heterogenität in der Konfiguration verschwindet Vergrösserung der Schläge, Beseitigung linearer Elemente (Hecken, Randstreifen) 1km entfernt von Kalkmagerrasen: Samenansatz in Agrarlandschaft halbiert Steffan-Dewenter & Tscharntke 1999, Oecologia Randstreifen-Korridor Grabwespen: 3-4fach Holzschuh et al 2009, Ecol Appl 2ha statt 20ha Felder: 30-50% mehr Arten (Förderung wie Öko-Landbau) Batary et al Nature Ecol Evol 20 kleine statt 2 große Kalkmagerrasen: 2-3mal mehr Arten Roesch et al Oecologia Tscharntke & Brandl 2004, Ann Rev Entomol Tscharntke et al. 2005, Ecol Letters, 2012, Biol Review

17 Was sollte anders werden? Überdüngung Durchsetzung bedarfsgerechter Düngung, Sanktionen bei Verstößen (SRU 2013) Biodiversitätsverluste Pestizideinsatz einschränken, stabile & diversifizierte Kulturen (Tscharntke et al. 2012, Biol Conserv) Ausgeräumte Landschaften EU-GAP: Direktzahlungen an ökologische Leistungen koppeln 10% Ökologische Vorrangflächen Erhalt von Biotopverbund: kleinere Felder mit Randstrukturen insbesondere in ausgeräumten Landschaften Förderung der regionalen Unterschiede: Beta-Biodiversität Nachhaltige Landwirtschaft Ökonomisch tragfähig, z.b. mit hoher Produktivität Ökologisch gesund, z.b. mit Biodiversität & geringen Umweltbelastungen Sozial eingepasst, z.b. in einer lebenswerten Agrarlandschaft Internalisierung externer Effekte

Combining land sharing and land sparing in multifunctional landscapes (1) Spillover from natural habitats to agroecosystems (3) Landscape connectivity for mutual benefits of natural & boundary & crop

19 Combining land sharing and land sparing in multifunctional landscapes (1) Spillover from natural habitats to agroecosystems (3) Landscape connectivity for mutual benefits of natural & boundary & crop habitats (2) Spillover from crop boundaries to agroecosystems Biodiversity services: common species of crop boundaries Biodiversity conservation: rare species in protected reserves Common and rare species need a connectivity matrix

20 Low economic costs - high ecological benefit approaches for resilience Landscape diversification of crops & habitats spatially, crop varieties species, habitat types temporally, crop rotation, policy/market changes Bianchi et al Proc Roy Soc B, Letourneau et al 2011 Ecol Appl Fahrig et al. 2011, Ecol Letters Socio-ecomomic features risk management, household vulnerability, traditions Tscharntke et al. 2012, Conserv Biol Cumming et al. 2014, Nature Jackson et al. 2012, Global Env Change

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