Grundlagen der Geschäftsleiterhaftung. Referent: RA Sebastian Korts, Köln
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- Klaudia Schneider
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1 IHK Koblenz Grundlagen der Geschäftsleiterhaftung Referent: RA Sebastian Korts, Köln Altenkirchen, 6. Oktober 2015
2 Vorstellung des Referenten Herr Sebastian Korts ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels-und Gesellschaftsrecht. Weitere Studiengänge qualifizierten ihn zum Master ofbusiness Administration (MBA) und Master ofinternational Taxation (M.I.Tax). Seinen Beruf übt er als geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Korts Rechtsanwaltsgesellschaft mbh aus. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Beratung mittelständischer Unternehmen. Kontakt: / (Kanzlei)
3 Themenübersicht I. 1. Grundlagen 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen zu Gesellschaftern 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 4. Business Judgement Rule II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung 3
4 1. Grundlagen Beispiele aus der Praxis, in denen Geschäftsleiter für Schäden zivil-und strafrechtlich in Anspruch genommen wurden Blutplasma-Fall in Koblenz Brand Flughafen Düsseldorf Transrapid-Unglück Reifenhändler-Fall Berliner Stadtreinigung Siemens-Neubürger-Fall - 15 Mio. (LG München, BB 2014, 815 Ls.) [Fall wird später noch behandelt] 4
5 1. Grundlagen BGH v , I ZR 242/12 Gegenbeispiel aus der Praxis Wettbewerbsverstößedurch Drückerkolonneneines Berliner Gasversorgers: keine Haftung des GF Der Unterlassungs-und SE-Klage gegen das Unternehmen wurde stattgegeben, die SE-Klage gegen den GF wurde abgewiesen. Begründung: die Organpflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung besteht grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft und nichtauch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten GF haftet für unlautere Wettbewerbshandlungen nur dann persönlich, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oderwenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen 5
6 1. Grundlagen Zentral: Der ordentlicher Kaufmann Gesetzliche Anknüpfungspunkte 347 Abs. 1 HGB, 93 Abs. 1 S. 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG Wer aus einem Geschäfte, das auf seiner Seite ein Handelsgeschäft ist, einem anderen zur Sorgfalt verpflichtet ist, hat für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen. Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Zu den Pflichten des ordentlicher Kaufmanns zählt auch Risikomanagement. 6
7 1. Grundlagen Verantwortlichkeit der Organe Möglichist eine interne Funktions-oder Kompetenzzuweisung innerhalb des Organs (z.b. Finanzvorstand), aber: jedes Organmitgliedmuss das andere in dessen besonderer Funktion überwachen, tut es dies schuldhaft nicht, haftet es (auch) für die Pflichtverstöße des nicht überwachten Organmitglieds. Nicht möglichist eine Aufteilung von öffentlich-rechtlichen Organpflichten, z.b. die Erfüllung von steuerlichen Pflichten. 7
8 1. Grundlagen Typische zivilrechtliche Haftungsnormen aus dem BGB 823 Abs. 2 BGB i.v. m. einem SchutzgesetzSchadensersatz bei unerlaubter Handlung 826, 830 BGB Schadensersatz bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung z.b. Verletzung von Kontrollpflichten durch den AR, die betrügerische Handlungen des Vorstandes ermöglichen (OLG Düsseldorf Urt. v U 22/08, DB 2008, 1961 ff., OLG Karlsruhe Urt. v U 26/06) z.b. Informationsdeliktshaftung (fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen, falsche Prospektangaben) 8
9 1. Grundlagen Typische steuer(straf)rechtliche Haftungsnormen aus der AO 69, 34 AOHaftung der gesetzlichen Vertreter für Steuerschulden der Gesellschaft sowie die Rückzahlung unrechtmäßiger Steuervergütungen und -erstattungen einschl. Säumniszuschläge 71 AOHaftung des Steuerhinterziehers oder Teilnehmers für die verkürzten Steuern einschl. Zinsen 370 AO Strafbarkeit der Steuerhinterziehung 9
10 1. Grundlagen Typische zivilrechtliche Haftungsnormen aus dem GmbH-Gesetz 43 GmbHGSchadensersatz des GF bei Verletzung der Sorgfaltspflicht 64 GmbHGHaftung des GF für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sowie für Zahlungen, die zur Zahlungsunfähigkeit führen (greift für alle Rechtsformen einer Gesellschaft) 30 Abs. 1 S. 1 i.v.m. 43 Abs. 3 GmbHGSchadensersatz des GF bei verbotenen Auszahlungen (das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen darf nicht an Gesellschafter ausgezahlt werden) ohne dass einer der Ausnahmetatbestände des 30 Abs. 1 S. 2 u. 3 GmbHG n. F. eingreift 9a GmbHGgesamtschuldnerische Haftung von GF (und Gesellschafter) für falsche Angaben bei der Anmeldung zur Handelsregistereintragung 10
11 Themenübersicht I. 1. Grundlagen 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen zu Gesellschaftern 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 4. Business Judgement Rule II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung 11
12 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen z. Gesellschaftern 30 Abs. 1 S. 1 i.v.m. 43 Abs. 3 GmbHG Besonderer Haftungstatbestand: SE-Pflicht des GF bei verbotenen Auszahlungen Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Diese Haftung steht nicht zur Disposition der Gesellschafter! Ausnahmetatbeständedes 30 Abs. 1 S. 2 u. 3 GmbHG: Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags ( 291 AktG) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. 12
13 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen z. Gesellschaftern Der neu eingefügte Satz 2 in 30 I GmbHG erlaubt, dass an die Stelle des liquiden Gesellschaftsvermögens eine Forderung gegen einen Gesellschafter tritt, unter zwei alternativen Voraussetzungen: [1] Es besteht ein Beherrschungs-oder Gewinnabführungsvertrag gem. 291 AktG. [2] Die Leistung ist durch einen Gegenleistungs-oder Rückgewähranspruch gedeckt, welcher vollwertigist. Bei einem Austauschvertrag muss der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter wertmäßig nach Marktwerten,und nicht nach Abschreibungswerten, den geleisteten Gegenstand decken. Ist Durchsetzbarkeitabsehbar unsicher idr keine Vollwertigkeit. Sorgfaltspflichtverstoßdes GF, der eine nicht (mehr) vollwertige Forderung stehen ließ, obwohl er sie hätte einfordern oder besichern müssen
14 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen z. Gesellschaftern 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO: Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Reihenfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt: (...) 5. nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlung, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. 14
15 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen z. Gesellschaftern 135 Abs. 1 InsO: Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des 39Abs.1Nr.5( ) 1. Sicherunggewährthat,wennsie(...)indenletzten10Jahren(...)oder 2. Befriedigung gewährt hat, wenn sie im letzten Jahr vor Antrag auf Eröffnung( ) oder danach vorgenommen worden ist. 15
16 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen z. Gesellschaftern AG Hamburg, g IN 352/ Abs. 1 InsO gilt auch für Scheinauslandsgesellschaften UK-Limited in Deutschland: , , Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen Insolvenzantrag Empfehlung Eröffnung, weil anfechtbar! 16
17 Themenübersicht I. 1. Grundlagen 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen zu Gesellschaftern 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 4. Business Judgement Rule II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung 17
18 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Grundsatz: Der Geschäftsleiter hat sich immer über die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens in Kenntnis zu halten. Das hab ich nicht gewußt!... ist keine Exkulpation, sondern das Geständnis eines individuellen Pflichtverstoßes. 18
19 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Pflichten in der Krise oder bei Insolvenzreife bei Verringerung des Grund- bzw. Stammkapitals: Benachrichtigung der Gesellschafter über einen Verlust des Grund-bzw. Stammkapitals um die Hälfte ( 92 Abs. 1 AktG, 49 Abs. 3 GmbHG) bei Vorliegen eines zwingenden Insolvenzgrundes: Insolvenzantragspflicht ( 15a InsO) 19
20 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Zwingende Insolvenzgründe: 17 InsO Zahlungsunfähigkeit 19 InsO Überschuldung = wenn die Gesellschaft die fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann = wenn das Vermögen der Gesellschaft die Schulden nicht mehr deckt (Vergleich der Aktiva und Passiva). drohende Zahlungsunfähigkeit? 20
21 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Insolvenzaussetzungsvorschrift des 19 Abs. 2 InsO Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Bei Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose besteht weder die Pflicht zur Insolvenzantragstellung, noch das Recht dazu. Dies gilt für Schuldnerunternehmen und Gläubiger gleichermaßen. TIPP: GmbH in EU umwandeln keine Anwendung von 64 GmbHG (Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) 21
22 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Frist zur Insolvenzantragstellung: spät. drei Wochen nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit maßgeblicher Fristbeginn: objektive Erkennbarkeit (nicht subjektiv!) Im Einzelfall kann schuldhaftes Zögerns zu einer kürzeren Frist führen. Rechtsfolge bei Überschreiten der Frist: Insolvenzverschleppung Zivilrechtliche Haftung Strafrechtliche Haftung gem. 15a Abs. 4 InsO: Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe 22
23 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Insolvenzreife der Gesellschaft: Haftung des GF Zivilrechtlich (Rückzahlung an Gesellschaft bzw. Ins.Verwalter) Strafrechtlich (Verurteilung) Steuerlich (Zahlung an Fiskus) Abführung von ArbN-Anteilen und Lohnsteuer Nein, BGH v Nein, denn LohnSt./Anteile wurden abgeführt Nein, denn LohnSt. wurde abgeführt Nichtabführung von ArbN-Anteilen und Lohnsteuer Nein, aber ggfls. SE aus 823 II BGB Ja, wg. 266a StGB und 370 AO Ja, BFH v Abführung von ArbG-Anteilen Ja, BGH v Nein, kein Straftatbestand./. kein steuerlicher Anspruch Nichtabführung von ArbG-Anteilen Nein, denn es erfolgte keine Zahlung Nein, 266a StGB gilt nur für ArbN-Anteile./. kein steuerlicher Anspruch 23
24 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Handlungsempfehlung für Geschäftsleiter bei Insolvenzreife der Gesellschaft Zahlung der Arbeitnehmeranteile und der Lohnsteuer! (ggfls. anteilig, soweit die vorhandenen Mittel reichen) KeineZahlung der Arbeitgeberanteile! Bei der Überweisung ist genaue Zweckbestimmungder Zahlung (Tilgungsbestimmung) hinsichtlich der Sozialversicherungsanteile erforderlich, damit nur Tilgung hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile eintritt! ( 4 Beitragsverfahrensordnung: ArbN-Anteile werden nur dann vorrangig getilgt, wenn der ArbG eine konkrete Tilgungsbestimmung trifft.) Rechtzeitig Insolvenzantrag stellen! Hinweis: Auch der faktische Geschäftsführer kann Täter einer Insolvenzverschleppung nach 15a Abs. 4 InsO sein! (BGH B. v , 4 StR323/14) 24
25 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 64 GmbHGals besonderer Haftungstatbestand: 1 DieGeschäftsführersindderGesellschaftzumErsatzvonZahlungenverpflichtet,die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. 2 Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. 3 Die gleiche Verpflichtung trifft die Geschäftsführer für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. 4 Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung. 25
26 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 64 Satz 3GmbHGInsolvenzverursachungshaftung: Zahlungen an Gesellschafter die erst zur Zahlungsunfähigkeit führen (also vor deren Eintritt) verboten und zwar ohne zeitliche Begrenzung! Haftung der Geschäftsführer, nicht der die Zahlung empfangenden Gesellschafter umfasst auch sog. Existenzvernichtung GF-Haftung: Keine Berufung des GF auf Weisungen der GesVers Pfändung des Gesellschaftskontos durch Dritte ist keine Zahlung isv. 64 GmbHG (BGH vom II ZR 32/08) 64 Satz 2 GmbHG: Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes ist gewahrt bei Abwendung größerer Nachteile für die Insolvenzmasse [Wasser, Strom, Heizung] (BGH vom II ZR 262/06) Einzug auf debitorischeskonto ist keine Zahlung isv. 64 GmbHG, wenn dies vor Insolvenzreife vereinbart und die Forderungen der GmbH entstanden und werthaltig geworden ist. (BGH v II ZR 366/13) 26
27 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Hier nicht berücksichtigt (aber dennoch vorhanden) ist die etwaige Haftung des Geschäftsleiters - gegenüber Sozialversicherungsträgern auf SE aus 823 II BGB mit 266a StGB, - gegenüber sonstigen geschädigten Gläubigern, z.b. aus 823, 826 BGB, - wegen der Insolvenzverschleppung an sich, - wegen sonstiger in diesem Zusammenhang begangener Straftaten, wie Betrug (z.b. weitere Auftragsvergabe an Lieferanten o.ä. trotz Zahlungsunfähigkeit), 27
28 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten Abschließende Frage: Darf sich der Geschäftsleiter externe Hilfe holen? Antwort: JA! Ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft verletzt seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkundezur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife - den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einholt, - diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und - nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Antworten dem Rat folgt und von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht. BGH-Urteil vom II ZR 48/
29 Themenübersicht I. 1. Grundlagen 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen zu Gesellschaftern 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 4. Business Judgement Rule II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung 29
30 4. Business Judgement Rule Business JudgementRule 93 Abs. 1 S. 2 AktG Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. = Haftungsfreiraumfür die Vorstände bei unternehmerischen Ermessensentscheidungen gilt analog auch für den GmbH-Geschäftsführer Rechtsfigur aus dem angelsächsischen Rechtskreis 30
31 4. Business Judgement Rule Voraussetzung der Haftungsprivilegierungist die sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen: In der konkreten Entscheidungssituation sind durch den Unternehmensleiter alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen, auf dieser Grundlage die Vor-und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen. Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, ist Raum für die Zubilligung unternehmerischen Ermessens. BGH, Beschl. v II ZR 202/
32 4. Business Judgement Rule Mögliche Verteidigungsstrategien für den GF auf der zweiten Stufe Nachweis der Einhaltung des unternehmerischen Ermessensspielraums, insb. durch den Nachweis der sorgfältigen Entscheidungsvorbereitung Nachweis, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre Nachweis, dass eine innergesellschaftliche Kompetenzverletzung (z.b. das Übergehen eines zuständigen Organs) nicht kausal für den Schaden war (vgl. BGH v II ZR 39/07), jedenfalls dann, wenn das zuständige Organ hätte zustimmen müssen Nachweis einer bindenden Weisung der Gesellschafter bzw. deren Billigung 32
33 4. Business Judgement Rule Beweislastregelungdes 93 Abs. 2 S.2 AktG: Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. = besondere Schärfe der Vorstandshaftung 1. Stufe Beweispflicht der Gesellschaft: ein bestimmtes Handeln eines Geschäftsleiters hat adäquat kausal zu einem Schaden bei der Gesellschaft geführt 2. Stufe Beweispflicht des Geschäftsleiters: fehlende Pflichtwidrigkeit der schädigenden Handlung und fehlendes Verschulden 33
34 Themenübersicht I. 1. Grundlagen 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen zu Gesellschaftern 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 4. Business Judgement Rule II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung 34
35 II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens Grundgedanke: bei leicht fahrlässigem Verhalten Abwälzung der Haftung auf die Gesellschaft wenn man ein Compliance-System hat, ist man maximal leicht fahrlässig 35
36 II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens wenn man kein Compliance-System hat, droht Haftung! Siemens-Neubürger-Fall Siemens hat einen Ex-Vorstand auf SE verklagt, weil sich während seiner Amtszeit ein System schwarzer Kassen entwickelt hatte, aus denen Schmiergeldzahlungen geleistet wurden der verklagte Vorstand hatte von den Schwarzen Kassen und den Schmiergeldzahlungen keine Kenntnis Siemens schaltete zur Aufklärung der Vorgänge um die Schwarzen Kassen zwei US-amerikanische Anwaltskanzleien ein, Kosten: 15 Mio. EUR der verklagte Vorstand war einer von 10 Vorständen, die 9 anderen hatten mit dem Unternehmen Vergleiche geschlossen 36
37 II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens Siemens-Neubürger-Fall DasLG München Urt. v , 5 HKO 1387/10, verurteilte den Vorstand zur Zahlung von 15 Mio. EUR Schadensersatz. Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet.(...) (...) Dabei kann sich der Beklagte vor allem nicht darauf berufen, für die Durchsetzung im Einzelnen seien die Bereichsvorstände zuständig gewesen. gilt vom Grundsatz her auch für den GmbH-Geschäftsführer! 37
38 II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens Siemens-Neubürger-Fall Schaden: 12,85 Mio.EUR Honorare der amerikanischen Anwaltskanzleien 2,15 Mio. EUR Schmiergeldzahlung die bei den Vergleichsabschlüssen mit den übrigen Vorständen (Gesamtschuldner!) erlassenen Teilbeträge kamen wg. 423 BGB nicht zum Abzug! 38
39 II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens 39
40 Themenübersicht I. 1. Grundlagen 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen zu Gesellschaftern 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 4. Business Judgement Rule II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung 40
41 II. Absicherung des Geschäftsführers 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag Dienstverträge mit Organen grundsätzlich keine (Dienst-)Verträge mit AR aber bei Vorstand und GF sind Dienstverträge üblich inhaltliche Regelungen sind vielfältig (Vertragsfreiheit) ABER: Dienstverträge können nur das Innenverhältnis GmbH -GF regeln, nicht die Außenhaftung (z.b. muss sich das FA nicht auf eine vertragliche Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Geschäftsleiter verweisen lassen, wonach letzterer nicht hafte, wenn die Geschäftsleitervilla gepfändet werden soll; ggfls. hat Geschäftsleiter dann Regressanspruch gegen die Gesellschaft) 41
42 II. Absicherung des Geschäftsführers 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag Fallbeispiel 1 Kosten der Beratung, die ein Vorstand oder GF (persönlich) in Anspruch nimmt, um seiner Organtätigkeit entsprechen zu können, z.b. Prüfung der Richtigkeit einer Bilanz, um sowohl handelsrechtlich/steuerrechtlich (für die Gesellschaft), als auch strafrechtlich (für sich selbst) korrekt zu handeln Obwohl dies oft nicht zu trennen ist, besteht die Gefahr, dass aufgrund des persönlichen Einschlags bei der Beratung die Kostenübernahme durch die Gesellschaft nicht vorgenommen werden muss (OLG Köln) 42
43 II. Absicherung des Geschäftsführers 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag Fallbeispiel 2 Kostenersatzanspruch bei Verteidigung gegen (unberechtigte) Schadensersatzansprüche der Gesellschaft als Klausel in den Dienstvertrag? Gesetzliche Gebühren in Gerichtsverfahren bekommt man sowieso ersetzt, wenn man gewinnt. Aber was ist mit übersteigendem Honorar und außergerichtlicher Beratung? Vorsicht: unzulässige Erschwerung der Geltendmachung berechtigter Ansprüche? 43
44 II. Absicherung des Geschäftsführers 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag Fallbeispiel 3 Wenn Ex-Vorstand in Anspruch genommen wird von einem Dritten (zivilrechtlich) oder gegen ihn ermittelt wird (strafrechtlich), wie kommt er an die zu seiner Verteidigung erforderlichen Informationen, die sich bei der Gesellschaft befinden? Anspruchsgrundlage allgemeine nachvertragliche Fürsorgepflicht? Besser ist es, wenn es eine entsprechende Vertragsklausel auf Information gibt, die auch nachvertraglich wirkt. 44
45 II. Absicherung des Geschäftsführers 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag Fallbeispiel 4 Freistellung des GF durch die Gesellschafterversammlung für alle eventuellen Ansprüche Dritter wegen 64 Satz 3 GmbHG Hintergrund: Gesetzgeber hat die Haftung von den Gesellschaftern weg zu den GF gelegt (MoMiG) Gerecht oder nicht? Dies steht vor Gericht nicht zur Debatte! Aber eine vertragliche Rückverlagerung der Haftung auf die Gesellschafter als eigentliche Nutznießer! 45
46 Themenübersicht I. 1. Grundlagen 2. Kapitalerhalt, Darlehensbeziehungen zu Gesellschaftern 3. Krisenverhalten, Insolvenznahes Verhalten 4. Business Judgement Rule II. Absicherung des Geschäftsführers 1. Compliance als Argument des maximal leicht fahrlässigen Verhaltens 2. Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis durch Anstellungsvertrag 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung 46
47 II. Absicherung des Geschäftsführers 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung Directors` & Officers` Liability Insurance (D & O-Versicherungen) Organ-Mitglieder können ihre Haftungsrisiken durch eine D& O-Versicherung decken lassen. Bei den derzeit am Markt befindlichen Versicherungsmodellen für eine D& O- Versicherung handelt es sich hauptsächlich um Versicherungen, die das Risiko der nach deutschem Recht hauptsächlich relevanten Innenhaftung, also der Haftung der Organe gegenüber ihrer Gesellschaft. Versicherungsrechtlich liegt eine Haftpflichtversicherung vor, 149 ff. VVG I.d.R. Fremdversicherung, bei der die Gesellschaft (also der potentielle Geschädigte bei der Innenhaftung) VN und Prämienzahler ist, während die versicherte Person das einzelne Organmitglied ist. Eine Fremdversicherung ist es deshalb, weil ohne die Versicherung nicht der Versicherungsnehmer den versicherten Schaden zu zahlen hätte, sondern jemand anderes (das Organmitglied). 47
48 II. Absicherung des Geschäftsführers 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung Directors` & Officers` Liability Insurance (D & O-Versicherungen) ausgelöst wird der Versicherungsfall durch die Inanspruchnahme des Organmitglieds Anspruch auf Abwehr unberechtigter Ansprüche und die Befriedigung berechtigter Ansprüche Wird also das Organmitglied von seiner (idrehemaligen) Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen, wird der Versicherer zunächst prüfen, ob die erhobenen Ansprüche begründet sind. Versicherungsleistung steht also der versicherten Person und nicht dem VN (der Gesellschaft) zu Verhinderung eines kollusivenzusammenwirkens von Organmitglied und Gesellschaft zu Lasten des Versicherers (sogen. friendly understanding ) 48
49 II. Absicherung des Geschäftsführers 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung Directors` & Officers` Liability Insurance (D & O-Versicherungen) Von der Versicherung ausgeschlossen sind gem. 152 VVG (nur) vorsätzliche Schadensherbeiführung. Allerdings ist 152 VVG abdingbar, so dass die einzelnen D&O-Versicherungen genauestens auf etwaige weitergehende Ausschlussgründe zu prüfen sind. Von Bedeutung ist z.b. der Ausschluss bei wissentlichem Verstoß gegen Satzungsbestimmungen, ohne dass es hierbei auf eine eventuellen Schädigungsvorsatz ankäme. Zu prüfen ist auch der zeitliche Umfang des Versicherungsschutzes, also ob er sich z.b. auch auf Pflichtverletzungen vor Abschluss des Versicherungsvertrages bezieht, deren Folgen erst während der Versicherungszeit auftreten oder geltend gemacht werden. Gleiches gilt für etwaige Versicherungsfälle, die erst nach Ablauf der Versicherungszeit geltend gemacht werden, die ursächliche Pflichtverletzung aber noch während der Vertragslaufzeit stattgefunden hat. 49
50 II. Absicherung des Geschäftsführers 3. Haftungsbegrenzung durch D & O-Versicherung Directors` & Officers` Liability Insurance (D & O-Versicherungen) Umstritten ist, ob eine solche Versicherung, wenn sie auf Kosten der Gesellschaft abgeschlossen wird, ein Bestandteil der Vergütung ist Steuerrechtlichfolgt die Finanzverwaltung der Auffassung, dass die von dem Unternehmen gezahlten Versicherungsprämien einkommensteuerrechtlich nicht der Vergütung der versicherten Personen zuzurechnen sei, wenn das Unternehmen wirtschaftlich ein eigenes Interesse absichere. Mögliche Kriterien hierfür: das Management ist als Ganzes versichert es sind Schadensersatzforderungen gegen das Unternehmen abgedeckt die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag stehen dem Unternehmen zu der Prämienkalkulation liegen Betriebsdaten des Unternehmens zu Grunde Anderenfalls, d.h. wenn nicht unerhebliches Eigeninteresse des ArbN vorliegt, sind die Beiträge steuerrechtlich wie Arbeitslohn zu behandeln. 50
51 Grundlagen der Geschäftsleiterhaftung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: / (Kanzlei)
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