Untersuchungen zur astrogeodätischen Geoidlösung im Südosten Österreichs

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1 Untersuchungen zur astrogeodätischen Geoidlösung im Südosten Österreichs Masterarbeit von Bakk.techn. Bernadette Wiesenhofer Betreuer ao.univ.-prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Norbert KÜHTREIBER Institut für Navigation and Satellitengeodäsie Technische Universität Graz Graz, Juni 2007

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3 Danksagung Mein herzlicher Dank gilt all jenen, die in den letzten Jahren zum positiven Abschluss meines Studiums und zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Ganz besonders bin ich meinem Betreuer ao.univ.-prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Norbert Kühtreiber zu großem Dank verpflichtet. Nach einer Einstiegsarbeit in die Geoidforschung im Rahmen des Projekts 2 wusste ich zu Beginn der Diplomarbeit bereits was mich erwartet: eine gute fachliche und hilfsbereite Leitung meiner Diplomarbeit sowie eine stets motivierende und freundliche Unterstützung bei allen auftretenden Fragen und Problemen mit vielen gewährten Freiheiten im Arbeitsablauf. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit, die enorm motiviert hat. Des Weiteren möchte ich Univ.Doz. Mag. Dr. Roland Pail danken, welcher für auftretende Fragen immer ein offenes Ohr hat. Auch hat er mir als Projektmitarbeiterin die Möglichkeit gegeben, interessante Arbeiten am Institut für Navigation und Satellitengeodäsie durchzuführen und weitere Erfahrung auf dem Gebiet der Geoid- und Erdschwerefeldforschung zu sammeln. Großer Dank gilt auch Dr. Beat Bürki, für die Zurverfügungstellung des Messsytems ICARUS und für die vielen Tipps bei zahlreichen Telefongesprächen. Weiterer unschätzbarer Dank gilt... meinem Freund Elmar, welcher mir immer mit viele Liebe und großem Verständnis zur Seite gestanden ist und mich trotz eigenem Arbeitsstress bei den nächtlichen Messeinsätzen begleitet hat.... meinen Studienkollegen Christoph Abart, Philipp Berglez und Franz Weimann, für ihre Freundschaft, ihre Hilfe und Unterstützung im gesamten Lauf des Studiums und vor allem für ihren unermüdlichen Einsatz mich zu motivieren mein Studium trotz eines intensiven Hobbys kontinuierlich voranzutreiben. i

4 ... meinen Arbeits- und Bürokollegen, die mir bei Problemen am PC jederzeit sofort weiterhalfen. Informative, aufbauende und oft sehr unterhaltsame Bürogespräche haben immer zur guten Laune und einem hervorragenden Arbeitsklima beigetragen.... meiner Freundin Martina Lueger, die mich zu jeder Tages- und Nachtzeit bei der Feldarbeit begleitet hat. Ihr gebührt besondere Hochachtung, da sie bei den nächtlichen Messeinsätzen in oft entlegenen Gebieten viel Mut bewiesen hat. Last but not least möchte ich meinen Eltern einen besonderen Dank aussprechen. Sie haben mir nicht nur eine herrliche Kindheit, Schulzeit und unbekümmerte Studienzeit ermöglicht sondern mich jederzeit tatkräftig unterstützt, gefördert und mir in stressigen Tage viele meiner täglichen Pflichten abgenommen. ii

5 Zusammenfassung Die Geoidbestimmung gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Geodäsie. Die zuletzt in Österreich durchgeführte Geoidberechnung im Jahr 2002, stammt von Norbert Kühtreiber. Das Geoid wurde mit Hilfe der Kollokation nach kleinsten Quadraten aus einer Kombination von Schwereanomalien und Lotabweichungen bestimmt. Im Rahmen dieser Berechnungen wurden auch ein rein gravimetrisches und ein rein astrogeodätisches Geoid von Österreich bestimmt. Die unterschiedlichen Messdaten, sowie die damit verbundenen unterschiedlichen Berechnungsmodelle, ermöglichen eine Kontrolle der beiden Geoidlösungen. Bei dem Vergleich der beiden Verfahren zeigen sich in einigen Regionen große Differenzen. Die größten Abweichungen treten im Südosten Österreichs auf. Eine mögliche Ursache für diese Unterschiede wurde in der Verteilung der Lotabweichungspunkte vermutet. Im Rahmen dieser Magisterarbeit wurden die Abweichungen zwischen der gravimetrischen und der astrogeodätischen Geoidlösung in diesem Gebiet genauer untersucht. In mehreren Simulationen wurde mit Hilfe der Kollokation nach kleinsten Quadraten die Lotabweichungskomponenten ξ, η für Verdichtungspunkte aus den Schwereanomalien prädiziert, und die Auswirkung der prädizierten Punkte auf die astrogeodätische Lösung analysiert. Die Analysen zeigten deutlich die vermuteten Schwächen in der Konfiguration der Lotabweichungspunkte auf. Die Ergebnisse dieser Simulationen bildeten die Basis für die Auswahl von Punkten für Lotabweichungsmessungen. Die praktische Beobachtung der astronomischen Länge und der astronomischen Breite zur Bestimmung der Lotabweichungskomponenten ξ, η erfolgte mit dem Messsystem ICARUS, welches von Beat Bürki, ETH-Zürich, entwickelt wurde. Der Einfluss der Neumessungen auf die Geoidlösung wurde mit weiteren Vergleichen verifiziert. Durch einen Vergleich mit den Simulationen ohne die Neumessungen konnte der Verdacht, dass die geringe Anzahl an gemessenen Lotabweichungspunkten Hauptverursacher der Differenzen war, klar bestätigt werden. Durch die Hinzunahme der Neumessungen wurde die astrogeodätische Geoidlösung gestärkt und die Abweichungen zur gravimetrischen Geoidlösung wurden deutlich kleiner. Weiters konnten fehlerhafte Messungen identifiziert werden, welche ebenfalls Anteil an den Differenzen hatten. iii

6 Abstract The determination of the geoid is one of the most important tasks in geodesy. The latest Austrian geoid has been computed by a combination of deflections of the vertical and gravity anomalies using least squares collocation by Norbert Kühtreiber in In the context of that investigations, also a purely gravimetric and a purely astrogeodetic geoid have been determined. The different kind of input-data and the different solution strategies allow to compare and evaluate the two geoid solutions. The comparison revealed regions with large discrepancies between the gravimetric and astro-geodetic geoid solution. One interesting region is the southeast of Austria. One reason for these differences is suspected to be the poor configuration of measured points of deflections of the vertical. In the context of this master thesis investigations based on Least Squares Collocation have been conducted for the data in this region. In several simulations the components of the deflections of the vertical ξ, η have been predicted for additional points using gravity anomalies. The effects of these new points have been analysed, what finally revealed regions with an insufficient distribution of measured points. Thus, the results of theses simulations defined the criteria for the selection of additional measurement points of deflections of the vertical. New measurements have been conducted using the system ICARUS, developed by Beat Bürki, ETH Zürich, was used. Further investigations verified the effect of the newly measured points. The comparison with the solution of the simulations without the new measurements indicates the insufficient distribution of measured points together with erroneous measurements as main reason of the major discrepancies. iv

7 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung Problemstellung und Zielsetzung Strukturierung der Arbeit und Referenzen Grundlagen der physikalischen Geodäsie Erdmodelle Schwerefeld Bestandteil Definition Schwerepotential der Erde Niveauflächen Das Geoid Definition Bedeutung des Geoids Lotlinie, Lotabweichung und Geoidundulation Bestimmung des Geoids Astronomische Geodäsie Koordinatensysteme Zeit Sternenkatalog Bestimmung des geographischen Orts nach dem Standlinienverfahren DasGeoidinÖsterreich Schwerpunkte der Geoidforschung in Österreich seit Projekt GEOnAUT Österreichische Schweredaten Lotabweichungen Schwere Schwerereduktion in Österreich Grundlagen der Reduktionen Höhenmodell in Österreich Dichtemodell in Österreich Programm zur Berechnung der Reduktionen v

8 Inhaltsverzeichnis 4 Kollokation Über die Interpolation nach kleinsten Quadraten zur Kollokation nach kleinsten Quadraten Interpolation nach kleinsten Quadraten Kollokation nach kleinsten Quadraten Kovarianzfunktion Generalisierung der Kollokation Empirische, lokale und globale Kovarianzfunktion Kovarianzfunktion nach Tscherning-Rapp Geschlossene Kovarianzgleichung des Störpotentials Geschlossene Kovarianzgleichungen für Höhenanomalien, Schwereanomalien und Lotabweichungen Verwendung von empirisch bestimmten Kovarianzen und Repräsentation einer lokalen Kovarianzfunktion Anpassung der Kovarianzfunktion Untersuchungen im Südosten Österreichs Ausgangssituation Methodik der Simulation Testfeld und Beobachtungsdaten Kollokationsprogramm und Parameter der Kovarianzfunktion Messsystem ICARUS Bestimmung der astronomischen Koordinaten Programme EPHEM und ICARUS Systematische Einflüsse auf die Zenitdistanzmessung Messdauer Installation der Software und Konfigurationsdateien Simulationen und Messung Simulationen Allgemeine Erklärungen zu den Graphiken der Simulationen Kovarianzfunktion und Fehlerverhalten der Kollokation Überprüfung der Qualität der vorhandenen Lotabweichungsmessungen Auswahl von möglichen Neupunkten Messkampagne Punktauswahl Messung Auswertung der Messungen Auswirkungen der Neumessungen vi

9 Inhaltsverzeichnis Lotabweichungen Geoidhöhen Diskussion, Ausblick 92 Abbildungsverzeichnis 94 Tabellenverzeichnis 96 Literaturverzeichnis 97 vii

10 1 Einführung 1.1 Problemstellung und Zielsetzung Ausgangspunkt dieser Magisterarbeit bildete die Untersuchungen von Norbert Kühtreiber im Rahmen seiner Geoidbestimmung im Jahr In diesen Untersuchungen wurde intensiv auf die Datenkombination von Schwereanomalien und Lotabweichungen mittels Kollokation nach kleinsten Quadraten eingegangen. Die Kombination heterogener Daten ist stark von der Anzahl sowie der Verteilung der Daten und der Gewichtung der jeweiligen Datengruppen abhängig [Küh02]. Werden die Geoidlösungen der jeweiligen Datengruppe einzeln betrachtet, das heißt die gravimetrische Geoidlösung mit der astrogeodätischen Geoidlösung verglichen, treten in einigen Regionen Abweichungen auf. Im Südosten Österreichs treten besonders große Differenzen bis zu 20 cm zwischen den beiden Geoidlösungen auf. Dieses Gebiet stand im Mittelpunkt des Interesses und der Untersuchungen der hier vorgestellten Magisterarbeit. Bereits in [Küh02] wird die in dieser Region geringe Anzahl an Punkten mit gemessener Lotabweichung als Hauptgrund für die großen Abweichungen vermutet. Hauptziel dieser Arbeit war es, mit detaillierten Untersuchungen und der Durchführung von astrogeodätischen Messungen die der Geoidberechnung zugrunde liegenden Lotabweichungspunkte genauer zu betrachten. Der Vermutung, dass die geringe Dichte an Lotabweichungspunkten Hautverursacher der Abweichungen ist, soll weiter nachgegangen werden sowie weitere Gründe für die Abweichungen aufgedeckt werden. Basis der theoretischen Untersuchung sollte die in der Erdschwerefeldbestimmung bewährte Prädiktionsmethode, die Kollokation nach kleinsten Quadraten, bilden. Folgende Meilensteine wurden gesetzt: Studium einschlägiger Literatur zu dem Themengebiet der Erdschwerefeldforschung, sowie die Erarbeitung der grundlegenden Theorien der physikalischen Geodäsie und der Kollokation nach kleinsten Quadraten Studium der Geoidforschung in Österreich, sowie des vorhandenen Datenmaterials an Lotabweichungs- und Schweremessungen Entwicklung von geeigneten Simulationsmethoden zur Untersuchung des Datenmaterials, sowie des Einflusses der Verteilung und der Konfiguration der Daten auf die Geoidbestimmung 1

11 1 Einführung Gezielte Auswahl von Punkten für astrogeodätische Neumessungen der Lotabweichungskomponenten Neubestimmung der Lotabweichungskomponenten der ausgewählten Punkte mit dem astrogeodätischen Messsystem ICARUS Analyse des Einflusses auf die astrogeodätische Geoidlösung durch die Hinzunahme der Messungen an den neuen Punkten 1.2 Strukturierung der Arbeit und Referenzen Die vorgestellte Arbeit gliedert sich in zwei Teile: Im ersten Teil werden die theoretischen Grundlagen alle jener Themenbereiche erarbeitet, die im zweiten Teil, welcher die praktische Durchführung der Untersuchungen und der Messungen behandelt, angewendet werden. Beide Teile setzen sich jeweils aus drei Kapiteln zusammen. Teil A Theorie Im ersten Kapitel wird kurz auf die historische Geschichte der Bestimmung der Erdgestalt eingegangen. Anschließend wird ein Überblick über die Potentialtheorie mit besonderem Augenmerk auf das Geoid und die Bestimmung des Geoids gegeben. Diese theoretischen Teile sind stark an die beiden grundlegenden Werke Geodäsie von Wolfgang Torge [Tor75] und Physical Geodesy von Bernhard Hofmann-Wellenhof und Helmut Moritz [HWM05], sowie dem Skriptum Physikalische Geodäsie von Norbert Kühtreiber [Küh05] angelehnt. Weiters werden im ersten Kapitel die Grundlagen der Astronomischen Geodäsie erörtert. Für die Erarbeitung dieses Teils wurde ebenfalls das Werk Geodäsie von Wolfgang Torge als Basis herangezogen sowie weiters das Buch Geodätische Astronomie von Rudolf Sigl [Sig75] und das Hochschulskriptum Sphärische Astronomie I (Grundlagen) von Karl Rinner und Herbert Lichtenegger [RL77], die Unterlagen eines Seminarvortrags Astronomisches Praktikum von Ulrich Weinbach [Wei06] sowie das Skriptum Erdmessung, Teile 1 und 2 von Reiner Rummel [Rum05] verwendet. Das zweite Kapitel befasst sich im Detail mit der Geoidbestimmung in Österreich. Zunächst wird ein kurzer geschichtlicher Rückblick über die Geoidbestimmung sowie über die gravimetrischen und astrogeodätischen Messkampagnen in Österreich gegeben. Die Informationen dieses Kapitels stammen aus dem Buch Das Geoid von Österreich Geodätische Arbeiten Österreichs für die Internationale Erdmessung [LRS87]. Folgende Beiträge aus diesem Band wurden dafür verwendet: Karl Rinner: Stand und Zielsetzung der Geoidforschung in Österreich [Rin83] Kurt Bretterbauer, Gottfried Gerstbach: Die astro-geodätische Arbeiten der TU-Wien [BG83] 2

12 1 Einführung Herbert Lichtenegger, Günther Chesi: Astro-geodätische Messungen zur Bestimmung des Geoides (Beitrag der TU-Graz) [LC83] Weiters wird die Entstehungsgeschichte des österreichischen Höhen- und Dichtemodells erklärt. Die Informationen wurden großteils von den beiden Beiträgen Ein digitales Höhenmodell von Österreich von Diethard Ruess [Rue83] und Über das Dichtemodell in Österreich von Harald Granser, Konrad Hösch, Peter Steinhauser und Diethart Zych [GHSZ83] aus dem Band Geoid in Österreich entnommen. Als zweite Quelle diente eine Veröffentlichung von Diethard Ruess im Eich und Vermessungsmagazin (EVM) [Rue95]. Zusätzlich werden in diesem Kapitel die Grundlagen der Schwerefeldreduktionen und das dafür an der Technischen Universität Graz verwendete Programm beschrieben. Für diesen Teil wurden das Buch Physical Geodesy [HWM05], das Buch Geodäsie [Tor75] sowie eine Publikation von Rene Forsberg [For84] verwendet. Das dritte Kapitel des ersten Teils befasst sich mit der Kollokation nach kleinsten Quadraten. Basis für dieses Kapitel bildete das fundamentale Buch Advanced Physical Geodesy von Helmut Moritz [Mor89], sowie das Werk Physical Geodesy von Bernhard Hofmann-Wellenhof und Helmut Moritz [HWM05]. Die Beschreibung der Kovarianzmodelle von Tscherning, Rapp entstammt folgenden zwei Veröffentlichungen: Carl Christian Tscherning, Richard H. Rapp: Closed covariance expressions for gravity anomalies, geoid undulations and deflections of the vertical implied by anomaly degreevariance models [TR74] Carl Christian Tscherning: Covariance expressions for second and lower order derivatives of the anomalous potential [Tsc75] Teil B Praxis Der zweite Teil beschreibt aufbauend auf den theoretischen Grundlagen den praktischen Schwerpunkt dieser Magisterarbeit. Im fünften Kapitel wird dabei die Methodik der durchgeführten Simulationen erläutert. Im Detail wird der Aufbau der Untersuchungen, sowie das ausgewählte Testgebiet, die verwendete Kovarianzfunktion mit ihren Parametern und das für die praktischen Messungen verwendete Messsystem ICARUS beschrieben. Die Systembeschreibung des von der ETH-Zürich entwickelten Systems ICARUS entstammt dessen Bedienungsanleitung [GG01]. Kapitel Sechs teilt sich in drei Teile. Zuerst werden die einzelnen Simulationen und ihre Ergebnisse besprochen. Der zweite Teil widmet sich der astrogeodätischen Messkampagne der ausgewählten Punkte. Im letzten Teil des sechsten Kapitels wird der Einfluss der Neumessungen analysiert. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung und einer Diskussion der Ergebnisse und den daraus erzielten Erkenntnissen ab. 3

13 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie 2.1 Erdmodelle Die Frage nach der Gestalt der Erde beschäftigt die Wissenschaft schon seit Jahrhunderten. Bereits im Altertum wurden Ideen und Modelle der theoretischen Gestalt der Erde entwickelt. So sprach Thales von Milet 600 v. Chr. davon, dass die Erde eine große Scheibe sei. Die bekannten Mathematiker und Philosophen Pythagoras (geb. 582 v. Chr.) und Aristoteles (geb. 384 v. Chr.) vertraten jedoch die Meinung, dass die Erde Kugelgestalt hat. Diese Ansicht wurde von Eratosthenes (geb. 276 v. Chr.) unterstützt. Durch das von ihm entwickelte Prinzip der Gradmessung, welches auf der Annahme eines sphärischen Kugelmodells beruht, berechnete er erstmals den Erdradius. Die Gradmessung wurde bis in die Neuzeit angewendet. Im Mittelalter wurde der Bestimmung der Erdfigur keine große Bedeutung beigemessen. Erst zu Beginn der Neuzeit wurde die von der Kugelgestalt ausgehende Gradmessung wieder verstärkt angewendet. Die Entwicklung der Triangulation 1589 durch den Dänen T. Brahe und den Niederländer W. Snellius sowie die Erfindung des Keplerschen Fernrohr (1611 von Kepler) revolutionierten die Gradmessung. Der Astronom J. D. Cassini beobachtet 1666 beim Planeten Jupiter eine Abplattung an beiden Polen. Sechs Jahre danach kam der Astronom J. Richter aufgrund eines Sekundenpendels, welches auf dem Weg von Paris nach Cayenne neu zu justieren war, zur Erkenntnis, dass an den Polen eine größere Schwerkraft als am Äquator herrschen muss. Aufbauend auf dieser Erkenntnis entwickelten I. Netwon (geb. 1634) und Ch. Huygens (geb. 1629) physikalisch begründete Erdmodelle mit einer Abplattung an den Polen: das ellipsoidische Erdmodell war geboren. Die Abplattung der Erde wurde in den folgenden Jahren durch Gradmessungen in Lappland, in Peru sowie in Paris nachgewiesen. Anfang des 19. Jahrhunderts erkannten unter anderem P.-S. Laplace, C. F. Gauß und F. W. Bessel dass ein ellipsoidisches Erdmodell bei einer hohen Messgenauigkeit nicht ausreichend ist. Die Abweichung zwischen der Ellipsoidnormalen und der physischen Lotrichtung, nach welcher sich das Messsystem ausrichtet, ist nicht mehr vernachlässigbar. Bereits 1828 weist C.F. Gauß auf eine ausgezeichnete Fläche hin, welche die Figur der Erde beschreibt: Was wir im geometrischen Sinn Oberfläche der Erde nennen, ist nichts anderes als diejenige Fläche, welche überall die Richtung der Schwere senkrecht schneidet und von der die Oberfläche der Weltmeere einen Teil ausmacht (C.F.Gauß Bestimmung des Breitenunterschieds zwischen den Sternwarten von Göttingen und Altona. Göttingen 1828). 4

14 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Ebene Kugel Ellipsoid Geoid Abbildung 2.1: Erdmodelle im Wandel der Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts führte F.R. Helmert ein grundlegende Definition der Geodäsie ein und trug wesentlich zu einer neuen Auffassung der Erdfigur entsprechende der von C.F.Gauß definierten Fläche bei. Im Jahre 1872 hat J.B. Listing für diese Fläche den Namen Geoid eingeführt. Die Bestimmung des Geoids und die Bestimmung des Erdschwerefeldes, in welchem das Geoid als Randfläche definiert ist, wurde für etwa 70 Jahre ( ) das Hauptziel der Geodäsie. Abbildung 2.1 zeigt die verschiedenen Erdmodelle. Mitte des 20. Jahrhundert wurden die Erdschwerefeldforschung und somit auch die Geoidforschung durch die Entwicklung künstlicher Satelliten revolutioniert. Speziell entwickelte Satellitenmissionen zur Erdschwerefeldbestimmung öffneten eine neue Welt für die Forschung auf diesem Gebiet. 2.2 Schwerefeld Bestandteil Definition Die Schwerkraft eines mit der Erde rotierenden Punkts setzt sich aus den auf diesen Punkt wirkenden Gravitationskräften der Erde und anderer Himmelskörper sowie aus der Zentrifugalkraft der Erdrotation zusammen. Aufgrund mehrerer Effekte ist die Schwerkraft auf der Erde ungleich groß. Die Anziehung am Pol ist aufgrund der Abplattung um zirka 1/200 größer als am Äquator. Mit zunehmender Entfernung von den anziehenden Massen nimmt auch die Anziehungskraft ab. Zusätzlich zu diesen beiden Haupteffekten bewirkt die unregelmäßige Massenverteilung im Erdinneren globale, lokale und regionale Unregelmäßigkeiten. Die Schwerkraft ist somit eine Funktion der Position auf der Erde und ist zusätzlich auch temporären Veränderungen unterworfen, somit ist die Größe der Schwerkraft auch von der Zeit abhängig. Als Schwerebeschleunigung wird die Beschleunigung, die ein Körper aufgrund der Schwerkraft im freien Fall erfährt, genannt. Analog zur Schwerkraft setzt sich die Schwerebeschleunigung g aus der Gravitationsbeschleunigung, kurz Gravitation b, und der Zentrifugalbeschleunigung z zusammen. 5

15 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie g = b + z (2.1) Bei genauer Betrachtung kann die Schwerebeschleunigung durch einen Vektor, den Schwerevektor, dargestellt werden. Die Magnitude dieses Vektors wird als Schwere bezeichnet, die Richtung als Lotlinie. Das Schwerefeld außerhalb der Erde (äußeres Schwerefeld) kann der Schwerewirkung einer Kugelform genähert werden, da die gravitative Anziehungskraft der Erdmasse bei weitem den größten Teil der Schwerkraft der Erde ausmacht Schwerepotential der Erde Das Potential wird oft zur allgemeinen Darstellung des Schwerefeldes verwendet. Das Potential kennzeichnet die in einem System vorhandene Kraft Arbeit zu verrichten. Genaugenommen wird mit dem Potential die Kraft definiert, die geleistet werden muss, um ein Massenelement aus dem Unendlichen zum Punkt P transportieren zu können. Das Schwerepotential der Erde setzt sich aus dem Gravitationspotential V und dem Zentrifugalpotential Φ zusammen. W = V +Φ (2.2) Das Gravitationspotential ist eine skalare Funktion V = Gm l, (2.3) wobei m die anziehende Masse ist und l die Distanz zu einem Punkt mit Masse m =1.Die erste Ableitungen des Gravitationspotentials nach x, y und z bilden die drei Komponenten des Raumvektors der Anziehungskraft. Das Potential eines Systems mit mehreren Punktmassen setzt sich aus der Summe der Einflüsse der einzelnen Massen zusammen. V = V 1 + V 2 + V 3... (2.4) Das Gravitationspotential der Erde kann als eine Zusammensetzung von kontinuierlich verteilten Massenelementen dm = ρ dv (2.5) betrachtet werden, dabei ist ρ die Dichte am Quellpunkt Q und dv ist das Volumselement. Aus der Summe in (2.4) wird ein Integral über das gesamte Volumen der Erde V = V (r) =G Erde dm l = G Erde ρ dv. (2.6) l Die Distanz zwischen der anziehenden Erdmasse und dem Aufpunkt P wird mit l bezeichnet. Liegt der Aufpunkt P im Außenraum (ρ =0) der anziehenden Quellmasse (Erdkugel) ist l > 0 und das Potential erfüllt die Laplacesche Differentialgleichung 6

16 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie V =0 (2.7) mit = 2 x y z 2. (2.8) Funktionen mit stetigen ersten und zweiten Ableitungen, welche (2.7) erfüllen werden als harmonische Funktionen bezeichnet. Das Gravitationspotential der Erde im Außenraum ist eine harmonische Funktion. Aufgrund eines Dichtesprungs beim Übergang vom Außenraum auf den Innenraum, sowie aufgrund von Dichtesprüngen im Erdinneren (ρ 0!) erfüllt das Gravitationspotential des Innraums nicht mehr die Laplacesche Differentialgleichung. Die zweiten Ableitungen weisen Unstetigkeiten auf. Das Potential im Innenraum erfüllt die Poissonsche Differentialgleichung V = 4πGρ. (2.9) Wird die Funktion V im System der sphärischen Koordinaten r, ϑ, λ dargestellt, erhält man als Lösung der Laplaceschen Differentialgleichung eine Kugelfunktionsentwicklung des Gravitationspotentials V (r, ϑ, λ) = GM r ( 1+ n=1 m=0 ) n ( a ) n Pnm (cos ϑ)[c nm cos mλ + S nm sin mλ]. (2.10) r G bezeichnet die Gravitationskonstante und M die Erdmasse. Der Abstand des Berechnungspunkts vom Massenmittelpunkt der Erde wird mit r bezeichnet. Die Konstante a definiert die große Halbachse des Erdellipsoids. Grad und Ordnung der Reihentwicklung werden durch n und m angegeben, je höher die Reihe entwickelt wird, desto besser nähert sie sich dem tatsächlichen Verlauf des Gravitationspotentials an. P nm sind die Legendreschen Funktionen und C nm, S nm sind die harmonischen Reihenkoeffizienten, auch Schwerefeldkoeffizienten genannt. Im Gegensatz zum Gravitationspotential ist die Funktion des Zentrifugalpotentials Φ= 1 2 ω2 (x 2 + y 2 ) (2.11) eine einfache analytische Funktion. Jedoch erfüllt diese nicht die Laplacesche Differentialgleichung und ist somit auch keine harmonische Funktion. Die Konstante ω bezeichnet die Winkelgeschwindigkeit der Erde, die Variablen x, y sind die Koordinaten des Aufpunkts in einem erdfesten kartesischen System Niveauflächen Flächen mit konstantem Schwerepotential W (x, y, z) =const (2.12) 7

17 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Punkt auf Erdoberfläche Hortho Schwerevektor g GEOID W=W0 Lotlinien Niveauflächen W=constant Abbildung 2.2: Niveauflächen werden als Niveau-, Äquipotential- oder Geopotentialflächen bezeichnet. Auf diesen Flächen muss für die Verschiebung eines Massenelements dm keine Arbeit geleistet werden. Lotlinien, welche als Richtung des Schwerevektors definiert sind, schneiden alle Niveauflächen orthogonal. Da Niveauflächen nicht parallel zueinander verlaufen, sondern eine polare Konvergenz aufweisen, sind Lotlinien leicht gekrümmte Raumkurven. Der Schwerevektor eines Punkts ist die Tangente an die Lotlinie in diesem Punkt. Die Höhe H eines Punkts P wird als orthometrische Höhe bezeichnet, und wird entlang der gekrümmten Lotlinie gemessen. In Abbildung 2.2 sind Niveauflächen, Lotlinien, Schwerevektoren sowie die orthometrische Höhe dargestellt. Als eine ausgezeichnete Niveaufläche gilt das Geoid. Dieses definiert die Niveaufläche mit W = W0, welche mit der mittleren Oberfläche der ruhenden Weltmeere zusammenfällt. 2.3 Das Geoid Definition Idealisiert wird das Meer als frei bewegliche, homogene Masse betrachtet, welche nur der Erdschwerkraft unterworfen ist und welche nach Erreichen des Gleichgewichtszustands einen Teil einer Niveaufläche des Schwerefeldes realisiert. Denkt man sich diesen Teil der Niveaufläche unter den Kontinenten fortgesetzt, ergibt sich eine in sich geschlossene und stetige Niveaufläche: das Geoid. 8

18 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Bedeutung des Geoids Das Studium und die Bestimmung des Geoids haben sowohl aus wissenschaftlicher Sicht wichtige Gründe als auch in der praktischen Anwendung für hoch genauen Messungen. Durch Analysen des äußeren Schwerefeldes können Informationen über den Aufbau und das Verhalten des Erdinneren gewonnen werden. Aus Kleinformen des Geoids kann auf die Zusammensetzung der Erdkruste und auf wirtschaftlich interessante mineralische und organische Einlagerungen geschlossen werden. In der praktischen Anwendung hat das Geoid große Bedeutung für die Bestimmung von orthometrischen Höhen. Das Geoid dient als Bezugssystem für Potential- oder Höhendifferenzen, welche das Nivellement in Verbindung mit Schweremessungen liefert. Über die Undulation ist die nivellitische Höhe mit einer trigonometrisch bestimmten Höhe (bezogen auf ein Referenzellipsoid) verbunden (siehe auch Kapitel 2.3.3) Lotlinie, Lotabweichung und Geoidundulation Das Geoid ist das Bezugssystem physikalischer Messungen, da die Messsysteme entsprechend dem natürlichen Lot ausgerichtet werden. Das natürliche Lot entspricht der Flächennormalen auf das Geoid. Da jedoch das Geoid durch seine unregelmäßige Form mathematisch sehr schwer zu beschreiben ist, werden als Bezugsflächen für Berechnungen einfache mathematisch definierte Flächen, wie die Kugel oder das Rotationsellipsoid, eingeführt. Betrachtet man im Gegensatz zum Geoid ein Rotationsellipsoid, werden dessen Flächennormale als normale Lotrichtungen bezeichnet. Die tatsächliche Lotrichung wird durch die astronomischen Koordinaten Φ und Λ definiert, die Richtung der Ellipsoidnormalen durch die ellipsoidischen Koordinaten ϕ und λ (Abbildung 2.3). Der Winkel zwischen diesen beiden Lotrichtungen wird als totale Lotabweichung ϑ bezeichnet. Wird ein Punkt P auf dem Geoid entlang der Ellpsoidnormalen auf den Punkt Q eines Referenzellipsoids projiziert, erhält man als den Höhenunterschied zwischen P und Q entlang Ellipsoidnormale Parallele zur Erdrotationsachse Zenitrichtung g Ellipsoid Geoid Abbildung 2.3: Bezugsflächen Ellipsoid und Geoid 9

19 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie P Lotabweichung h H ortho N Erdoberfläche Q Geoid Ellipsoid Abbildung 2.4: Geoidundulation und Lotabweichung der Ellipsoidnormalen die Geoidundulation. Abbildung 2.4 zeigt die Lotabweichung und die Geoidundulation. Die totale Lotabweichung ϑ wird durch zwei zueinander rechtwinkelige Komponenten, der Nord-Süd Komponente ξ und der Ost-West Komponente η, dargestellt: ξ =Φ ϕ (2.13) η =(Λ λ)cosϕ. (2.14) Die Lotabweichung ist vom Azimut abhängig und hat in einem bestimmten Azimut α die Größe ε = ξcosα+ ηsinα. (2.15) Mit der Annahme, dass die kleine Halbachse des Referenzellipsoids parallel zur Rotationsachse der Erde ist, lassen sich die beiden Komponenten über die Differenz zwischen den astronomischen und den ellipsoidischen Koordinaten darstellen. Die Lotabweichung kann so auch als sphärische Distanz zwischen den Spurpunkten des astronomischen und des geodätischen Zenits Z a beziehungsweise Z g gesehen werden. Die verschiedenen Richtungen in ihrer gegenseitigen Lage zueinander können sehr überschaubar auf der Richtungskugel dargestellt werden. Der Mittelpunkt der Richtungskugel wird durch parallel Verschieben aller Richtungsvektoren im Raum in einen Punkt gebildet, der Radius ist beliebig. Richtungen werden auf der Oberfläche der Richtungskugel als Punkte dargestellt, Ebenen als Großkreise. Der Winkel zwischen zwei beliebigen Richtungen ist dementsprechend gleich dem Großkreisbogen durch die beiden repräsentativen Punkte. In Abbildung 2.5 ist die Lotabweichung auf der Richtungskugel dargestellt. 10

20 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Pol Z a Greenwich cos Z g Abbildung 2.5: Lotabweichung dargestellt auf der Richtungskugel Bestimmung des Geoids Astrogeodätische Geoidbestimmung Die astrogeodätische Geoidbestimmung bezeichnet die Bestimmung des Geoids aus astronomisch gemessenen Lotabweichungen. Eine klassische Methode ist die Verwendung des astronomischen Nivellements nach Helmert. Wird die Lotabweichung am Geoid ε 0 entlang eines Profils AB mit dem Azimut α (Abbildung 2.6) betrachtet, ist die Änderung in der Geoidhöhe aufgrund der Lotabweichung nicht sehr stark. Daher kann mit linearen (differentiellen) Approximationen und Tangenten gerechnet werden. Ellipsoidnormale Lotrichtung -dn N A Geoid A ds B N B Ellipsoid Abbildung 2.6: Lotabweichungs-Profil AB 11

21 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Da die Lotabweichung ε 0 sehr klein ist, gilt tanε 0. = ε0 (2.16) Damit lässt sich aus Abbildung 2.6 die differentielle Beziehung zwischen der Geoidundulation N und der Lotabweichung ε 0 dn = ε 0 (s) ds (2.17) ablesen. Das Minuszeichen in (2.17) ist Konvention. Wird nun entlang des Wegstückes ds integriert, erhält man die Formel für das astronomische Nivellement B N = N B N A = ε 0 (s) ds. (2.18) Das astronomische Nivellement wird auch Formel nach Helmert genannt. Diese Formel setzt voraus, dass die Lotabweichungen am Geoid definiert sind. Die an der Erdoberfläche gemessenen Lotabweichungen ε müssen deshalb um den Effekt der Lotkrümmung δε (Abbildung 2.7) reduziert werden, um entsprechende Lotabweichungen ε 0 am Geoid zu erhalten. A ε 0 = ε + δε (2.19) Eine analytische Integration von (2.18) wäre nur möglich wenn die Lotabweichungen als Funktion von s bekannt wären, was natürlich nicht der Fall ist. Der Geoidhöhenunterschied wird deshalb über den Differentialquotienten N = ε B ε A s AB (2.20) 2 genähert. Der Fehler dieser Näherungsformel ist in Abbildung 2.8 dargestellt. Für die Fläche F gilt: P Potentialfläche durch P H ortho Erdoberfläche P 0 Geoid Abbildung 2.7: Effekt der Lotkrümmung 12

22 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Fehler der Näherung F (s) (s) A s AB B s A s AB B s Abbildung 2.8: Fehler der Näherung N = F. (2.21) Mit der Formel von Helmert ist nur eine relative Geoidbestimmung möglich, die damit berechneten Geoidundulationen beziehen sich auf ein bestimmtes Geodätisches Datum eines ellipsoidischen ϕ, λ, h Systems. Gravimetrische Verfahren Die mathematische Bestimmung des Schwerepotentials im Außenraum der Erde aus messbaren, auf der Erdoberfläche in kontinuierlicher Form gegebenen Randwerten, wird als geodätisches Randwertproblem bezeichnet. Unterschiedliche Formulierungen von geodätischen Randwertproblemen unterscheiden sich unter anderem in der Wahl der Randflächen, in der Annahme über die vorgegebenen Randwerte sowie in der zu bestimmenden Funktion. Die von G.G. Stokes im Jahr 1849 definierte Aufgabe, die Gestalt des Geoids und des Schwerepotentials W im Außenraum des Geoids aus terrestrischen geodätischen Messungen zu bestimmen, bezeichnet man als das Stoke sche Randwertproblem. Hierbei ist das Geoid als Randfläche des Erdschwerefeldes definiert ( physikgeo.php). Um das nichtlineare Stoke sche Randwertproblem lösen zu können, muss es linearisiert werden. Dazu werden Näherungen für die Randfläche Geoid und das Schwerefeld (beziehungsweise das Schwerepotential) eingeführt. Das unbekannte, wahre Schwerefeld wird in ein Normalfeld und ein Störfeld aufgeteilt. Gleichermaßen kann das Schwerepotential W in ein Normalpotential U und ein Störpotential T aufgeteilt werden. W = U + T (2.22) Das Normalpotential ist eine gute Näherung des wahren Schwerepotentials, sodass als Störpotential eine kleine Größe übrig bleibt. Das Referenzellipsoid dient als Näherung für die Geoidfläche. Das Referenzellipsoid muss folgende Forderungen erfüllen: Das Ellipsoid soll dem Geoid möglichst ähnlich sein. Es muss daher eine Niveaufläche des Normalfeldes mit dem Potential U = U 0 sein 13

23 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Lotrichtung Ellipsoidnormale P N Q gp Q Geoid Ellipsoid Abbildung 2.9: Wahrer Schwerevektor und Schwerevektor des Normalfeldes Alle Außenraumpotentiale müssen harmonisch sein Die Masse des Ellipsoids ist vorgegeben und soll möglichst gleich der Erdmasse sein Der wahre Schwerevektor am Geoid im Punkt P wird als g P bezeichnet, γ Q repräsentiert den Schwerevektor des Normalfeldes am Referenzellipsoid im Punkt Q (Abbildung 2.9). Verschiebt man diese beiden Schwerevektoren in einen gemeinsamen Anfangspunkt, ergibt der Differenzvektor die am Geoid definierte Schwereanomalie g. g = g P γ Q (2.23) Aufgrund der Tatsache dass die Größen des Störfeldes sehr klein sind, kann über eine Linearisierung des Normalpotentials nach Taylor und der Annahme, dass U 0 = W 0 ist, der Satz von Bruns N = T (2.24) γ hergeleitet werden. Diese Formel beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Störpotential T und der Geoidhöhe N. Mitγ wird die Normalschwere, welche für das gewählte Referenzellipsoid berechnet wurde, bezeichnet. Die Kombination dieser Formel mit den Schwereanomalien g führt zur fundamentalen Grundgleichung der Geodäsie: g = T h + 1 γ γ h T (2.25) Die partielle Ableitung erfolgt längs der Höhe h. Werden durch Einführung eines Referenzradius R Größen in der Ordnung der Abplattung vernachlässigt, erhält man als sphärischen Approximation von (2.25): g = T r 2 T. (2.26) r Die exakte Herleitung von (2.25) und (2.26) ist in [HWM05] von Seite 93 bis 98 zu finden. Die Grundgleichung der Geodäsie verbindet die gemessenen Schwereanomalien mit dem gesuchten Störpotential. Ein Problem liegt allerdings in der Tatsache, dass Schwereanomalien 14

24 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie nur auf dem Geoid definiert sind. Die Grundgleichung ist deshalb keine zu lösende Differentialgleichung sondern stellt nur eine Randbedingung bei der Bestimmung von T dar. Zum Lösen der Grundgleichung sind folgende Schritte notwendig: Rechnerische Entfernung aller Massen außerhalb des Geoids Reihenentwicklung des Störpotentials in Kugelfunktionen Die Reihenentwicklung des Störpotentials in Kugelfunktionen kann vereinfacht unter Verwendung von Kugelflächenfunktionen T n ( ) R n+1 T (r, ϑ, λ) = T n (ϑ, λ) (2.27) r n=2 dargestellt werden. Die Reihenentwicklung wird erst ab Grad n =2begonnen, da die Masse des Referenzellipsoids gleich der Masse der Erdmasse gesetzt wird und somit keine Terme mit n =0enthalten sind. Die Terme mit n =1repräsentieren eine Translation des Ursprungs des Koordinatensystems. Wenn dieser mit dem Massenzentrum des Zentralkörpers zusammenfällt, werden diese Terme ebenfalls zu null. Die Grundgleichung der Geodäsie (2.26) liefert nach Einsetzen von (2.27) und deren erster Ableitung nach r die Kugelfunktionsentwicklung der Schwereanomalien: g(r, ϑ, λ) = 1 ( ) R n+1 (n 1) T n (ϑ, λ). (2.28) r r n=2 Da die Schwereanomalien g auf der Randfläche definiert sind, muss die Funktion der Schwereanomalien ebenfalls als Kugelfunktionsreihe entwickelbar sein. Für die sphärische Näherung r = R gilt: und T (ϑ, λ) = T n (ϑ, λ) (2.29) n=2 g(ϑ, λ) = 1 (n 1) T n (ϑ, λ). (2.30) R n=2 Analog zu T kann die Reihenentwicklung von g mit Hilfe von Kugelflächenfunktionen dargestellt werden, welche in weiterer Folge durch eine Integration der Schwereanomalien g über die gesamte Erdoberfläche g(ϑ, λ) = g n (ϑ, λ) = n=2 n=2 2n +1 4π σ g(ϑ,λ ) P n (cosψ) dσ (2.31) berechnet werden kann. Wobei ϑ, λ die Koordinaten des Aufpunkts P und ϑ,λ die Koordinaten des Integrationspunkts Q des Flächenelements dσ sind. Der sphärische Abstand 15

25 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie zwischen dem Aufpunkt P und dem Flächenelement dσ wird mit ψ bezeichnet. P n (cosψ) sind die Legendreschen Polynome. Die Beziehung zwischen den Kugelflächenfunktionen T n und g n ist über T n (ϑ, λ) = R n 1 g n(ϑ, λ) (2.32) gegeben, und damit ergibt sich für das Störpotential: T (ϑ, λ) = n=2 Wird (2.31) in (2.33) eingesetzt, erhält man die Formel von Stokes R n 1 g n(ϑ, λ) (2.33) T (ϑ, λ) = R 4π S(ψ) g(ϑ,λ ) dσ. (2.34) Die Funktion S(ψ) σ S(ψ) = n=2 2n +1 n 1 P n(cosψ) (2.35) wird als Funktion von Stokes bezeichnet. Setzt man die Stoke sche Formel in den Satz von Bruns ein, erhält man die Geoidundulation N. Die Berechnung der Geoidundulation mit der Stoke sche Formel wird als gravimetrischen Geoidbestimmung bezeichnet. Im Gegensatz zur astrogeodätischen Methode nimmt die gravimetrische Methode nicht von der Richtung des Schwerevektors und den geometrischen Beziehungen Gebrauch, sondern es wird die Magnitude des Schwerevektors als Randwert eingeführt. Mit der gravimetrischen Methode ist daher eine absolute Geoidbestimmung möglich, da bei der Berechnung theoretisch ein Integral über Schwereanomalien, welche kontinuierlich über die gesamte Erde verteilt sind, berechnet wird. Das Geoid bezieht sich somit auf ein geozentrisch gelagertes, mittleres Erdellipsoid. Weitere Verfahren Die Kollokation als Kombination der Astrogeodätischen und der Gravimetrischen Methode wird in Kapitel 4 detailiert beschrieben. Weitere Messverfahren zur Geoidbestimmung sind: Inertial-, Doppler- und GPS-Messung Satellitenverfahren: Altimetrie 16

26 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie 2.4 Astronomische Geodäsie Die zentrale Aufgabe der astronomischen Geodäsie ist die Bestimmung von Lotrichtungen in einem erdfesten Bezugssystem mit Hilfe von Richtungsbeobachtungen auf erdfesten Standpunkten zu Fixsternen. Die Bestimmung der Lotabweichungskomponenten durch die astronomische Geodäsie ist für die hochgenaue Geoidbestimmung ein wichtiger Bestandteil Koordinatensysteme In der astronomischen Ortsbestimmung werden mehrere Koordinatensysteme benötigt. Die Lotrichtung soll in einem erdfesten Äquatorsystem bestimmt werden, die Koordinaten der beobachteten Himmelsobjekte liegen in einem raumfesten Äquatorsystem vor, gemessen wird in einem lokalen Horizontsystem. Im Folgenden werden diese Koordinatensysteme mit besonderem Augenmerk auf die Verwendung in der astronomischen Geodäsie vorgestellt. Erdfestes Äquatorsystem Bei einem erdfesten Koordinatensystem sind der Ursprung des Systems und die Koordinatenachsen fest mit der Erde verbunden. Der Massenschwerpunkt der Erde wird als Ursprung definiert. Die X-Achse ist die Schnittlinie der Meridianebene von Greenwich mit der Äquatorebene, die Y-Achse steht normal auf die X- und Z-Achse und weist nach Osten. Die Z-Achse wird so gewählt, dass sie nahezu mit der Rotationsachse zusammenfällt. Nahezu deshalb, da sich die Rotationsachse aufgrund von atmosphärischen Zirkulation und der Massenverschiebung im Erdinneren relativ zur festen Erde bewegt. Dieser Effekt wird Polbewegung genannt. Die Polbewegung setzt sich aus einem langperiodischen Teil, welcher einer kreisförmigen Bahn mit der Periode von zirka 14 Monaten und einer Amplitude von maximal 12 m entspricht, und einer kurzperiodischen Bewegung mit einer Periode von einem Tag und einer maximalen Amplitude von etwa 60 cm zusammen. Um die Z-Achse eindeutig festlegen zu können, muss ein mittlerer Pol, der Conventional International Origin (CIO), definiert werden. Die Polkoordinaten x P und y P, welche die Lage des wahren Pols gegenüber dem mittleren Pol beschreiben werden vom Bureau International de l Heure durch Breitenbeobachtung berechnet und veröffentlicht. Das erdfeste Koordinatensystem ist der Eigenbewegung der Erde unterworfen, das Koordinatensystem dreht sich mit. In diesem System kann ein Punkt neben einem kartesischen Koordinatentripel durch seine natürlichen (astronomischen) Koordinaten (ϕ, λ) und der Höhe H ortho bezogen auf das Geoid beschrieben werden. Die astronomische Breite ϕ ist der in der Meridianebene gemessene Richtungswinkel, den die Zenitrichtung in P gegenüber der Ebene des Äquators aufspannt. Die Zählung dieses Richtungswinkels erfolgt vom Äquator aus nach Norden positiv und nach Süden negativ. Die astronomische Länge λ ist der Richtungswinkel, den die Meridianebene von P mit der Meridianebene von Greenwich, einschließt. Die Zählung 17

27 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie dieses Winkels beginnt vereinbarungsgemäß an diesem Bezugsmeridian und wird nach Osten positiv gezählt. Raumfestes Äquatorsystem Für Punkte oder auch Satellitenbahnen, die unabhängig von der Erdrotation fest im Raum liegen, benötigt man ein raumfestes Äquatorsystem (astronomisches Koordinatensystem). Koordinatenursprung dieses Systems ist ebenfalls das Geozentrum. Die weiteren wesentlichen Bezugselemente, Rotationsachse, Himmelsäquator und Stundenkreis in Richtung des Frühlingspunkts, können durch Übertragung des erdfesten Koordinatensystems auf die Himmelskugel definiert werden. Die Rotationsachse entspricht einer Verlängerung der Erdrotationsachse bis zu dem Himmelspol P N, welcher dem Mittelpunkt der Bahnkreise der Sterne bei der scheinbaren Drehung des Himmelsgewölbes entspricht. Der Himmelsäquator Ä ist die Schnittlinie der Fläche des Erdäquators mit der Himmelskugel und enthält alle Gestirnsrichtungen die senkrecht zur Rotationsachsenrichtung liegen. Stundenkreise sind die senkrecht zum Himmelsäquator durch die Himmelspole laufenden Großkreise. Die zum Himmelsäquator parallel laufenden Kleinkreise werden als Deklinationsparallelen bezeichnet. Als ausgezeichneter Stundenkreis K γ wird jener Stundenkreis gewählt, der die Richtung zum Frühlingspunkt γ (=Ort der Sonne zu Frühlingsbeginn) enthält. Das System ist mit dem Fixsternehimmel verbunden und rotiert somit gegenüber der Erde. Ein Stern hat im astronomischen Koordinatensystem die Koordinaten Rektaszension α und Deklination δ. Die in der Äquatorebene gemessene Rektaszension ist als Winkel zwischen den Stundenkreisebenen des Frühlingspunkts und des Beobachtungspunkts des Sterns definiert. Die in der Stundenkreisebene gemessene Deklination ist der Winkel zwischen der Äquatorebene und einer scheinbaren Linie vom Geozentrum zum Stern. Stundenwinkelsystem Um die Richtung eines Sterns im erdfesten Äquatorsystem angeben zu können wird als eine leichte Abwandlung des erdfesten Äquatorsystems das Stundenwinkelsystem eingeführt. Die Koordinaten eines Sterns werden in diesem ortsabhängigen System durch den Stundenwinkel t und die Deklination δ repräsentiert. Der Stundenwinkel t ist der Winkel zwischen dem Ortsmeridian des Beobachtungspunkts und dem Ortsmeridian des Sterns und wird rechtsläufig beginnend beim Ortsmeridian des Beobachtungspunkts gemessen (Abbildung 2.10). Lokales astronomisches Horizontsystem Das lokale Horizontsystem wird an der Lotrichtung beziehungsweise eigentlich an deren entgegen gesetzter Richtung, der Zenitrichtung, ausgerichtet und durch das Messinstrument realisiert. Die Z-Achse fällt mit Zenitrichtung zusammen, die X-Achse ist nach Norden orientiert. Die Koordinaten eines Sterns sind durch den Zenitwinkel z und das Astronomische 18

28 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie P Richtung zum Frühlingspunkt 0 Meridians des Sterns S t Äquator Z Meridian des Beoachtungspunktes Meridian von Greenwich Abbildung 2.10: Winkel Θ 0 und Θ Azimut A gegeben. Da die Koordinaten vom Beobachtungsort abhängig sind, sind sie auch aufgrund der Rotation der Erde von der Zeit abhängig. Zusammenhang Horizontsystem Stundenwinkelsystem Beim Übergang vom lokalen Horizontsystem (z, A) auf das Stundenwinkelsystem (α, δ) wird das Horizontsystem in den Erdschwerpunkt verlagert. Dieser Übergang ist erlaubt, da die dadurch entstehende Änderung der Richtungen zu den Sternen aufgrund deren großen Entfernung sehr klein ist. Die Transformationsgleichungen sin z cos A = sinφ cosδ cos t + cosφ sinδ (2.36) sin z sin A = cosδ sin t (2.37) cos z = cosφ cosδ cos t + sinφ sinδ (2.38) enthalten die astronomische Breite Φ. Diese Gleichungen können auch mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie aus dem Fundamentaldreieck der astronomischen Geodäsie abgeleitet werden (siehe auch Kapitel 2.4.1). Zusammenhang raumfestes Äquatorsystem Stundenwinkelsystem Die beiden Koordinatensysteme unterscheiden sich durch den Einfluss der Eigenbewegung der Erde und ihrer Rotationsachse. Die gemessenen Winkel sind somit zeitabhängig. Für den Übergang von einem raumfesten Bezugssystem auf ein erdfestes Bezugssystem ist die Kenntnis der momentanen gegenseitigen Ausrichtung der beiden Systeme zueinander notwendig. Diese wird durch den in der Äquatorebene gemessenen Winkel Θ 0 (Sternzeit von Greenwich) oder dem Winkel Θ (lokale Sternzeit) beschrieben. Diese beiden Winkel Θ 0 und Θ sind in 19

29 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Abbildung 2.10 dargestellt. Mit den wichtigen Beziehungen Θ=α + t (2.39) t =Θ 0 +Λ α (2.40) Φ=δ (2.41) lassen sich demnach die astronomischen Koordinaten im erdfesten, scheinbar ruhenden System aus den raumfesten Koordinaten berechnen. Astronomisches Fundamentaldreieck Das Fundamentaldreieck (Abbildung 2.11) repräsentiert einen Schnitt zwischen dem erdfesten Äquatorsystem, dem raumfesten Äquatorsystem und dem Horizontsystem. Über das Fundamentaldreieck können in einer einzigen Abbildung die astronomischen Koordinaten des Beobachtungspunkts Φ, Λ, die Sternkoordinaten α, δ sowie die Beobachtungsgrößen z, A zu einem beliebigen Zeitpunkt dargestellt werden. Der Zenit Z, der Himmelspol P N sowie der Stern S legen die drei Eckpunkte fest. Über dieses Dreieck kann die Hauptaufgabe der astronomischen Geodäsie, die Bestimmung der Lotrichtung beziehungsweise der Koordinaten Φ, Λ, geometrisch dargestellt werden. So müssen zum Beispiel zur Bestimmung der astronomischen Breite drei Teilstücke des Fundamentaldreiecks bekannt sein. Häufig wird zur Breiten- und Längenbestimmung ein bestimmter Stern S(α, δ) unter dem Stundenwinkel t zusammen mit der Zenitdistanz oder dem Azimut gemessen. Für die Berechnung gibt es verschiedenen Methoden, eine in der Praxis sehr oft verwendete ist die Standlinienmethode (siehe Kapitel 2.4.4) Zeit In der astronomischen Geodäsie ist die Bestimmung der Zeit ein wichtiger Faktor. Sternkoordinaten sind auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogen, und wie im vorigen Kapitel erläutert, ist auch der Übergang vom raumfesten auf das erdfeste System zeitabhängig. Es müssen daher geeignete Zeitsysteme definiert werden, um die Beobachtungen und die Koordinaten der Fixsterne gemeinsam in Bezug setzen zu können, und um die Transformation ins erdfeste System gewährleisten zu können. In der astronomischen Geodäsie wird die Erdrotation als Zeiteinheit verwendet, im täglichen Leben, wo sich der Tagesrhythmus nach der Sonne richtet, wird die Sonnenzeit als Zeiteinheit verwendet. Sternzeit Die Sternzeit wird durch die Bewegung des Frühlingspunkts relativ zum Ortsmeridian definiert. Die Sternzeit entspricht dem Stundenwinkel t des Frühlingspunkts γ. Daaberauchder Frühlingspunkt zeitlichen Veränderungen unterworfen ist, wird zwischen der mittleren und 20

30 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie NP Zenit t -A - z Stern Frühlingspunkt Meridian v. Greenwich Norden A Beobachtungsstation Horizont h Himmelsäquator Abbildung 2.11: Das astronomische Fundamentaldreieck der wahren oder scheinbaren Sternzeit unterschieden. Wird die Erdrotation als gleichförmig angenommen ist auch die Bewegung des Frühlingspunkts gleichförmig. Der Stundenwinkel, welcher sich auf einen von diesen periodischen Anteilen befreiten Frühlingspunkt (mittlerer Frühlingspunkt) bezieht, wird als mittlere Sternzeit bezeichnet. Der Stundenwinkel des wahren Frühlingspunkts wird als wahre oder scheinbare Sternzeit bezeichnet. Die Sternzeit Greenwich ist gleich dem Stundenwinkel relativ zum Meridian Greenwich, auch hier wird zwischen mittlerer und wahrer Sternzeit von Greenwich unterschieden. Die wahre Sternzeit von Greenwich ist auch unter dem Kürzel der englischen Bezeichnung GAST (Greenwich Apparent Sidereal Time) bekannt. Sonnenzeit Weltzeit Die Sonnenzeit orientiert sich an der Dauer der scheinbaren Umdrehung der Sonne um die Erde, in Wirklichkeit spiegelt sie die Eigendrehung der Erde wieder. Laut Definition soll die Uhrzeit beim Meridiandurchgang der Sonne 12 Uhr betragen, daher ergibt sich die wahre Sonnenzeit als Stundenwinkel der wahren Sonne plus 12 Stunden. Aufgrund der Exzentrizität der Erdbahn als auch der Schiefe der Ekliptik geht die wahre Sonnenzeit gegenüber einer Uhr mit konstanter Ganggeschwindigkeit nicht gleichmäßig. Deshalb wird auch hier durch einen Ausgleich dieser jahreszeitlicher Schwankungen, welcher einer Idealisierung auf eine 21

31 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie kreisförmige Erdumlaufbahn und einer zu dieser Bahn senkrecht stehenden Rotationsachse entspricht, eine mittlere Sonnezeit beziehungsweise eine mittlere Sonne definiert. Die mittlere Sonnenzeit bezogen auf den mittleren Meridian von Greenwich wird als Weltzeit (UT) bezeichnet. Sie wird direkt aus astronomischen Beobachtungen abgeleitet und beschreibt nach ihrer Definition die Drehbewegung der Erde bezüglich der mittleren Sonne. Da die grelle Sonne jedoch sehr ungenau beobachtet werden kann, wird zunächst der Drehwinkel der Erde bezüglich des Frühlingspunkts (also der Sternzeit im Äquatorialsystem) durch Messung geeigneter Fixsterne mit Astrolabien oder Zenitkameras oder auch durch VLBI- Beobachtungen (VLBI Very Long Baseline Interferometry) von fernen Radioquellen bestimmt. Anschließend wird der so erhaltene Winkel über geeignete Formeln in die Sonnenzeit umgerechnet. Die Weltzeit wird also aus Sternbeobachtungen gewonnen. Die aus solchen Beobachtungen durch das Bureau International de l Heure (BIH) hergeleitete Weltzeit wird mit UT0 bezeichnet. Da die Polbewegungen eine Verlagerung der Meridianebene bewirken, wird die um die Polbewegungen verbesserte Weltzeit UT1 eingeführt. Sie entspricht der wahren Winkelgeschwindigkeit der Erde und ist deshalb das für astronomische Beobachtungen geeignete Bezugssystem. UT0 stellt die mittlere Winkelgeschwindigkeit dar. In der Weltzeit UT2 werden noch die jahreszeitlichen Schwankungen der Rotationsgeschwindigkeit berücksichtigt. Außerhalb der astronomischen Geodäsie in anderen Wissenschaften wird als Zeitmaß die streng gleichförmige Atomzeit herangezogen. Die Verbindung zwischen der Atomzeit und der Weltzeit wird über die aus der Atomzeit hergeleitete, und mit entsprechenden Korrekturen versehenen Universal Time Coordinated (UTC) hergestellt. Die Differenzwerte zwischen den Zeiten werden von Zeitdiensten aus Sternbeobachtungen berechnet und bekannt gegeben. So muss zum Beispiel um die für die astronomische Geodäsie maßgebende Zeit UT1 zu erhalten, zur UTC die Korrektur UT1 addiert werden. UT1=UTC + UT1 (2.42) Sternenkatalog Ein Sternenkatalog ist ein systematisches Verzeichnis von Sternen, welches deren Koordinaten und auch verschieden Eigenschaften, wie zum Beispiel die Helligkeit oder Spektralklasse, enthält. Die Örter der Sterne sind trotz der leicht irreführenden Bezeichnung als Fixsterne zeitund ortsabhängig. Die Sternkoordinaten sind ständig leichten Veränderungen unterworfen. Ursachen für diese Veränderungen sind die Bewegungen der Koordinatensysteme (Präzession, Nutation) gegenüber den Gestirnen, welche eine Änderung der Sternkoordinaten α, δ bewirken, sowie die Bewegung des Erdkörpers (Polbewegung), welche eine Änderung der beobachteten Werte (Zenitdistanz, Azimut, Zeit) bewirkt. Weitere Ursachen sind die scheinbaren Verschiebungen der Sternrichtung aufgrund Parallaxe, Aberration und Refraktion. In den Sternkatalogen wird der mittlere Ort eines Sterns für ein von diesen Veränderungen 22

32 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie weitgehend befreites mittleres System zu Epoche T 0 angegeben. Ein zur Zeit T beobachteter Sternort gilt demnach nur für diese Epoche und ist mit einer späteren Beobachtung nicht unmittelbar vergleichbar. Fundamentalsterne sind sehr genaue vermessene Sternen die zur Festlegung des astronomischen Koordinatensystems dienen. Fundamentalkatalog Der erste Fundamentalkatalog wurde 1907 als Anhang des Berliner astronomischen Jahrbuchs publiziert. Im Jahr 1920 entstand unter der Führung deutscher Astronomen der Fundamentalkatalog FK3 und im Jahr 1963 wurde seine Weiterentwicklung, der FK4, präsentiert. Der FK4 erlangte besondere Bedeutung. Dieser Positionskatalog enthält die mittleren Örter und die Eigenbewegung von 1535 Sternen mit der vollständigen Zeitableitung für die Epochen und und diente lange zur Festlegung des astronomischen Koordinatensystems. Erst 1988 wurde er von seinem Nachfolger FK5 abgelöst. Mit dem FK6 veröffentlichte das Astronomischen Rechen-Institut (ARI) in Heidelberg 1999/2000 den Sternenkatalog für das laufende Jahrzehnt. Der FK6 stellt eine optimale Synthese von Satellitendaten mit terrestrischen Messungen und seinem Vorgängersystem FK5 dar. Die Satellitendaten stammen aus Messungen des ESA-Weltraumteleskops HIPPARCOS (High Precision Parallax Collecting Satellite), der hochpräzise Sternörter lieferte. Das Problem der HIPPARCOS-Messungen, dass die hochgenauen Messungen aufgrund der Eigenbewegung der Sterne schnell veraltern, wurde mit terrestrischen Messungen ausgeglichen. Weiters wurde die Anzahl der Sterne im Gegensatz zu FK5 verringert und nur mehr 878 hochgenaue Fundamentalsterne Sterne berücksichtigt, sowie scheinbare Doppelsterne eliminiert. Der FK6 weist daher eine wesentlich höhere Genauigkeit als der FK5 auf und wird über 2010 hinaus das astronomische Koordinatensystem definieren. Magnitude eines Sterns Die Helligkeit eines Sternes wird als Magnitude bezeichnet, und wird über eine Logarithmusfunktion des Reizes berechnet. Der Gesamthelligkeitsbereich beträgt etwa 50 Größenklassen, wobei der Fixstern Polaris als Nullpunkt definiert ist. Die Sonne hat eine Magnitude von der schwächste Stern hat eine Magnitude von Bestimmung des geographischen Orts nach dem Standlinienverfahren In der Praxis wird zur gleichzeitigen Bestimmung der astronomischen Breite und Länge das Höhenstandlinienverfahren verwendet. Im Vorlesungsskriptum Astronomisches Praktikum von Norbert Kappelmann und Eckhard Kendziorra, Institut für Astronomie und Astrophysik der Abteilung Astronomie an der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen [KK] ist das Prinzip und die geometrische Durchführung dieses Verfahren sehr anschaulich beschrieben. 23

33 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie NP Stern 1 z Meridian v. Greenwich z= Frühlingspunkt z Abbildung 2.12: Standlinie Nachfolgender Text und nachfolgende Bilder über das Prinzip der Methode und dem geometrischen Verfahren entstammen diesem Skriptum. Prinzip des Verfahrens Ein bestimmter Stern mit den äquatorialen Koordinaten (α, δ) steht zu einer bestimmten Zeit t 0 (Ortssternzeit von Greenwich) im Zenit eines Ortes auf der Erde mit den astronomischen Koordinaten Λ z =Θ 0 α astronomische Länge (2.43) Φ z = δ astronomische Breite. (2.44) Da dieser Stern im Zenit z i steht gilt für seinen Stundwinkel t t =0, (2.45) und damit ist auch seine Rektaszension α gleich der Ortssternzeit für z i α =Θ z. (2.46) Alle Orte, von welchen aus dieser Stern zu dieser Zeit unter der Zenitdistanz z beobachtet wird, liegen auf einem Kreis um den Zenitort mit dem Radius z, der sogenannten Standlinie (Abbildung 2.12 verdeutlicht die Geometrie). Wird die Zenitdistanz eines zweiten Sterns beobachtet, erhält man eine zweite Standlinie. Die beiden Standlinien haben im Allgemeinen zwei Schnittpunkte. Ist der Beobachtungsstandort näherungsweise bekannt, kann einer der beiden Schnittpunkt eindeutig als richtiger Standort identifiziert werden (Abbildung 2.13). 24

34 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie NP Stern 2 Stern 1 v. Greenwich Meridian Frühlingspunkt Abbildung 2.13: Schnittpunkte von zwei Standlinien Geometrisches Verfahren In der Praxis geht man von einem angenommenen Ort (Φ 0, Λ 0 ), dem gegißten Ort, aus und berechnet für diesen die Zenitdistanz z c (t) und die Rektaszension α des Sterns für die Beobachtungszeit. Zwischen der beobachteten Zenitdistanz z beob (t) und der berechneten Zenitdistanz z c (t) ergibt sich im Allgemeinen eine Differenz z = z c (t) z beob (t). (2.47) Ist die Differenz z negativ, ist der wahre Ort weiter vom Zenitort entfernt als der gegißte Ort, für eine positive Differenz z >0 gilt das Gegenteil. Der Differenzwert wird iterativ zur Korrektur der Koordinaten des gegißten Orts herangezogen. Dieser Korrekturansatz ist sowohl rechnerisch, als auch graphisch möglich. In Abbildung 2.14 ist die graphische Lösung dargestellt. Standlinie 2 z 2 A 2 z 1 A 1 Standlinie 1 z 2 z 1 Abbildung 2.14: Graphische Lösung 25

35 2 Grundlagen der physikalischen Geodäsie Analytisches Verfahren Die analytische Lösung des Problems führt auf den allgemeinen Fall der Ausgleichsrechnung, da aus mehreren Beobachtungen drei Unbekannte, die Koordinatenunterschiede zwischen dem gegißten und dem wahren Ort Φ und Λ sowie der Indexfehler i des Beobachtungsinstruments, geschätzt wird. In der Praxis werden zur Bestimmung eines Ortes etwa 20 gleichmäßig über den Horizont verteilte Sterne gemessen. 26

36 3 Das Geoid in Österreich Wissenschaftliche Institutionen und Vereinigungen in Österreich beschäftigen sich schon seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erfolgreich mit der Geoidforschung. Sowohl in der theoretischen Beschreibung der Erdfigur als auch in der praktischen Umsetzung beziehungsweise Messung wurden wegweisende Erkenntnisse, Publikationen und Ergebnisse veröffentlicht. Namen wie Karl Rinner oder Helmut Moritz seien als Beispiel für die vielen österreichischen Forscher genannt, die auf diesem Gebiet fundamentale Beiträge und Erkenntnisse publizierten. In [Rin83] wird ein anschaulicher Überblick über die Geschichte des Geoids in Österreich gegeben. 3.1 Schwerpunkte der Geoidforschung in Österreich seit 1975 Im Jahr 1975 wurde in Grenoble die IAG-Resolution zur Bestimmung eines Geoidprofils verfasst. In Folge dieser Initiative wurden von der Technischen Universität Graz, Wien und Innsbruck Forschungsprojekte eingereicht. An der Technischen Universität Wien wurde intensiv an der Bestimmung von astronomischgeodätischen Lotabweichungen unter der Leitung von Kurt Bretterbauer und Gottfried Gerstbach gearbeitet. Insgesamt wurde unter deren Leitung für 275 Punkte die Lotabweichung bestimmt. Die Messungen waren bis auf wenige Ausnahmen auf den Nordosten Österreichs beschränkt. In einigen Regionen (zum Beispiel im Testfeld Wien) betrug der Punktabstand für Detailstudien und geologisch-geophysikalische Studien weniger als 10 km. Im Rahmen dieser Arbeiten führte Gottfried Gerstbach intensive Studien über die Optimierung der Beobachtungs- und Auswerteverfahren sowie über die Abschätzung des Fehlers aufgrund der persönlichen Gleichung durch. In den 90ziger Jahren erlitt die Astrogeodäsie aufgrund des zeitintensiven Messverfahrens einen großen Einbruch. Statt den aufwendig zu bestimmenden Lotabweichungen wurden gravimetrische Messdaten und Satellitendaten zur Geoidbestimmung bevorzugt. Ende der 90ziger Jahre konnte Gottfried Gerstbach mit der Entwicklung einer extrem leichten Zenitkamera zu einem neuen Aufschwung der Astronomischen Geodäsie beitragen. Die von ihm entwickelte Zenitkamera eignet sich aufgrund des geringen Gewichts hervorragend für die Messung von Lotabweichungen in gebirgigen oder schwer zugänglichen Regionen [Ger03]. Weitere Details zu dieser Zenitkamera sind auf der Homepage zu finden. 27

37 3 Das Geoid in Österreich Das Bundesamt für Eich und Vermessungswesen (BEV) verbindet ebenfalls eine lange Tradition mit der astrogeodätischen Messung von Lotabweichungen. Ein Überblick ist in [Erk83a] und [Erk83b] zu finden. Die Resultate der letzte lokalen Geoidbestimmung des Bundesamts wird in [Erk87] im Detail beschrieben. Aus der Zusammenarbeit der Universität Wien, den Technischen Universitäten Graz und Wien und der Universität Innsbruck sowie dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen entstand im Jahr 1983 eine erste Version eines genauen astrogeodätischen Geoids von Österreich. Dieses Geoid überbedeckt 4/5 des Staatsgebiets und besitzt eine Höhengenauigkeit von ±10 cm. Zur Berechnung wurden 564 Lotabweichungsmessungen herangezogen und erfolgte nach zwei verschiedenen Verfahren. Das Bundesamt verwendete die klassische Methode, dass die Reduktion der Messwerte zufolge der Lotkrümmung vorsieht. An der Technischen Universität Graz wurde nach Molodensky mit unreduzierten Oberflächenmeßwerten gearbeitet. Beide Verfahren gewährleisten eine Prädiktionsgenauigkeit der Geoidhöhen für beliebige Punkte von ±10 cm. An der Technischen Universität Graz hat die Geoidforschung ebenfalls eine lange Tradition. Zu Beginn dieses kurzen Überblicks muss allen voran Helmut Moritz, als einer der bedeutendsten Repräsentanten der physikalischen Geodäsie, genannt werden. Nach seinem Studium ( ) und der Habilitation an der damaligen Technischen Hochschule Graz arbeitete er acht Jahre im Ausland an verschiedenen Universitäten und kehrte 1971 als Professor für Physikalische Geodäsie nach Graz zurück. Insgesamt veröffentlichte er sieben Bücher, die anerkannten Lehrbücher und Nachschlagwerke wurden und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Seit 2002 ist Helmut Moritz emeritierter Professor an der Technischen Universität Graz. Unter der Leitung von Hans Sünkel und Norbert Kühtreiber werden seit 1981 umfangreiche Studien zur praktischen Geoidbestimmung in Österreich an der Technischen Universität Graz durchgeführt. Hans Sünkel berechnete 1983 ein astrogeodätisches Geoid nach der Theorie von Molodensky. Norbert Kühtreiber berechnete 1998 ein rein gravimetrisches Geoid und führte in weiterer Folge Untersuchungen zur Kombination von Lotabweichungen und Schweredaten mittels Kollokation durch wurde von Norbert Kühtreiber eine kombinierte Geoidlösung für Österreich aus heterogenen Daten veröffentlicht. Praktische Beobachtungen von Lotabweichungen wurden 1975 vom Institut für Angewandte Geodäsie und Photogrammetrie der Technischen Universität Graz unter der Leitung von Karl Rinner, Herbert Lichtenegger und Günther Chesi durchgeführt (siehe auch 3.2.1). Unter der Leitung von Hans Sünkel und Roland Pail wird an der Technischen Universität Graz, Institut für Navigation und Satellitengeodäsie seit 1999 die Software für die Datenprozessierung der zukünftigen Satellitenmission GOCE (Gravity Field and Steady State Ocean Circulation Explorer) entwickelt. Das Hauptziel der Mission GOCE ist die Gewinnung eines 28

38 3 Das Geoid in Österreich im Vergleich zu Vorgängermissionen höher aufgelöstes und genaueres Erdschwerefeldmodell. Seit 2006 wird an der Technischen Universität Graz im Rahmen des Projekts GEOnAUT - The Austrian Geoid an einer kombinierten Geoidlösung aus terrestrischen Daten und Satellitendaten gearbeitet Projekt GEOnAUT Seit 2006 ist an der Technischen Universität das Projekt GEOnAUT - The Austrian Geoid im Gang. Dieses Projekt läuft im Rahmen des ASAP/ARTIST Offensivprogramms III in Kooperation mit dem Bundesamt für Eich und Vermessungswesen (BEV) und dem Institut für numerische Mathematik (INM), Graz. Die beiden Förderungsprogramme ASAP (Austrian Space Applications Programme) und ARTIST (Austrian Radionavigation Technology and Integrated Satnav services and products Testbed) werden seit 2002 von der Agentur für Luftund Raumfahrt (ALR) der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) durchgeführt ( Hauptziel dieses Projekts ist die Berechnung eines österreichischen Geoids mit vollständiger Fehlerinformation, basierend auf der Kombination von bestehenden Geoidmodellen, welche aus terrestrischen Daten abgeleitet wurden, und Satellitendaten aus entsprechenden Schweremissionen wie CHAMP, GRACE und zukünftig auch GOCE. Diese Kombination soll die Vorteile der einzelnen Lösungen miteinander verbinden und die Schwächen ausgleichen. Schwerefeldmodelle, welche ausschließlich aus Satellitendaten abgeleitet werden führen auf ein global einheitliches System. Sie haben jedoch im regionalen oder lokalen Bereich für hochgenaue Anwendungen eine zu geringe Auflösung. Schwerefeldmodelle, welche auf terrestrischen Daten basieren, besitzen zwar eine hohe Auflösung, jedoch fehlt ihnen die globale Information, der langwellige Anteil, was zu Fehlern, Trends und Verkippungen im Schwerefeld führt. Für die Berechnung dieser kombinierten Geoidlösung werden verschiedene Ansätze analysiert und entwickelt. Zusätzlich zu der klassischen Methode, der Kollokation nach kleinsten Quadraten, werden neue alternative Methoden, die Taylorreihenentwicklung, verschiedene algebraische Approximationsmethoden, ein Multipol-Ansatz sowie ein Multiresolution-Ansatz über sphärische Wavelets untersucht. Für die Verwendung der Satellitendaten werden optimale Strategien für die Gewichtung der Datensätze entwickelt und implementiert. Weiters wird im Rahmen dieses Projekts eine Akquisition von terrestrischen Daten durchgeführt, damit ein einheitlicher Datensatz von Lotabweichungen und Schwerewerten in einem gemeinsamen Bezugsystem vorliegt. Die Schweredatenbank wird mit weiteren Schwerewerten sowohl aus Österreich als auch aus den Nachbarsländern ergänzt. Gebiete, welche bei vorhergehenden Geoidlösungen Fragen aufgeworfen haben, werden weiter untersucht und durch zusätzliche Lotabweichungsmessungen verbessert. Auch wird im Zuge dieses Projekts das bestehende Höhenmodell überarbeitet und die Kombination und mögliche Verbesserungen mit SRTM- Daten untersucht. 29

39 3 Das Geoid in Österreich Abbildung 3.1: Aufbau des Projekts GEOnAUT Die Verbesserung in der Geoidlösung aufgrund der Kombination von satellitenbasierten Daten und terrestrischen Daten wird in einem synthetisch erstellten Testgebiet verifiziert. Abbildung 3.1 zeigt den architektonischen Aufbau der Hauptgebiete und Ziele dieses laufenden Projekts. 3.2 Österreichische Schweredaten Lotabweichungen Bis zum Jahr 1976 sind in Österreich im Dreiecksnetz erster Ordnung auf insgesamt 107 Stationen Lotabweichungsbeobachtungen durchgeführt worden. Im Jahr 1976 befand die Österreichische Kommission für die internationale Erdmessung (ÖKIE) die Bestimmung eines möglichst genauen österreichischen Geoids als eine der wichtigsten Aufgaben der Geodäsie in Österreich und setzte sich für die Koordinierung der Arbeiten der einzelnen Abteilungen und Institutionen ein. In den folgenden Jahren wurden im Rahmen verschiedenster Projekte auf 362 Stationen Lotabweichungen von den Universitäten in Graz, Wien und Innsbruck gemessen. Karl Rinner leitete die Arbeiten der Technischen Universität im Gebiet des Testnetzes Steiermark, in der Süd- und Oststeiermark sowie in Teilen des Burgenlands. In vier Messperioden wurden Laplace-Punkte nach klassischem Verfahren mittel dem Instrument Universal KERN DKM3-A und Lotabweichungsmessungen mittels einer Zenitkammer entlang des 47 o Parallels und Zenitkammermessungen mit einem mittleren Punktabstand von 30

40 3 Das Geoid in Österreich 10 km und später mit 20 km bis zur jugoslawischen und ungarischen Grenze gemessen. Zusätzlich zu den Zenitkammermessungen wurde teilweise parallel jeweils in verschiedenen Nächten mit Astrolabium gemessen. Insgesamt wurden 115 Beobachtungen durchgeführt. Unter der Leitung von Kurt Brettenbauer und Gottfried Gerstbach (Technische Universität Wien) wurden auf 279 Stationen durch Simultanbestimmung von Breite und Zeit mit Hilfe eines Zeiß Ni2-Prismenastrolab Lotabweichungen gemessen. Dabei entstand in Wien ein Basisnetz mit 42 Lotabweichungsmessungen in einem 10 km-quadratraster. Im Zeitraum wurde dieses Netz auf 115 Punkte im 7 km Raster erweitert, und zusätzlich im Zentralbereich durch 16 weitere Punkt verdichtet. Die Technische Universität Innsbruck beobachte unter der Leitung von W. Embacher auf 11 Stationen Lotabweichungen. Das Bundesamt führte auf weiteren 202 Stationen Lotabweichungsbeobachtungen durch. Somit lagen bis zum Jahr 1982 insgesamt um die 600 Beobachtungspunkte vor. Ab diesem Zeitpunkt wurden zur Messung von astrogeodätischen Lotabweichungen keine größeren Messkampagnen mehr durchgeführt Schwere In den Jahren 1960 bis 1980 wurde vom BEV ein erstes österreichisches Schweregrundnetz eingerichtet. Die Messungen erfolgten mit einem Federgravimeter auf meist nicht vermarkten Stationen, wodurch diese heute meist nur mehr schwer und unsicher aufzufinden sind. Ab 1980 wurde dieses erste Basisnetz mit einem neuen Federgravimeter (Relativgravimeter) überarbeitet und zusätzlich neue Absolutstationen bestimmt. Das neue Schweregrundnetz ist in vier Stufen aufgebaut. Das Netz nullter Ordnung beinhaltet 28 Absolutstationen, die Netze erster Ordnung, zweiter Ordnung und dritter Ordnung enthalten jeweils 139, 446 und 106 Relativstationen, die sich in ihrer Genauigkeit unterscheiden. Die Messung der Schwerewerte erfolgt entlang von Nivellementlinien. Weitere Schwerenetze in Österreich wurden von der Universität Wien, der Montanuniversität Leoben und der OMV durchführt. Diese Messungen basieren auf flächenhaft gemessenen Schwerewerten. Die Universität von Graz hat in den letzten 20 Jahren unter der Leitung von Gerhard Kraiger und Norbert Kühtreiber eine umfangreiche Schweredatenbank angelegt. Die Datenbank umfasst insgesamt über Schwerestationen aus Österreich und den umliegenden Nachbarsländer Schweiz, Italien, Slowenien, Ungarn, Deutschland und der Tschechischen Republik. Die gemessenen Schwerewerte in Österreich liegen in einem Bereich von zirka m/s 2 (Gipfelregion der Hohen Tauern) bis m/s Schwerereduktion in Österreich In Kapitel wurde als Lösung der Grundgleichung der Geodäsie die Stoke sche Formel hergeleitet. Diese Gleichung wiederum fordert, dass die Schwereanomalien am Geoid definiert 31

41 3 Das Geoid in Österreich sind. Schwereanomalien müssen daher erstens Randwerte dieser Niveaufläche sein und zweitens dürfen sich keine Massen außerhalb des Geoids befinden. Die Schweremessungen werden jedoch an der Erdoberfläche durchgeführt und weisen aufgrund der Topographie und der damit verbundenen Dichtedefizite im Erdinneren große Unregelmäßigkeiten auf. Um aus diesen Oberflächenwerten Schwereanomalien am Geoid zu erhalten sind Reduktionen notwendig, mit denen alle Massen außerhalb des Geoids rechnerisch entfernt werden können. Auch in Hinblick auf die Anwendung in der Kollokation müssen Reduktionen durchgeführt werden. Das in der Kollokation verwendete Signal sollte möglichst glatt sein, da dann die Prädiktion genauer wird. Um Reduktionen durchführen zu können sind wiederum ein Höhenmodell sowie Annahmen über die Dichteverteilung in dem betrachteten Gebiet notwendig Grundlagen der Reduktionen Schwerereduktionen haben die Aufgabe den Einfluss der Topographie und somit der Höhe, sowie den Einfluss der unregelmäßigen Dichteverteilung des Erdkörpers auf einen Punkt mit gemessener Schwere zu berechnen. Durch die Reduktionen werden die Massen außerhalb des Geoids entfernt oder in das Innere verlagert und die beobachtete Oberflächenschwere auf das Geoidniveau transformiert. Ein weiterer Effekt dieser Reduktionen ist, dass die Unregelmäßigkeiten in der Schwere schwächer werden. Die Prädiktion von Schwerefeldgrößen mit diesen geglätteten Werten wird genauer. Für die Reduktion der Schwere wurden mehrerer Theorien und Modelle entworfen. Im Folgenden werden kurz jene Modelle, welche in der Geoidbestimmung die größte Bedeutung haben, erklärt. Bougerreduktion, Topographische Reduktion Die Aufgabe der Bougerreduktion ist es, die topographischen Massen außerhalb des Geoids zu entfernen. Die Reduktion erfolgt durch die Berücksichtigung beziehungsweise dem rechnerischen Abtragen des Schwereeinflusses, der sogenannten Bougerplatte. Die Bougerplatte ist eine ins unendliche ausgedehnte horizontale Platte mit einer konstanten Dichte und einer Mächtigkeit, die der Höhe des Berechnungspunktes entspricht. Um diese ebene Platte zu erhalten muss zuerst eine Geländekorrektur (Topographische Reduktion), bei welcher die Massen oberhalb der Bougerplatte rechnerisch abgetragen und die Massendefizite unterhalb aufgefüllt werden, durchgeführt werden. Um den Einfluss der Topographie rechnerisch erfassen zu können, wird das Gelände in Säulen zerlegt. Anschließend wird die Bougerplatte durch Subtraktion ihrer Anziehungskraft von der gemessenen Schwere abgetragen. Nach dem Abtragen der Platte hängt der Punkt frei in der Luft. Mit Hilfe einer Freiluftreduktion wird der Punkt auf das Geoid gebracht. Der Schwerewert bezieht sich nun auf das Geoid und wird als Bougerschwere bezeichnet. Wird von dieser Bougerschwere die Normalschwere γ 0 32

42 3 Das Geoid in Österreich des Referenzellipsoids abgezogen erhält man die Bougeranomalien. Isostatische Reduktion Die Oberflächenmassen des Erdkörpers, wie zum Beispiel Berge, werden durch Massendefizite (Dichtedefizite) in der Tiefe kompensiert. Dieser Effekt wird durch die isostatische Reduktion berücksichtigt. Die praktische und mathematische Umsetzung der Berechnung dieses Effekts kann mit dem System von Pratt Hayford oder dem System von Airy Heiskanen erfolgen. Die beiden Modelle unterscheiden sich in ihrer Annahme wie das hydrostatische Gleichgewicht des Erdkörpers hergestellt wird. Bei beiden Systemen wird das Gelände in Säulen geteilt. Die Säule T 0 besitzt eine bestimmte Grunddichte. Beim Pratt Hayford System wird das hydrostatische Gleichgewicht wie eine Art aufgehender Teig hergestellt: Säulen mit geringerer Dichte dehnen sich aus, Säule mit höherer Dichte sacken in sich zusammen [HWM05]. Beim Airy Heiskanen System wird angenommen, dass die Säulen wie auf einer flüssigen Masse mit höherer Dichte als der Grunddichte schwimmen: Die Säulen haben alle die gleiche Dichte jedoch unterschiedliche Mächtigkeiten. Je mächtiger die Säule desto tiefer sinkt sie ein. Für die Geoidberechnungen in Österreich wurde größteils das Airy Heiskanen System verwendet. Topographisch Isostatische Reduktion Ziel der topographisch-isostatischen Reduktion ist es die Erdkruste rechnerisch so weit wie möglich zu homogenisieren. Entsprechend eines isostatischen Modells werden die Massendefizite aufgefüllt, sodass ein konstanter Dichtewert aller Massensäulen entsteht. Zusammen mit einer topographischen Reduktion soll im idealisierten Fall eine homogene Kruste mit gleicher Dichte und gleicher Mächtigkeit entstehen. Bei einer topographisch-isostatischen Reduktion werden folgende drei Schritte durchgeführt: 1. Entfernung der Topographie 2. Entfernung der isostatischen Kompensation 3. Freiluftreduktion auf das Geoid In der Geoidbestimmung nimmt die topographisch isostatische Reduktion eine besondere Rolle ein. Sie ist für diesen Anwendungsbereich die meist genützte Reduktionsmethode. Remove Restore Methode Bei der Remove Restore Methode wird der langwellige Anteil des Schwerefeldes durch bekannte Erdschwerefeldmodelle (wie zum Beispiel EGM96) approximiert. Die mittleren bis kurzwelligen Anteile des Schwerefeldes werden durch eine topographisch isostatische Reduktion berücksichtigt. Weitere Details zu dieser Methode sind in [Küh02] zu finden. 33

43 3 Das Geoid in Österreich Indirekter Effekt Durch die Masseverlagerungen aufgrund der Reduktionen kommt es zu einer Änderung des Schwerepotentials und somit auch des Geoids. Diese Änderung wird indirekter Effekt der Schwerereduktion genannt. Die Fläche welche durch die Stoke sche Formel berechnet wird ist nicht mehr das Geoid selbst, sondern eine leicht veränderte Niveaufläche, das Cogeoid. Jede Schwerereduktion führt auf ein anderes Cogeoid. Der indirekte Effekt, welcher einer Verschiebung des Cogeoids gegenüber dem Geoid positiv nach außen entspricht, berechnet sich aus der Potentialänderung dw am Geoid durch die Applikation des Theorems nach Bruns (2.24) N = Wγ. (3.1) Durch Anbringen des indirekten Effekts an die Undulation des Cogeoid N c ergibt sich die Undulation des aktuellen Geoids: N = N c + N (3.2) Der indirekte Effekt ist bei der Verwendung von Bougeranomalien wesentlich größer als bei der Verwendung von topographisch isostatisch reduzierten Schwereanomalien. Aus diesem Grund werden Bougeranomalien nicht zur Geoidberechnung verwendet Höhenmodell in Österreich Um Reduktionen der gemessenen Schwerefeldgrößen durchführen zu können, ist eine genaue Höheninformation für das Gebiet um den Reduktionspunkt notwendig. In den Jahren 1975 bis 1995 entstand in Zusammenarbeit mit dem BEV mit den österreichischen Universitäten das Digitale Geländemodell (DGM) der mittleren Höhen von Österreich. Die Höhen liegen in sieben verschiedenen Rasterstufen vor, welche lückenlos ineinander übergeführt werden können. Für jede Rasterzelle wir eine mittlere Höhe angegeben. Die beiden größten Rasterstufen R6 und R7 reichen 167 Kilometer über Österreich hinaus. Ursprung dieses Mittlere Höhen Modells war ein System von ebenfalls mittleren Geländehöhen, das im Jahr 1965 in einem Raster von 3 5 vom BEV veröffentlicht wurde. Dieser Grundraster wurde aus den Höhenschichtendarstellungen der ÖK50 abgeleitet. Die Verfeinerung dieses Grundrasters bis auf die untersten Rasterstufen erfolgte durch zusätzliche Höheninformation aus der stereoskopischen Auswertung von Luftbildmodellen. Außerhalb Österreichs wurden die mittleren Höhen aus topographischen Karten 1:50000, beziehungsweise aus 1:25000 erhoben. Die Genauigkeit des Mittlere Höhenmodells entspricht der Kartengenauigkeit. Im Jahr 1996 berechnete Josef Graf ein hochauflösendes digitales Geländemodell für Geoidberechnungen und Reduktionen von Messwerten. Als Grunddatensatz dieses neuen Modells 34

44 3 Das Geoid in Österreich diente ein aus photogrammetrischen Auswertungen entstandenes digitales Geländemodell vom BEV. Aus diesem Grundmodell, das je nach Topographie in einem Raster von Meter bis Meter vorlag, wurde zunächst Höhen in einem konstanten Raster von Meter über ganz Österreich abgeleitet. Anschließend wurden die endgültigen Höhenwerte mit einer Rasterweiten von ( 45 m) in der Breite und ( 50 m) in der Länge interpoliert. Im Gegensatz zum Mittleren Höhenmodell repräsentiert der jeweilige Gitterpunkt die Höhe der Geländeoberfläche und nicht die mittlere Höhe eines Rasterelements. Die Daten sind im Blattschnitt der ÖK50 in Blöcken von unterteilt und beinhalten insgesamt zirka Höhenangaben. Norbert Kühtreiber adaptierte und modifizierte dieses Höhenmodell 2002 für seine Geoidberechnungen. Das Modell wurde ergänzt und kontrolliert, wobei grobe Fehler eliminiert wurden. Weiters wurde dieses Höhenmodell, welches bis dato im österreichischen Bezugssystem MGI vorlag, in das System WGS84 transformiert. Die neueste Version eines österreichischen Höhenmodells stammt von Diethard Ruess. Dieses aus bestehenden und neuen Höheninformationen (photogrammetrische Auswertungen) gewonnene Modell wurde 2006 veröffentlicht Dichtemodell in Österreich Da die Schwere stark mit der Dichte der Erde korreliert ist, ist die Dichte und deren Modellierung ein wichtiger Punkt bei Berechnungen mit Schwerefeldgrößen. Für die Geoidberechnungen im Jahr 1987 wurde ein Oberflächendichtemodell von Österreich verwendet. Dieses wurde aus geologischen Karten und allen bis zu dem damaligen Zeitpunkt veröffentlichten Dichteinformation abgleitet. Bei der Erstellung dieses Dichtemodells hat sich gezeigt, dass Gebiete mit gleicher Dichte im Wesentlichen mit entsprechenden geologisch-tektonischen Einheiten zusammenfallen. Insgesamt haben sich daraus 40 verschiedene Regionen ergeben, deren Dichteangaben durch 12 unterschiedliche Stufen, mit einem Unterschied von jeweils 0.05 g/cm 3, festgelegt wird. Die niedrigste Dichte haben zum Beispiel die Einheiten Wiener Becken und Neusiedlersee-Gebiet mit einem Wert von 2.00 g/cm 3, den höchsten Dichtewert mit 2.85 g/cm 3 hat die Einheit Mittelostalpin östlich des Tauernfensters. Norbert Kühtreiber hat in seinen Arbeiten zur Geoidbestimmung in Österreich einschlägige Untersuchungen durchgeführt, und ist zur Erkenntnis gekommen, dass die Verwendung einer mittleren Dichte für das gesamte Gebiet kaum schlechtere Ergebnisse liefert, als die Verwendung des Oberflächendichtemodells. Von großem Vorteil wäre die Verwendung eines 3D-Dichtemodells. Ein solches existiert allerdings bis dato nicht flächendeckend von Österreich. Intensive Forschungen auf diesem Gebiet wird zurzeit von Ewald Brückl, TU Wien, Institut für Geodäsie und Geophysik, durchgeführt. 35

45 3 Das Geoid in Österreich Programm zur Berechnung der Reduktionen Zur Berechnung der Reduktionen von Schwerefeldgrößen in Österreich wird an der Technischen Universität Graz primär eine auf dem Programm TC basierende Software verwendet. Das in Fortran 77 geschriebene Programm TC wurde 1984 von Rene Forsberg erstellt [For84]. In den darauf folgenden Jahren wurde dieses Programm von Hussein Abd-Elmotaal und Norbert Kühtreiber modifiziert und weiterentwickelt. Die Software ermöglicht die Bestimmung des Einflusses der Topographie auf Schwereanomalien, Lotabweichungen, Geoidundulationen, Schweregradienten und Schwereanomalien mit Berücksichtigung des indirekten Effekts. Die Berechnung kann wahlweise auf fünf verschiedenen Methoden, der topographischen und der isostatischen Reduktion, der Geländekorrektur, der RTM-Methode (RTM - Residual Terrain Model) und der isostatischen Reduktion mit seismischen Moho-Daten, aufgebaut werden. Als Grundlage dienen ein feinmaschiges und ein grobmaschiges Gitter eines Höhenmodells. Die beiden Raster haben gemeinsame Gitterlinien da das grobe durch Mittelung aus dem feinen Raster entstanden ist (siehe auch Kapitel 3.3.2). Das grobmaschige Gitter erstreckt sich über ein größeres Gebiet und dient zur Beschleunigung der Rechenzeit. Bei der Verwendung der RTM-Methode ist ein drittes Höhenmodell notwendig. Die Reduktionen beruhen auf der Zerlegung des Geländes in Massensäulen. Wobei bei der Berechnung deren Einflusses abhängig von der Geometrie der Prismen exakte oder näherungsweise Formeln zum Einsatz kommen. Weiters wird zwischen der inneren Zone, Berechnung mit dem feinmaschigen Gitter des Höhenmodells, und der äußern Zone, Verwendung des grobmaschigen Gitters, unterschieden wird. In der inneren Zone wird zusätzlich in einem bestimmten Bereich um den Berechnungspunkt das Höhenmodell mittels Spline-Interpolation verdichtet. Die Radien, welche die beiden Zonen festlegen, können bei der Parameter Eingabe durch den Benutzer festgelegt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Messmethoden wird es im Allgemeinen zu einem Unterschied zwischen der Höhe aus dem Höhenmodell und der Punkthöhe des Berechnungspunkts kommen. Das Programm bietet mehrere Möglichkeiten um diese Höhendifferenz anzupassen. Einerseits kann die Punkthöhe verändert werden, sodass sie am Geländemodell zu liegen kommt. Diese Möglichkeit ist allerdings nur in Ausnahmefällen zu empfehlen, da in vielen Fällen das Höhenmodell ungenauer ist als die meist tachymetrisch bestimmte Höhe. Andererseits bleibt die Punkthöhe gleich und das Geländemodell wird rechnerisch verändert, sodass der Punkt scheinbar auf der Fläche liegt. Auch gibt es einen eigenen Menüpunkt wenn der Basispunkt in der Luft liegt. Die Verwendung eines Dichtemodells ist optional. Steht kein Dichtemodell zur Verfügung kann auch ohne ein solches berechnet werden. Das Programm liefert zwei Outputfiles, in welchen die Endergebnisse sowie die Ergebnisse aller Zwischenschritte ausgegeben werden. 36

46 4 Kollokation In Kapitel 2.3 wurden bereits einige Verfahren für die Bestimmung des Geoids aufgezeigt. Die wohl meist verwendete Methode der Geoidbestimmung ist die Kollokation nach kleinsten Quadraten. Im nachfolgenden Kapitel werden die Grundprinzipien dieses Verfahren gezeigt und somit zum Verständnis bei der Anwendung dieser Methode beigetragen werden. Jedoch soll das Zitat You cannot learn collocation from this slight chapter only von Helmut Moritz aus Physical Geodesy [HWM05] Seite 374 auf die Komplexität dieses Verfahren aufmerksam machen und sogleich auf das Buch [Mor89] verweisen, wo die Kollokation und ihre Herleitung im Detail beschrieben wird. 4.1 Über die Interpolation nach kleinsten Quadraten zur Kollokation nach kleinsten Quadraten Die Kollokation wurde von Helmut Moritz aufbauend auf Arbeiten von Torben Krarup entwickelt. Die Kollokation nach kleinsten Quadraten ist eine Methode zur Berechnung und Interpolation von Schwerefeldgrößen. Der große Vorteil dieser Methode ist, dass in der Berechnung heterogene Daten miteinander kombiniert werden können. Die Kollokation wurde von Helmut Moritz aus der Interpolation von Schwereanomalien nach kleinsten Quadraten entwickelt. Diese Schritte der Entwicklung der Kollokation, ausgehend von der Interpolation nach kleinsten Quadraten bis zur deren Generalisierung für heterogene Daten, werden im Folgenden kurz dargestellt. Weiters wird etwas genauer auf die in der Kollokation verwendeten Kovarianzfunktionen und deren globale und lokale Repräsentation sowie deren praktische Berechnung eingegangen Interpolation nach kleinsten Quadraten Wird ein Feld mit gemessenen Schwerefeldgrößen verdichtet, spricht man Interpolation. Von Extrapolation spricht man wenn Werte in Gebieten prädiziert werden, wo keine Beobachtungen vorhanden sind. Mathematisch gesehen ist das kein Unterschied und man spricht allgemein von Prädiktion. Die Werte der gemessenen Punkte stellen die wichtigste Information für die Prädiktion dar. Sind die Messungen der Schwerefeldgrößen jedoch nicht sehr dicht, wird zusätzlich versucht, statistische Informationen über die Struktur der Schwerefeldgrößen zu nutzen. Diese statistischen Korrelationen der einzelnen Beobachtungspunkte untereinander 37

47 4 Kollokation werden durch die Kovarianzen beschrieben. Das große Plus der Interpolation nach kleinsten Quadraten im Gegensatz zu anderen Interpolationsverfahren ist, dass es das beste Ergebnisse im Sinne einer kleinsten Varianz liefert. Damit ist die Interpolation nach kleinsten Quadraten mit der Methode des Ausgleichs nach kleinsten Quadraten stark korreliert. Bei der Interpolation nach kleinsten Quadraten werden zwei zufällig verteilte Datenmengen, die Messgrößen l i und die unbekannten Signalen s j verwendet. Ähnlich der Ausgleichsrechnung stellt sich nun die Frage nach der besten Schätzung für die Signale s j, welche den Signalvektor s bilden, auf Basis der Messgrößen l i, welche den Beobachtungsvektor l bilden. Die Beziehung zwischen s j und l i ist im Gegensatz zur Ausgleichsrechnung jedoch nicht durch einen funktionalen Zusammenhang gegeben, sondern wird allein durch die statistische Korrelationen, den Kovarianzen, zwischen den Signalen s j und den Beobachtungen l i beschrieben. Die beste lineare Schätzung s für den Signalvektor s im Sinne kleinster Fehlervarianz führt auf die Formel s = C sl C 1 ll l. (4.1) Die Kovarianzmatrix C ll beschreibt die Korrelationen der Beobachtungen untereinander und wird auch als Auto-Kovarianzmatrix der Beobachtungen bezeichnet. Die Kovarianzmatrix C sl beschreibt die Kreuzkorrelationen zwischen den Signalen und den Beobachtungen. Die Fehlerkovarianzmatrix C εε = C ss C sl C 1 ll C ls (4.2) liefert die Fehlerinformation der Kollokation. C ss ist die Auto-Kovarianzmatrix der Signale. Im Folgenden wird als Beispiel die Prädiktion von Schwereanomalien exemplarische beschrieben. Als Messgrößen werden bekannte, im vereinfachten Fall fehlerfreie, Schwereanomalien g 1, g 2,..., g i an i Beobachtungspunkten angenommen. Diese bilden den Beobachtungsvektor g. Die Schwereanomalie an einem Interpolationspunkt P ersetzt den Signalvektor (j =1). Das zu lösende Gleichungssystem setzt sich aus dem Beobachtungsvektor g, aus dem liegenden Kovarianzvektor C Pi, welcher die Korrelationen des Interpolationspunkts zu den Beobachtungspunkten beschreibt (Abbildung 4.1) und aus der Kovarianzmatrix C ii,welche die Korrelationen der Beobachtungspunkte untereinander beschreibt, zusammen: in Matrix-Vektor Notation: g = C Pi C 1 ii g (4.3) ) g = (C P 1 C P 2... C Pi 1 C 11 C C 1i g 1 C 21 C C 2i g 2. (4.4).... C i1 C i2... C ii g i 38

48 4 Kollokation Beobachtungspunkt l 1 l 7 l 2 Berechnungspunkt l 3 Korrelation l 4 l 5 l6 Abbildung 4.1: Statistische Korrelationen zwischen dem Berechnungspunkt und den Beobachtungen Kollokation nach kleinsten Quadraten Wird die Interpolation nach kleinsten Quadraten generalisiert, indem man nicht nur homogene Daten verwendet, sondern sowohl für Beobachtungen als auch für Signale heterogene Daten einsetzt, spricht man von Kollokation nach kleinsten Quadraten. Das Modell der Interpolation erweitert sich somit auf 1 C 11 C C 1i l 1 ) C 21 C C 2i l 2 s = (C 1 C 2... C i.... C i1 C i2... C ii l i }{{} } {{ } } {{ } }{{} [m 1] C IP [m n] C II [n n] l I [n 1], (4.5) Der Index i steht für die Anzahl an verschiedenen Beobachtungsgruppen, n ist die Gesamtanzahl an Einzelbeobachtungen, m ist die Anzahl der zu schätzenden Schwerefeldgrößen. Im Signalvektor s stehen die berechneten Schwerefeldgrößen. Der Beobachtungsvektor l I enthält die Vektoren (l 1 bis l i ), in welchen jeweils die Beobachtungen einer Datengruppe stehen. Die Matrix C IP setzt sich aus den Kovarianzmatrizen (C 1 bis C i ) zusammen, welche die Korrelationen der zu bestimmenden Signale mit den Beobachtungen aus jeweils einer Datengruppe beschreiben. Die Kovarianzmatrizen, welche die Matrix C II bilden, beschreiben die Korrelationen der Beobachtungen einer Datengruppe unter sich (C 11 bis C ii ), sowie die Korrelationen der Beobachtungen einer Datengruppe mit den Beobachtungen einer anderen Datengruppe (C 1i, C 2i...,C i1, C i2...). Die Kollokation im allgemeinen Fall wird häufig in der numerischen Mathematik verwendet, 39

49 4 Kollokation langwellig K( ) kurzwellig Zeitreihen Kovarianzfunktionen Abbildung 4.2: Typische Form einer Kovarianzfunktion für ein langwelliges und ein kurzwelliges Signal und ist dort als die Anpassung einer analytischen Approximation an eine bestimmte Anzahl von gegebenen linearen Funktionalen definiert. Im Anwendungsbereich der Geodäsie, wird die Kollokation zur Berechnung von Schwerefeldgrößen oder des Störpotentials selbst, aus gemessenen Werten, welche lineare Funktionale des Störpotentials sind, herangezogen. In dieser speziellen Anwendung spricht man von Kollokation nach kleinsten Quadraten Kovarianzfunktion Die Kovarianzfunktion, welche die statistischen Korrelationen zwischen den Beobachtungsgrößen und den zu bestimmenden Signalen beschreibt, nimmt eine fundamentale Rolle in der Kollokation ein. Abbildung 4.2 zeigt die typische Form einer Kovarianzfunktion für ein kurzwelliges Signal und ein langwelliges Signal in Abhängigkeit der Distanz. Mit zunehmender Distanz zwischen den Punkten, für welche die Kovarianz berechnet wird, nimmt die Kovarianz K(ψ) ab, was gleichbedeutend ist, dass die Korrelation zwischen den Punkten schwächer wird. In der physikalischen Geodäsie spielt die Kovarianzfunktion des Störpotentials eine fundamentale Rolle. Sie dient als Kernfunktion, von welcher die weiteren Kovarianzfunktionen der Schwerefeldgrößen abgeleitet werden. Wichtige und grundlegende Eigenschaften der Kovarianzfunktion des Störpotentials sind: symmetrisch in Bezug auf beiden Punkte harmonisch in Bezug auf beide Punkte überall außerhalb einer Kugel positiv definit homogen (invariant bezüglich Translation) und isotrop (invariant bezüglich Rotation) Für den Fall dass die beiden Punkte P (ϑ, λ) und Q(ϑ,λ ) auf der Erdoberfläche liegen (r P = r Q = R Erde ) und die Erde als eine Kugel, welche mit der sphärischen Approximation eines Referenzellisoides zusammenfällt, angenommen wird, ist die Kovarianzfunktion des 40

50 4 Kollokation Störpotentials durch eine Funktion, welche nur von der sphärischen Distanz ψ zwischen den Punkten abhängig ist, gegeben: K(P, Q) =K(ψ) =M(T (P )T (Q)) = 1 2π π 2π 8π 2 T (ϑ, λ) T (ϑ,λ )sinϑ dϑ dλ dα λ=0 ϑ=0 α=0 (4.6) M repräsentiert den Mittelwertoperator über die gesamte Erde und alle Azimute über alle Punktpaare mit dem Abstand ψ. Der Winkel ϑ ist der Komplementärwinkel zu der geographischen Breite ϕ: ϑ =90 o ϕ (4.7) und somit gilt: cos(ϕ) =sin(90 o ϕ) =sin(ϑ). (4.8) Um den Weg der Lösung der Integralformel zu umgehen wird die Kovarianzfunktion durch eine harmonische Reihentwicklung in Kugelfunktionen K(ψ) = k n P n (cosψ) (4.9) n=2 approximiert. P n (cosψ) sind die Legendre schen Polynome. Die Koeffizienten k n werden als Gradvarianzen bezeichnet. Liegen die Punkte P und Q nicht auf der Kugeloberfläche sondern im Raum wird die räumliche Kovarianzfunktion des Störpotentials K(P, Q) = n=2 ( ) R 2 n+1 k n rr P n (cosψ) (4.10) verwendet. Die Radien der Punkte P, Q werden mit r und r bezeichnet. R ist der Radius der Erde. Aus numerischen Gründen (bessere Konvergenz der Reihe) wird der Erdradius durch den Radius der Bjerhammerkugel ersetzt, welche eine Kugel definiert die vollkommen im Inneren der Erde liegt. In Anlehnung an [Mor89] wird in weiterer Folge die Kovarianzfunktion des Störpotentials mit K(P, Q) bezeichnet und die daraus abgeleitete Kovarianzfunktionen der Schwereanomalien mit C(P, Q). Kovarianzfortpflanzung Im vorigen Unterkapitel (4.1.3) wurde die Kovarianzfunktion des Störpotentials als Kernfunktion der Kollokation nach kleinsten Quadraten definiert. Kovarianzfunktionen von Größen, welche lineare Funktionale des Störpotentials sind, können über die Kovarianzfortpflanzung berechnet werden. Nachfolgend wird die Kovarianzfortpflanzung anhand zweier allgemeiner Beispiele erklärt. 41

51 4 Kollokation Angenommen, zwischen der Beobachtung im Punkt P und im Punkt Q soll die Kovarianz C Pi berechnet werden. Im Punkt P ist das Störpotential gegeben. Im Punkt Q wurde eine Größe l i gemessen, welche ein lineares Funktional des Störpotentials T (Q) l i = L Q i T (Q) (4.11) in diesem Punkt ist. Somit gilt für die Kovarianz zwischen diesen beiden Beobachtungen: C Pi = cov(t (P ),l i )=M(T(P) l i )=M(T(P) L Q i T (Q)). (4.12) Aufgrund des Kommutativgesetztes können die Operatoren L Q i und man erhält: und M vertauscht werden, C Pi = L Q i M(T (P ) T (Q)) = L Q i cov(t (P ) T (Q)) = L Q i K(P, Q) (4.13) Die Kovarianz C Pi ist somit das Ergebnis der Anwendung des lineare Funktionals L Q i Kovarianzfunktion des Störpotentials. auf die Gleiches gilt auch für die Kovarianz C ij zwischen zwei Größen l i und l j der Punkte P und Q, wenn beiden Größen lineare Funktionale des Störpotentials sind: C ij = cov(l i,l j )=M(l i l j ) (4.14) C ij = M(L P i T (P ) L Q j T (Q)) = LP i L Q j M(T (P ) T (Q)). (4.15) Somit ergibt sich für die Kovarianz C ij C ij = L P i L Q j K(P, Q). (4.16) Für die Berechnungen im Rahmen dieser Diplomarbeit, werden die Kovarianzfunktionen benötigt, welche Höhenanomalien ζ, Schwereanomalien g und die Lotabweichungskomponenten ξ, η berücksichtigen. Diese Größen des Schwerefeldes sind lineare Funktionale des Störpotentials: ζ = T = L i = 1 (4.17) γ 0 γ 0 g = T r 2 r T = L i = r 2 r ξ = 1 T γ 0 r ϕ = L i = 1 γ 0 r ϕ 1 T η = γ 0 rcosϕ λ = L 1 i = γ 0 rcosϕ λ (4.18) (4.19) (4.20) 42

52 4 Kollokation Wobei γ 0 ein mittlerer Schwerewert der Erde ist, r die Distanz des Punktes vom Erdmittelpunkt mit den Koordinaten ϕ und λ. Über die Kovarianzfortpflanzung können nun alle benötigten Kovarianzfunktionen, welche Korrelationen zwischen den Größen (4.17) bis (4.20) beschreiben, aus der Kovarianzfunktion des Störpotentials abgeleitet werden. In weiterer Folge wird eine kompaktere Schreibweise für die Ableitungen verwendet. Für erste Ableitungen (Beispiel Ableitung nach r) gilt: D r = r (4.21) Für zweite Ableitungen (Beispiel Ableitung nach ϕ und λ) gilt: D 2 ϕλ = 2 ϕ λ (4.22) cov(t P,T Q )=K(P, Q) (4.23) cov( g P, g Q )=D r D r K(P, Q)+ 2 r D r K(P, Q)+ 2 r D r K(P, Q)+ 4 K(P, Q) rr (4.24) 1 cov(ζ P,ζ Q )=K(P, Q) γ 0 γ 0 (4.25) cov(ξ P,ξ Q )=Dϕϕ 2 K(P, Q) 1 γ 0 γ 0 rr (4.26) cov(η P,η Q )=Dλλ 2 K(P, Q) 1 γ 0 γ 0 rr cosϕ cosϕ (4.27) ( cov( g P,ζ Q )= D r K(P, Q) 2 ) 1 r K(P, Q) γ 0 (4.28) ( cov( g P,ξ Q )=D ϕ D r K(P, Q)+ 2 ) 1 r K(P, Q) γ 0 (4.29) r cov( g P,η Q )=D λ (D r K(P, Q)+ 2r ) K(P, Q) 1 γ 0 r cosϕ (4.30) 1 cov(ζ P,ξ Q )= D ϕ K(P, Q) γ 0 γ 0 r (4.31) 1 cov(ζ P,η Q )= D λ K(P, Q) γ 0 γ 0 rcosϕ (4.32) cov(ξ P,η Q )=Dϕλ 2 K(P, Q) 1 γ 0 γ 0 rr cosϕ (4.33) Generalisierung der Kollokation Das Prinzip der Kollokation lässt sich ohne weiteres auf den allgemeinen Fall, auf Messgrößen, welche mit zufälligen Fehlern behaftet sind, und das Auftreten von systematischen 43

53 4 Kollokation Effekten erweitern. Die Gleichung dieser mit zufälligen Fehlern und einem systematischen Effekt behafteten Beobachtungen wird als Beobachtungsgleichung bezeichnet und lautet: l = Ax+ t + n (4.34) Die Beobachtungen l werden in einen Signalteil t, einrauschenn und einen systematischen Teil Ax unterteilt. Der Signalvektor t repräsentiert die Elemente des Störpotentials T, welche wiederum lineare Funktionale des Störpotentials sind. t = BT (4.35) Der Vektor n repräsentiert das Rauschen, welches ein Synonym für zufällige Fehler der Beobachtungen l ist. Der Ausdruck Ax repräsentiert den systematischen Anteil der Beobachtungen und somit einen in den Beobachtungen vorhandenen Trend. Die Matrix A spiegelt den Effekt der nichtzufälligen Parameter x auf die Beobachtungen l wieder. Wird in (4.34) A =0und n =0gesetzt, erhält man das vereinfachte Modell der Kollokation ohne zufällige Fehler und ohne Berücksichtigung eines systematischen Effekts, wie in Kapitel besprochen. Die Beobachtungsgleichung (4.34) repräsentiert auch deutlich die Synthese zwischen Ausgleichsrechnung und Kollokation. Für B =0reduziert sich (4.34) auf die lineare Beobachtungsgleichung des Ausgleich nach kleinsten Quadraten. Ist in der Beobachtungsgleichung kein Trendanteil (A =0) vorhanden, sondern sind die Messungen nur mit zufälligen Fehlern n behaftet, lautet die fundamentale Formel der Kollokation: s = C st (C tt + C nn ) 1 l. (4.36) Wird sowohl ein Trend als auch zufälliger Fehler berücksichtigt, lautet die fundamentale Formel: s = C st C 1 ll (l Ax) (4.37) mit C ll = C tt + C nn. (4.38) 4.2 Empirische, lokale und globale Kovarianzfunktion Für eine vorliegende Datenmenge kann eine empirische Kovarianzfunktion berechnet werden. Für diese empirische Kovarianzfunktion muss für die Verwendung in der Kollokation ein analytischer (geschlossener) Ausdruck gefunden werden, der bestmöglich an die gegebenen Daten angepasst ist. Die Schwierigkeit der Kollokation in der praktischen Anwendung liegt im Finden dieser geschlossenen Ausdrücke. Es werden Parameter benötigt, welche die empirische Kovarianzfunktion und eine Modell-Kovarianzfunktion sowohl für ein lokales als auch ein globales Gebiet ausreichend genau beschreiben. 44

54 4 Kollokation Beobachtung Ax+s n Ax t s Abbildung 4.3: Allgemeines Kovarianzmodell Werden nur kurze Distanzen verwendet, also nur das lokale Verhalten einer Kovarianzfunktion betrachtet, kann die Kovarianzfunktion mit drei Parametern, der Varianz C 0,derHalbwertsbreite ξ und dem Krümmungsparameter χ ausreichend genau beschrieben werden. Bei Betrachtung der Kovarianzfunktion auf Meeresniveau (r = r = R Erde ) und in einer ebenen Approximation, wo die Funktion alleinig von der Distanz ρ = R ψ (4.39) abhängig ist, werden die drei Parameter wie folgt definiert: Die Varianz C 0 ist der Wert der Kovarianzfunktion für die Distanz gleich null: C 0 = C(0) (4.40) Die Halbwertsbreite ξ ist der Wert des Arguments der für welche die Kovarianzfunktion bis zur Hälfte der Varianz C 0 abgefallen ist. C(ξ) = 1 2 C 0 (4.41) Der Krümmungsparameter χ ist eine dimensionlose Größe, welche mit der Krümmung κ der Kovarianzfunktion im Punkt ρ =0durch χ = κ ξ2 C 0 (4.42) in Beziehung steht. Der Krümmung κ kann durch die Varianz des Horizontalgradienten G 0 ersetzt werden: κ = G 0 (4.43) χ = ξ 2 G 0 (4.44) C 0 Für die Interpolation in der lokalen Anwendung ist der Bereich der Kovarianzfunktion bis zur Halbwertsbreite der Wichtigste. Bei Interpolationsuntersuchungen hat sich gezeigt, dass 45

55 4 Kollokation C( ) c c 0 empirische Kovarianzfunktion angepasste Modell-Kovarianzfunktion Abbildung 4.4: Empirische und angepasste Kovarianzfunktion von gemessenen Schwereanomalien alle plausiblen analytischen Ausdrücke für eine Kovarianzfunktion, welche durch die gleichen Werte der drei Parameter beschrieben werden können, nahezu identische Funktionswerte für ρ ξ liefern. In Abbildung 4.4 ist eine empirische Kovarianzfunktion mit ihrer angepassten Modell-Kovarianzfunktion und die drei Parameter C 0, ξ und χ dargestellt. Globale Parameter beschreiben die Kovarianzfunktion im Ganzen und werden durch Gradvarianzen k n repräsentiert. Für die Berechnung der Gradvarianzen gibt es verschieden Ansätze. In [TR74] werden für die Gradvarianzen Modelle angesetzt. Diese Methode wird in Kapitel 4.3 genauer beschrieben. Auch können Gradvarianzen aus Erdmodellen von verschiedenen Satellitenmission abgleitet werden. 4.3 Kovarianzfunktion nach Tscherning-Rapp Wie bereits in Kaptitel 4.2 angesprochen liegt das Hauptproblem der Kollokation im Aufstellen von analytischen Ausdrücken für die statistische Abhängigkeit der Input- und Outputparameter, den Kovarianzfunktionen. Eine Lösung für dieses Problem lieferten C.C. Tscherning und R.H. Rapp in [TR74] wo für die Berechnung der Gradvarianzen verschiedenen Modelle entwickelt wurden und daraus entsprechende geschlossene Ausdrücke für die Kovarianzfunktionen der Höhenanomalien, Schwereanomalien, Geoidundulationen und Lotabweichungen abgeleitet wurden. Die unterschiedlichen Modelle für die Gradvarianzen unterscheiden sich primär in ihrer numerischen Charakteristik. In Anlehnung an [Küh02] wurde für die Simulationen und Untersuchungen dieser Arbeit das Modell Nr.4 aus [TR74] Seite 30 verwendet: σ n ( g g) =A n 1 (n 2) (n + B) (4.45) 46

56 4 Kollokation Die Simulationen dieser Arbeit basieren ausschließlich auf dem Gradvarianz-Modell Nr.4 (4.45) und den daraus abgeleiteten geschlossenen Kovarianzausdrücken. Im nachfolgenden Kapitel werden daher nur Formeln basierend auf diesem Gradvarianz-Modell Nr.4 gezeigt. Die exakten Herleitungen aller im nachfolgenden Kapitel beschriebener Formeln sind in [TR74] zu finden. In diesem Report sind ebenfalls alle Ableitungen der weiteren Gradvarianz-Modelle beschrieben Geschlossene Kovarianzgleichung des Störpotentials Zunächst muss die Kovarianzfunktion des Störpotentials durch einen geschlossenen Ausdruck (Gleichung) dargestellt werden, da diese als Kernfunktion dient, von welcher alle weiteren Kovarianzfunktionen abgeleitet werden. Dazu wird diese in einzelne Komponenten aufgesplitet, welche durch einfache Summenformeln beschrieben werden können. Die Multiplikation dieser Komponenten mit entsprechenden Konstanten ergibt eine Approximation der Kovarianzfunktion. Für die Berechnung der Komponenten mit 2 i 0, weitere Komponenten mit i<0 werden nicht benötigt, werden folgende rekursive Formeln verwendet: Die Hilfsgrößen F = F i = s n+1 P n (t) (4.46) n=0 n= i+1 1 n + i sn+1 P n (t) (4.47) L = 1 2 st+ s 2 (4.48) M =1 L st (4.49) N =1+L st (4.50) werden zur vereinfachten Darstellung der geschlossenen Gleichungen eingeführt. Somit ergeben sich für die Komponenten F i mit 2 i 0 folgende geschlossene Gleichungen: F = s L F 1 = s ( M + ts ln 2 N ) ( ( (3 ts+1) F 2 = s M + s 2 P 2 (t) ln 2 2 N + (1 )) t2 ) 4 Für die Berechnung der Komponente i>0 werden folgende Formeln verwendet: (4.51) (4.52). (4.53) 47

57 4 Kollokation ( ) 2 s F 1 = ln 1+ 1 s + L (4.54) F 2 = 1 s (L 1+tF 1) (4.55) ( ) (i 1) 1 F i+1 = L +(2i 1)tF i F i 1 s s i. (4.56) Für die Berechnung der Kovarianzfunktionen welche statistische Beziehungen mit Lotabweichungen beschreiben, werden die ersten und zweiten Ableitungen der Komponenten F i nach der Variablen t benötigt. Diese Ableitungen, sowie die exakten Herleitungen aller genannten Formeln sind in [TR74] Seite zu finden. Die geschlossene Kovarianzgleichung des Störpotentials nach dem Gradvarianz-Modell Nr.4 lautet somit: K(P, Q) = n=3 R 2 (n 1) 2 σ n( g g) s n+1 P n (t) = AR 2 1 (n 1) (n 2) (n + B) sn+1 P n (t) n=3 AR 2 [ = (B +1)F 2 (B +2)(F 1 s 3 P 2 (t)) + F B s (B +2)(B +1) B ] s2 t B +1 s3 P 2 (t) (4.57) B +2 F B entspricht dem Ergebnis der rekursiven Formel (4.56), wobei die Rekursionstiefe durch den Parameter B festgelegt wird. Der Parameter B wird meist gleich 24 gesetzt. Die Parameter A und s stammen aus der Anpassung der Modellkovarianzfunktion an die empirisch bestimmte Kovarianzfunktion. Der Parameter s gibt das Verhältnis zwischen dem Radius der Bjerhammerkugel und dem Erdradius an (siehe auch Kapitel 4.3.4). Der Parameter t ist der Kosinus der sphärischen Distanz t = cosψ = sinϕ sinϕ + cosϕ cosϕ cos(λ λ). (4.58) Geschlossene Kovarianzgleichungen für Höhenanomalien, Schwereanomalien und Lotabweichungen In Kapitel wurden die Kovarianzfunktionen für Höhenanomalien, Schwereanomalien und Lotabweichungen (4.23) bis (4.33) theoretisch über die Fehlerfortpflanzung aus der Kovarianzfunktion des Störpotentials abgeleitet. Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass sich die Kovarianzfunktionen aus Differentiationen der Kernfunktion K(P, Q) nach dem Parameter t und nach den Radien r und r der Punkte P und Q zusammensetzt. Da die Kovarianzfunktionen von r beziehungsweise r einzig durch den Ausdruck 48

58 4 Kollokation s = R2 rr (4.59) abhängig sind, wirkt sich eine Differentiation nach diesen beiden Variablen durch eine Multiplikation der Gradvarianzen mit dem Grad plus einer Integerkonstante und einer Division durch r oder r aus (Kettenregel). R ist der Radius der Bjerhammerkugel. Für Kovarianzfunktionen welche Lotabweichungen berücksichtigen, werden die ersten und zweiten Ableitungen nach ϕ und λ benötigt. Diese erfolgt implizit durch das Ableiten der Kernfunktion nach dem Parameter t. Die Berechnung der Ableitung nach t wird entsprechend der Kettenregel in zwei Schritte aufgeteilt, wobei vorausgesetzt wird, dass die radiale Ableitung bereits durchgeführt worden ist. Im ersten Schritt erfolgt die Berechnung der Ableitung von K nach t, imzweiten Schritt wird mit den Ableitungen von t nach ϕ und λ multipliziert. D t K(P, Q) =K = D 2 t K(P, Q) =K = AR 2 [ (B +1)F (B +2)(B +1) 2 (B +2)(F 1 3 ts 3 ) ] +F B s2 B +1 3s3 t B +2 AR 2 [ (B +1)F 2 (B +2)(F 1 (B +2)(B +1) 3 s3 ) ] +F B 3s3 B +2 (4.60) (4.61) D ϕ K = D ϕ t K (4.62) D λ K = D λ t K (4.63) Dϕϕ 2 K = D ϕt D ϕ t K + Dϕϕ 2 t K (4.64) Dϕλ 2 K = D ϕt D λ t K + Dϕλ 2 t K (4.65) Dλλ 2 K = D λt D λ t K + Dλλ 2 t K (4.66) mit D ϕ t = cosϕ sinϕ sinϕ cosϕ cos(λ λ) (4.67) D λ t = cosϕ cosϕ sin(λ λ) (4.68) D ϕ t = sinϕ cosϕ cosϕ sinϕ cos(λ λ) (4.69) D λ t = cosϕ cosϕ sin(λ λ) (4.70) Dϕϕ 2 t = cosϕ cosϕ + sinϕ sinϕ cos(λ λ) (4.71) Dλλ 2 t = cosϕ cosϕ cos(λ λ) (4.72) Dϕλ 2 t = sinϕ cosϕ sin(λ λ) (4.73) 49

59 4 Kollokation Werden diese Gleichungen (4.48) bis (4.56) und (4.62) bis (4.73) in (4.23) bis (4.33) eingesetzt und verwendet man die geschlossenen Gleichungen (4.57), (4.60) und (4.61) für K, K und K, erhält man die geschlossenen Kovarianzgleichungen für die Höhenanomalien, Schwereanomalien, Geoidhöhen und Lotabweichungen. Stellvertretend für alle Kovarianzfunktion (4.23) bis (4.33) werden die geschlossenen Gleichungen für die Kovarianzfunktion der Schwereanomalien cov( g P, g Q ) und die Kovarianzfunktion der Lotabweichung cov(ξ P,ξ Q ) gezeigt, alle weiteren sind in [TR74] Seite zu entnehmen. cov( g P, g Q )=D r D r K(P, Q)+ 2 r D r K(P, Q)+ 2 r D r K(P, Q)+ 4 K(P, Q) rr = As [ ( (B +1) F B s ) ] B +2 B s2 t B +1 s3 P 2 (t) + F 2 (4.74) B +2 cov(ξ P,ξ Q )=Dϕϕ 2 K(P, Q) 1 γ 0 γ 0 rr =(D ϕ td ϕ tk + Dϕϕ 2 1 tk ) γ 0 γ 0 rr =(cosϕ sinϕ sinϕ cosϕ cos(λ λ)) (sinϕ cosϕ cosϕ sinϕ cos(λ λ)) K 1 γ 0 γ 0 rr +(cosϕ cosϕ + sinϕ sinϕ cos(λ λ)) K 1 γ 0 γ 0 (4.75) rr Verwendung von empirisch bestimmten Kovarianzen und Repräsentation einer lokalen Kovarianzfunktion Die niedrigen Grade der Reihenentwicklung des Störpotentials beschreiben den langwelligen, niederfrequenten Spektralbereich, also den globalen Trend. Für diesen Bereich können bei der Reihentwicklung des Störpotentials bis zu einem gewünschten Grad N entsprechend empirisch bestimmte Gradvarianzen ˆσ n eingeführt werden. Häufig werden dazu Gradvarianzen verwendet die durch Satellitenmissionen, bestimmt wurden. Die Kovarianzfunktionen ändern sich dann insofern, dass sich die Gradvarianzen aus einer Kombination der Gradvarianzen σ n entsprechend dem Modell und den Differenzen aus den empirisch bestimmten und den Modell Gradvarianzen bis zum gewünschten Grad N zusammensetzen. Diese Gradvarianzen werden als modifizierte Gradvarianzen ε n bezeichnet. Zum Verständnis werden als Beispiel wieder die Kovarianzfunktion der Schwereanomalien cov( g P, g Q ) und die Kovarianzfunktion der Lotabweichung cov(ξ P,ξ Q ) gezeigt (die weiteren geschlossenen Kovarianzgleichungen mit Berücksichtung von modifizierten Gradvarianzen sind in [TR74] auf Seite 51 zu finden): 50

60 4 Kollokation cov E ( g P, g Q )= = = m (ˆσ n ( g, g) σ n ( g, g)) s n+2 P n (t)+ σ n ( g, g) s n+2 P n (t) n=0 n=m+1 m (ˆσ n ( g, g) σ n ( g, g)) s n+2 P n (t)+cov( g, g) n=0 m ε n ( g, g) s n+2 P n (t)+cov( g, g) (4.76) n=0 cov(ξ P,ξ Q )=(D ϕ td ϕ t +(Dϕϕ 2 t m (ˆσ n (T,T) σ n (T,T)) s n+1 P n 1 (t)) GG rr n=0 m n=0 (ˆσ n (T,T) σ n (T,T)) s n+1 P n (t)) 1 GG rr + cov(ξ P,ξ Q ) (4.77) Wie diese beiden Beispiele zeigen werden für die geschlossenen Kovarianzgleichungen Summationen benötigt, welche erste und zweite Ableitungen der Legendre schen Polynome beinhalten. Diese Summationen können durch eine von Clenshaw entwickelte Methode sehr effizient berechnet werden, ohne explizit die ersten und zweiten Ableitungen der Legendre schen Polynome berechnen zu müssen (die Formeln dazu, inklusive ihrer Herleitung sind in [TR74] auf den Seite 63 bis 67 zu finden). Werden die Gradvarianzen bis zu einem bestimmten Grad N gleich null gesetzt, wird eine lokale Kovarianzfunktion repräsentiert. Durch das Nullsetzten der Gradvarianzen bis zu einem bestimmten Grad wird der niederfrequente, langwellige Teil der Kovarianzfunktion, welcher den globalen Anteil des Störpotentials widerspiegelt, abgeschnitten. Bei der Anwendung der Kollokation wird dieser globale Anteil meist vorweg durch topographisch-isostatische Reduktionen aus den Daten eliminiert. Die modifizierten Gradvarianzen bis zum Grad N sind dann gleich den negativen Modell-Gradvarianzen bis zum Grad N: ε n ( g, g) =ˆσ n ( g, g) σ n ( g, g) = σ n ( g, g) (4.78) mit ˆσ n ( g, g) =0. (4.79) 51

61 4 Kollokation Anpassung der Kovarianzfunktion Die Kovarianzmodelle nach Tscherning und Rapp haben den großen Vorteil, dass alle drei Parameter einer empirisch bestimmten Kovarianzfunktion (C 0, ξ und χ) überdiekoeffizienten A, s und N berücksichtigt werden. In [Kra82] wird die Anpassung der geschlossenen Kovarianzgleichungen an die empirisch bestimmten Parameter wie folgt beschrieben, wobei sich der Autor Gerhard Kraiger wiederum auf [SG80] bezieht: Die Anpassung wird in vier Schritten durchgeführt: 1. Näherungsweise Wahl von A 2. Abspalten einer Anzahl N von Gradvarianzen 3. Anpassen des Verhältnisses C 0 /G 0 und von ξ durch geeignete Wahl von s 4. Anpassen von C 0 durch geeignete Wahl von A Nach dem 4. Schritt wird die mit obigen Parametern A, s, N berechnete Varianz des Horizontalgradient (G 0 ) mit der empirisch bestimmten Varianz des Horizontalgradienten G 0 verglichen. Ist (G 0 ) größer als G 0, so müssen mehr Gradvarianzen als angenommen abgespalten werden beziehungsweise umgekehrt. Nach mehrmaligem Wiederholen dieses Vorgangs ist es möglich, eine gute Übereinstimmung der Kovarianzfunktion bezüglich der Parameter C 0, ξ und G 0 zu erreichen. 52

62 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs 5.1 Ausgangssituation Norbert Kühtreiber berechnete im Jahr 2002 ein Geoid aus heterogenen Daten mittels Kollokation nach kleinsten Quadraten und der Verwendung des klassischen Remove-Restore Verfahrens. Für die kombinierte Geoidlösung wurden 5796 Schweremessungen (Österreich und Nachbarländern) und ein Satz von über 650 in Österreich gemessenen Lotabweichungen verwendet [Küh02]. Im Zuge dieser Berechnungen wurde auch ein rein gravimetrisches Geoid und ein rein astrogeodätisches Geoid von Österreich bestimmt. Beim Vergleich dieser beiden Geoidlösungen zeigten sich in einigen Gebieten Differenzen in den Geoidhöhen von bis zu 20 cm (Abbildung 5.1). Die Abweichungen sind mit der Topographie Österreichs nicht korreliert. Das Gebiet mit den größten Unterschieden liegt im eher flacheren Südosten (Oststeiermark bis zum südlichen Burgenland). Die Unterschiede an den Staatsgrenzen sind auf Randeffekte zurückzuführen, da Lotabweichungsmessungen ausschließlich innerhalb Österreichs vorliegen. Für die großen Abbildung 5.1: Gravimetrische minus astrogeodätische Geoidlösung [cm] 53

63 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs Differenzen der beiden Geoidlösungen im Südosten vermutet Kühtreiber [Küh02] als Hauptgrund die zu geringe Dichte an gemessenen Lotabweichungen. Aufbauend auf den Untersuchungen in [Küh02] wurden im Rahmen dieser Arbeit die der astrogeodätischen Geoidberechnung zugrunde liegenden Lotabweichungsmessungen weiter überprüft. Folgende Arbeitsschritte wurden durchgeführt: Überprüfung der Qualität der vorhandenen Lotabweichungsmessungen Identifikation von fehlerhaften Messungen Identifikation von Regionen mit einer unzureichenden Dichte an Lotabweichungsmessungen Auswahl weiterer Punkte für Lotabweichungsmessungen Messung von zusätzlichen Lotabweichungspunkten Analyse der Neumessungen Die Untersuchungen und Berechnungen werden mit Hilfe der Kollokation nach kleinsten Quadraten durchgeführt (Kapitel 4). Mit dieser Prädiktionsmethode wurden die Lotabweichungspunkte im Südosten Österreichs untersucht. Die Methodik dieser Simulationen, sowie die verwendeten Daten und genauen Grenzen des Testgebiets sind im nachfolgenden Kapitel im Detail beschrieben. Die Lotabweichungsmessungen erfolgten mit dem astrogeodätischen Beobachtungssystem ICARUS. Mit diesem von der ETH-Zürich entwickelten System können die astronomischen Koordinaten eines Punktes bestimmt werden. Das System ICARUS wird in Kapitel 5.3 beschrieben. 5.2 Methodik der Simulation Das Hauptaugenmerk der durchgeführten Untersuchungen richtete sich auf ein Kerngebiet im Südosten Österreichs, in welchem die größten Abweichungen zwischen der astrogeodätischen und der gravimetrischen Geoidlösung auftreten. In verschiedenen Simulationen wurden mit der Kollokation nach kleinsten Quadraten für ausgewählte Punkte im Kerngebiet die beiden Lotabweichungskomponenten ξ, η aus den vorhandenen astrogeodätischen Daten (Lotabweichungen) oder den gravimetrischen Daten (Schwereanomalien) prädiziert. Die Ergebnisse der Prädiktionen wurden mit den gemessenen Werten und untereinander verglichen. Die Prädiktion aus den Schwereanomalien diente dabei als Referenzlösung, da die Schwereanomalien im Gegensatz zu den Lotabweichungen sehr dicht und regelmäßig in Österreich als auch in den Nachbarsländer vorliegen. 54

64 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs Entsprechend ihrer Zielsetzung wurden die Untersuchungen in vier Teile unterteilt: Im Rahmen des ersten Teils wurde die für die Kollokation verwendete Kovarianzfunktion überprüft, sowie das Fehlerverhalten der Kollokation näher betrachtet. Die Simulationen des zweiten Teils dienten zur Überprüfung der Qualität der vorhandenen Lotabweichungsmessungen. Dazu wurden im Kerngebiet für bereits gemessene Lotabweichungen die Lotabweichungskomponenten ξ, η einerseits aus den Lotabweichungen und andererseits aus den Schwereanomalien geschätzt. Die prädizierten Werte wurden anschließend mit den gemessenen Lotabweichungen verglichen. Die Simulationen des dritten Teils lieferten die Kriterien zur Auswahl von Punkten für Neumessungen. Hierfür wurden im Kerngebiet zusätzliche Lotabweichungspunkte gesetzt und die Änderung des Lotabweichungsfelds analysiert. Die beiden Lotabweichungskomponenten ξ, η dieser zusätzlichen Punkte wurden aus den Schwereanomalien prädiziert. Der vierte Teil der Untersuchungen dienten zur Analyse der Neumessungen Testfeld und Beobachtungsdaten Für die Simulationen wurden als Beobachtungsdaten (Inputdaten) für die Kollokation nach kleinsten Quadraten Schwereanomalien und Lotabweichungen verwendet. Die Kapitel und beschreiben die Datensätze, welche für Österreich und die umliegenden Nachbarländer vorhanden sind. Für die Kollokation ist ein möglichst glattes Feld an Inputdaten wünschenswert da dann die Prädiktion genauer wird. Die Beobachtungsdaten mussten somit, bevor sie in der Kollokation verwendet werden konnten, geglättet werden. Die Glättung erfolgte durch die Reduktion der Beobachtungsdaten (Schwereanomalien sowie Lotabweichungen) nach der klassischen Remove-Restore Methode und wurden bereits von Norbert Kühtreiber für die Untersuchungen in [Küh02] durchgeführt. Weiters wurden doppelt vorhandene Lotabweichungsmessungen vorweg aus dem Datensatz eliminiert und sehr dicht beieinander liegende Lotabweichungspunkte nicht verwendet, um damit numerische Probleme bei der Kollokation zu vermeiden. Die a priori Fehler der Beobachtungen stammen aus den Untersuchungen in [Küh02]. Die Fehlervarianz der Schwereanomalien wird mit σ g = ±1 mgal angenommen, die Fehlervarianzen der Lotabweichungskomponenten ξ, η werden mit σ ξ = ±0.2 und σ η = ±0.3 angenommen. Die Fehlerangaben sind optimistisch gewählt. Generell können die Lotabweichungsmessungen in Österreich nicht genauer als ±1 angenommen werden, da bereits Messungen am selben Punkt in der gleichen Nacht unterschiedliche Ergebnisse von dieser Größenordnung (±1 ) lieferten. Für die Kollokation ist jedoch vor allem das Verhältnis der Fehler der Beobachtungen untereinander wichtig, da mit der Fehlerangabe eine Gewichtung in der Berechnung erfolgt. Die meist genauer bestimmte Komponente ξ wird durch die Wahl eines kleineren Fehlers stärker gewichtet, als die Komponente η. Die Simulationen wurden auf ein Testgebiet im Südosten Österreichs beschränkt. Die Größe des Testgebiets wurde so gewählt, dass die für dieses Gebiet vorhandenen Beobachtungsda- 55

65 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs (a) Testgebiet & Kerngebiet (b) Datenverteilung Abbildung 5.2: Testgebiet, Kerngebiet, Datenverteilung ten (Schwereanomalien und Lotabweichungen) das Kerngebiet ausreichend überdecken. Im Kerngebiet treten die größten Abweichungen zwischen der astrogeodätischen und der gravimetrischen Geoidlösung auf. Da das Kerngebiet teilweise bis zur Staatsgrenze von Österreich reicht, ist eine ausreichende Überdeckung von Daten nur bei den Schwereanomalien möglich. Schwereanomalien liegen auch von den Nachbarsländern vor, Lotabweichungsmessungen sind ausschließlich innerhalb von Österreich gegeben. Das Testgebiet reicht von o bis 48.1 o nördlicher Breite und 14.7 o bis o östlicher Länge. Das Kerngebiet erstreckt sich von 46.5 o bis 47.7 o nördlicher Breite und 15.4 o bis 16.5 o östlicher Länge. Das Testgebiet umfasst insgesamt 1240 Punkte mit gemessener Schwere und 192 Lotabweichungspunkte, von welchen 47 Lotabweichungspunkte innerhalb des Kerngebiets liegen. Die reduzierten Schwereanomalien und Lotabweichungskomponenten dieser Punkte des Testgebiets bildeten die Basis der Inputdaten für die Kollokation in den nachfolgenden Simulationen. Abbildung 5.2 zeigt das Testgebiet, das Kerngebiet und die Verteilung der Punkte mit gemessener Schwere beziehungsweise Lotabweichung. Die einzelnen Simulationen werden in Kapitel 6 im Detail beschrieben. Zur besseren Unterscheidung zwischen prädizierten Lotabweichungen und Beobachtungen werden die Beobachtungsdaten als gemessene Lotabweichungen bezeichnet. Es sollte jedoch immer berücksichtigt werden, dass es sich dabei bereits um die reduzierten Lotabweichungen handelt. 56

66 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs Kollokationsprogramm und Parameter der Kovarianzfunktion Die Prädiktionen der Lotabweichungskomponenten wurden mit dem Kollokationsprogramm LSC durchgeführt. Dieses Programm, das auf einem Programm von Hans Sünkel basiert, wurde an der Technischen Universität Graz eigens für die Prädiktion von Höhenanomalien, Schwereanomalien, Schwerestörungen und Lotabweichungen mit der Kollokation nach kleinsten Quadraten entwickelt. Für die Berechnung der benötigten Kovarianzen zwischen diesen Schwerefeldgrößen wurde im Programm LSC die Subroutine COVAXN implementiert. Diese Subroutine wurde von C.C. Tscherning geschrieben und basiert auf dessen Grad- Varianzmodellen. Für die Simulationen dieser Arbeit wurde in Anlehnung an die Geoidberechnung von Norbert Kühtreiber das Grad-Varianzmodell Nr.4 (Formel 4.45) gewählt. Die vier Modellparameter A, B, s und N stammen aus einer Anpassung an eine empirische Kovarianzfunktion von 2489 ausgewählten österreichischen Schwereanomalien [Küh02]. Die drei essentiellen Parameter dieser empirischen Kovarianzfunktion sind durch C 0 = mgal 2, (5.1) ζ =43.5km, (5.2) G 0 = 100 E 2 (5.3) gegeben. Die Anpassung der Modellparameter erfolgte mit dem Programm COVFIT. Mit diesem Programm wurden die drei Parameter A, s und N iterativ an die Parameter der empirischen Kovarianzfunktion (5.1 bis 5.3) angepasst. Der Parameter B, welcher die Struktur der Gradvarianzen beschreibt, kann nur unzureichend aus lokalen Daten geschätzt werden. Dieser wird oft standardmäßig B = 24 gesetzt [SG80]. Die Anpassung lieferte folgenden Werte: A = mgal 2, (5.4) s = , (5.5) N =79. (5.6) In Abbildung 5.3 ist die empirische Kovarianzfunktion der 2489 ausgewählten österreichischen Schwereanomalien und die angepasste Modell-Kovarianzfunktion dargestellt. Abbildung 5.4 zeigt alle weiteren für die Simulationen benötigten Kovarianzfunktionen, welche mit in der Subroutine COVAXN nach Einsetzen der vier Parameter (5.4 bis 5.6) berechnet wurden. 57

67 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs 800 Kovarianzfunktion der Schwereanomalien Kovarianzen [mgal ] angepasst empirisch Distanz [km] Abbildung 5.3: Empirische und angepasste Modell-Kovarianzfunktion 58

68 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs Kovarianzfunktion Kovarianzfunktion Kovarianzfunktion Kovarianz [arcsec²] Kovarianz [arcsec²] Kovarianz [arcsec²] Distanz [km] Kovarianzfunktion g g Kovarianzfunktion g Kovarianzfunktion g Kovarianz [mgal²] Kovarianz [mgal arcsec] Kovarianz [mgal arcsec] Distanz [km] Kovarianzfunktion g Kovarianzfunktion Kovarianzfunktion Kovarianz [m mgal] Kovarianz [m arcsec] Kovarianz [m arcsec] Distanz [km] Abbildung 5.4: Kovarianzfunktionen 59

69 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs 5.3 Messsystem ICARUS Für die Neubestimmung von Lotabweichungskomponenten ξ, η wurde das Softwarepaket ICARUS verwendet. ICARUS ist ein Online-Beobachtungssystem von Sternen zur Bestimmung der astronomischen Länge und Breite. Das System wurde vom Institut für Geodäsie und Photogrammetrie der ETH Zürich entwickelt. Das Beobachtungssystem setzt sich aus einem Notebook mit Betriebssystem DOS, einem mit Servomotoren betriebenen Theodolit, einem GPS-Empfänger, einem Zeitstopper, der notwendigen Schnittstellenbox sowie der in Pascal geschriebenen Programme EPHEM und ICARUS zusammen (Abbildung 5.5). Abbildung 5.5: Beobachtungssystem ICARUS ETH Zürich Bestimmung der astronomischen Koordinaten Das Softwarepaket ICARUS berechnet zunächst ausgehend von einer genäherten Breitenangabe des Standorts und einem angegebenen Zenitwinkel die Sternephemeriden aller katalogisierten Sterne. Nach Auswahl eines geeigneten Sternes wird dieser automatisch über den durch das Programm gesteuerten motorisierten Theodolit angezielt. Anschließend kann der Zeitpunkt des Zenitdurchgangs des Sterns gestoppt werden. Die Zeitstoppung der Ze- 60

70 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs Abbildung 5.6: Screenshot Programm EPHEM nitdurchgänge der Sterne sowie die Zeitsynchronisation erfolgt mittels GPS-Empfänger. Die gemessene Zeit, der Zenitwinkel und das Azimut jeder Beobachtung werden gespeichert. Die Berechnung der astronomischen Koordinaten des Standorts aus den Sternbeobachtungen erfolgt nach dem Standlinienverfahren. Dieses Verfahren ist in Kaptitel im Detail beschrieben. Nach der Beobachtung von drei Sternen werden die berechneten astronomischen Koordinaten des Standpunkts nach der Methode der kleinsten Quadrate ausgeglichen. Ein Indexfehler i, mit welchem systematische Fehler der Beobachtungen berücksichtigt werden, wird ebenfalls mitgeschätzt. Jede einzelne Beobachtung kann sofort Online nach der Ausgleichung anhand ihrer Residuen kontrolliert werden und wenn nötig von der Berechnung ausgeschlossen werden Programme EPHEM und ICARUS Bevor das Programm ICARUS gestartet wird, ist es notwendig das Hilfsprogramm EPHEM auszuführen. Dieses Hilfsprogramm erzeugt ein File mit den Sternephemeriden für die eingegebene approximierte Breite ϕ des Beobachtungsorts und die gewählte fixe Zenitdistanz. Das File enthält die Sternnummer, die Magnitude, die Sternzeit für den West- und den Ostdurchgang, sowie das Azimut und die Zenitdistanz. Weiters sortiert das Programm die Sterne (zirka 2500) nach ansteigender Sternzeit. Zusätzlich zu dem vom Programm EPHEM vorbereiteten File und dem Sternenkatalogfile FK5.BIN benötigt ICARUS ein Eingabefile ICARUS.INP, welches Informationen über die aktuelle Konfiguration (verwendeter GPS-Empfänger, Instrumententyp sowie Informationen über die Schnittstellen) enthält. Nach dem Starten des Programms ICARUS werden die Files eingelesen und in den Speicher des Rechners geladen, weiters müssen zusätzliche Informationen, die approximierten Koordinaten des Standpunktes, die gemessene Temperatur und der aktuelle Druck sowie die für den Messzeitpunkt prädizierten Erdrotationsparameter (Polkoordinaten und Uhrkorrektur), eingegeben werden. Anschließend baut das Programm die Verbindung zum angeschlossenen 61

71 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs Abbildung 5.7: Screenshot Programm ICARUS Theodolit und GPS-Empfänger auf und die Computeruhrzeit wird synchronisiert. Der Horizontalkreis des Tachymeters wird mit Hilfe eines Fixsterns nach Norden ausgerichtet. Nach diesem Initialisierungsprozess ist das Programm messbereit und der Bildschirm teilt sich in vier Teile: Hauptmenü, Beobachtungsfenster, Ergebnisfenster und Ephemeridenfenster (Abbildung 5.8). Im Hauptmenü sind die wesentlichen Tastenkombinationen zur Steuerung des Programms angegeben, ebenfalls kann die Intensität der Fadenkreuzbeleuchtung geändert werden. Die durchgeführten Sternmessungen inklusive ihrer Residuen werden im Beobachtungsfenster angezeigt. Das Ergebnis des Ausgleichs, welcher nach jeder neuen Messung durchgeführt wird, ist im Ergebnisfenster aufgelistet. Im Ephemeridenfenster stehen die vorausberechneten, nach Zenitwinkeldurchgang sortierten Sterndaten. Eine Messung beginnt mit der Auswahl eines Sternes im Ephemeridenfenster. Kriterien der Auswahl sind der Zeitpunkt des Zenitdurchgangs, die Magnitude des Sterns sowie das Azimut, da auf eine gleichmäßig Verteilung wert gelegt werden soll. Anschließend wird das Beobachtungsfenster aktiv und der gewählte Stern Abbildung 5.8: Screenshot Programm ICARUS (2) 62

72 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs kann beobachtet werden. Für jeden Stern ist der Durchgang durch den Vertikalfaden des Tachymeters sechs Mal durch leichtes Nachdrehen zu messen. Nach der Beobachtung von drei Sternen wird erstmals ein Ausgleich gerechnet und das Ergebnis im Ergebnisfenster angezeigt. Im Beobachtungsfenster wird jede einzelne Messung mit ihren Residuen angezeigt. Jede einzelne Messung kann markiert werden und wird somit bei erneuter Durchführung des Ausgleiches nicht mehr berücksichtigt. Nach Beendigung des Programms wird ein Protokollfile erstellt, dieser enthält das Ergebnis und alle Messungen mit ihren Verbesserungen, die Daten der gemessenen Sterne, die Zusatzinformationen sowie Name des Standpunkts und des Beobachters. Zusätzlich kann, wenn nötig, zu einem Standpunkt ein Exzenter gelegt werden, Distanz und Azimut des Excenter können nach Beendigung der Messung eingegeben werden. Die Auswertung der Beobachtung sowie die Eingabe der aktuellen Erdrotationsparameter können auch mit all den zuvor beschriebenen Funktionen im Post-processing erfolgen Systematische Einflüsse auf die Zenitdistanzmessung Die Genauigkeit der Messungen hängt von mehreren Faktoren ab: Verwendete Instrumente Horizontierung der Instrumente Erfahrung und Reaktionszeit des Beobachters Instrumentenfehler, wie Zielachsen-, Kippachsen- und Indexfehler, sowie die Stehachsenschiefe verfälschen die Horizontal- und Vertikalwinkelmessungen. Bei den Zenitdistanzmessungen der astronomischen Beobachtungen von Sternen müssen vor allem die Kippachsenneigung, die Zielachsabweichung (Kollimationsfehler) sowie der Höhenindexfehler (Indexabweichung) berücksichtigt werden. Die weiteren Instrumentenfehler (Kippachsen- und Teilkreisexzentrizität sowie Kreisteilungsfehler) werden weniger Bedeutung beigemessen, da die entstehenden Messabweichungen meist deutlich kleiner als die Auswirkungen der Atmosphäre (Refraktion) sind Die Zielachsenneigung setzt sich aus dem Kippachsenfehler des Instruments sowie der Stehachsenschiefe zusammen. Im Gegensatz zur Messung von terrestrischen Zielen kann bei astronomischen Beobachtungen der Einfluss des reinen Zielachsenfehlers nicht durch eine Messung in zwei Kreislagen eliminiert werden, da sich aufgrund der Bewegung des angezielten Sterns die Zenitdistanz ändert ( [Sig75] Seite 157). Die Stehachsenschiefe, welche ein Aufstellungsfehler ist, lässt sich nicht durch eine Messung in zwei Kreislagen kompensieren. Die astronomischen Beobachtungen mit dem System ICARUS werden nur in einer Kreislage durchgeführt. Bei der Auswertung durch das Programm ICARUS wird deshalb der Indexfehler i als weitere Unbekannte beim Ausgleich eingeführt. Da neben der Zeitmessung einzig die Zenitdistanz als Messwert in die Beobachtung eingeht, können mit diesem Indexfehler systematische Einflüsse (Instrumentenfehler, systematische verfälschte Refraktionskorrektur) 63

73 5 Untersuchungen im Südosten Österreichs eliminiert werden. Zu beachten ist, dass der Indexfehler, welcher in der Ausgleichung berechnet wird, nicht mit dem Indexfehler des Tachymeters identisch ist. Ein weiterer systematischer Fehler ist die sogenannte persönliche Gleichung. Darunter versteht man die durchschnittliche Reaktionszeit des Beobachters beim Stoppen der Sterndurchgänge. Sie beruht auf dem persönlichen Reaktionsverhalten des Beobachters. Sie ist in der Regel positiv, das heißt, die Sterndurchgänge werden im Allgemeinen zu spät wahrgenommen. Die korrekte Trennung des Einflusses der persönlichen Gleichung von den zufälligen Messungen bedingt häufig Referenzmessungen auf Stationen mit bekannter Länge. Um diese Einflüsse möglichst gering zu halten sollte eine möglichst gleichmäßige azimutale Sternverteilung angestrebt werden. Die Größe des Refraktionswinkels ist proportional zum Tangens der Zenitdistanz, daher sollte dieser nicht allzu groß gewählt werden. Der optimale Wert für die Zenitdistanz liegt bei etwa 30 o Messdauer Die Messerdauer pro Standpunkt hängt stark von der Routine des Beobachters sowohl beim Messen als auch beim zeitintensiven Auf- und Abbau der Instrumente ab. Die Hilfe einer zweiten Person ist von großem Vorteil. Der Beobachter kann sich auf das Messen der Sterne konzentrieren, während die zweite Person gänzlich die Arbeiten am Notebook übernimmt. Erfahrungsgemäß kann ein geübter Beobachter mit dem System ICARUS bis zu 25 Sterne innerhalb von 30 Minuten beobachten Installation der Software und Konfigurationsdateien Bevor man mit dem Messsystem ICARUS arbeiten kann, müssen alle notwendigen Konfigurationsdateien erstellt sein und zusammen mit den beiden Programmen EPHEM und ICARUS im selben Verzeichnis vorliegen. Weiters wird ein spezieller von Shamrock ( zur Verfügung gestellter Interface Driver namens V24 benötigt. Wird die ICARUS-Software auf einem zu schnellen Rechner installiert wird, erzeugt das mit Borland Pascal kompilierte DOS-Programm einen Überlauf und eine Division durch Null. Dieses Problem kann durch Verwendung zweier Patch-Programme, TPPATCH.EXE und TP7P5FIX.COM, beseitigt werden. 64

74 6 Simulationen und Messung 6.1 Simulationen Allgemeine Erklärungen zu den Graphiken der Simulationen Die Ergebnisse der verschiedenen Prädiktionen der Punkte im Kerngebiet wurden zum Teil durch Vergleiche mit den gemessenen Werten oder durch Vergleiche untereinander verifiziert. Zur graphischen Darstellung werden hauptsächlich Differenzfelder mit entsprechenden Konturflächen verwendet. Diese Felder wurden durch Interpolation aus den an den Lotabweichungspunkten berechneten Differenzen erzeugt. Die Interpolation erfolgte mit der Methode Kriging des Programms Surfer (Version 8.00), welches anschließend auch zur graphischen Darstellung herangezogen wurde. Die Analyse der Simulationen in den Kapiteln 6.1.2, 6.1.3, und beruhen auf dem Vergleich zwischen den prädizierten und den gemessenen Lotabweichungskomponenten ξ,η. Die Differenzen sind in Altsekunden gegeben, die Darstellung erfolgt mit farbigen Konturflächen in einem Intervall von 0.5. Für die Verifizierung der Neumessungen wurden auch Geoidhöhen, beziehungsweise die Unterschiede zwischen astrogeodätisch und gravimetrisch gerechneten Geoidhöhen betrachtet (Kapitel 6.3.2). Bei diesen Abbildungen ändert sich die Skalierung der Konturflächen, da die Geoidhöhen in Meter gegeben sind. Weiters wurden bei diesen Abbildungen nur die Geoidhöhen innerhalb Österreichs dargestellt. Die Werte außerhalb der Staatsgrenze wurden im Programm Surfer mit dem Befehl Blanc ausgespart. Bei Simulationen, bei denen die Fehler der Kollokation berechnet wurden, wurde für die graphischen Darstellung aus den Fehlern der prädizierten Punkten ein Feld interpoliert. In Abbildung 6.1 sind zwei Beispielgraphiken dargestellt, welche stellvertretend für alle weiteren Abbildungen eine umfangreiche Legende enthält. Die mit unterschiedlichen Grauwerten abgestuften Konturlinien repräsentieren das aus den reduzierten Schwereanomalien erzeugte Schwerefeld (Konturintervall = 5 mgal). Die 47 im Kerngebiet liegenden Lotabweichungen sind durch blaue Punkte dargestellt. Zusätzliche Punkte, für welche die Lotabweichungskomponenten ξ, η aus Schwereanomalien prädiziert wurden, werden mit roten Dreiecken markiert. In Graphiken die auf Simulationen basieren, bei welchen die Schwereanomalien als Inputdaten verwendet wurden, sind die Punkte mit gemessener Schwere durch kleine rote Kreuze gekennzeichnet. Die schwarze Linie repräsentiert die österreichische Staatsgrenze. Die Koordinaten beziehen sich auf WGS84. 65

75 6 Simulationen und Messung Punkte mit gemessener Lotabweichung Punkte mit gemessener Schwere ausgewählte Punkte für Neumessungen Österreichische Staatsgrenze Differenzfeld: Prädizierter Wert minus gemessener Wert [''] Schwerefeld [mgal] (a) Punkte mit gemessener Lotabweichung Rasterpunkte Österreichische Staatsgrenze Fehler der Kollokation [''] (b) Abbildung 6.1: Beispielgraphik mit Legende Kovarianzfunktion und Fehlerverhalten der Kollokation Den Simulationen dieser Arbeit liegen die gleichen Beobachtungsdaten zu Grunde wie der Geoidberechnung von Norbert Kühtreiber [Küh02]. Die Parameter für die Modellkovarianzfunktion wurden daher von der für dieser Geoidberechnung durchgeführten Anpassung übernommen. Zunächst wurde überprüft, ob diese aus Schwereanomalien angepasste Kovarianzfunktion auch mit dem ausgewählten Datensatz von 192 Lotabweichungen des Testgebiets zusammenpasst. Dazu wurden die Lotabweichungskomponenten ξ, η an allen 47 Lotabweichungspunkten im Kerngebiet aus dem Satz von Lotabweichungen prädiziert. In Abbildung 6.2 sind die Differenzen zwischen den gemessenen und den prädizierten Werten dargestellt. Mit Ausnahme zweier Regionen um die Punkte 416 und 698 in der Komponente η treten bei den Differenzfeldern beider Komponenten keine größeren Unterschiede als ±1 auf. Da die Genauigkeit der astrogeodätischen Lotabweichungsmessungen in Österreich nicht höher als 1 angenommen werden kann, konnte die Modellkovarianzfunktion von [Küh02] unverändert für die weiteren Berechnungen übernommen werden. Die anschließende Simulation diente zur Analyse und genaueren Betrachtung des Fehlerverhaltens der Kollokation. Dazu wurden die Lotabweichungskomponenten ξ, η im Kerngebiet in den Gitterpunkten eines Rasters aus dem Satz der unregelmäßig verteilten 66

76 6 Simulationen und Messung (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.2: Simulation zur Überprüfung der Kovarianzfunktion: Differenz zwischen gemessenen und prädizierten Lotabweichungskomponenten Lotabweichungen prädiziert (Abbildung 6.3). Erwartungsgemäß lieferte die Kollokation bei der Prädiktion der Schwerefeldgrößen in jenen Regionen des Kerngebiets, welche eine geringe Dichte von gemessenen Lotabweichungsstationen aufweist, einen größeren Fehler. Die Fehlerkovarianzmatrix (Formel 4.2 in Kapitel 4.1.1) ist ausschließlich von der Distanz zwischen den Inputdaten und somit von der Verteilung der Inputdaten abhängig. In die Fehlerberechnung fließen keine Beobachtungswerte ein. Man könnte nun annehmen, dass das Ziel, zu zeigen, dass die geringe Dichte an gemessenen Lotabweichungsstationen Hauptverursacher der großen Abweichungen zwischen der astrogeodätischen und der gravimetrischen Geoidlösung ist, erreicht ist. Folgende Überlegungen über das Fehlerverhalten der Kollokation halten jedoch von diesem frühen Schluss ab: Die Lotabweichungen wurden gemessen um das darunter liegende Schwerefeld zu bestimmen. Das Schwerefeld ändert sich unterschiedlich stark. In einer Region mit starken Änderungen und großen Unregelmäßigkeiten des Schwerefelds sind wesentlich mehr Messungen notwendig, um daraus das Schwerefeld schätzen zu können, als in Regionen, wo sich das Schwerefeld nur gering ändert. Werden beispielsweise Lotabweichungspunkte in einer Region mit geringen Änderungen des Schwerefeldes und wenigen Inputdaten prädiziert, wird die Kollokation sehr pessimistische Fehler liefern. Aufgrund der schwachen Änderung des Schwerefelds können jedoch die Lotabweichungskomponenten für weitere Punkte ausreichend genau aus der geringen Anzahl an Beobachtungspunkten prädiziert werden. Vice versa, bei Prädiktionen in einem Gebiet mit starken Änderungen und einer hohen Dichte an Lotabweichungsmessun- 67

77 6 Simulationen und Messung (a) Fehler von ξ [ ] (b) Fehler von η [ ] Abbildung 6.3: Fehlerinformation der Kollokation aus der Simulation auf Rasterpunkten gen, wird die Kollokation optimistische Fehler liefern obwohl mit großer Wahrscheinlichkeit die prädizierten Werte weiterer Verdichtungspunkten von tatsächlichen Messungen abweichen würden Überprüfung der Qualität der vorhandenen Lotabweichungsmessungen Aus der Betrachtung der Fehler alleine, kann noch keine eindeutige Aussage über die Ursache der großen Differenzen zwischen den beiden Geoidlösungen getroffen werden. Es muss eine Strategie entwickelt werden, welche die gemessenen Werte an den Lotabweichungspunkten ebenfalls in die Simulationen einfließen lässt. In einem ersten Schritt wurden im Kerngebiet zwei Vergleiche zwischen prädizierten Werten und gemessenen Werten der Lotabweichungskomponenten ξ, η an den 47 Lotabweichungspunkten durchgeführt. Inputdaten für die Kollokation des ersten Vergleichs waren die 192 Lotabweichungen, für den zweite Vergleich wurden die Lotabweichungskomponenten aus den 1240 Schwereanomalien prädiziert. Die erste Prädiktion, welche auf den Lotabweichungen beruht, ist jener zur Überprüfung der Kovarianzfunktion ähnlich. Hier wurde allerdings die Prädiktion jedes Punkts einzeln für sich durchgeführt, wobei jeweils die gemessenen Komponenten ξ, η des Prädiktionspunkts zuvor aus dem Inputdatensatz eliminiert wurde. Die prädizierten Werte der Lotabweichungskomponenten ξ, η wurden mit den gemessenen Werten verglichen. Abbildung 6.4 zeigt die Differenzfelder zwischen den Beobachtungen (Messungen) und den Ergebnissen der Prädiktionen basierend auf den Lotabweichungen und den Schwereanomalien. 68

78 6 Simulationen und Messung Beobachtungen: Lotabweichungen (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Beobachtungen: Schwereanomalien (c) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (d) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.4: Differenzen zwischen den gemessenen und den prädizierten Lotabweichungskomponenten 69

79 6 Simulationen und Messung Der Vergleich dieser vier Differenzfelder (gleicher Skalierung) lieferte drei wichtige Erkenntnisse: 1. Bei beiden Vergleichen treten markant große Unterschiede zwischen Beobachtung und Prädiktion in den Punkten mit den Nummern 416, 421 und 698 auf. Vor allem bei der Komponente η kommen die großen Abweichungen deutlich zum Vorschein. Mit großer Wahrscheinlichkeit können diese Punkte als fehlerhaft angenommen werden. Dieses Ergebnis stimmt auch mit den Untersuchungen in [Küh02] überein, in welchen dieses Punkte ebenfalls als kritisch eingestuft wurden. 2. Im Nordosten des Kerngebiets treten zwischen den aus Lotabweichungen prädizierten Werten und den gemessenen Werten Unterschiede bis zu 4 auf. Beim Vergleich der Ergebnisse der Prädiktion basierend auf den Schwereanomalien mit den gemessenen Werten sind jedoch keine Differenzen größer als 0.5 zu erkennen (die drei zuvor genannten Punkte ausgenommen). Dieser Vergleich führt zum Schluss, dass die gegebene Konfiguration der gemessenen Lotabweichungen nicht ausreichend ist, um daraus die Lotabweichungskomponenten ξ, η schätzen zu können. Diese Tatsache kündigte sich bereits in den ersten beiden Simulation von Kapitel (Abbildung 6.2 und Abbildung 6.3) an. Beide Vergleiche lieferten im Nordosten des Testgebiets schlechtere Ergebnisse. Durch das Herausnehmen der gemessenen Beobachtung des jeweiligen Prädiktionspunkts aus den Inputdaten, wird die Konfiguration noch weiter geschwächt. Der Einfluss der geringen Dichte von Lotabweichungsmessungen und der damit verbundene geringe Informationsgehalt in diesem Gebiet kommt noch deutlicher zum Vorschein. 3. In den Regionen mit guter Übereinstimmung beider Prädiktionen mit den gemessenen Werten werden keine weiteren Untersuchungen durchgeführt. Diese Erkenntnisse sollten durch neue zusätzliche Lotabweichungsmessungen bestätigt werden. Damit eine effiziente Auswahl an Punkten für die Neumessungen getroffen werden konnte, wurden weitere Simulationen durchgeführt Auswahl von möglichen Neupunkten Aufbauend auf den Erkenntnissen der Simulationen in Kapitel wurden weitere Untersuchungen durchgeführt, welche als Entscheidungskriterium für die Auswahl von Punkten für Neumessungen dienen. Mit diesen Simulationen wurden Punkte identifiziert, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Neumessung einen positiven Einfluss auf das Lotabweichungsfeld haben. Die Simulationen waren alle nach dem gleichen Schema aufgebaut: 1. Auswahl von Untersuchungspunkten im Kerngebiet nach folgenden Überlegungen: Setzen von Verdichtungspunkten in den in Kapitel identifizierten Regionen mit unzureichender Dichte an Lotabweichungspunkten 70

80 6 Simulationen und Messung Die Verteilung der Lotabweichungspunkte soll regelmäßig und rasterähnlich sein Wiederholungsmessung von als fehlerhaft vermuteten Punkten 2. Prädiktion der Lotabweichungskomponenten ξ, η für die ausgewählten Untersuchungspunkte aus den Schwereanomalien. 3. Die Punkte mit den aus den Schwereanomalien prädizierten Lotabweichungskomponenten werden in weiterer Folge fiktiv wie real gemessene Lotabweichungen behandelt. Die Untersuchungspunkte werden zu den gemessenen Lotabweichungspunkten hinzugefügt. 4. Wiederholung der Simulation von Kapitel mit dem erweiterten Feld an Lotabweichungspunkten: Prädiktion der Komponenten ξ, η einzeln für jeden Lotabweichungspunkt im Kerngebiet aus den Lotabweichungen, wobei jeweils die Beobachtungen des Prädiktionspunkts aus den Inputdaten herausgenommen wird. 5. Vergleich der prädizierten Werte mit den gemessenen Werten (beziehungsweise aus den Schwereanomalien gerechneten Werten) und anschließende Darstellung als Differenzfeld. Insgesamt wurden in sieben Untersuchungen für ausgewählte Punkte die Lotabweichungskomponenten ξ, η prädiziert und der Einfluss dieser zusätzlichen Beobachtungen auf das Feld verifiziert. Die Messgenauigkeit der astronomischen Beobachtungen liegt bei ±1. Daher wurde vor allem den Differenzen, welche über dieser Messunsicherheit liegen, besondere Beachtung geschenkt. In den ersten drei Simulationen wurden in drei Regionen mit unzureichender Dichte an Lotabweichungspunkten zusätzliche Punkte gesetzt. Große Lücken in der Punktverteilung treten vor allem in der Region südlich bis westlich des Punktes 421, in der Region rund um den Punkt 416 und in der Region südlich des Punktes 698 auf. Die Ergebnisse sind in Abbildung 6.5 bis 6.7 dargestellt. Die Simulationen liefern für die Regionen um die Punkte 421 und 698 sehr ähnliche Ergebnisse. Bei der Betrachtung der Differenzen in der Komponente ξ führen die Verdichtungspunkte zu einer deutlich besseren Übereinstimmung der aus Lotabweichungen prädizierten Werte mit den gemessenen Werten. Die Prädikion von zusätzlichen Lotabweichungskomponenten rund um den Punkt 416 führt nur östlich des Punktes zu einer leichten Verbesserung. Südwestlich des Punktes treten sogar größere Differenzen als zuvor auf. Da der Punkt 416 als fehlerhaft vermutet wird, und die Prädiktionspunkte rund um diesen Punkt angeordnet wurden, sind diese vermutlich durch die fehlerhafte Messung beeinflusst. Das Ergebnis der Prädiktion der Komponente η bestätigt diesen Verdacht, da hier die markanten Abweichungen an den drei Punkten 416, 421 und 698 auch trotz der zusätzlichen Punkte auftreten. 71

81 6 Simulationen und Messung (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.5: Simulation von Neumessungen um den Punkt 421: Differenz zwischen gemessenen und prädizierten Lotabweichungskomponenten (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.6: Simulation von Neumessungen um den Punkt 416: Differenz zwischen gemessenen und prädizierten Lotabweichungskomponenten 72

82 6 Simulationen und Messung (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.7: Simulation von Neumessungen südlich des Punkts 698: Differenz zwischen gemessenen und prädizierten Lotabweichungskomponenten In der vierten Simulation wurden für die als fehlerhaft vermuteten Punkte 416, 421 und 698 die Lotabweichungskomponenten ξ, η aus den Schwereanomalien prädiziert. Die gemessenen ξ, η -Werte dieser drei Punkte wurden nun durch die prädizierten Werte ersetzt. Zusätzlich wurden jene Punkte der zuvor durchgeführten drei Simulationen, deren Einfluss am größten vermutet wurde, zu den gemessene Lotabweichungspunkte hinzugefügt. Die Prädiktion der Lotabweichungskomponenten aus diesem erweiterten Lotabweichungsfeld wurde wiederholt und erneut mit den gemessenen, beziehungsweise aus Schwereanomalien berechneten Werten verglichen (Abbildung 6.8). Nun zeigen sich auch in der η -Komponente deutliche Verbesserungen. Die großen Abweichungen an den Punkten 416, 421 und 698 verschwinden gänzlichen. Auch erweist sich die Reduktion der Verdichtungspunkte als sinnvoll. Beim Vergleich von Abbildung 6.8 mit den Abbildungen 6.5 bis 6.7 sind aufgrund der geringeren Anzahl an Verdichtungspunkten keine größeren Abweichungen erkennbar. Die zuvor aufgetretenen Differenzen in der Komponente ξ rund um den Punkt 416 verschwinden ebenfalls. Diese Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass die gemessenen Lotabweichungskomponenten ξ, η der Punkte 416, 421 und 698 fehlerhaft sein dürften. In den weiteren Simulationen wurden aus diesem Grund in diesen Punkten die gemessenen Werte der Komponenten ξ, η immer mit den aus den Schwereanomalien prädizierten Werten ersetzt. Im Osten des Kerngebiets treten starke Variationen in den Schwereanomalien auf. Zusätzlich sind in diesem Gebiet sehr wenig gemessene Lotabweichungspunkte vorhanden. Die Simulation in Kapitel (Abbildungen 6.4 (a) (b)) zeigte bereits, dass aus diesen wenigen Punkten 73

83 6 Simulationen und Messung (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.8: Simulation zur Untersuchung der als fehlerhaft angenommenen Punkte 416, 421 und 698: Differenz zwischen gemessenen und prädizierten Lotabweichungskomponenten die Lotabweichungskomponenten ξ, η nicht ausreichend genau geschätzt werden können. Auch nach der Einführung von Verdichtungspunkten (Abbildung 6.8) bleiben große Differenzen bis zu ±2.5 erhalten. Die Vermutung, dass hier die starke Variation des Schwerefelds einen großen Einfluss auf die Differenzen zwischen der astrogeodätischen und der gravimetrischen Geoidlösung hat, liegt sehr nahe. Die Simulation von Kapitel (Abbildungen 6.4 (c) (d)) lieferte eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den aus den Schwereanomalien prädizierten Werten von ξ, η und den gemessenen Werten. Unter der Annahme, dass dies auch für weitere Punkte in diesen Gebieten zutrifft, wurden die Komponenten ξ, η für weitere Verdichtungspunkte aus den Schwereanomalien geschätzt. Abbildung 6.9 zeigt das Ergebnis dieser Verdichtung. Aufgrund der zusätzlichen Punkte konnten die Differenzen zwischen den prädizierten Lotabweichungskomponenten ξ, η und den gemessenen Werten (beziehungsweise aus den Schwereanomalien gerechneten Werten) weiter verringert werden. In Abbildung 6.9 sind nördlich des Punkts 421 in der Komponente ξ weiterhin größere Differenzen zu erkennen. Eine weitere Simulation (Abbildung 6.10), in welcher in diesem Gebiet zwei zusätzliche Verdichtungspunkte gesetzt wurden, zeigte ebenfalls, dass mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verbesserung im Falle einer Messung der Lotabweichung zu erwarten ist. Aufbauend auf den Vergleichen dieser sechs Simulationen wurde eine neuerliche Auswahl an Punkten für Neu- beziehungsweise Wiederholungsmessungen für das gesamte Kerngebiet 74

84 6 Simulationen und Messung (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.9: Simulation von weiteren Untersuchungspunkten im Osten des Kerngebiets: Differenz zwischen gemessenen und prädizierten Lotabweichungskomponenten (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.10: Simulation von weiteren Untersuchungspunkten nördlich des Punkts 421: Differenz zwischen gemessenen und prädizierten Lotabweichungskomponenten 75

85 6 Simulationen und Messung (a) Differenzfeld Komponente ξ [ ] (b) Differenzfeld Komponente η [ ] Abbildung 6.11: Simulation der ausgewählten Punkte für Neumessungen: Differenz zwischen gemessenen und prädizierten Lotabweichungskomponenten durchgeführt. Bei dieser Auswahl wurden vor allem jene Punkte berücksichtigt, deren Einfluss am größten erschien, sowie besonders auf die Verteilung der Untersuchungspunkte Wert gelegt. Da Lotabweichungsmessungen sehr aufwendig sind, sollte die Anzahl an Messpunkten so gering wie notwendig sein. Aus diesem Grund wurden einige Punkte nicht berücksichtigt, sowie Untersuchungspunkte die nahe beieinander liegen, durch einen einzigen Punkt ersetzt. Wiederholungsmessungen wurden an den Punkten 421, 416 und 698 geplant. Um den Punkt 421 wurden die Untersuchungspunkte 1001, 1003, 1021 sowie 1022 für Neumessungen ausgewählt. Die drei Untersuchungspunkte im Osten 1002, 1015 und 1017 wurden nicht miteingeplant. Anstatt dieser drei Punkte wurde ein neuer Punkt (2003) gesetzt. Die Punkte 1014 und 1016 wurden ebenfalls durch einen einzigen Punkt (2004) ersetzt. Die Untersuchungspunkte 1012, 1018 und 1019 wurden unverändert für Neumessungen eingeplant. Im Süden des Kerngebiets wurden statt der Punkte 1013 und 1020, die Punkte 2000, 2001 und 2002 gesetzt. Diese Punkte sind besser verteilt. Im Nordwesten des Kerngebiets wurden keine zusätzlichen Punkte für Neumessung eingeplant, da die Differenzen auch ohne Verdichtungspunkte sehr gering bis maximal ±1.5 sind. Diese Auswahl an Untersuchungspunkten wurde in einer neuerlichen Simulation verifiziert. Das Ergebnis ist in Abbildung 6.11 dargestellt. Aufgrund dieser Auswahl an Verdichtungspunkten und Punkten für Wiederholungsmessungen zeigt sich ein sehr homogenes Bild der Differenzen. Abgesehen von drei Punkten beim Vergleich der Komponente η sind die Differenzen zwischen den gemessenen und den prädizierten Werten beider Komponenten nicht größer als ±1.5. Diese Auswahl wurde als Basis für die praktische Punktauswahl im Feld herangezogen. 76

86 6 Simulationen und Messung 6.2 Messkampagne Punktauswahl Basis der Punktauswahl waren die Ergebnisse der zuvor beschriebenen Simulation (Abbildung 6.11). Für die endgültige Punktauswahl kamen zu den in Kapitel beschriebenen Überlegungen noch zwei wichtige Kriterien hinzu: Zum einen sollten die Punkte mit amtlichen Festpunkten zusammenfallen. Damit bleibt die Neubestimmung der ellipsoidischen Koordinaten erspart. Zum anderen sollten die Punkte an für astronomische Messungen geeigneten Orten liegen. Punkte in Waldgebieten oder starkbeleuchteten Ortsgebieten kamen nicht in Frage. Die Punkte der theoretischen Auswahl der letzten Simulation wurden mit einer Übersichtskarte aller amtlichen Festpunkte hinterlegt. So konnten zunächst alle in der Umgebung der simulierten Punkte liegende Festpunkte identifiziert werden. Anhand der Punktskizzen wurde eine Vorauswahl an geeigneten Punkten getroffen. Die endgültige Entscheidung, ob an diesem Punkt gemessen werden kann, konnte allerdings erst nach der Besichtigung im Feld getroffen werden. In Tabelle 6.1 und in Abbildung 6.12 sind die endgültigen Punkte für die Neumes _A Abbildung 6.12: Ausgewählte Festpunkte im Kerngebiet 77

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