Hämatologie I: Anämie und Thrombopenie

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Transkript:

Hämatologie I: Anämie und Thrombopenie Dr. med. Valeska Brückl Medizinische Klinik 5 Direktor: Prof. Dr. med. Andreas Mackensen

Bitte ein Routinelabor! BB-Screening bei KH-Aufnahme Ca. 16% Abnormalitäten Am häufigsten Anämie Rüttimann S, Ann Intern. Med 1992 2

Anämie: Diagnostischer Pfad (IMD Labor Berlin) 3

Anämieabklärung für die Kitteltasche Basisprogramm MCV, MCH, Retis, DiffBB Je nach Befund Mikrozytär: Ferritin Makrozytär: Vit. B12, Folsäure, KMP (Zytogenetik!) Normozytär: KM-Problem?, Kreatinin, Hämolyse Hämolyse: Coombs-Test Coombs+: SLE, Lymphome, Malignome Coombs-: Fragmentozyten (TTP?), Durchflußzytometrie (PNH): Mortalität! Seltene Ursachen: Speziallabor (Sphärozytose usw.) 4

Anämie Was ist eine Anämie? Verringerung - der Erythrozyten oder - des Hämoglobinwertes oder - des Hämatokrits unter die Normgrenze WHO-Definition: - Männer Hb < 13 g/dl - Frauen Hb < 12 g/dl 5

Ursachen von Hämatopoesestörungen mit erniedrigten Werten Fehlende Produktion: Defekt oder Verdrängung im Knochenmark, Mangel an Wachstumsfaktoren Gesteigerter Verbrauch: Erhöhter Bedarf, gesteigerte Abbaukinetik

Erythropoese Erythroblasten (Normoblast) Proerythroblast Erythrozyten

Laborparameter zur Differentialdiagnose Bildungsstörung, Aplasie Dysplasie / Reifungsstörung Abbau durch Hämolyse Retikulozyten VitB12 Folsäure MCV / MCH Ferritin LDH, Bilirubin, Haptoglobin Coombs Test

Anämie-Einteilung aller guten Dinge sind drei (Laborwerte) 1) MCV: mikrozytär-normozytär-makrozytär 2) MCH: hypochrom-normochrom-hyperchrom 3) Retikulozyten: hypoproliferativ-hyperproliferativ Einteilung der Anämien 1)+2)+3) MCHC abnorm = Messfehler (Ausnahme MCHC bei Sphärozytose) Einmalig DiffBB! 9

Retikulozytenproduktionsindex (RPI) Berechnung des RPI: [Retikulozyten %] x [tatsächlicher Hkt] RPI= [Reifungszeit (Shift)] x [0,45 (idealer Hkt)] Der RPI spiegelt besser als die Retikulozytenzahl die Aktivität der Erythropoese wider. Berechnung aus Retikulozytenzahl, Hämatokrit und Reifungszeit der Retikulozyten Indikation: Differenzierung v. Anämien, Ermittlung der Knochenmarkaktivität Bewertung: Normaler Hämatokrit: RPI 1 Anämie mit adäquater Regeneration RPI >2 Anämie mit inadäquater Regeneration RPI <2 10

Fall 1 60-jährige Patientin Hb 10 g/dl Erythrozyten 4,8 x 106 (4-5,2) Hkt 34,1% (38-48) Leukos und Thrombozyten normal? 11

60 jährige Patientin Hb 10 g/dl Erythrozyten 4,8 x 106 (4-5,2) Hkt 34,1% (38-48) Leukos und Thrombozyten normal MCV 70 fl (78-98) MCH 21 pg (26-32) Retikulozyten 18 Promille RPI <2 12

60 jährige Patientin Hb 10 g/dl Erythrozyten 4,8 x 106 (4-5,2) Hkt 34,1% (38-48) Leukos und Thrombozyten normal MCV 70 fl (78-98) MCH 21 pg (26-32) Retikulozyten 18 Promille RPI <2 13 -> mikrozytäre hypochrome Anämie -> hyporegenerativ

Mikrozytäre hypochrome Anämie aller guten Dinge sind drei (Diagnosen) Eisenmangelanämie? Anämie der chronischen Erkrankung Thalassämie Laborwerte zur Unterscheidung? 14

15 Ferritin!

Mikrozytäre Anämie MCV <80 fl Ferritin Retis Transferrinsättigung Eisenmangel niedrig niedrig niedrig Anämie chron. Erkrankungen normal/hoch niedrig normal (auch normozytär) Thalassämie normal/hoch hoch hoch 16

Eisenmangelanämie Häufigste Anämie (weibliches Geschlecht) Was tun? 17 Abklärung der Ursache! Blutung ausschließen (ÖGD/Colo) Sprue oder andere Malabsorptions/Malassimilationssyndrome ausschließen Eisenresorptionstest nur, falls keine andere Ursache eruierbar bzw. Compliance-Testung Was nicht tun? Serumeisenbestimmung als alleiniger Parameter Breiter Referenzbereich Hohe Tagesschwankungsbreite Erniedrigt bei Entzündung Heimpel, Medizinische Klinik 98:104, 2003

Fall 2 73 jähriger Pat. Seit 4-6 Wochen Belastungsdyspnoe Inappetenz, v.a. gegen Fleisch, Gewichtsverlust 4 kg Brennen im Mundbereich und Zunge Labor: Hb 6,8 g/dl Hkt 19,3% Erys 1,44 x 106/mcl Leukozyten 2,69/nl Thrombozyten 69/nl? 18

MCV 134 fl MCH 47,4 pg Retis 16 Promille LDH 1770 U/l Haptoglobin < 150 mg/l Bili 1,2 mg/dl Manuelles DiffBB: normale Verteilung, Polychromasie, Makrozytose 19

Makrozytäre Anämie MCV >100 fl Vitamin B12/FS- Mangel MCV >120 fl Retikulozyten Normal/niedrig Zusätzliche Besonderheiten Begleitende Hämolyse, Panzytopenie, hypersegmentierte Granulozyten Hämolyse hoch LDH, Haptoglobin, Bilirubin Medikamente (MTX, Hydroxyurea, Azathioprin, Sulfonamide) Alkoholabusus Myelodysplasie niedrig niedrig Ferritin erhöht oder normal Manuelles Diff.BB 20 MCV 100-110 fl KMP

KMP: Megaloblastäre Veränderungen, keine Dysplasien Vit. B12: 77 pg/ml (200-1100) Gastro: Typ A-Gastritis mit nodulärer neuroendokriner Hyperplasie 21

Vit B12-Substitution: 1000µg s.c. 2x/Wo für 3 Wo, danach 1x/Monat 5 d nach B12: Hb 10,8 g/dl Leuko 4,8/nl Thrombos 145/nl Retis 102 Promille 10 d nach B12: Hb 13,3 g/dl Leuko 8 /nl Thrombo 282/nl MCH 35 MCV 106 22

Normozytäre Anämie Retikulozyten Weitere Werte Renale Anämie niedrig Kreatinin, Erythropoeitin Verdrängung (Leukämien, Lymphome, Karzinose) Aplastische Anämie niedrig niedrig Manuelles Diff.BB KMP KMP Blutung normal/erhöht Klinische Untersuchung Hämolyse erhöht Hämolyseparameter 23 Coombstest

Hämolytische Anämie LDH, Haptoglobin, Bilirubin, Reticulozyten Coombs-Test! 24

Algorithmus Hämolyse Coombstestt + - Wärmeautoantikörper Idiopathisch Infektionen Autoimmunerkrankungen Lymphome Medikamente (NSAR, Penicillin, alpha- Methyldopa) Kälteautoantikörper Idiopathisch Infektionen (Mykoplasmen, EBV) Lymphome PNH Mikroangiopathien Membran-/Enzymdefekt Hämoglobinopathie Mechanisch Toxisch 25

Testprinzip direkter Coombstest 26

Extravasal = Phagozytiert in Leber und Milz Beladung mit Antikörpern: Makrophagenstimulation und Phagozytose Kein Durchkommen von beschädigten Erys in der roten Pulpa: Phagozytose durch Makrophagen 27

Kälteagglutine 28 Complementopathy

Kältagglutininerkrankung, meist Antikörper vom Typ IgM binden bei niedrigen Temperaturen an Erythrozyten, bewirken Hämolyse intra- als auch extravaskulär Diagnostik: Ery-Aggregate, BB warm ins Labor!!! Hämolyseparameter, Coombs-Test C3d-pos., Kälteagglutinine Klinik: Kälte-induzierte Akrozyanose, chron. Anämie Therapie: 1. Wahl Rituximab bei fehlender Wirkung Cyclophosphamid o. Fludarabin Steroide und Splenektomie sind wirkungslos! 29

Fall 3 11/09: 57 Jährige Patientin, AZ gut Labor: Hb 7,5 g/dl Leuko 6.200 /ul, MCV 99 fl, MCH 35 pg Diff. unauffällig

Weiteres Labor Reti 302 o/oo LDH 446 U/l Bilirubin 2,6 g/dl Coombs-Test positiv (IgG) Riesige Milz 1% klonale B-Zellen in Milz und Knochenmark Autoimmunhämolyse vom Wärmetyp, V. a. lymphomassoziiert

11/09 Kein durchschlagender Erfolg auf Prednisolon 100 mg/d 12/09 Splenektomie: Splenisches Marginalzonenlymphom nur kurzeitige Besserung der Anämie 02/10 insgesamt 4 Zyklen Rituximab, Steroide ausgeschlichen 03/10 Hb 15,7 g/dl Reti 8 o/oo LDH 267 U/l

Ursachen sekundäre autoimmunhämolytische Anämien 33

Coombs negative Hämolyse Mechanismus Erkrankung Korpuskulär Membrandefekt angeboren Sphärozytose Hämoglobinopathien Enzymdefekte erworben Elliptozytose Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) Thalassämie Sichelzellanämie G-6-P- Dehydrogenasemangel Pyruvatkinasemangel Extrakorpuskulär Mechanisch Klappenprothesen, nach TAVI 34 Thrombotische Mikroangiopathie (TMA) Infektionen TTP/HUS Malaria

Coombs-negative Hämolysen Mikroangiopathien TTP- Thrombotisch- thrombozytopenische Purpura HUS -hämolytisch urämisches Syndrom Coombs-negative Hämolyse Thrombopenie Niereninsuffizienz Allgemeinsymptome, häufig neurologische Störungen Fragmentozyten bei typischer TTP: Verminderung der vwf cleaving Protease (=ADAMTS13) Indikation zur Notfall- Plasmapherese! Vorher Gewinnung von Citratplasma zur ADAMTS13 Bestimmung

Pathophysiologie der TTP

Korpuskuläre hämolytische Anämie Die besondere Zelle Verlust des Kerns, DNA, RNA, Ribosomen 3 Bestandteile Hämoglobin Membran Metabolische Ausstattung Ein Defekt in jedem dieser Bestandteile kann zu Hämolyse führen: Korpuskuläre Ursache 37

Coombs negative Hämolyse Mechanismus Erkrankung Korpuskulär Membrandefekt angeboren Sphärozytose Hämoglobinopathien Enzymdefekte erworben Elliptozytose Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) Thalassämie Sichelzellanämie G-6-P- Dehydrogenasemangel Pyruvatkinasemangel Extrakorpuskulär Mechanisch Klappenprothesen, nach TAVI 38 Thrombotische Mikroangiopathie (TMA) Infektionen TTP/HUS Malaria

Fall 4 24 jährige Pat. Leichte Belastungsdyspnoe seit Wochen 1x für 3 Tage dunkler Urin Infekt, starke Abgeschlagenheit Labor (Aufnahme auswärtiges Krankenhaus) Hb 10,8 g/dl MCV, MCH o.b. Retikulozyten 32 Promille Thrombozyten 111/nl LDH 880 U/ml Haptoglobin nicht meßbar Coombs-Test neg.!

PNH-Abklärung indiziert Coombs-negative hämolytische Anämie Hämoglobinurie AA RA-MDS ungeklärte Zytopenie unklare Thrombose (venös oder arteriell) PNH mithilfe von Durchflusszytometrie und klinischer Beurteilung diagnostizieren oder ausschließen Leitlinien der DGHO, OeGHO und SHG+SSG sowie die PNH Interest Group empfehlen eine kontinuierliche Kontrolle von Patienten mit hohem Risiko für PNH (2,5) Ein frühzeitiges Eingreifen in den Krankheitsverlauf kann die Gesundheit des Patienten erhalten 1. Borowitz, M.J. et al., Cytometry B Clin Cytom 2010;4:211-230; 2. Parker C. et al., for the International PNH Interest Group Blood 2005;106:3699-3709; 3. Schubert, J., Röth, A., Bettelheim, P., Stüssi, G., Brümmendorf,T.H. und Schrezenmeier,H.; http://www.dgho-onkopedia.de/onkopedia/leitlinien/paroxysmalenaechtliche-haemoglobinurie-pnh. AA : aplastische Anämie; RA-MDS: Myelodysplastisches Syndrom vom Subtyp refraktärer Anämie; DGHO: Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie; OeGHO: Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie; SGH+SSH: Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie.

Zerstörung der Erythrozyten Komplettes oder partielles Fehlen des GPI-Ankers verhindert die Anheftung von Oberflächenproteinen CD59 CD55 Verhindert die Zusammensetzung des terminalen Komplementkomplexes (C5b-9) und schützt vor Lyse CD59 GPI-Anker Verhindert die Zusammensetzung und vergrößert die Instabilität der C3-Konvertase in der Komplementkaskade CD55 1. Johnson, R.J. and Hillmen, P. Mol Pathol 2002;3:145-152; 2. Brodsky, R.A. Hematology Basic Principles and Practice 2005;419-427; 3. Rosse, W. F. et al., Hematology.Am.Soc.Hematol.Educ.Program 2004:48-62. GPI: Glycosylphosphatidylinositol.

PNH-Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie Erworbene Mutation auf dem X-Chromosom, veränderter GPI-Anker Verlust von CD 55 und CD59 Komplementaktivierung Hämolyt. Krisen, Thromboembolien, Panzytopenie, Vasokonstriktion, Niereninsuffizienz 42

Durchflusszytometrie bei V.a. PNH Verlust von GPI-Molekülen auf Granulozyten und Monozyten: gängiger Parameter für die Quantifizierung des PNH-Klons Ery Reti

Ernstnehmen! Überlebende Patienten (%) 100 Überleben von 80 PNH-Patienten im Vergleich zu Kontrollpersonen 80 60 40 20 0 Alters- und geschlechtsangepasste Kontrollgruppe PNH-Patienten 0 5 10 15 20 25 Jahre seit Diagnose Führende Todesursachen: Thrombosen und Nierenversagen 44

Eculizumab (Soliris ) inhibiert die terminale Komplementkaskade (1) Proximal Terminal Komplementkaskade (1) C3 C3b C5 C5b C3a C5a C5b-9 Ursache der Hämolyse bei PNH Eculizumab Bindet mit hoher Affinität an C5 (1,2) Inhibiert die terminale Komplementkaskade (1,2) Proximale Funktionen der Kaskade bleiben erhalten (1) Schwaches Anaphylatoxin Immunkomplex Eliminierung Mikrobielle Opsonisierung 1. Rother, R.P. et al., Nat Biotechnol 2007;25:1256-1264; 2. Fachinformation Soliris (Eculizumab).

Indikation für Therapie mit Eculizumab Transfusionspflichtige Anämie Thrombose Niereninsuffizienz Pulmonale Hypertonie LDH > 1,5 N + Anämie + Symptome Schwangerschaft 46

Fall 6 52 jähriger Mann Arbeitet in Arztpraxis Routineuntersuchung: Splenomegalie mit Raumforderungen Labor: Hb 11,5 g/dl, LDH 315 U/l, Haptoglobin erniedrigt EA: Gallensteine Weitere Aufarbeitung: Coombs-Test neg. Milzpunktion: extramedulläre Blutbildung

Hereditäre Sphärozytose Kugelzellenmembrandefekt -Ankyrin, Spektrin a,ß, Protein 4.1, Band 3-Protein - Defektnachweis in Gel-Elektrophorese MCHC >36 g/dl! Hb low/n, MCV n/low, Coombs neg. Splenomegalie Nachweis durchflusszytometrisch: EMA-Test (Eosin-5-Maleimid): verminderte Anfärbung der EMA-markierten Erys 48

Hereditäre Sphärozytose Therapie: Splenektomie bei schwerer, ggf. mittelschwerer Kugelzellerkrankung - Hb < 8 g/dl, Transfusionen >2, rez. hämolyt. Krisen oder ausgeprägte Leistungsminderung Cave: OPSI-Syndrom => Impfung mind. 2 Wochen vor Splenektomie (Pneumokokken, Meningokokken und Hämophilus influenzae) 49

Korpuskuläre hämolyt. Anämie Enzymdefekt der Erythrozyten: - Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel: Favismus! Vermeidung oxidierender Medikamente und Nahrungsmittel! (z.b. Favabohnen, Metamizol, ASS, Nitrofurantoin, Glibenclamid, Sulfonamide, Anthracycline), Infekte! - Pyruvatkinasemangel: chron. Hämolyse Hämoglobinopathien: Hb-Elektrophorese! - Sichelzellanämie: HbS-Nachweis - Thalassämie: HbF erhöht, HbA erniedrigt, HbA2 erhöht Anamnese! Abstammung Mittelmeer, Afrika, Asien? 50

51 Thrombopenie

Thrombopenie Definitionen Referenzwert Thrombozyten: 150-450/nl Patholog. Thrombopenie <100/nl 52

Falsche Thrombopenie Pseudothrombopenie Wdh.: Thrombozyten in Citrat! Riesenthrombozyten man. Diff-BB! Geronnenes Blut 53

Ursachen einer Thrombopenie Peripherer Verbrauch Produktionsstörung 54

Peripherer Verbrauch Besonderheiten Immunthrombozytopenie TTP DIC Infekte, HIV Medikamente, Tox. Substanzen (Heparin, Chinin, Alkohol) Posttransfusionale Thrombozytopenie Lebererkrankungen Milzpooling bei Splenomegalie Evans-Syndrom Solitäre Thrombopenie, Ausschlussdiagnose, Helicobacter pyl. Fragmentozyten, Gerinnung normal Gerinnung alteriert Anamnese! Hämatolog. Systemerkrankung Thrombopenie+Autoimmunhämolyse 55 Immer manuelles Diff-BB!

Immunthrombozytopenie- ITP BB: isolierte Thrombopenie Klinik: spontan, oft nach Infekten, Blutungszeichen Ätiologie: Autoimmun-Ak gegen Thrombozyten Ausschlussdiagnose Keine Ak-Bestimmung: unspezifisch, niedrig sensitiv Ansprechen auf Steroide, Immunglobuline: indirekter Diagnosebeweis Indikation KMP: - abnormes BB - schlechtes Ansprechen auf Primärtherapie - vor Splenektomie 57

Immunthrombozytopenie- ITP Ab Zweitlinie: Thrombopoeitinrezeptor-Agonisten: Eltrombopag oder Romiplostim, Ansprechrate 80-90% Rituximab: 30-50% langfristige Remissionen Splenektomie bei ITP-Dauer >12 Monate Langzeitansprechrate 60% 58

HIT- Heparin-induzierte Thrombopenie HIT I: - Dosis-abhängig - Frühthrombozytopenie n. 1-4 Tagen - Thrombozyten 100-150/nl - selbstlimitierend nach 1-2 Tagen - kein Heparin-Stopp 59

HIT- Heparin-induzierte Thrombopenie HIT II: - Dosis-unabhängig - Spätthrombozytopenie n. 4-20 Tagen - Thrombozytenabfall >50% d. Ausgangswertes oder <100/nl, im Median 60/nl - IgG Ak gegen Plättchenfaktor4-Heparin-Komplex - thromboembolische Komplikationen! white clot syndrome bis 40 Tage n. Heparingabe 60

HIT- Heparin-induzierte Thrombopenie Diagnose erfolgt primär klinisch! sofortiger Heparin-Stopp! Umstellung der Antikoagulation: z.b. Lepirudin, Danaparoid, Argatroban, Fondaparinux keine niedermolekularen Heparine, da Kreuzreaktivität! Diagnostik: - ELISA (Ak gegen PF4-Heparin-Komplex) - HIPA-Test (Nachweis heparininduzierter Plättchenaktivierung) 61

Produktionsstörung im Knochenmark Verdrängung - Leukämie - Lymphom - Karzinose Fehlende Produktion - Aplastische Anämie - Chemotherapie - Knochenmarksfibrose Ineffektive Produktion - Myelodysplastisches Syndrom - Vit B12/Folsäure Mangel 62

Fall 7 21 jähriger Patient, seit Wochen schlapp. Kreislaufkollaps mit Sturz Labor: Hämoglobin 6,8 g/dl Retikulozyten 10%o MCV ob MCH ob Thrombozyten 10/nl Leukozyten 278 /nl!!!

Akute myeloische Leukämie

Blutungsrisiko bei Thrombopenie Risiko einer lebensbedrohlichen Blutung deutlich steigend ab Thrombozyten < 20/nl Häufigste Todesursache: zerebrale Blutungen Blutungsrisiko abhängig von: - Ursache der Thrombopenie - Funktion der Thrombozyten (Medikamente: Aspirin) - Komorbidität mit Blutungsrisiko Lebensstil Alter des Patienten 65

Therapeutische Thrombozytentransfusionen Absolut kontraindiziert - mikroangiopathische Thrombopenie (TTP, HUS, HELLP) - Heparin-induziert (HIT) Minimaler Effekt zu erwarten - ITP - disseminierte intravasale Gerinnung Thrombozytentransfusion indiziert - MDS - Leukämien, Lymphome, Myelome - Aplastische Anämie (Zurückhaltung b. geplanter Allo SZT) - Chemo-/Radiotherapie - aktive Blutungen mit Thrombozyten < 50/nl 66

Prophylaktische Gabe von Thrombozyten Provan D.et al. Blood 2010;115-;168-186 Situation Thrombozyten indiziert Chemotherapie Thrombozyten <10-20 /nl Kleiner chirurg. Eingriff, komplexe Zahnextraktion Großer chirurg. Eingriff, Periduralanästhesie Großer neurochirurgische Eingriff. Chirurg. Eingriff mit bek. Thrombozytendysfunktion Thrombozyten <50/nl Thrombozyten <80/nl Thrombozyten <100/nl 67

68 Zusammenfassung

Anämieabklärung für die Kitteltasche Basisprogramm MCV, MCH, Retis, DiffBB Je nach Befund Mikrozytär: Ferritin Makrozytär: Vit. B12, Folsäure, KMP (Zytogenetik!) Normozytär: KM-Problem?, Kreatinin, Hämolyse Hämolyse: LDH, Haptoglobin, Bili, Coombs-Test Coombs+: SLE, Lymphome, Malignome Coombs-: Fragmentozyten (TTP?), Durchflußzytometrie (PNH): Mortalität! Seltene Ursachen: Speziallabor (Sphärozytose usw.) 69

Thrombopenieabklärung für die Kitteltasche Anamnese! Ausschluss Pseudothrombopenie (Citrat!) Diff-BB und Blutausstrich Isolierte Thrombopenie: ITP, HIT, älterer Pat auch MDS Fragmentozyten, Hämolyse: TTP Patholog. Gerinnung: DIC Zusätzlich patholog. Leukos u./o. Anämie: KMP! 70

71 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!