Rechtliche Grundlagen für eine energetische Stadtplanung Vortrag für das Fachgespräch Erneuerbare Energien in Kommunen optimal nutzen Berlin, 24. Oktober 2007 <klinski@iris-berlin.de> (030) 69 53 18 83> 1 Übersicht Energie in Stadtentwicklung und Stadtplanung Bauleitplanung: Überblick Steuerung durch Flächennutzungspläne Steuerung durch Bebauungspläne Städtebauliche Gründe im Sinne von 9 BauGB? Steuerung durch städtebauliche Verträge Steuerung durch Grundstückspolitik 2
Energie in Stadtentwicklung und Stadtplanung Bauplanungsrecht = Städtebaurecht Das Bauplanungsrecht ist die klassische Domäne kommunaler Gestaltungsfreiheit Aufgabe: Groß- und kleinräumige Ordnung und Steuerung der Bodennutzung (Frage: Was soll wohin?) Verfassungsrechtlich verankert in Art. 28 Abs. 2 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG Moderne Stadtplanung = Bewältigung von Planungskonflikten und Planungsfolgen Alte Sichtweise : Bauliche Nutzung benötigt Energie Konsequenz: Festsetzung von Standorten und Trassen für die Energieversorgung in Bauleitplänen Moderne Sichtweise : Bebauungsstrukturen induzieren Energieverbrauch Konsequenz: Energiebedarfe werden in der Bebauungsplanung mit bedacht, Energienutzungsfolgen (insb. Ausstoß von Treibhausgasen) durch Festsetzungen im Plan reduziert 3 Bauleitplanung: Überblick Ebene 1: Vorbereitende Bauleitplanung Dargestellt im Flächennutzungsplan (FNP) Relativ grobe Festsetzungen Grundsätzlich nur intern verbindlich (= Bindung der 2. Ebene der Bauleitplanung Weitergehende Ausnahme (= verbindliche Außenwirkung): Festsetzungen von Eignungsgebieten für Windenergie- und Biomasseanlagen Ebene 2: Konkrete (verbindliche) Bauleitplanung Dargestellt im Bebauungsplan (B-Plan) Grundstücksgenaue Festsetzungen Generell nach außen verbindlich 4
Steuerung durch Flächennutzungspläne Mögliche Festsetzungen Standortsicherung für EE-Anlagen zur Fremdversorgung (insb. Windenergie, größere Biomasseanlagen, sog. Biomasseparks, großflächigen Solaranlagen) als Einzelfestlegungen oder in Form von sog. Eignungsgebieten Trassenfreihaltung/-sicherung für Leitungen und Netze, insb. für Nah- und Fernwärmenetze (EE oder KWK) Textliche Festsetzungen für solares Bauen und (bedingt) energiesparende Bauweise in Baugebieten - als Auferlegungen für B-Pläne 5 Steuerung durch Bebauungspläne 9 Inhalt des Bebauungsplans (1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden: 1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung; 2. die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; ( ) 12. die Versorgungsflächen; 13. die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; ( ) 23. Gebiete, in denen a) zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes- Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, b) bei der Errichtung von Gebäuden bestimmte bauliche Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien wie insbesondere Solarenergie getroffen werden müssen; ( ) 6
Steuerung durch Bebauungspläne Mögliche Festsetzungen 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB i.v.m. BauNVO: Stellung des Baukörpers auf dem Grundstück (= Sonnenausrichtung) Abstandsflächen, Höhe von baulichen Anlagen (= Vermeidung von Verschattung) 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB bauliche Maßnahmen für die Nutzung von erneuerbaren Energien wie insbesondere Solarenergie Nein: Vorgabe tatsächlicher Nutzung Ja: EE-Anlagen, baulich mit dem Gebäude verbunden (baulich-techn. Installationen) Ja: (auch) Biomasseanlagen Ja: Bauliche Bedingungen zur Ermöglichung effizienter EE- Nutzung Nein: Anlagen zur Fremd-/ Netzversorgung (i.d.r. bei Strom) Nein: Effizienz- Anforderungen ohne Bezug zu EE-Nutzung 7 Städtebauliche Gründe im Sinne von 9 BauGB? Beachte: Festsetzungen nach 9 Abs. 1 BauGB sind nur aus städtebaulichen Gründen gestattet Verbreitete Ansicht, früher herrschende Meinung Festsetzungen aus Gründen des (globalen) Klimaschutzes seinen unzulässig, denn: Klimaschutz sei ein überörtlicher Belang, der sich dem aus Art. 28 GG hergeleiteten bauplanungsrechtlichen Gestaltungsspielraum der Gemeinde entziehe. Wenn im BauGB neuerdings vom Klimaschutz die Rede sei, könne nur der Schutz des örtlichen Kleinklimas gemeint sein. 8
Städtebauliche Gründe im Sinne von 9 BauGB? Beachte: Festsetzungen nach 9 Abs. 1 BauGB sind nur aus städtebaulichen Gründen gestattet Aber: Umbruch durch BauGB 2004 Mit Einführung des 9 Abs. 1 Nr. 23 b) wurde ausdrücklich in 1 Abs. 5 BauGB normiert: Bauleitpläne sollen auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern. Zudem: Ohne Bezug zum überörtlichen Klimaschutz ergäbe 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB keinen Sinn (Arg.: Sinn und Zweck) Weiter: Es geht hier um die Steuerung (Minderung) der durch örtliche Bauplanung hervorgerufenen Auswirkungen Und: BVerwG entschied 2006, dass den Gemeinden durch Gesetz gestattet werden kann, auch überörtliche Ziele in den Blick zu nehmen 9 Steuerung durch städtebauliche Verträge Städtebauliche Verträge, vorhabenbezogene Bebauungspläne Städtebauliche Verträge ( 11 BauGB) und Durchführungsverträge zu vorhabenbezogenen Bebauungsplänen ( 12 BauGB) sind ergänzende Verträge zu Bauleitplänen: die zwischen der Kommune und den Trägern von (meist, aber nicht zwingend) größeren Bebauungsprojekten geschlossen werden, in denen Vereinbarungen getroffen werden über die Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Maßnahmen und die Tragung der betreffenden Kosten 10
Steuerung durch städtebauliche Verträge Besonderheit: Große Regelungsspielräume Bei städtebaulichen Verträgen und vorhabenbezogenen B-Plänen besteht keine Bindung an den Festsetzungskatalog des 9 Abs. 1 BauGB Das bedeutet: Es können umfängliche Festlegungen über die energetische Bauweise (auch im Hinblick auf den Wärmeschutz) und die Energienutzung (Wärme und Strom) getroffen werden. Es ist auch möglich, netzbezogene Festlegungen zu treffen (z.b. Gebietsversorgung durch EE- und KWK-Nahwärme) - siehe ausdrücklich 11 Abs. 1 Nr. 4 BauGB 2004. 11 Steuerung durch Grundstückspolitik Rechtsprechung Kommunen dürfen für ihre Aufgaben und Ziele auch die Mittel des Zivilrechts nutzen, sofern dies im Einzelfall nicht im Widerspruch zu konkreten Gesetzesvorgaben steht. Das gilt auch für die Flankierung städtebaulicher Zielsetzungen. Sie sind dabei laut BGH nicht auf die Verfolgung rein örtlich begründeter Ziele begrenzt. 12
Steuerung durch Grundstückspolitik Steuerungsmöglichkeiten im Grundstücksverkehr Kommunen können die Veräußerung bzw. Überlassung ihrer Grundstücke binden an (Beispiele) die Nutzung bestimmter Energiearten erhöhte Wärmedämmstandards die Nutzung von Nah- und Fernwärmenetzen Sie können Anreizsysteme für die Nutzung von EE und von anspruchsvollen Effizienzstandards entwickeln Z.B. Bonus-Malus-Systeme mit Vergünstigungen bei Erfüllung bestimmter Standards und finanziellen Nachteilen bei Nichterfüllung 13 Schluss Fazit Die Bauleitplanung bietet nach heutigem Recht (noch) keine umfassende Basis für eine strategisch auf Energieeffizienz und die Nutzung regenerativer Energien ausgerichtete Städtebauplanung. Das BauGB enthält insoweit einige wesentliche Steuerungslücken und einige im Detail hinderliche Restriktionen. Das BauGB eröffnet proaktiv eingestellten Kommunen gleichwohl viele bislang weitgehend ungenutzte Handlungsspielräume energetisch ambitionierter Stadtplanung, insbesondere wenn auch von den Möglichkeiten vertraglicher Lösungen des Baurechts (städtebauliche Verträge, vorhabenbezogene Bebauungspläne) sowie des Zivilrechts (Grundstückpolitik) Gebrauch gemacht wird. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 14