Das Refeeding Syndrome revisited - den Phosphatmangel managen



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Transkript:

Lernwerkstatt Essstörungen 18. September 2010 Parkland Klink Reinhardshausen Das Refeeding Syndrome revisited - den Phosphatmangel managen Hartmut Imgart Fachabteilung für f Essstörungen Parkland-Klinik Bad Wildungen Christina Starke Abteilung für f r Naturheilverfahren und Ernährungsmedizin Asklepios-Klinik Bad Wildungen Kooperationsmodell Refeeding-Unit Paper read at the Jubilee Congress on Eating Disorders 2010, The 18th International Conference, October 21-23, 2010, Alpbach, Tyrol, Austria

Refeeding Syndrome Definition: Eine pathophysiologische Kaskade die entsteht, wenn zuvor mangelernährte Patienten (zu ) kohlenhydratreiche Nahrung bekommen Es ist gekennzeichnet durch einen rapiden Mangel an Elektrolyten und Vitaminen verbunden mit Flüssigkeitsverschiebungen im Körper, K die eine Vielzahl von Komplikationen auslösen sen Leitsymptome: Phosphatmangel und Ödeme (Wasseransammlung im Gewebe) Behandlung: Sorgfältiges Ernährungsmanagement und Dran Denken!

Refeeding Syndrome Erstbeschreibungen 1951 bei amerikanischen Kriegsgefangenen (Schnitker( et al) Minnesota Experiment: nach 6 monatiger Nahrungsrestriktion bei Wiederernährung klinische Zeichen der Herzinsuffizienz mit Atemnot (Keys( et al 1950) Retrospektiv sind ein Teil der Todesfälle von KZ Häftlingen H nach der Befreiung dem Refeeding Syndrome geschuldet

Refeeding Syndrome Wer ist gefährdet? Das Refeeding Syndrom kann bei allen mangelernährten Patienten (Krebspatienten, geriatrische Patienten) auftreten, auch bei einseitig ernährten Patienten (Alkoholiker, Außenseiterdi enseiterdiäten). ten). Auch Adipöse können k ein Refeeding-Syndrom bekommen

Hungerstoffwechsel Die Kohlenhydratspeicher sind nach einem Tag erschöpft (Glykogen) Der Stoffwechsel stellt sich auf einen glucosearmen Stoffwechsel um: Der Körper verstoffwechselt im wesentlichen: Fette (z. B. subkutanes Fettgewebe) Proteine (Z.B. Muskelgewebe)

Hungernstoffwechsel Kardiale Leistungseinschränkung nkung Bei chronisch Untergewichtigen findet man eine deutliche Verminderung der Herzmuskelmasse small heart und Kontraktilität. Plötzliche Volumenbelastung, z. B. durch Nierenschäden oder durch exzessives Trinken, kann zu einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Versagen führen.

Hungerstoffwechsel Ausgangssituation BILD

Refeeding Syndrome Elektrolytmangel Phosphat wird für f r viele lebenswichtige Stoffwechelvorgänge benötigt, wie die Phosphorylierung von Glukose, da Glukose nur in dieser Form verbrannt werden kann. Die gesteigerte zelluläre Elektrolytaufnahme und Phosphatverbrauch führt zu einem dramatischen Abfall der Serumkonzentration der Elektrolyte PO4+,Mg++,K+ Ein vorher maskierter Mangel der Elektrolyte wird wirksam

Pathologische Werte: Kalium Magnesium Phosphat

Refeeding Syndrome Insulinexzess und Flüssigkeitsretention Die Glukosezufuhr kann zu hohen zirkulierenden Insulinspiegeln führen. Insulin führt f dazu, dass weniger Wasser über die Nieren ausgeschieden wird und zu einer erhöhten hten Durchlässigkeit der Gefäß äßwände für f r Wasser. Es kann zu Ödemen und Herzversagen kommen

Refeeding Syndrome Vitamin B1-Mangel Vitamin B1 ist an der Glukoseverbrennung beteiligt und so steigt der Vitamin B1-Bedarf Bedarf unter Glukosezufuhr Akuter B1-Mangel : Wernicke Encephalopathie Desorientiertheit und Koma

Klinik des Refeeding Syndrome Kardial: Herzinsuffizienz, Arrhythmien, Perikarderguss Pulmonal: Ateminsuffizienz, Dyspnoe,, Beatmungspflichtigkeit Muskulär: Schwäche che,, Lähmungen, L Rhabdomyolyse Hämatologie: Anämie mie,, erschwerte O2 Abgabe ins Gewebe Neurologisch: Verwirrtheit,, Parästhesien, Krampfanfälle, Koma

Refeeding Syndrome bei der Wiederernährung von Anorexie- Patienten Nachuntersuchung von 1100 Patienten Schwere kardiale Probleme in Form von Pericardergüssen traten besonders bei unseren Patienten auf, die einen schnellen Nahrungsaufbau hatten

Refeeding Syndrome bei der Wiederernährung von Anorexie-Patienten Phosphatmonitoring bei 123 Pat. der Ernährungsunit In einer ausgewählten Risikopopulation kommt ein Phosphatabfall bis in pathologische Bereiche häufig h vor auch wenn vor Beginn der Wiederernährung die Phosphatwerte normal sind. Tag 4 der Wiederernährung bot den niedrigsten Phosphatwert

Diagnostisches Screening Die routinemäß äßige Bestimmung von Phosphat bei der Aufnahme von essgestörten Pat. ist aufwendig und gibt wenig Hinweise für f r einen Phosphatabfall während der Wiederernährungsphase. Wichtig ist daher die Identifizierung der Risikopatienten, um dann einen Phosphatmonitoring in Form einer Blutwertbestimmung am 1., 3. und 5. Tag nach Beginn der Wiederernährung durchzuführen. hren.

Refeeding Syndrome bei der Wiederernährung von Anorexie- Patienten Wer sind die Risikopatienten? Pat. mit einer aktuellen Null-Diät (länger als 10 Tage), also alle Pat., die in kurzer Zeit viel abgenommen haben Pat. mit längerer l phosphatarmer Kost z. B. protein- und fettarme oder vegane Kost Pat. mit bereits vorhandener Elektrolytimbalance (Hypokaliämie!), Ödeme oder Perikarderguß Pat., die eine forcierte Wiederernährung begonnen haben (nicht selten mit zuckerhaltigen Infusionen durch Vorbehandler oder selbständige Aufgabe der Anorexie, vermehrter Genuss von Schokoriegeln) Pat. mit einer Purging-Form der Anorexie Pat. mit niedrigem BMI (14,5/12)

Refeeding Syndrome Prävention und Ernährungsmanagement Die Prophylaxe des Refeedingsyndroms besteht im wesentlichen durch ein sorgfältiges Ernährungsmanagement in den ersten Tagen der Wiederernährung. Zwei wichtige Ziele gilt es zu verfolgen: Vermeidung eines Insulinexzess durch Begrenzung der Kohlenhydratzufuhr Vermeidung einer zu starken Steigerung des intrazellulären Stoffwechsels durch Begrenzung der Gesamtkalorienzufuhr

Refeeding Syndrome Prävention und Ernährungsmanagement Langsamer Kostaufbau (30 kcal/kg), alle 2 Tage um 200 kcal nach Verträglichkeit steigern Veränderte Zusammensetzung der Kost: weniger Kohlenhydrate, dafür r Fette (+15%) Monitoring (Phosphat, Kalium, Magnesium, Calcium,Natrium) Großzügige Indikation für f r Substitution Prophylaktische Gabe von Vitamin B1 und Phosphat

Tagesbedarf an Phosphor: Vorkommen von Phosphor (Phosphat) 0 12 Monate 250 mg 1 4 Jahre 800 mg 4 10 Jahre 1000 1200 mg 10 15 Jahre 1400 mg Jugendliche 1500 1600 mg Erwachsene 1200 1400 mg Images2.jpg Hühnereigelb 590 mg/100 g Parmesan 743 mg/100 g Bohnen 430 mg/100 g Sojabohnen 550mg /100g Weizenkleie 1290 mg/100 g Weizenvollkornbrot 265 mg/100 g Erdnüsse 409 mg/100 g Milch 95 mg/100 g Quark 165 mg/100 g Brathähnchen hnchen 210 mg/100 g Schweinefleisch 204mg/100g Coca Coca Cola 55 mg/100g

Refeeding Syndrome Phosphatsubstitution Phosphatsubstitution Bedarf 1500 bis 3000mg/Tag bei schwerer Hypophosphatämie <1mg/dl ( <0,3mmol/l): Intravenös: Substitution0,6mg (0,02mmol/l)/kgKG /h (z.b.24mg /h bei 40kg) Sonst Oral :Reducto spezial (613mg) 1-1- 1 bis 2-2-2 (1-3gr) Evtl. auch Vitamin D Substitution zur besseren Phosphataufnahme

Refeeding Syndrome Definition: Eine pathophysiologische Kaskade die entsteht, wenn zuvor mangelernährte Patienten (zu ) kohlenhydratreiche Nahrung bekommen Leitsymptome: Phosphatmangel und Ödeme (Wasseransammlung im Gewebe) Behandlung: Sorgfältiges Ernährungsmanagement und Dran Denken! - The most effektive way to treat the Refeeding Syndrome is to be aware of it

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt: hartmut.imgart@parkland-klinik.de christina.starke@parkland-klinik.de c.starke@asklepios.com