Konflikte als gesundheitliche Belastungen am Arbeitsplatz Interventionsmaßnahmen im Rahmen der Wiedereingliederung Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt Expertise und Konfliktberatung, kurz ADE, Universität Bremen 1
Konflikt Konflikt kommt von Configere (lateinisch) und heißt wörtlich übersetzt zusammenbeugen oder anspannen. Konflikte sind im menschlichen Zusammenleben und in der Zusammenarbeiten etwas Normales, Alltägliches und Unvermeidbares. Differenzen, Reibungen und Spannungen sind nicht per se belastend, wenn die Konfliktbeteiligten oder Organisationen in der Lage sind diese konstruktiv zu bearbeiten. Ein Konflikt wird zur gesundheitlichen Belastung, wenn die individuelle Konfliktfähigkeit nicht gegeben ist und Organisationen und Betriebe für die konstruktive Bearbeitung unzureichend ausgestattet und qualifiziert sind. 2
Merkmale eines Konfliktes 1. Mindestens zwei Konfliktparteien sind beteiligt 2. Es besteht eine Abhängigkeit in Form eines gemeinsamen Themas, Ziels, Anliegen oder Kontextes 3. Gefühle sind im Spiel (Unwohlsein, Anspannung, Ärger, Angst oder ähnlich starke Gefühle bis hin zu körperlichen Symptomen und Krankheit) 4. Es besteht ein Spannungsfeld unterschiedliche Ziele oder Handlungsabsichten unterschiedliche Einschätzung oder Wahrnehmung knappe Ressourcen - Verteilungskonflikte unklare Rollen und Funktionen die Beziehung ist gestört persönlicher Konflikt einer / eines Beteiligten 3
Merkmale von Mobbing 1. eine konfliktbelastete Kommunikation 2. systematische, indirekte und direkte Angriffe 3. von einer oder mehreren Personen 4. über einen längeren Zeitraum 5. mit dem Ziel / Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis oder der betrieblichen Gemeinschaft Dazu gehören Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen auf die sozialen Beziehungen im Arbeitsbereich auf das soziale Ansehen auf das fachliche Ansehen / auf die Arbeitsbereiche auf die Gesundheit 4
Die Ursachen von Konflikten am Arbeitsplatz Es gibt keine linearen-kausalen Konfliktursachen! Bei der Analyse von Konflikten ist die Frage nach Faktoren, die Konflikte begünstigen, ermöglichen oder stabilisieren, vorrangig! Die Konfliktpotentiale einer Organisation 5
Konstituierende Faktoren einer Organisation 6
Fragen zur Konfliktanalyse Symptome: Welche Anzeichen können Sie erkennen? Ursachen: Was steht hinter dem Symptom? Wofür steht das Symptom? Auf welcher Ebene liegt der Konflikt? Welches Konfliktpotenzial ist in der Organisation / dem Bereich grundsätzlich vorhanden? Kontext: Wer ist beteiligt? In welcher Beziehung stehen die Beteiligten? Was sind aus den verschiedenen Sichten die Konfliktthemen? Welche Ziele haben die Konfliktparteien? Wie wichtig ist der Konflikt? Wie sind die Rahmenbedingungen (z.b. Fehlerkultur, Arbeitsplatz, Entgelt etc.)? Konfliktverlauf und dynamik: Gibt es konkrete Ursachen oder zirkuläre Kreisläufe? Welchem Muster folgt der Konfliktverlauf? Welche Geschichte hat der Konflikt? In welcher Phase der Konflikteskalation befindet sich der Konflikt? Konfliktnutzen: Wozu ist der Konflikt hilfreich? Inwieweit ist der Konflikt ein Indikator anstehender oder notwendiger Veränderungen? Wie kann der Konflikt langfristig zur Verbesserung der Beziehungen beitragen? Was stünde an, wenn der Konflikt gelöst wäre? 7
Konfliktfaktoren / Konfliktbereich in einer Organisation Menschen Individuelle Tendenzen Persönliche Konfliktfähigkeit Einstellungen Bedürfnisse, Ziele, Visionen, Wünsche, Interessen, Neigungen, kultureller und gesellschaftlicher Hintergrund, Persönliche Konfliktgeschichte, fachliche Kompetenzen Erfahrungen in der Konfliktbearbeitung Wahrnehmungsfähigkeiten, Analysefähigkeiten, Kommunikationsfähigkeiten Person- oder umfeldorientierte Zuschreibung von Konfliktursachen, Haltungen gegenüber Konflikten 8
Konfliktfaktoren / Konfliktbereich in einer Organisation Prozesse Ausrichtung Organisationskulturen Interaktionen Führungsprozesse Sinn und Zweck, Werte, Visionen, Aufgaben, Aufgabenverteilung, Funktionen Partizipationsmöglichkeiten Unternehmensidentität Fehler- oder Wertschätzungskultur Rollen, informelle Machtmuster, informelle Spielregeln Betriebsklima, Teamarbeit Zielfindungs- und Strategieprozesse, Entscheidungsprozesse Veränderungsmanagement 9
Konfliktfaktoren / Konfliktbereiche in einer Organisation Systeme Strukturen Physische Ressoursen Finanzen Managementsysteme Aufbauorganisation Zentrale-dezentrale Organisation Projekt-, Netzwerk-Organisation Maschinen, Gebäude, Technologien, Umfeld Produkte Controlling, Bilanzierung, Planungssysteme Unternehmenspolitik, Hierachien Personalsysteme (Gehalt, Schulungen,...) Kontrollsysteme 10
Die Zirkularität von Konflikten Irritation, Frust, Ärger Verlust von Empathie Verzerrte Wahrnehmung Soziale Ansteckung 11
Eskalationsstufen nach Glasl (1990) Stufe 1 Misstimmung Entstehung von Unstimmig-keiten und Meinungsunterschieden Unbefangenheit in der Kommunikation geht verloren angespannte, gereizte Stimmung noch keine klare Parteienbildung erkennbar Stufe 2 Debatte Deutlichere Parteienbildung Motto: Wer hat die besseren Argumente? Pessimismus bzgl. einer Klärung / Lösung Stufe 3 Misstrauen Gespräche werden als nutzlos erlebt Parteien schaffen Tatsachen (Zunahme von Aggression) Zunehmende Anspannung und dominante Verhaltensweisen Fehlinterpretationen, Machtspiele Konflikt dehnt sich aus Gruppen-bildung Stufe 4 Koalition Kommunikationsbarrieren Haltung der Parteien rücksichtsloser Entstehung von Feindbildern Verlagerung des Konflikts von der Sach- auf die Beziehungsebene oder umgekehrt Stufe 5 Entgleisung Bloßstellungen Stur auf Positionen beharren Vertrauens-bruch Ausschließlich neg. Seiten der anderen Partei werden wahrgenommen Stufe 6 Drohung Konflikt wird als Krise erlebt Gegenseitige Einschüchterung Provokationen Abschottung u. nur einseitige Kommunikation (Statements) Stufe 7 + 8 Gewalt Vernichtung Schädigende Aktionen erfolgen, die vorher angedroht wurden Lösungen sind nicht mehr vorstellbar kein Perspektivwechsel der Parteien mehr möglich Angriffe, Sabotagen, Gewalt Quelle: Kreyenberg, Jutta: Handbuch Konfliktmanagement. Berlin: Cornelsen 2005, 2. Aufl. ;vgl. Glasl (1990) u. Klein (2002) 12
Maßnahmen zur Konfliktbearbeitung unter Berücksichtigung der Eskalationsphasen Missstimmung Debatte Verhärtung Polemik Taten statt Worte Koalition Drohung Gewalt Misstrauen Entgleisung Gesichtsverlust Zersplitterung Vernichtung gemeinsam in den Abgrund Anbahnung Rationalisierung Emotionalisierung Offener Kampf Konfliktlösung zwischen den Beteiligten Moderation durch Führungskraft Externe Beratung Prozessbegleitung Vermittlungsverfahren Schlichtungsverfahren, Eingriff, Trennung, Kontrolle Machteingriff, Einschaltung inner- und außerbetrieblicher Rechtsinstanzen Quelle: Kreyenberg, Jutta: Handbuch Konfliktmanagement. Berlin: Cornelsen 2005, 2. Aufl. ;vgl. Glasl (1990) u. Klein (2002) 13
Was bedeutet das für die betriebliche Wiedereingliederung? Wiedereingliederungsmaßnahmen sollten Belastungen aufgrund von unbearbeiteten und schwelenden Konflikten berücksichtigen! Zur Maßnahmenplanung sollte eine Konfliktanalyse nicht ausschließlich individuelle Aspekte der Konfliktparteien sondern auch strukturelle Konfliktpotentiale stärker berücksichtigen! Eine erfolgreiche Wiedereingliederung braucht Organisationen mit einem qualifizierten Konfliktmanagement und konfliktfähige MitarbeiterInnen, die einerseits mit ihren persönlichen Konflikten umgehen und die andererseits auf Ihre KonfliktpartnerInnen in der Organisation zugehen können. 14
Und was beschäftigt Sie zu diesem Thema? Fragen? Erfahrungen? Anmerkungen? 15
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!!! 16