Einfache lineare Schwingungssysteme

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Transkript:

Einfache lineare Schwingungssysteme 2 usammenfassung Aus wenigen Grundelementen wie Masse, Feder und Dämpfer für mechanische bzw. Spule, Kondensator und ohmschem Widerstand für elektrische Schwingungssysteme bestehen typische Resonatoren, die sich durch lineare Differenzialgleichungen beschreiben lassen. Mit dem Konzept von Impedanz und Admittanz vereinfachen sich viele Berechnungen gegenüber der mathematischen Lösung der Gleichungen. Impedanz- und Admittanzdiagramme mit der Frequenz als Parameter geben informative Darstellungen der Schwingungssysteme. Für die verschiedenen Resonatortypen (Serien- bzw. Parallelschaltung) werden freie und erzwungene Schwingungen berechnet, gebräuchliche Dämpfungsparameter, komplexe Materialkonstanten und Relaxationsmodelle eingeführt sowie der usammenhang zwischen Dispersion und Absorption erläutert. Schnelle Messverfahren z. B. für Leitungsstörungen sind eitbereichsreflektometrie und -spektroskopie. Aus der Dualität widerstandsreziproker Schwingungssysteme ergeben sich Analogien zwischen mechanischen und elektrischen Schwingungssystemen. Mit ihnen lassen sich viele mechanische Systeme auf die besser untersuchten elektrischen abbilden, was ihre Berechnung und das Verständnis für ihr Verhalten oft erleichtert. Als Anwendungen einfacher mechanischer Schwinger werden Maßnahmen zur Erschütterungsisolierung, tieffrequente Pendel und der Schwingförderer behandelt 2.1 Grundelemente In der physikalischen Messtechnik werden außerordentlich oft Resonanzverfahren benutzt, weil sie auf der Bestimmung von Frequenzen beruhen und diese die am genauesten messbaren physikalischen Größen sind. Die Resonanzfrequenz eines Schwingungssys- Springer Fachmedien Wiesbaden 216 D. Guicking, Schwingungen, DOI 1.17/978-3-658-14136-3_2 233

234 2 Einfache lineare Schwingungssysteme tems gibt Aufschlüsse über seine frequenzbestimmenden Komponenten (Masse bzw. Elastizität bei mechanischen, Induktivität bzw. Kapazität bei elektrischen Systemen); aus der Breite der Resonanzkurve, bei schwacher Dämpfung auch aus dem Abklingen der freien Schwingung, erhält man die Dämpfung. So sind z. B. Untersuchungen über die Struktur der Materie ohne Messmethoden wie Kern- und Elektronenspinresonanz, akustische und optische Resonanzabsorption usw. ebenso wie mechanische und elektrische Materialprüfungen ohne in Resonanz schwingende Proben kaum denkbar. Die meisten mechanischen und elektrischen Schwingungssysteme lassen sich in gewissen Frequenzgrenzen durch Schaltungen aus den wenigen in Abb. 2.1 mit ihren Symbolen gezeigten Grundelementen darstellen: Masse, Feder und Dämpfer für die mechanischen, Spule, Kondensator und ohmscher Widerstand 1 für die elektrischen Systeme. In diesem Kapitel werden die aus diesen Grundelementen darstellbaren einfachen linearen Schwingungssysteme besprochen. Einfach heißt: die Schwingungssysteme (oder Resonatoren) besitzen eine einzige Resonanzfrequenz (einläufigeoder einwellige Schwinger), linear heißt im Sinne von Abschn. 1.7.2, dass die auftretenden Differenzialgleichungen linear sind. Dies ist der Fall, wenn die die Grundelemente charakterisierenden Parameter M, F, W bzw. L, C, R (Abb. 2.1) von Amplitude, eit und Frequenz unabhängig sind. Bei der Masse M ist die zeitabhängige Kraft K.t/ mit der Elongation (Auslenkung aus der Ruhelage) x.t/,derschnelle oder Schwinggeschwindigkeit v.t/ D Px.t/ und der Beschleunigung b.t/ DRx.t/ durch das Newton sche Grundgesetz 2 K.t/ D Mb.t/ D M Pv.t/ D M Rx.t/ (2.1) verknüpft, solange der betreffende Körper als starr anzusehen ist. Für die Feder mit der Federungoder Nachgiebigkeit F (der Federsteife 1=F ) gilt unter Vernachlässigung eventueller Materialdämpfung bei den meisten Federn allerdings nur bei kleinen Elongationen und wegen der Eigenmasse der Feder auch nur bei genügend niedrigen Frequenzen das Hooke sche Gesetz 3 K.t/ D x.t/ F D 1 F Beim Dämpfer mit dem Reibungswiderstand W ist v dt: (2.2) K.t/ D Wv.t/D W Px.t/: (2.3) Masse und Feder sind Energiespeicher, der Dämpfer ist dagegen ein Energieverbraucher, d. h. in ihm wird mechanische Schwingungsenergie z. B. durch Umwandlung in Wärme 1 Georg Simon Ohm, deutscher Physiker (1789 1854). 2 Sir Isaac Newton, englischer Physiker (1643 1727). 3 Robert Hooke, englischer Physiker (1635 173).

2.1 Grundelemente 235 Abb. 2.1 Die Grundelemente mechanischer und elektrischer Schwingungssysteme K K K M F x W x x Masse Feder Dämpfer i i i u L u C u R Spule Kondensator ohmscher Widerstand oder auch durch Abstrahlung dissipiert. Das Symbol des Dämpfers deutet einen Mechanismus an, für den das Kraftgesetz (2.3) gilt: die viskose Reibung eines (laminar umströmten) Kolbens in einem (mit Newton scher Flüssigkeit 4 gefüllten) ylinder. Das Kraftgesetz (2.3) stellt für die Dämpfung vieler Schwingungssysteme bei kleinen Amplituden eine gute Näherung dar; Ausnahmefälle sind u. a. trockene Reibung, turbulente Strömung, nicht-newton sche Flüssigkeiten. Bei der Masse bedeutet x die Bewegung gegen das Bezugssystem (Erde), bei der Feder die Relativbewegung der Federenden gegeneinander, beim Dämpfer die Relativbewegung des Kolbens gegen den ylinder. Die entsprechenden Beziehungen zwischen Spannung u und Strom i bzw. Ladung q D R i dt bei den ebenfalls als ideal vorausgesetzten elektrischen Schaltelementen lauten für die Spule mit der Induktivität L u D L di dt (Induktionsgesetz), für den Kondensator mit der Kapazität C u D q C D 1 C D L Rq (2.4) i dt (2.5) und für den ohmschen Widerstand R u D Ri D R Pq (2.6) 4 um Begriff der Newton schen Flüssigkeit vgl. die Bemerkung nach (2.194).

236 2 Einfache lineare Schwingungssysteme (Ohm sches Gesetz). Spule und Kondensator sind Energiespeicher, der ohmsche Widerstand ist ein Energieverbraucher. wischen (2.1) bis (2.3) und (2.4) bis (2.6) herrscht eine formale Analogie, wenn man die uordnungen K u; v i; x q; M L; F C; W R (2.7) einführt (1. elektrisch mechanische Analogie, vgl. Abschn. 2.6.1.4). Wegen der Additivität in linearen Systemen gibt es danach zu jedem mechanischen ein analoges elektrisches Schwingungssystem und umgekehrt, sodass die Verknüpfung zwischen Kraft und Schnelle im einen gleich der zwischen Spannung und Strom im anderen ist. Bei den elektrischen Schwingungssystemen interessiert man sich fast ausschließlich für Ströme (ganz selten für Ladungen), bei mechanischen dagegen je nach dem vorliegenden Problem für Elongationen, Schnellen oder Beschleunigungen. Bei elektrischen Schwingungen genügt daher die Untersuchung des zeitlichen Stromverlaufs, während bei mechanischen Schwingungen zusätzlich zu der dem Strom analogen Schnelle vielfach noch Elongation oder Beschleunigung zu diskutieren sind. In den folgenden Abschnitten wird jedoch die Schnelle (bzw. der Strom) in den Vordergrund gestellt, weil in diesem Fall erhebliche rechnerische Vereinfachungen durch Einführung der komplexen Impedanz möglich sind. 2.2 Impedanz und Admittanz Bei elektrischen Schaltungen bezeichnet man das Verhältnis der komplexen Amplitude bu einer angelegten Sinusspannung u.t/ D bu e j!t zur komplexen Amplitude O{ des fließenden Stroms i.t/ DO{ e j!t als Impedanz D bu O{ ; (2.8) den Kehrwert, also das Verhältnis der komplexen Stromamplitude zur komplexen Spannungsamplitude, als Admittanz Y D O{ bu : (2.9) Beide Größen sind im Allgemeinen komplex und frequenzabhängig. Die implizit gemachte Voraussetzung, dass eine Sinusspannung einen gleichfrequenten Sinusstrom erzeugt, bedeutet die Beschränkung beider Begriffe auf lineare Systeme. Eine Spule mit der Induktivität L wird durch (2.4) beschrieben, d. h. u.t/ D bu e j!t D j!l O{ e j!t I (2.1)

2.2 Impedanz und Admittanz 237 damit wird die Impedanz der Spule L D bu O{ D j!l; (2.11) ihre Admittanz Y L D 1 D 1 L j!l D j 1!L : (2.12) Für die Impedanz eines Kondensators mit der Kapazität C ergibt sich entsprechend aus (2.5) C D 1 j!c D j 1!C ; (2.13) für seine Admittanz Ein ohmscher Widerstand R hat nach (2.6) die Impedanz und die Admittanz Y C D j!c: (2.14) R D R (2.15) Y R D 1 R : (2.16) Die Impedanzen und Admittanzen von idealen Spulen und Kondensatoren sind also rein imaginär, die von idealen ohmschen Widerständen reell. Unter der Impedanz von mechanischen Systemen oder Systemelementen versteht man in Analogie hierzu das Verhältnis von wirkender Kraft zu erzeugter Schnelle, unter ihrer Admittanz (oder auch Mobilität) den Quotienten Schnelle durch Kraft. Für die Elemente Masse M, Feder F und Reibungswiderstand W ergeben sich somit die Impedanzen und die Admittanzen M D j!m; (2.17) F D 1 j!f D j 1!F ; (2.18) W D W (2.19) Y M D 1 j!m D j 1!M ; (2.2) Y F D j!f; (2.21) Y W D 1 W : (2.22)

238 2 Einfache lineare Schwingungssysteme Für Impedanz und Admittanz sowie für ihre Real- und Imaginärteile sind die folgenden Bezeichnungen üblich: für die komplexe Größe : Impedanz oder Scheinwiderstand, für den Realteil Re(): Resistanz oder Wirkwiderstand, für den Imaginärteil Im(): Reaktanz oder Blindwiderstand, fürdie komplexegrößey : Admittanz oder Scheinleitwert, für den Realteil Re(Y ): Konduktanz oder Wirkleitwert, fürdenimaginärteil Im(Y ): Suszeptanz oder Blindleitwert. (Die kursiven Begriffe sind weniger gebräuchlich.) Einige allgemeine Beziehungen seien hier noch zusammengestellt. Aus den Darstellungen und folgt Aus D Re./ C j Im./ D e j' D.cos ' C jsin'/ (2.23) Y D Re.Y / C j Im.Y/ D Y e j D Y.cos C jsin / (2.24) Re./ D cos '; Im./ D sin '; (2.25) q jj D D Re 2./ C Im 2./; tan ' D Im./ Re./ : (2.26) Y D 1 D 1 e j' (2.27) folgt jy j D Y D 1 D '; (2.28) Re.Y / D Y cos D 1 cos '; (2.29) Im.Y / D Y sin D 1 sin ': (2.3) Ferner folgen aus den vorstehenden Gleichungen die später gebrauchten Beziehungen D Re./.1 C jtan'/; (2.31) Y D Re.Y /.1 C jtan / D cos '.1 jtan'/ D cos2 '.1 jtan'/: (2.32) Re./

2.2 Impedanz und Admittanz 239 Legt man den eitnullpunkt so, dass der Nullphasenwinkel von Spannung bzw. Kraft verschwindet, ihre Amplitude in der komplexen Darstellung also reell wird: so ergibt sich für den Strom u.t/ D bu e j!t ; K.t/ D bk e j!t ; (2.33) i.t/ DO{ e j!t D bu e j' e j!t D buy e j e j!t ; (2.34) also O{ D bu e j' D buy e j (2.35) und entsprechend für die Schnelle bv D b K e j' D bky e j : (2.36) Der Winkel ' der Impedanz ist also der Winkel, um den der Strom der Spannung bzw. die Schnelle der Kraft nacheilt. Schwingungsprobleme lassen sich rechnerisch in der Weise behandeln, dass man die Differenzialgleichung des betreffenden Systems aufstellt und ihre Lösungen mit den jeweiligen Anfangsbedingungen berechnet. In dem für die Praxis bedeutenden Spezialfall von Sinusschwingungen linearer Systeme bei stationärer Erregung wird der Rechenaufwand durch Einführung der komplexen Impedanz bzw. Admittanz wesentlich reduziert. Die Lösung der Differenzialgleichung besteht in diesem Fall aus zwei reellen Funktionen der Frequenz: dem Verhältnis der Amplituden von Kraft und Schnelle bzw. von Spannung und Strom (z. B. in Form einer Resonanzkurve) und der Phasendifferenz zwischen den beiden Größen (z. B. in Form der einer Resonanzkurve zugeordneten Phasenkurve). Das Amplitudenverhältnis ist gleich dem Betrag, die Phasendifferenz gleich der Phase der komplexen Impedanz. Der erlegung in Betrag und Phase ist natürlich die erlegung in Real- und Imaginärteil gleichwertig. Die Impedanz bzw. Admittanz von mechanischen und elektrischen Schwingungssystemen lässt sich, wie später an Beispielen gezeigt wird, im Allgemeinen leichter angeben als die Differenzialgleichung und ihre Lösung. Ob der Impedanz oder der Admittanz der Vorzug zu geben ist, hängt von dem jeweiligen Systemaufbau ab. Der große praktische Nutzen einer Impedanz- oder Admittanzdarstellung besteht aber vor allem darin, dass man die beiden Frequenzfunktionen (Real- und Imaginärteil bzw. Betrag und Phase) in einer Kurve, der Ortskurve in der komplexen Ebene, mit der Frequenz als laufendem Parameter zusammenfassen und auch direkt experimentell aufnehmen kann. Diesem übersichtlichen Diagramm lassen sich nach einiger Übung mühelos die wichtigen

24 2 Einfache lineare Schwingungssysteme Im( ) Im( ) Im( ) ω R Re( ) Re( ) Re( ) ω Im( Y ) Im( Y) Im( Y) ω ω 1/R Re( Y) Re( Y) Re( Y) Spule Masse Kondensator Feder ohmscher Widerstand Dämpfer Abb. 2.2 Impedanzkurven (oben) und Admittanzkurven (unten) der Grundelemente elektrischer und mechanischer Schwingungssysteme Eigenschaften des untersuchten Systems entnehmen, und daher wurde die Ortskurvendarstellung von der elektrischen Nachrichtentechnik mit großem Erfolg auch auf die Akustik und Mechanik übertragen. Man trägt in der komplexen Ebene den Realteil von Impedanz oder Admittanz nach rechts, den positiven Imaginärteil (induktiver bzw. Massenanteil der Impedanz, kapazitiver bzw. Federungsanteil der Admittanz) nach oben, den negativen Imaginärteil (kapazitiver bzw. Federungsanteil der Impedanz, induktiver bzw. Massenanteil der Admittanz) nach unten auf. Die Impedanzkurve einer idealen Spule oder einer Masse fällt mit der positiven, die eines Kondensators oder einer Feder mit der negativen imaginären Halbachse zusammen, bei den Admittanzkurven ist es umgekehrt. In allen vier Fällen wird die Kurve mit steigender Frequenz von unten nach oben durchlaufen. Die Impedanz- und Admittanz kurven von ohmschen Widerständen oder von reinen mechanischen Verlustwiderständen bestehen aus einem Punkt auf der reellen Achse (Abb. 2.2). In der Akustik arbeitet man statt mit der hier eingeführten mechanischen Impedanz (Kraft/Schnelle) D K=v mit der Feldimpedanz (Schalldruck/Schallschnelle) F D p=v oder, z. B. für die Schallausbreitung in Rohren, mit der Flussimpedanz (Schalldruck/Schallfluss) Fl D p=q, wobei q D v S der Schallfluss und S die Querschnittsfläche des Rohres ist. In technischen Schwingungsproblemen kommt es oft eher auf die Elongation statt auf die Schnelle an; man arbeitet dann gern mit der Rezeptanz (Elongation/Kraft), wie am Ende von Abschn. 2.3.2.4 und in Abschn. 4.3.6 erläutert.

2.3 Mechanischer Parallelresonanzkreis und elektrischer Serienresonanzkreis 241 2.3 Mechanischer Parallelresonanzkreis und elektrischer Serienresonanzkreis Die einfachsten Schwingungssysteme (vgl. Abschn. 1.1) enthalten zwei Energiespeicher, zwischen denen die Energie hin- und herpendelt; hinzu kommt ein Energieverbraucher für die unvermeidlichen Verluste, sodass ein schwingungsfähiges System aus mindestens drei Elementen besteht, die allerdings in verschiedener Weise zusammengeschaltet sein können. Das wichtigste mechanische Schwingungssystem aus den drei Elementen Masse, Feder und Dämpfer entsteht durch ihre Parallelschaltung (Abb. 2.3a). Die Kraft K wirkt über eine starre, masselose Stange auf die drei Elemente, sodass sie die gleiche Bewegung x ausführen (sog. zwangsläufige Verbindung). Die Bewegungsgleichung ergibt sich aus der Überlegung, dass die Kraft K.t/ gleich der Summe von Massenkraft M Rx, Federkraft x=f und Reibungskraft W Px ist: M Rx C W Px C x F D K.t/; (2.37) oder bei Einführung der Schnelle v DPx M Pv C WvC 1 F v dt D K.t/: (2.38) Aus (2.38) folgt mit den uordnungen (2.7) die Gleichung des analogen elektrischen Schwingungssystems: L di dt C Ri C 1 i dt D u.t/: (2.39) C Die Spannungen an Spule, Kondensator und ohmschem Widerstand addieren sich zur Gesamtspannung u.t/, d. h. die drei Elemente sind in Reihe geschaltet (Abb. 2.3b). Unter Abb. 2.3 a mechanischer Parallelkreis, b elektrischer Serienkreis a b i(t) K(t) u(t) L C M F W x R

242 2 Einfache lineare Schwingungssysteme ugrundelegung der 1. elektrisch mechanischen Analogie (2.7) stimmen daher die Differenzialgleichungen des mechanischen Parallelkreises und des elektrischen Serienkreises überein. Für beliebigen Kraftverlauf K.t/ bzw. Spannungsverlauf u.t/ stellen die Lösungen x.t/, v.t/ bzw. i.t/ der inhomogenen Differenzialgleichungen (2.37) bis (2.39) die Bewegung im mechanischen bzw. den Strom im elektrischen System dar. Aus der Linearität dieser Gleichungen folgt die lineare Superponierbarkeit der Lösungen (vgl. Abschn. 1.7.2), sodass es nach dem Fourier schen Satz genügt, sie für zeitlich sinusförmigen Kraft- bzw. Spannungsverlauf zu berechnen. Bei fehlender äußerer Kraft, K.t/, geht (2.37) in die homogene Differenzialgleichung M Rx C W Px C x F D (2.4) über; ihre Lösung ist die freie Schwingung oder Eigenschwingung des Systems. Für eine sinusförmige Anregungskraft K.t/ D bke j!t liefert der Ansatz einer gleichfrequenten, zeitlich sinusförmigen Bewegung die erzwungene Schwingung, die sich nach längerer eit als stationäre Bewegung einstellt. Unmittelbar nach dem Beginn der Krafteinwirkung auf das vorher ruhende System gibt es jedoch einen Einschwingvorgang; er lässt sich als Summe aus freier und erzwungener Schwingung darstellen (Abschn. 4.4.1). Freie Schwingungen und damit auch Einschwingvorgänge sind instationär und lassen sich daher nur mit Hilfe der Differenzialgleichungen berechnen (Abschn. 2.3.1). Die erzwungenen Schwingungen in der Elektrotechnik spricht man einfach von Wechselströmen werden in Abschn. 2.3.2 zunächst mit den Begriffen der Impedanz bzw. Admittanz und dann ergänzend als Lösungen der Differenzialgleichungen behandelt. In der technischen Schwingungsmechanik nennt man die freien Schwingungen auch autonome, die erzwungenen heteronome Bewegungen. 2.3.1 Freie Schwingungen 2.3.1.1 Eigenschwingungen des elektrischen Serienkreises Bei verschwindender Dämpfung (R D ) lautet die homogene Differenzialgleichung des elektrischen Serienkreises L di dt C 1 i dt D : (2.41) C Ihre Lösung i.t/ DO{ sin.! t C '/ (2.42)

http://www.springer.com/978-3-658-14135-6