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Transkript:

HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN JURISTISCHE FAKULTÄT INSTITUT FÜR ÖFFENTLICHES RECHT UND VÖLKERRECHT Prof. Dr. Michael Kloepfer, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Umweltrecht, Finanzrecht und Wirtschaftsrecht Mirko Zorn Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden 6 10099 Berlin Arbeitsgemeinschaft im Allgemeinen Verwaltungsrecht Fall: Das missglückte Staatsexamen Dem Jurastudenten J werden durch Bescheid des JPA Berlin die Ergebnisse seiner schriftlichen Aufsichtsarbeiten mitgeteilt. Dabei erfährt J, dass von den sieben Klausuren nur fünf bestanden hat. Seine beiden Arbeiten im Strafrecht wurden jeweils mit nur einem Punkt (mangelhaft) bewertet. J fühlt sich ungerecht behandelt und legt deshalb umgehend Widerspruch die Benotung der beiden Strafrechtsklausuren ein. In der einen Strafrechtsklausur könne er die Bewertung nicht nachvollziehen, weil sowohl der Erstkorrektor als auch der Zweitkorrektor ihre Entscheidung durch keinerlei Anmerkungen begründet hätten. In der anderen Strafrechtsklausur hätte die Korrektur nicht als falsch monieren dürfen, dass er für das Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch forderte. Auch in der mündlichen Prüfung hat J kein Glück. Ihm wird Professor P als Vorsitzender des Prüfungsausschusses und Prüfer im Strafrecht zugeteilt. Beide kennen sich sehr gut aus einem Seminar, zu dem J regelmäßig zu spät kam, was bei P stets heftige Wutausbrüche hervorrief. Als J entsprechend nervös in die mündliche Prüfung ging, kam es wie es kommen musste. P stellte ihm zwei ganz fiese Fragen, die er beide nicht beantworten konnte und nahm ihn im Verlauf der weiteren Strafrechtsprüfung auch nicht mehr dran. Als die zivilrechtliche Prüfung begann, schlug P sogar seine Zeitung auf und las darin über den gesamten Rest der mündlichen Prüfung. Als er von J um Aufmerksamkeit gebeten wurde, erwiderte er nur lapidar, dass er von Zivilrecht sowieso keine Ahnung habe. Im Anschluss an die mündliche Prüfung wird dem J mitgeteilt, dass er das juristische Staatsexamen mit 4 Punkten bestanden hat. Seine Einzelleistung im Strafrecht wurde allerdings mit 0 Punkten bewertet. J fühlt sich auch hier ungerecht behandelt, weil dem P die notwendige Objektivität gefehlt habe. Nachdem der Widerspruch des J abschlägig beschieden wurde, erhebt er vor dem zuständigen VG Klage gegen die Benotung seiner schriftlichen und mündlichen Leistungen. Zur Begründung verweist er auf die erwähnten Einwände. In der mündlichen Verhandlung vor dem VG reicht das JPA eine ausführliche Begründung für die eine Strafrechtsklausur nach. Das Ergebnis bleibt aber unverändert. J hält dies für ein abgekartetes Spiel und ist der Ansicht, dass dies bei einer Entscheidung nicht mehr berücksichtigt werden dürfte. Wie wird das VG entscheiden? 1. Auszug aus dem Berliner Juristenausbildungsgesetz: 9 Berl JAG (Bewertung der Prüfungsleistungen) Für die Bewertung der einzelnen Prüfungsleistungen und für die Bildung der Noten der staatlichen Pflichtfachprüfung, der universitären Schwerpunktbereichsprüfung und der ersten juristischen Prüfung gilt die Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die erste und zweite juristische Prüfung vom 3. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1243) in der jeweils geltenden Fassung. 19 (Aufgaben und Zusammensetzung)

(1) Das Justizprüfungsamt Berlin bei der Senatsverwaltung für Justiz besteht aus der Präsidentin oder dem Präsidenten, deren oder dessen Vertretung, weiteren haupt- und nebenamtlichen Mitgliedern und Mitgliedern kraft Amtes. Sie müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Die Präsidentin oder der Präsident des Justizprüfungsamtes, deren oder dessen Vertretung sowie die weiteren hauptamtlichen Mitglieder werden von der Senatorin oder dem Senator für Justiz berufen. (2) Mitglieder kraft Amtes sind die an rechtswissenschaftlichen Fachbereichen der Universitäten tätigen hauptamtlichen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer. 22 (Widerspruchsverfahren) Gegen Verwaltungsakte, denen eine Bewertung von Prüfungsleistungen zugrunde liegt, kann Widerspruch erhoben werden. Die Anonymität des Prüflings ist auch im Widerspruchsverfahren zu wahren. 2. Auszug aus der Berliner Juristenausbildungsordnung: 16 Berl JAO (Verfahrensfehler) (1) Das Justizprüfungsamt kann bei Beeinträchtigungen des Prüfungsablaufs und bei sonstigen Verfahrensfehlern angemessene Ausgleichsmaßnahmen treffen. Es kann insbesondere Schreibzeitverlängerungen gewähren oder anordnen, dass Prüfungsleistungen von einzelnen oder von allen Prüflingen zu wiederholen sind. (2) Verfahrensfehler sind während der schriftlichen Prüfung gegenüber der oder dem Aufsichtführenden und während der mündlichen Prüfung gegenüber der oder dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unverzüglich zu rügen. Eine schuldhafte Verletzung dieser Obliegenheit führt zur Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers. 34 Berl JAO (Aufgaben und Zuständigkeiten des Justizprüfungsamtes) (1) Die Staatsprüfungen werden vom Justizprüfungsamt vorbereitet und durchgeführt. Es holt in der staatlichen Pflichtfachprüfung Aufgabenvorschläge von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern ein, denen die Vertretung der Lehre in den Prüfungsfächern obliegt. (...) (2) Soweit nichts anderes bestimmt ist, entscheidet das Justizprüfungsamt durch seine Präsidentin oder seinen Präsidenten. 36 Berl JAO (Prüfungsausschüsse) (1) Jede Aufsichtsarbeit in den Staatsprüfungen wird von einem aus zwei Prüferinnen oder Prüfern bestehenden Prüfungsausschuss bewertet. Die zweite Prüferin oder der zweite Prüfer erhält die Arbeiten mit den Voten der ersten Prüferin oder des ersten Prüfers. Jeder Prüferin oder jedem Prüfer sollen mindestens 25 Aufsichtsarbeiten zur Erstkorrektur und 25 Aufsichtsarbeiten zur Zweitkorrektur zugewiesen werden. (3) Prüfungsleistungen in der mündlichen Prüfung werden durch Prüfungsausschüsse bewertet, die aus drei Mitgliedern einschließlich der oder des Vorsitzenden bestehen. Sie entscheiden mit Stimmenmehrheit (...). (4) An der Bewertung von Prüfungsleistungen in der staatlichen Pflichtfachprüfung wirken Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, an der Bewertung von Prüfungsleistungen in beiden Staatsprüfungen wirken Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit. Ein Anspruch des Prüflings auf eine bestimmte Zusammensetzung des Prüfungsausschusses besteht nicht. 3. Auszug aus der VO über eine Noten- und Punkteskala für die erste und zweite juristische Prüfung: Die einzelnen Leistungen der ersten und zweiten Prüfung sind mit folgenden Noten und Punkten zu bewerten: Sehr gut = 16 bis 18 Punkte: eine besonders hervorragende Leistung Gut = 13 bis 15 Punkte: eine erheblich über dem Durchschnitt liegende Leistung Vollbefriedigend = 10 bis 12 Punkte: eine über dem Durchschnitt liegende Leistung Befriedigend = 7 bis 9 Punkte: eine Leistung, die in jeder Hinsicht den durchschnittlichen Anforderungen entspricht Ausreichend = 4 bis 6 Punkte: eine Leistung, die trotz ihrer Mängel noch den durchschnittlichen Anforderungen entspricht Mangelhaft = 1 bis 3 Punkte: eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung Ungenügend = 0 Punkte: eine völlig unbrauchbare Leistung

Lösungsvorschlag zu Fall Das missglückte Staatsexamen : A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg Da eine auf- oder abdrängende Sonderzuweisung nicht ersichtlich ist, richtet sich der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht nach 40 Abs. 1 VwGO. Erforderlich ist zunächst eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Dies ist der Fall, wenn die streitentscheidende Norm, den Staat in seiner besonderen Funktion als Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet (modifizierte Subjektstheorie). Die hier maßgeblichen Vorschriften des JAG und der JAO sind Sonderrecht des Staates, weil sie ausschließlich den Staat zu Maßnahmen berechtigen bzw. verpflichten. Darüber hinaus liegt hier auch ein Über- Unterordnungsverhältnis vor, da eine Behörde durch einen Bescheides gehandelt hat (Subordinationstheorie). Somit ist der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht eröffnet. II. Statthafte Klageart Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren des J. Der J ist mit der Bewertung seiner Prüfungsleistungen nicht einverstanden und möchte eine bessere Note erhalten. 1. Anfechtungsklage Die Anfechtungsklage gemäß 42 I Alt. 1 VwGO wäre statthafte Klageart, wenn er durch die Aufhebung eines Verwaltungsakts dieses Ziel erreichen könnte. Die bloße Aufhebung der bisherigen Benotungen führt jedoch nicht zu der von J gewünschten besseren Note, so dass ihm mit einer Kassation der bisherigen Entscheidungen allein nicht geholfen ist. 2. Verpflichtungsklage Die Verpflichtungsklage gemäß 42 I Alt. 2 VwGO wäre dagegen die statthafte Klageart, wenn der J durch die Erteilung eines VA sein Ziel erreichen könnte. Eine VA setzt gemäß 35 VwVfG eine Einzelfallregelung mit Außenwirkung voraus. Bei der Erteilung der Gesamtnote handelt es sich unproblematisch um einen VA, weil sie Prüfungsleistungen des J abschließend in einer einheitlichen Bewertung zusammenfasst. Fraglich ist aber, ob die Einzelnoten VA s darstellen oder nicht. Dann müsste es sich bei den Einzelnoten um selbstständige Regelungen handeln. Grundsätzlich sind Vor- und Einzelleistungen jedoch nur Bestandteile der Gesamtnote. Eine darüber hinausgehende Bedeutung fehlt ihnen in der Regel, so dass der rechtliche Erfolg erst die Feststellung der Gesamtnote ist. Nur in Ausnahmefällen können Einzelnoten neben der Gesamtnote eine eigenständige Bedeutung haben. Dies wäre der Fall, wenn die Einzelnote über das schulische bzw. berufliche Fortkommen des Betroffenen maßgeblich ist (z.b. besondere Bedeutung eines Unterrichtsfachs beim numerus clausus). Da hier ein Regelfall vorliegt, kann J nur die Neubewertung seiner gesamten Prüfungsleistungen begehren. Eine Verpflichtungsklage hinsichtlich seiner Einzelleistungen wäre hingegen nicht statthaft. III. Klagebefugnis Der A ist klagebefugt, wenn er geltend macht, durch die Unterlassung des von J gewünschten VA in seinen Rechten verletzt zu sein ( 42 Abs. 2 VwGO). Ein subjektives Rechts auf leistungsgerechte Benotung könnte sich aus 9 JAG i.v.m. der Notenskala der VO ergeben. Zwar geht aus beiden Vorschriften nicht ausdrücklich hervor, dass sie auch den Prüflingen dienen sollen. Bei verfassungskonformer Auslegung beider Vorschriften muss man allerdings zu dem Ergebnis kommen, dass Prüfungsentscheidungen stets die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) und den allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) berühren und demzufolge den Interessen der Prüflinge Rechnung getragen werden muss. Würden einfachgesetzliche Vorschriften eine nicht leistungsgerechte Bewertung zulassen, stünden sie nicht im Einklang mit den Grundrechten, weil sie willkürlich wären und auch keinem legitimen Zweck dienen würden. J ist mithin klagebefugt. IV. Vorverfahren Das nach 68 Abs. 1 S. 1 VwGO notwendige Vorverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Der Widerspruch des A wurde abschlägig beschieden. Auf die Frage, ob ein solches nach 68 I S. 2 Nr. 1 VwGO entbehrlich war, kommt es hier nicht an.

Wie aus 19 I JAG hervorgeht, gehört das JPA zur Senatsverwaltung für Justiz und damit zu einer obersten Landesbehörde. Grundsätzlich ist damit ein Vorverfahren nach 68 I S.2 Nr. 1 VwGO entbehrlich. Allerdings ordnet 22 JAO an, dass Widerspruch gegen die Prüfungsentscheidung erhoben werden kann. Das Wort kann darf nicht im Sinne einer Wahlmöglichkeit für den Prüfling verstandenen werden. Weil ein förmliches staatliches Verfahren eindeutig und klar geregelt sein muss, ist das Widerspruchsverfahren durch 22 JAO zwingend geboten. V. Beteiligtenfähigkeit, Klagegegner Der J ist als natürliche Person und gemäß 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig. Klagegegner ist gemäß 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Rechtsträger der Behörde, die den VA erlassen hat, mithin das Land Berlin. VI. Klagefrist Da der Sachverhalt keine gegenteiligen Anhaltspunkte enthält, ist davon auszugehen, dass J gem. 74 Abs. 1 VwGO fristgerecht Klage erhoben hat. VII. Zwischenergebnis Die Klage des J ist zulässig. B. Begründetheit Die Klage des J ist begründet, wenn seine Prüfungsleistung nicht ordnungsgemäß bewertet wurde und er dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Wenn die Sache spruchreif ist, spricht das Gericht aus, dass die Verwaltungsbehörde die beantragte Amtshandlung vorzunehmen hat ( 113 V S. 1 VwGO). Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden ( 113 V S. 2 VwGO). Ob Spruchreife vorliegt oder nicht, richtet sich nach der für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsgrundlage. I. Rechtsgrundlage Die Bewertung der Prüfungsleistungen für die juristische Staatsprüfung basiert auf dem 9 JAG i.v.m. der Notenskala der VO. Vom Wortlaut her handelt es sich hier um eine Norm, die eine gebundene Entscheidung vorgibt. Einerseits kann die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe (Tatbestandsebene) von den Gerichten grundsätzlich vollständig überprüft werden und andererseits sieht die Norm kein behördliches Ermessen (Rechtsfolgenebene) vor ( sind ). Insofern scheint im Fall der Begründetheit Spruchreife vorzuliegen. 1. Einschätzungsprärogative der Verwaltung Bei Prüfungsentscheidungen macht man aber eine Ausnahme. Das bedeutet, dass die in der Notenskala enthaltenen Beurteilungskriterien unbestimmte Rechtsbegriffe sind, bei deren Auslegung der Verwaltung eine eigene Einschätzungsprärogative zusteht. Begründet wird dies damit, dass es sich (1.) hier um fachlich-wissenschaftliche Bewertungen handelt, für welche die Verwaltung größere Sachkunde und Erfahrung besitzt, (2.) dass Prüfungssituationen im nachhinein nicht mehr wiederholbar sind und (3.) den Gerichten der für eine nachträgliche Korrektur notwendige Vergleich mit den Prüfungsleistungen anderer Kandidaten fehlt. 2. Auf Beurteilungsfehler beschränkte Überprüfbarkeit Dass die Verwaltung eine eigene Einschätzungsprärogative hat, bedeutet, dass sie bei der Auslegung der Bewertungskriterien der Notenskala einen eigenen, gerichtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraum besitzt. Ein völliger Ausschluss der gerichtlichen Überprüfbarkeit würde aber gegen die Rechtsschutzgarantie von Art. 19 IV GG verstoßen. Deswegen muss zumindest überprüft werden können, ob eine Prüfungsentscheidung ohne Beurteilungsfehler zustande kam. In den folgenden Fällen liegen Beurteilungsfehler vor: (1.) bei schweren Verfahrensfehlern, (2.) beim Ausgehen von falschen Tatsachen,

(3.) bei einem Verstoß gegen allgemein anerkannte Beurteilungsgrundsätze, (4.) bei sachfremden Erwägungen und (5.) bei einem Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Der Betroffene hat, soweit seine Klage erfolgreich ist, nur einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Neubewertung (Klausuren) und Wiederholung (mündliche Prüfung). 9 JAG i.v.m. der Notenskala der VO enthält keine gebundene Entscheidung auf eine bessere Benotung resultiert, denn wegen des Beurteilungsspielraums kann das Gericht die Entscheidung der Verwaltung nicht durch eine eigene ersetzen. Vielmehr muss die Verwaltung selbst bei Vorliegen eines Beurteilungsfehlers neu entscheiden. Somit kann das Gericht mangels Spruchreife nur eine Verpflichtung zur Neubescheidung aussprechen. II. Voraussetzungen 1. Formelle Rechtmäßigkeit Fraglich ist, ob hier ein schwerer Verfahrensfehler vorliegt. Ein solcher wäre gegeben, wenn er nicht nach 46 VwVfG unbeachtlich ist. a) Die Bewertung von J s Prüfungsleistungen könnte formell rechtswidrig sein, weil in einer Strafrechtsklausur die Benotung nicht begründet wurde. Zunächst ist festzustellen, dass ein Verstoß gegen die Begründungspflicht des 39 I VwVfG ausscheidet, weil dieser nach 2 III Nr. 2 VwVfG bei Prüfungsentscheidungen keine Anwendung findet. Eine Begründungspflicht ergibt sich hier aber aus Art. 19 IV GG, denn effektiver Rechtschutz ist nur möglich, wenn Betroffener tragende Entscheidungsgründe kennt (BVerwG, DVBl. 1993, 503 ff.). Dies war bei einer Strafrechtsklausur des J nicht der Fall. Der Verstoß ist hier jedoch unbeachtlich, weil die erforderliche Begründung der Notengebung gem. 45 I Nr. 2 VwVfG nachgeholt wurde. Dies geschah auch rechtzeitig, da Handlungen dieser Art bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz möglich sind ( 45 II VwVfG). b) Die Bewertung von J s Prüfungsleistungen könnte formell rechtswidrig sein, weil der P an der Prüfung mitgewirkt hat. Grundsätzlich ist P nach 19 JAG kraft seines Amtes als Hochschullehrer Prüfungsausschussmitglied. Möglicherweise lag aber für die Mitwirkung im konkreten Fall ein Ausschlussgrund vor. So könnte P unter Verstoß gegen 21 VwVfG an der mündliche Prüfung mitgewirkt haben, weil die Besorgnis der Befangenheit gegeben war. Darauf kommt es jedoch nur an, wenn der J diesen Prüfungsmangel unverzüglich geltend gemacht hat. Ein solches Rügegebot folgt prinzipiell aus dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie der allgemeinen verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflicht des betroffenen Kandidaten (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2 Rn. 56). Hier ist es in 16 II JAO sogar spezialgesetzlich geregelt. Hier waren dem J die vermeintlichen Befangenheitsgründe schon vor Beginn der Prüfung bekannt bzw. eindeutig erkennbar gewesen. Gleichwohl wurde dies von J weder vor noch während der Prüfung gerügt. Daher ist ein eventueller Verstoß gegen 21 VwVfG unbeachtlich. 2. Materielle Rechtmäßigkeit Die Bewertung könnte materiell rechtswidrig sein, wenn und soweit die Behörde eine rechtsfehlerhafte Beurteilung vorgenommen hat. a) Ausgehen von falschen Tatsachen: Grundsätzlich muss eine behördliche Entscheidung auf einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt beruhen. Daran fehlt es, wenn ein Prüfer während der mündlichen Prüfung dem Prüfungsgeschehen nicht seine ungeteilte Aufmerksamkeit widmet oder sonst sein Urteil auf einer unvollständigen Sachkenntnis beruht (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 40, Rn. 94). Hier las der P während der Prüfung Zeitung, so dass er die Leistungen des J im Zivilrecht und im öffentlichen Recht nicht ordnungsgemäß beurteilen konnte, was aber nach 36 III JAO erforderlich gewesen wäre. Insofern liegt ein Beurteilungsfehler vor. b) Verstoß gegen allgemein anerkannte Beurteilungsgrundsätze:

Die Bewertung der Prüfungsleistungen stellt eine Abwägungsentscheidung dar, die sich allerdings im Rahmen allgemeiner Bewertungsgrundsätze- und maßstäbe halten muss. Dazu gehört u.a., dass vertretbar und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösungen nicht als falsch gewertet werden dürfen. In der zweiten Strafrechtsklausur wurde bemängelt, dass der J für das Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke einen besonders schweren Vertrauensbruch forderte. Diese Auffassung wird zwar nicht vom BGH vertreten, allerdings gibt es im Schrifttum zahlreiche Autoren, die eine Einschränkung des Tatbestandsmerkmals Heimtücke durch das Vertrauensbruchskriterium verlangen (Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 211, Rn. 26). Insoweit verstößt es gegen einen allgemein anerkannten Beurteilungsgrundsatz, wenn man den Lösungsweg des J in dieser Hinsicht als falsch bewertet. Damit liegt auch diesbezüglich ein Beurteilungsfehler vor. c) Verstoß gegen Chancengleichheit: Die Prüfungen müssen u.a. so gestaltet sein, dass die Prüfungszeit nicht wesentlich über- oder unterschritten wird. Hier wurden dem J im Strafrecht nur zwei Fragen gestellt. Daraus allein lässt sich aber noch nicht ableiten, ob er im Vergleich zu anderen Prüflingen schlechter behandelt wurde. Es mag sein, dass die Fragen von so grundlegender Bedeutung waren, dass eine Nichtbeantwortung keine andere Bewertung zuließ. d) Sachfremde Erwägungen: Sachfremde Erwägung bei Prüfungen sind immer dann nicht auszuschließen, wenn der Prüfer während der Prüfung gegen das Fairneßgebot verstößt. Dies kann durch Äußerungen oder ein sonstiges unangemessenes Verhalten geschehen. Hier las P während der Prüfung Zeitung, so dass der J einer psychologischen Belastung ausgesetzt wurde, die geeignet ist, das Bild seiner Leistungsfähigkeit zu verfälschen und seiner Chancen zu vermindern. Damit lag ein weiterer Beurteilungsfehler vor. C. Gesamtergebnis Die Klage des J ist damit zulässig und unbegründet. Das JPA hat eine Strafrechtsklausur neu zu bewerten und muss die mündliche Prüfung wiederholen lassen, da hier die Prüfungsleistung des J nicht mehr feststellbar ist ( 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).