Fall 2: Ausländerwahlrecht Lösungshinweise. 2. Antragsberechtigung, Art. 93 I Nr. 2 GG, 76 I BVerfGG

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Transkript:

Fall 2: Ausländerwahlrecht Lösungshinweise Der Antrag der Bayerischen Staatsregierung hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. I. Zulässigkeit 1. Zuständigkeit des BVerfG 2. Antragsberechtigung, Art. 93 I Nr. 2 GG, 76 I BVerfGG 3. Antragsgegenstand (=Prüfungsgegenstand), Art. 93 I Nr. 2 GG, 76 I BVerfGG Fraglich, ob fremdes Landesrecht Prüfungsgegenstand im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle sein kann. Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, 76 Abs. 1 BVerfGG Sinn und Zweck Objektives Beanstandungsverfahren 4. Nichtigkeit oder Zweifel / Antragsgrund, Art. 93 I Nr. 2 GG, 76 I BVerfGG 76 I Nr. 1 BVerfGG Art. 93 I Nr. 2 GG (1) Zulässige Konkretisierung des Art. 93 I Nr. 2 GG > Art. 94 II 1 GG (2) Verfassungskonforme Auslegung Seite 1 von 5

Problem: Wortlaut (3) Teilweise Verfassungswidrigkeit 5. Form und Frist 23 I BVerfGG Keine Frist Zwischenergebnis: Der Antrag der Bayerischen Landesregierung ist zulässig. II. Begründetheit Der Antrag ist begründet, soweit das SchlHGKWahlG mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar ist. Fraglich ist hier, ob es formell und materiell mit der Verfassung zu vereinbaren ist. 1. Formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Laut SV 2. Materielle Rechtmäßigkeit des Gesetzes Verstoß gegen das Demokratieprinzip aus Art. 20 I, II GG i.v.m. dem Homogenitätsprinzip nach Art. 28 I 2 GG? Demokratieprinzip in Art. 20 I, II GG verlangt Legitimationszusammenhang zwischen dem Legitimationsobjekt (Staatsgewalt) und dem Legitimationssubjekt (Volk) Gemäß Art. 28 I 2 GG muss dies auch in den Ländern der Fall sein. Gehören Ausländer zum Legitimationssubjekt Volk i.s.d. Art. 20 II 1 GG und des Art. 28 I 2 GG? Seite 2 von 5

a) Das Volk isd Art. 20 II 1 GG Wortlaut Nur Volk, nicht deutsches Volk Systematik Präambel Art. 56 GG Art. 146 GG Art. 33 I GG Umkehrschluss? Art. 28 I 3 GG für EU-Ausländer Historisch GG-Geber hatte nur deutsche Staatsangehörige gem. Art. 116 I GG vor Augen Teleologisch (1) Wesen des Demokratieprinzips: jeder, der durch die Staatsgewalt nachhaltig betroffen sein könnte, muss dieser Staatsgewalt auch ihre Legitimation geben können Volk = die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, die als Lebens- und Schicksalsgemeinschaft der Herrschaftsgewalt des Staates unterworfen ist (2) Legitimation deutscher Staatsgewalt nur vom deutschen Volk > argumentum ad absurdum Seite 3 von 5

Zwischenergebnis: Art. 20 II 1 GG erklärt somit allein das Deutsche Volk zum Legitimationssubjekt. Angehörige anderer Staaten sind davon nicht erfasst. b) Das Volk i.s.d. Art. 28 I 2 GG Gleiches Verständnis wie in Art. 20 II 1 GG? (1) Art. 28 I GG: Homogenitätsgebot Nicht: Uniformität Ziel: Mindestmaß an Übereinstimmung Restriktive Auslegung (2) Nur deutsches Volk? Wortlaut Nur Volk, nicht deutsches Volk Entstehungsgeschichte Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts überwog die Regelungstradition, das Kommunalwahlrecht mit der Staatsangehörigkeit zu verknüpfen Auch in der Weimarer Verfassung war Staatsangehörigkeit Voraussetzung für das Kommunalwahlrecht Auffassung hat der Parlamentarische Rat als selbstverständlich übernommen, da eine Diskussion über den Volksbegriff in Rahmen von Art. 28 GG unterblieb Seite 4 von 5

Sinn und Zweck Art. 28 I GG: Homogenität der Landesverfassungen mit dem GG > Einheitlichkeit Systematik Art. 28 I 3 GG Umkehrschluss Zwischenergebnis: Somit beinhaltet auch im Rahmen des Art. 28 I 2 GG der Begriff Volk keine ausländischen Staatsangehörigen. Das SchlHGKWahlG verstößt folglich gegen Art. 28 II 1 GG i.v.m. Art. 28 I 2 GG und ist deshalb materiell verfassungswidrig. Endergebnis: Der Antrag der Bayerischen Staatsregierung ist zulässig und begründet und hat mithin Aussicht auf Erfolg. Seite 5 von 5