Ökonomische Rahmenbedingungen 3. Quartal 2016 Politische und wirtschaftliche Unsicherheiten durch den Brexit Highlights Der Brexit erhöht sowohl die politische als auch wirtschaftliche Unsicherheit. Die Gewinnentwicklung der Unternehmen wird sich u.e. aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen wieder verbessern. Highlights im 3. Quartal 2016: Geldpolitik, Wahlkampf in den USA, Ölpreisentwicklung. Aktien 31.12.2015 30.06.2016 in % DAX 10743,01 9680,09-9,9% Euro Stoxx 3267,52 2864,74-12,3% MSCI Welt in EUR 1530,27 1493,03-2,4% Anleihen (Zinsen) in Bp Bundesanleihen (10J) 0,63% -0,13% -76 US-Treasuries (10J) 2,27% 1,47% -80 Wechselkurse in % EUR/USD 1,09 1,11 2,2% EUR/CHF 1,09 1,08-0,4% Die Realität existiert nur in unseren Vorstellungen, und unsere Vorstellungen sind wechselhaft. Diese Aussage stammt vom englischen Dichter John Milton und hilft bei der Erklärung der rasanten Kursbewegungen in den ersten Monaten dieses Jahres. Vor dem britischen Referendum wogen sich die Investoren in Sicherheit. Der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union schien unwahrscheinlich bis unmöglich. Sogar am Wahltag deuteten die Umfragen auf einen Verbleib innerhalb der EU hin. Der nicht für möglich gehaltene Brexit hat nun die Kapitalmärkte auf den Kopf gestellt. Die europäischen Aktienmärkte verloren am 24. Juni schlagartig rund 10% und das Britische Pfund sackte ca. 8% im Vergleich zum Euro ab. Insgesamt halten sich aber die Verluste, bezogen auf den Jahresanfang, an den Börsen dank der gestiegenen Kurse im Vorfeld der Abstimmung in Grenzen. Die konjunkturellen Auswirkungen sind sowohl für die EU als auch für Großbritannien zurzeit nicht absehbar. Sicher ist, die wirtschaftliche und politische Unsicherheit in Europa ist gestiegen (vgl. Chart: Index der politischen Unsicherheit, Seite 2). Sollte sich Großbritannien auf Artikel 50 des Vertrags von Lissabon berufen, würde dies formell die im Vertrag vorgesehenen und auf zwei Jahre angelegten Austrittsverhandlungen einleiten. Möglicherweise könnte dieser Zeitraum sogar verlängert werden, wenn sich die Klärung aller relevanten Fragen innerhalb dieser Frist als schwierig erweist. Darüber hinaus wäre auch ein weiteres Referendum über die erzielten Verhandlungsergebnisse mit der EU denkbar. Unter dem Strich erwarten wir, dass die Verhandlungen mit Großbritannien auf die typische europäische Weise ablaufen: Ein Kompromiss, der wenig ändert, niemanden glücklich macht und Lösungen verschoben werden. Seit den Tiefstständen an den globalen Aktienmärkten von Mitte Februar hat sich aber auch einiges zum Positiven gewendet. Die deutliche Erholung der Öl- und Rohstoffpreise hat die Gefahr von deflationären Tendenzen in Europa wieder verringert. Die Sorgen vor einer sog. harten Landung in China sind geringer geworden, seitdem die Regierung und Zentralbank die Konjunktur ankurbeln und durch geldpolitische Maßnahmen die Währungsabflüsse wieder verringern. Die ökonomischen Daten aus China deuten eher auf eine Stabilisierung der Wirtschaft hin, als auf einen Crash. Die Entwicklung des chinesischen Aktienmarktes beeinflusst nun weniger den Verlauf der europäi- Quartalsbericht 3/2016 Seite 1
schen Börsen. Prominente Unternehmensausfälle (vor allem im Rohstoffsektor) haben sich nicht bewahrheitet. Der Rohstoffindex von Bloomberg ist seit dem Tiefststand in diesem Jahr ca. 22% gestiegen. Die Erholung ist vor allem auf die Konjunkturmaßnahmen der chinesischen Regierung, eine zurückhaltendende amerikanische Notenbank und einen vorübergehend schwächeren US-Dollar zurückzuführen. Unserer Ansicht nach ist dieser Anstieg sehr schnell geschehen und kann die hinfällige Verknappung des Rohstoffangebots damit verzögern. Die globale Ölproduktion übersteigt weiterhin die Nachfrage um 1-1,5 Mio. Barrel pro Tag. Nach wie vor steht der europäische Bankensektor unter Druck (vor allem in Italien). Die negativen Einlagezinssätze und niedrigen Staatsanleiherenditen beeinträchtigen die Gewinne der Banken erheblich. Ein gesunder Finanzsektor ist aus unserer Sicht aber außerordentlich wichtig für die Wirtschaft, da das Bankensystem die Verbindung zwischen Finanzressourcen und Realwirtschaft herstellt. Index der politischen Unsicherheit Welche Auswirkung hat der Brexit auf die Wirtschaft und Kapitalmärkte? Zwar rechneten nur wenige Investoren mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU, jedoch fürchteten sich alle vor einem sog. Schwarzen Schwan-Event. Der Schwarze Schwan ist ein Buch des Publizisten und Börsenhändlers Nassim Nicholas Taleb. Nach Taleb bezeichnet ein Schwarzer Schwan ein Ereignis, das selten und höchst unwahrscheinlich ist, aber dessen Auswirkungen besonders heftig sind. Unserer Meinung nach stellt der Brexit kein solches Ereignis dar. Die Marktreaktionen im Anschluss an das Referendum unterstützen diese These: Die europäischen Aktienmärkte haben teilweise ihre Verluste wieder aufgeholt, der britische Aktienindex notiert sogar höher als vor der Abstimmung (teilweise auch aufgrund des schwachen Britischen Pfundes) und der amerikanische Markt befindet sich sogar auf seinem Allzeithoch. Die genauen Auswirkungen des Austritts auf die Wirtschaft in Europa und Großbritannien sind im Wesentlichen von den Verhandlungen in den kommenden zwei Jahren abhängig. Allerdings ist der Brexit für die Wirtschaft in Großbritannien am schwierigsten zu bewältigen. Kurzfristig belastet die politische Unsicherheit die Konjunktur, langfristig wird Großbritannien vermutlich mit Handelsausfällen konfrontiert, Arbeitsplätze sind bedroht und ausländische Direktinvestitionen werden sich verringern. Der Brexit wird wahrscheinlich auch in den anderen Industriestaaten seine Spuren hinterlassen. Vor allem werden die großen Schwankungen auf der Währungsseite Schwierigkeiten verursachen. Der US-Dollar profitiert dabei als sicherer Hafen. Ein stärkerer US-Dollar könnte allerdings negative Auswirkungen auf Exporte und die Industrieproduktion haben. Darüber hinaus schadet eine Aufwertung dem Chinesischen Yuan und entfacht erneut die Abwertungsdiskussion. Auch der japanische Yen gilt zurzeit als sicherer Hafen und wertete auf. Nach dem Referendum durchbrach er sogar die historische Marke von 100 Yen pro US-Dollar. Diese Quartalsbericht 3/2016 Seite 2
Aufwertung wird Japan und vor allem der Notenbank (BoJ) nicht gefallen (vgl. Chart: Volatilität an den Währungsmärkten). Die BoJ wird weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen unternehmen, um den Yen wieder zu schwächen. Auch die amerikanische Zentralbank wird unseres Erachtens auf das Ergebnis des Referendums reagieren und von weiteren Zinserhöhungen (vorerst) absehen. Unserer Meinung nach erhöht sich damit die Gefahr eines (erneuten) Währungskrieges. Volatilität an den Währungsmärkten Neben den wirtschaftlichen Folgen für Großbritannien und die EU wird in den nächsten Jahren insbesondere die politische Landschaft unter besonderer Beobachtung stehen. In weiteren europäischen Ländern (z.b. Frankreich, Niederlande) gewinnen separatistische Parteien zunehmend an Einfluss, welche die Integrität der EU, oder schlimmer der Eurozone in Frage stellen. Diese Gemengelage führt somit zu weiterer Unsicherheit. Die Gewinnschätzungen befinden sich auf einem Tiefststand Im Vergleich zum Vorjahr brachen im 1. Quartal 2016 die Gewinne der im Euro Stoxx-Index notierten Unternehmen um fast 19% ein, die Umsätze gingen um ca. 7% zurück. Schließlich mussten die Analysten ihre Gewinnschätzungen erneut nach unten korrigieren. Bei dem gegenwärtigen Gewinnzyklus fällt auf, dass die Gewinne nur in den ersten Jahren nach der Finanzkrise 2009 kräftig gewachsen sind. Danach stagnierten sie. Die lange Durststrecke überrascht, denn das Umfeld für Unternehmen scheint nicht so schlecht: Die Verbraucher und Unternehmen profitieren vom (immer noch) niedrigen Ölpreis und Unternehmen können sich aufgrund der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank zu rekordtiefen Zinsen refinanzieren. Zwar fiel das globale Wachstum in den vergangenen Jahren enttäuschend aus, jedoch hat sich die europäische Konjunktur nun in diesem Jahr stabilisiert. Überwiegend haben Finanz- und Rohstoffunternehmen gelitten. Deren Gewichtungen sind aber im Euro Stoxx-Index bis zu vier Mal größer als der effektive wirtschaftliche Beitrag dieser Unternehmen. Analysen zeigen, dass die Gewinne in der Eurozone sogar gestiegen wären, wenn man die Sektorengewichtung gemäß der Wirtschaftsleistung anpassen würde. Kräftige Erholung der Rohstoffpreise Unserer Meinung nach sprechen vor allem folgende Faktoren für eine deutlich bessere Gewinnentwicklung der Unternehmen in den nächsten Monaten: Durch die kräftige Erholung vieler Rohstoffpreise hat sich das Umfeld für Energie- und Rohstoffunternehmen spürbar verbessert (vgl. Chart: Kräftige Er- Quartalsbericht 3/2016 Seite 3
holung der Rohstoffpreise, Seite 3). Davon profitieren auch die Schwellenländer, deren höhere Nachfrage sich auch positiv auf die europäische Konjunktur auswirken sollte. Die Einkaufsmanagerindizes bestätigen dieses Bild. Da sich die Gewinnerwartungen der Anleger und Analysten aktuell auf einem Tiefststand befinden, existiert positives Überraschungspotential, was sich auch auf die Entwicklung der Börsen niederschlagen kann. Allerdings können sich die mit dem Brexit verbundenen Unsicherheiten negativ auf die Gewinnentwicklung der europäischen sowie britischen Unternehmen auswirken. Genaue Effekte lassen sich aber erst nach den Austrittsverhandlungen erkennen. In den USA sieht das Bild ähnlich aus. Solide Konsumentendaten, eine weiterhin vorsichtige US-Notenbank und steigende Erträge im 2. Halbjahr sollten auch die Gewinnentwicklung in den USA unterstützen. Das Umfeld für Aktienanlagen bleibt intakt Viele Herausforderungen liegen in diesem Jahr noch vor uns. Wie zuvor beschrieben, führt vor allem der Austritt von Großbritannien aus der EU zu großen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Es ist nun Aufgabe der europäischen Politik eine neue Einheit zu schaffen und weitere politische Machtverschiebungen zugunsten der Euro- Skeptiker auch in anderen Ländern zu vermeiden. Das konjunkturelle Umfeld in den Industrienationen ist aber intakt. Insbesondere befindet sich auch die Wirtschaft in den USA wieder auf einem soliden Wachstumskurs. Im April wurden gemäß Daten des US- Handelsministeriums so viele neue Häuser verkauft wie zuletzt vor gut 24 Jahren. Im Vergleich zum Vormonat war die Zahl der Neubauverkäufe um 16,6% gestiegen. Experten hatten mit einem Plus von nur 2,4% gerechnet. Aufgrund des soliden Beschäftigungswachstums und Anzeichen für ein rasches Lohnwachstum verbessert sich die Lage am US-Arbeitsmarkt weiter. Dies beweisen auch die jüngsten Arbeitsmarktdaten, die besser als erwartet ausgefallen sind. Auch das Sorgenkind China kann wieder etwas aufatmen. Durch bereits angestoßene fiskalpolitische Reformen (z.b. Kostensenkungsmaßnahmen, Steuerreformen) stabilisiert sich das wirtschaftliche Umfeld. Darüber hinaus konnte auch die Geldpolitik in China zur Entspannung beitragen und die Devisenabflüsse bremsen. Wir halten Zinssenkungen, weitere Reduzierungen des Mindestreservesatzes und umfangreiche Liquiditätsspritzen für möglich. Die expansive Geldpolitik und die Fortführung der unkonventionellen Maßnahmen der Zentralbanken (insbesondere EZB und BoJ) halten die Zinsen weiter auf niedrigstem Niveau. Die Renditen von über 50% der ausstehenden Anleihen in der Eurozone notieren bereits im negativen Bereich. Seit Mitte Juni ist sogar die 10-jährige Bundesanleihe negativ. In Deutschland und Japan ist dies bei fast 80% der Anleihen der Fall. Auch wenn sich die ultralockere Geldpolitik in den letzten Jahren positiv auf die Kapitalmärkte ausgewirkt hat, ist die Wirksamkeit der Maßnahmen von nun an eher begrenzt. Das Universum der Anleihen, die Anleger mit einem maßvollen Risiko kaufen können hat sich in Europa drastisch verringert. Quartalsbericht 3/2016 Seite 4
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