Forschendes und selbstreflexives Lernen in der Hochschuldidaktik am Beispiel des Themenbereichs Umgang mit Komplexität als Kernkompetenz einer Bildung für nachhaltige Entwicklung Berlin, 02. Februar 2007 Dr. Maria Hallitzky
Überblick 1. Lehrerbildung und Nachhaltigkeit: - Umgang mit Komplexität lehren lernen - Kompetenzentwicklung in der Lehrerbildung 2. Anforderungen im Umgang mit Komplexität - Kognitionspsychologische Forschung - Gerechte-Welt-Forschung 3. Wie lehrt man den Umgang mit Komplexität? - (Selbst-)Reflexivität als Methode des Komplexitätslernens - Selbstreflexives und forschendes Lernen in der Hochschuldidaktik 4. Empirische Studie - Entwicklung und Qualität der Erhebungsinstrumente - erste Ergebnisse
Umgang mit Komplexität als Kernkompetenz nachhaltiger Bildung BLK-Programm 21 : Umweltbildung mit dem Ziel des Verstehens komplexer Situationen Dreieck der Nachhaltigkeit (nach de Haan in http://www.transfer-21.de) Ökonomie Soziales Aufgabe der Lehrerbildung: Umgang mit Komplexität lehren lernen Ökologie
Kompetenzentwicklung in der Lehrerbildung Weinert 1999: Kognitive Kompetenzen (Professionswissen) Kompetenzen im weiteren Sinne (Professionelle Handlungskompetenz) Fähigkeitskomplex: kognitive, metakognitive Fähigkeiten, motivationale Orientierungen, Überzeugungen und Wertorientierungen Ross 1995: Combining Skill Development with Teacher Belief Strategies
Anforderungen im Umgang mit Komplexität (Dörner 2003) Konfrontation mit unstrukturierten, unübersichtlichen Situationen unvollständigen oder widersprüchlichen Informationen/Hypothesen subjektiv schwierigen Aufgaben Kompetenzen des Strukturierens und Planens Ambiguitätstoleranz Selbstwirksamkeitserwartung
Soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Bildung Wertorientierungen weltweiter Solidarität (z. B. UNESCO-Generalkonferenz 1974, UNCED 1992) Konzeptionen nachhaltiger Bildung (z. B. de Haan/ Harenberg 1999, Scheunpflug/ Schröck 2002, Giesel/de Haan/Rode 2003 u. a.) Soziale Gerechtigkeit Ökonomie Ökologie Soziales
Gerechte-Welt-Glaube Gerechte-Welt-Hypothese (Lerner 1965): Menschen möchten grundsätzlich glauben, in einer gerechten Welt zu leben. Erfahrung von Ungerechtigkeit Versuche, Gerechtigkeit wieder herzustellen aktiv handelnd: z. B. durch Unterstützung Benachteiligter kognitiv: Leugnung oder kognitive Rechtfertigung, wenn die Beseitigung von Unrecht zu schwierig/komplex erscheint
Handlungsleitende Kognitionen im Umgang mit Komplexität Gerechte-Welt-Glaube Ambiguitätstoleranz Selbstwirksamkeitserwartung Kognitive Wiederherstellung von Gerechtigkeit beeinflusst - sozial verantwortliches Handeln (Hafer/Olson 1993) - auch im Hinblick auf anonyme Fremde (Dalbert 1982) Aushalten von Situationen der Unsicherheit, Widersprüchlichkeit, Neuheit beeinflusst - Handeln unter komplexen Instruktionsbedingungen (Stark, Gruber, Renkl & Mandl 1997, Dalbert 1999) Erwartung, zukünftige, schwierige Situationen erfolgreich zu bewältigen wirkt - aktivierend, komplexe Aufgaben anzupacken (Schwarzer/Jerusalem 2002) - korreliert positiv mit Zielerreichung und Ressourcennutzung (Locke/Latham 1990, Schmitz 1999)
Wie lehrt/lernt man den Umgang mit Komplexität? Umweltbildung: fächerübergreifende Reflexion ökologisch-politischer Zusammenhänge (Claußen 1997, Butterwegge 2002, Giesel/deHaan/Rode 2003) Komplexitätsforschung: Reflexion und Diskussion von Verhaltensweisen in spielerischen Kontexten (Dörner 2003) (Selbst-)Reflexivität Konstruktivistische Lerntheorien: Bewusstmachen vorhandenen Wissens und Inbeziehungsetzen mit neuen Informationen, z. B. Conceptual Change-Forschung (Duit 1996 und 2000, Watson/Kopnicec 1996, Labudde 2001) Lehrerbildungsforschung: Leitbild des reflective and thoughtful professional Fähigkeit zur Reflexion als notwendiger Bestandteil kompetenten Lehrerhandelns (Schön 1983, Lynch 1992, Terhart 2006)
Selbstreflexion in der Hochschuldidaktik an der eigenen Person im Handlungsfeld Schule Selbst-/Reflexives Lernen Forschendes Lernen im Handlungsfeld Schule an der eigenen Person
Empirische Untersuchung: Fragestellung Lassen sich Gerechte-Welt-Glaube, Einstellungen Ambiguitätstoleranz durch und im Bereich Ökologie forschendes Lerntagebücher, und (selbst-)reflexives Lernen Übungen zur Selbstreflexion, Methode Glasgow in die gewünschte Richtung verändern? Selbstwirksamkeitserwartungen Selbstwirksamkeitserwartung Seminare zu nachhaltiger Bildung: N = 120 Kontrollgruppen mit variiertem Treatment : N = 57 Kontrollgruppe ohne Treatment: N = 124
Anlage der Studie Selbstwirksamkeitserwartung Gerechte-Welt- Glaube Kontext: Migration Selbstwirksamkeitserwartung Gerechte-Welt- Glaube Ambiguitätstoleranz Forschendes und selbstreflexives Lernen Ambiguitätstoleranz Kontext: Ökologie vor dem Seminar (MZP 1) nach dem Seminar (MZP 2)
Die Erhebungsinstrumente Quantitativ (Fragebogenerhebung, 2 Messzeitpunkte): Gerechte-Welt-Glaube Ambiguitätstoleranz Selbstwirksamkeitsüberzeugung Qualitativ (Gruppendiskussion vor und nach dem Seminar): Hinweise auf Veränderungen handlungswirksamer Kognitionen und deren Ursache prozessbegleitend: Lerntagebücher, Arbeitsergebnisse
Die quantitativen Erhebungsinstrumente Skalenqualität (Rating-Skala 1 4) Erhobene Variablen im Kontext Umwelt Gerechte-Welt-Glaube (GWGumw) Ambiguitätstoleranz (AMBumw) Selbstwirksamkeitserwartung (SWEumw) Ich glaube, dass es auf der Welt insofern Gerechtigkeit gibt, als westliche Firmen durch den Import von Mineralien aus weniger entwickelten Ich finde die Frage, Ländern ob (z. der B. Abbau Tantalit von aus Tantalit dem Kongo) im afrikanischen diesen Regionen Regenwaldgebiet eine gerechte des Kongo Chance den Menschen eröffnen, eher sich schadet zu entwickeln. oder nutzt, so spannend, dass ich sie gerne mit Schülerinnen Ich finde die Frage, und Schülern ob der Abbau diskutieren von Tantalit möchte. im afrikanischen Regenwaldgebiet des Kongo den Menschen eher schadet oder nutzt, so spannend, dass ich sie gerne mit Schülerinnen und Schülern diskutieren möchte. Items Stichprobe Cronbachs α 6 N = 283.70 10 N = 286.74 7 N = 291.79
Erste Ergebnisse Mittelwertevergleiche GWG AT SWE MZP 1 MZP 2 MZP 1 MZP 2 MZP 1 MZP 2 4 4 4 3 3 3 2 2 2 1 VG KG I KG II 1 VG KG I KG II 1 VG KG I KG II N = 41 SoSe 06
Ergebnisse Mittelwerte GWG 4 3 2 MZP 1 MZP 2 1 VG PA 1 VG PA 2 VG MÜ KG I PA KG II Sch N = 41 SoSe 06 Veränderung in erwünschte Richtung Aber: nicht signifikant, Problem: Stichprobe (noch) zu klein
Ergebnisse Mittelwerte AT 4 3 MZP 1 2 MZP 2 1 VG PA 1 VG PA 2 VG MÜ KG I PA KG II Sch N = 41 SoSe 06 Nicht theoriekonforme Veränderung in VG München und KG II: Gruppenspezifikum - Stichprobenproblematik
Ergebnisse Mittelwerte SWE 4 3 MZP 1 2 MZP 2 1 VG PA 1 VG PA 2 VG MÜ KG I PA KG II Sch N = 41 SoSe 06 Theoriekonforme Veränderungen Ausnahme: VG München
Ergebnisse - Streuungsmaße SWE N = 41 SoSe 06
Wie stabil sind die erhobenen Merkmale? Selbstwirksamkeitserwartung Gerechte-Welt- Glaube.71 Gerechte-Welt- Glaube Ambiguitätstoleranz.56 Ambiguitätstoleranz.38 Selbstwirksamkeitserwartung vor dem Seminar (MZP 1) nach dem Seminar (MZP 2)
Ausblick Gerechte-Welt- Glaube Selbstwirksamkeitserwartung Gerechte-Welt- Glaube -.10 Ambiguitätstoleranz? Ambiguitätstoleranz.52 Selbstwirksamkeitserwartung vor dem Seminar (MZP 1) nach dem Seminar (MZP 2)
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Forschendes und selbstreflexives Lernen in der Hochschuldidaktik am Beispiel des Themenbereichs Umgang mit Komplexität als Kernkompetenz einer Bildung für nachhaltige Entwicklung Berlin, 02. Februar 2007 Dr. Maria Hallitzky