Chronische Herzinsuffizienz: Was hilft wirklich und was ist bestenfalls nutzlos? Gregor Simonis Symposium Herz und Gefäße Dresden, 18. November 2016
Patientenbeispiel: W. G., *1943 - Ischämische Kardiomyopathie (LVEF 20 %) [I25.5G] - Z.n. ICD-Implantation 01/2014 - Koronare 1-Gefäßerkrankung mit Z.n. Vorderwandinfarkt mit apikalem Aneurysma 12/2003 [I25.11G] - Z.n. PTCA der LAD mit Stentimplantation 12/2003 [Z95.5G] - Arterielle Hypertonie [I10.90G] - Diabetes mellitus [E11.90G] - Fortgesetzter Langzeit-Nikotinabusus [F17.1G] - Z.n. arterieller Embolie A. brachialis und A. radialis rechts - ACE-Stenose beidseits - Borreliose (ED 2010) - CSE-Hemmer-Unverträglichkeit [T88.7G] Bisherige kardiale Medikation: Bisoprolol 2,5 1-0-0, Valsartan 160 1-0-1/2, Amlodipin 10 0-0-1, Torasemid 10 1-0-0, Falithrom nach Plan Therapievorschlag zur kardialen Medikation: Ergänzend Spironolacton 25 1-0-0. Sonst weiter wie bisher. Nicht-kardiale Medikation: Metformin 500 0-0-1, Tamsulosin 0,4 1-0-0, Tilidin comp 50/4 0-0-1 b.b., Coenin 0-1-0, L-Carnitin 400 1-1-0, Taxofit 50 0-0-1, Magnesium 350 0-1-0, Omega 3 1-1-1, Coenzym 100 1-0-0, Keltican 1-0-0, Artischocke 600 0-0-1
Ist das gut für diesen Patienten?
Herzinsuffizienzpatienten nehmen im Schnitt 10 verschreibungspflichtige Tabletten pro Tag ein Zusätzlich unbekannte Zahl von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln, komplementärmedizinischen Substanzen Polypharmazie (>5 Medikamente/Tag) ist Standard Ursachen: leitliniengerechte Polypharmazie der Herzinsuffizienztherapie, multiple Begleiterkrankungen der älteren Bevölkerung (und viele Fachärzte ) Polypharmazie reduziert Compliance weniger Tabletten werden regelmäßiger eingenommen - weniger Substanzen reduzieren die Zahl der Dosierungsfehler - Weniger Substanzen reduzieren die Interaktionsgefahr Komplette Medikamentenanamnese inklusive eigenen Zukäufen extrem wichtig!
Zu bedenken: - Was kann ich weglassen, weil es bei (fortgeschrittener) Herzinsuffizienz nicht mehr im Vordergrund steht? - Was soll ich weglassen, weil es Herzinsuffizienz verschlechtert? - Worauf wird der Patient symptomatisch nicht verzichten wollen? - Was ist zur Prognoseverbesserung unbedingt sinnvoll?
Zu bedenken: - Was kann ich weglassen, weil es bei (fortgeschrittener) Herzinsuffizienz nicht mehr im Vordergrund steht? - Was soll ich weglassen, weil es Herzinsuffizienz verschlechtert? - Worauf wird der Patient symptomatisch nicht verzichten wollen? - Was ist zur Prognoseverbesserung unbedingt sinnvoll?
Statine bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz CORONA-Studie: NEJM 2007 5000 Patienten, NYHA II-IV, >60 Jahre, mittlere EF 30%, 2/3 KHK/stattgehabter Infarkt, 2/3 Hypertonie Randomisation: 10 mg Rosuvastatin vs. Placebo Endpunkt: Kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall Lancet 2008 4600 Patienten mit NYHA II-IV, alle Ätiologien (40% ischämisch), mittlere EF 33% Randomisiert in Rosuvastatin 10 mg vs. Placebo Endpunkt: Gesamtmortalität/kardiovas. Hosp. Statine bei eingeschränkter LV-Funktion (und stabiler koronarer Herzkrankheit) verzichtbar Wahrscheinlicher Grund: Patienten sterben, bevor sie den Statinnutzen erleben!
Zu bedenken: - Was kann ich weglassen, weil es bei (fortgeschrittener) Herzinsuffizienz nicht mehr im Vordergrund steht? - Was soll ich weglassen, weil es Herzinsuffizienz verschlechtert? - Worauf wird der Patient symptomatisch nicht verzichten wollen? - Was ist zur Prognoseverbesserung unbedingt sinnvoll?
Diabetesmedikation UKPDS Langzeitdaten: Metforminbasierte Therapie besser als sulfonylharnstoffbasierte Therapie Metaanalysen weisen auf höhere Mortalität unter Sulfonylharnstoffen hin bei sehr heterogenen Daten Einige neuere Substanzen mit kardiovaskulärer Überlegenheit in jeweils 1 Studie: Empaglifozin (Empa-Reg outcome), Liraglutid (Leader), Semaglutid (Sustain-6) Diabetesmedikation ist nicht egal. Zumindest Sulfonylharnstoffe sollten vermieden werden
Aktuelle Antidiabetika Standl, Schnell, McGuire: Heart failure considerations of antihyperglycemic medications for type 2 diabetes. Circ Res 2016, 118: 1830 Schröder, Kardiologie up2date 2016, 12: 224
Verapamil/Diltiazem Patienten mit normaler EF ohne Stauung scheinen zu profitieren. Herzinsuffiziente Patienten haben mehr Ereignisse mit Diltiazem
Alphablocker NEJM 1986 JAMA 2000 Alte Daten belegen, dass der Alphablocker schlechter ist als Diuretika oder Hydralazin+ ISDN
Zentrale Alpha ² -Sympathomimetika: Clonidin, Moxonidin bewirken Übersterblichkeit bei HFrEF 1934 Patienten mit NYHA II-IV und eingeschränkter EF Endpunkt: Überleben
ACE-Hemmer/AT1-Blocker-Kombination ACEI/ARB-Kombinationen zusätzlich zum MRA: Laut Leitlinie Herzinsuffizienz Empfehlung Klasse III- nicht tun Evidenzgrad C - Expertenmeinung In Ontarget kein Nutzen bei etwas mehr Nebenwirkungen Höhere Hyperkaliämiegefahr Parallel sehr gute Daten für ACEI+MRA daher bevorzugt Aliskiren Wenn MRA unverträglich, Kombi ACEI+ARB sinnvoll Aliskiren: Mehr Nebenwirkungen kein Zusatznutzen
NSAID/COX-2-Hemmer USA: ca. 100 Millionen Verschreibungen/Jahr Problem 1: klar nachgewiesener Zusammenhang zwischen NSAID und Herzinsuffizienz Problem 2: Unsere Patienten haben Schmerzen - Aufklärung zur Verhinderung unkritischer Selbstmedikation - Kurze Verschreibung, keine Dauertherapie - Falls möglich, non-nsaid-schmerztherapie
Zu bedenken: - Was kann ich weglassen, weil es bei (fortgeschrittener) Herzinsuffizienz nicht mehr im Vordergrund steht? - Was soll ich weglassen, weil es Herzinsuffizienz verschlechtert? - Worauf wird der Patient symptomatisch nicht verzichten wollen? - Was ist zur Prognoseverbesserung unbedingt sinnvoll?
Nahrungsergänzungsmittel Probleme: Wenig definiert wechselnde Zusammensetzung Teilweise hoher Salzgehalt - Demaskierung Hypertonie Mehr Tabletten evtl. weniger Compliance für echte Medikamente
Depression Multiple Interaktionen über CYP-450-System Pflanzlich ist nicht harmlos. Arzneimittel Telegramm 9/2001
Zu bedenken: - Was kann ich weglassen, weil es bei (fortgeschrittener) Herzinsuffizienz nicht mehr im Vordergrund steht? - Was soll ich weglassen, weil es Herzinsuffizienz verschlechtert? - Worauf wird der Patient symptomatisch nicht verzichten wollen? - Was ist zur Prognoseverbesserung unbedingt sinnvoll?
ACE-Hemmer bei HFrEF ACE-Hemmer, Betablocker, MRA Betablocker bei HFrEF RALES: Spironolacton bei HFrEF Insgesamt starke prognostische Daten für antineurohumorale Therapie
Paradigm-HF-Studie: Effektivität Weitere Reduktion des primären Endpunkts um 20%, der Sterblichkeit um 16% gegenüber Enalapril. 90% der Patienten hatten Betablocker, 60% Spironolacton
2-Jahres-Letalität (%) Progressive Reduktion der Letalität der HFrEF durch innovative antineurohumorale Therapie 40 35 30 25 20 15 10 5 0 VHEFT-I 1986 VHEFT-II 1991 CIBIS-II 1999 Ephesus 2003 COMPANION 2004 PARADIGM 2014 Modifiziert nach Mark Pfeffer, ESC 2005
Patientenbeispiel: W. G., *1943 Bisherige kardiale Medikation: Bisoprolol 2,5 1-0-0, Valsartan 160 1-0-1/2, Amlodipin 10 0-0-1, Torasemid 10 1-0-0, Falithrom nach Plan Therapievorschlag zur kardialen Medikation: Ergänzend Spironolacton 25 1-0-0. Sonst weiter wie bisher. Nicht-kardiale Medikation: Metformin 500 0-0-1, Tamsulosin 0,4 1-0-0, Tilidin comp 50/4 0-0-1 b.b., Coenin 0-1-0, L-Carnitin 400 1-1-0, Taxofit 50 0-0-1, Magnesium 350 0-1-0, Omega 3 1-1-1, Coenzym 100 1-0-0, Keltican 1-0-0, Artischocke 600 0-0-1 Von 21 auf 10 Tabletten Prognostisch: Wenn Herzinsuffizienz trotz Spironolacton persistiert, ggf. Umstellung auf LCZ696 im Intervall.
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