Nierentransplantation: Primäre Nicht-Funktion und verzögerte Transplantatfunktion Was muss der Intensivmediziner wissen?

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Transkript:

Nierentransplantation: Primäre Nicht-Funktion und verzögerte Transplantatfunktion Was muss der Intensivmediziner wissen? Isabelle.Binet@kssg.ch

Agenda Um was geht es? Was passiert? Was kann man tun? DBD donor in brain death DCD donor in cardiac death

Primäre Nichtfunktion = primary non-function Keine Dialyseunabhängigkeit nach Transplantation In DBD ca. 1.4%, in DCD ca. 5.1% Tubulusregeneration nicht mehr möglich Zu wenig funktionierende Nephronen übrig Schwere tubuläre Nekrose Fehlende Perfusion PNF Hyperakute Abstossung Auf Ebene Makro- oder Mikrogefässe Thrombose Hauptarterie Thromb. Mikroangiopathie Nicht bekannte Thrombophilie Art. Spasmus (Kinderniere) Sollte durch negatives Crossmatch nicht stattfinden ir unbekannter Hyperimmunisierung

Verzögerte Funktionsaufnahme = delayed graft function Dialysebedürftigkeit in der 1. post-tp Woche DBD ca. 40%, DCD ca.60%* Nach Lebendspende 5% Assoziation mit schlechteren Patienten und Transplantat-Überleben ua Durch Volumen-Management Durch erhöhtes Abstossungsrisiko Durch Verlust an Nephronen * Mit 17 anderen DGF Definitionen DBD: 24%-70%, DCD: 41%-91% Mallon et al. Transplantation 2013;96:885

Schwieriges Flushing bei Entnahme Kalte Ischämiezeit Transportzeit, freie OP Warme Ischämiezeit Schwierige Gefässsituation Hypotonie bei/nach Nierenreperfusion Keine Autoregulation Postischämische tubuläre Nekrose DGF Ischämie-Reperfusionsschaden Entzündung Adhärenzmolekülen HLA Expression auf Tubuluszellen Zielobjekt der Immunantwort Gefässanatomie Gefässdissektion Thrombophilie Throm bose Abstossung Spenderassoziierte Faktoren Hypotonie Herzstillstand Vorbestehende Nephropathie Acute kidney injury Perimortem Faktoren

Mallon et al. Transplantation 2013;96:885

Agenda Um was geht es? Was passiert? Was kann man tun?

Etiologies of ischemic injury in renal transplantation Shoskes and Halloran Journal of Urology 1996;155:1831

Verlust an hämodynamischer Regulation Autoregulation Tubulo-glomeruläres Feedback Neurohumorale Verlust an Schutz der GFR

Autoregulation der GFR

Tubulo-glomeruläres Feedback

In Ratten: persistierende sympathische Denervation 9 Mo. nach NierenTp Diskrete hiläre Re-Innervation Keine signifikante Erholung der Norepinephrine-Gewebekonzentration Grisk et al. Transplantation 2001;72:1153

Histopathologisches Korrelat 30 Minuten Ischämie vs Pseudointervention Histologie nach 72 Std a-b-e-f = Sham (Pseudo) c-g-d-h = nach Ischämie Liu M et al. Kidney Int. 2009;76:277

Histopathologisches Korrelat Lymphozyten in Ischämie-Reperfusion Gandolfo and Rabb, Kidney Int. 2007;71:1193

Histopathologisches Korrelat Peritubuläre Kapillaren in Ischämie- Reperfusion Sharfuddin & Molitoris Nature Reviews Nephrology 2011;7:189

Perico et al Lancet 2004;364:1814

Perico et al Lancet 2004;364:1814

Agenda Um was geht es? Was passiert? Was kann man tun?

Transplantation :«adding insult to injury» Organentnahme Warme Ischämie Immunsuppression Transplantation Immunund Toxizität- Schaden Chronisches Transplantat- Versagen Reperfusionsschaden Organ Präservation Kalte Ischämie Adaptiert von www.tolerochtech.com

Spendermanagement Patiententherapie vor dem Tod Hämodynamik Hormone Was kann man tun? Vor Transplantation Spenderwahl Tp-Team Entscheid ob Tp sinnvoll AKIN, Reanimation, Rhabdomyolyse, Arteriosklerose DCD oder DBD mit erweiterten Kriterien (inkl. Alter) Empfängermanagement Gefässe für Tp abklären Prä-Transplant Dialyse vermeiden

Spanien: >10% Spender haben eine AKI Mit AKI vs ohne: Längere Hypertonie APACHE höher Älter Häufiger Hypotonie- Episoden Gleiches Transplantatüberleben DGF häufiger, initial weniger Urinvolumen Rodrigo et al Nephrol Dial Transplant 2010;25:1531

Katecholamine bei Spender Spender-Prädiktoren für besseres Transplantatüberleben (signifikant in multivariabler Analyse) Dopamine HR 0.44 (0.22 to 0.84) Noradrenaline HR 0.30 (0.10 to 0.87) Low-dose Dopamine bei Spender reduziert die Dialysebedürftigkeit bei Empfänger *Schnuelle et al. Kidney Int 1999;56:738 and JAMA 2009;302:1067

Farney et al. J Am Coll Surg 2013;216:645

Perfusionslösungen Was kann man tun? Vor Transplantation Celsior und IGL1 gelten als die «besten» Lösungen Maschine Perfusion Vorteile für DCD und DBD mit erweiterten Kriterien

Effekt auf DGF (Pump vs cold storage) OR 0.64, 95% CI 0.43 0.95, p 0.03 Effekt auf 1. Jahr Transplantatüberleben: Bathini et al. J Urology 2013;189:2214

Moers et al. NEJM 2009;366:770

DCD Niere Reno-vaskuläre Resistenz bei Beginn der Maschinenperfusion signifikant und unabhängig assoziiert mit PNF: OR 2.040 95% CI 1.362 3.056; p = 0.001 DGF: OR 2.345 95% CI 1.110 4.955; p = 0.025 De Vries et al. Am J Transplantation 2011;11:2685

Was kann man tun? Bei der Transplantation Kürzere kalte Ischämiezeit Bei der Freigabe der Zirkulation Organreperfusion mit genügendem Perfusionsdruck Vermeiden von Hypotonie unmittelbar nach Reperfusion Nota Bene eine transplantierte Niere ist grundsätzlich denerviert und hat seine Autoregulation verloren

Quiroga et al. Nephrol Dial Transplant 2006;21:1689 514 Nierentransplantationen 1990-1999

Hämodynamik optimieren: Wie? HES Voluven Ringer Intravasale Volämie Albumin NaCl Soll «drin» bleiben Darf nicht toxisch sein Und/oder BD mittels Katecholamine heben?

Osmotische Nephrose

Hokema et al. Nephrol Dial Transplant 2011;26:3373

Volumenexpander und Effekt auf DGF Publikation Volumenexpander DGF Yarlagada et al. 6% HES 130/0.4 während und nach Transplantation Cittanova et al. 6% HES 200/0.5 + Gelatine zu den Spender vor Organentnahme Kein Effekt Mehr DGF als Gelatine allein Giral et al. >1.5L HES zu Spender Mehr DGF Deman et al. 6% HES 200/0.5 6% HES 450/0.7 zu Spender Hokema et al. >0.5L 6% HES 130/0.4 vs Kristalloid (NaCl oder RL) während und nach Transplantation (kein HES bei Organentnahme) Kein Effekt Kein Effekt Kein Effekt 31.5% vs 32.5% Hokema et al. Nephrol Dial Transplant 2011;26:3373

DBD Transplant Low-dose Albumin 0-0.4g/Kg KG High-dose Albumin 1.2-1.6g/Kg KG p Urin innert 30 Min In 75% der Patienten In 39% der Patienten Urinvolumen/24 Std 7.3L 3.7L Tag 7 Kreatinin 3.4 mg/dl 5.8 mg/dl < 0.0001 Tag 7 GFR 28ml/min 47ml/min <0.01 DGF 34% 12 PNF 9% 1% Alle Outcomes Lineare Relation mit Albumindosis Outcome durch perop. Albumingabe positiv beeinflusst 0.0027

Was kann man tun? Nach Transplantation Durchblutungscheck unmittelbar nach Tp Duplex Hypotonie vermeiden Insb. bei chron. Hypertoniker (verstärkter Ischämieschaden) Calcineurin Inhibitoren vermeiden (post-tp Frühphase) Glomeruläre Vasokonstriktion Tubuläre Toxizität (ähnlich wie akutem tubulären Schaden und osmotischer Nephrose) mit verzögerter tubulärer Erholung Akute Frühabstossung vermeiden Risikoreduktion durch Induktion mit polyklonalem antilymphozytären Präparat Biopsie Tag 7-10 zur Diagnose subklinischer Abstossung

Delayed Graft Function Reduzierte CNI ab Transplantation ist mit weniger DGF assoziiert (45 Studien) OR 0.89 [95% CI 0.80 0.98]; P 0.02 Verzögerte CNI Einführung Kein Effekt über Transplantatversagen oder Todzensurierte Transplantatversagen (10 Studien) OR 1.04 [95% CI 0.75 1.44], P 0.81 OR 1.01 [95% CI 0.70 1.44], P 0.97 Sharif et al. J Am Soc Nephrol 2011;22:2107

Epoxieicosatrienic acids EET schützen gegen Nierenschaden CYP2C8 ist eines der Enzyme die EET produzieren CNI Metabolismus ist mit Toxizität assoziiert Metabolismus erfolgt durch CYP3A4, CYP3A5 und ABCB1 CYP2C8*3 und DGF OR 2.02 [1.1-4.1] p 0.04 Varianten in 3 ABCB1 Loci und CNI Toxizität OR 2.38 [1.1-5.4] p 0.03

DGF: das Wichtigste zum Mitnehmen Translation von Interventionen bei Organen/ Patienten gegen Ischämie-Reperfusionsschaden Reduktion der kalten (und warmen) Ischämiezeit Maschinenperfusion für Nieren «at risk» Hämodynamik-Management bei Spender und Empfänger Anpassung der Immunosuppression bei der Induktion

Snoeijs et al JASN 2010;21:1015