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Transkript:

Teil I: Obersatz: M ist in seiner Eigentumsfreiheit verletzt, wenn ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG vorliegt, der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. I. Eröffnung des Schutzbereichs 1. persönlicher Schutzbereich - Jedermann-Grundrecht + 2. sachlicher Schutzbereich - Begriff des Eigentums gem. Art. 14 I GG: Eigentum = alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten durch die Rechtsordnung ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet sind - Umfang des Schutzes: Bestand und Nutzung, nicht Wert! (evtl. Abgrenzung zu Art. 12 GG!) - Hier: eigentumsbezogene Nutzung des Grundstücks II. Eingriff - unterschiedliche Kategorien von Beeinträchtigungen der Eigentumsfreiheit mit unterschiedlichen Anforderungen an Rechtfertigung: o Enteignungen gem. Art. 14 III GG o faktische Eingriffe o Inhalts- und Schrankenbestimmungen - seit Nassauskiesungsbeschluss des BVerfG: formale Abgrenzung erforderlich (=handlungs- und subjektbezogen, ex ante, NICHT folgenorientiert) Enteignung = vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen im Sinne des Art. 14 I 1 GG durch finalen Rechtsakt zur Erfüllung bestimmter Aufgaben Inhalts- und Schrankenbestimmung = jede abstraktgenerelle Festlegung der Rechte und Pflichten des Eigentümers

- Hier: NatSchVO = Inhalts- und Schrankenbestimmung und keine Administrativenteignung (da keine Verkürzung zu einem nudum ius und abstraktgenerelle Regelung) [Beachte: Ebenfalls kann diese Abgrenzung erst unter dem Prüfungspunkt Rechtfertigung erfolgen, da sich erst hier die Anforderungen je nach Einordnung als Enteignung bzw. Inhalts- und Schrankenbestimmung unterscheiden.] III. Rechtfertigung 1. Schranke - Einfacher Gesetzesvorbehalt - h.m.: auch materielle Gesetze - Hier: NatSchVO 2. Schranken-Schranken Gefundene Beschränkungsmöglichkeit kann den Eingriff nur dann rechtfertigen, wenn sie sich ihrerseits als verfassungsgemäß erweist a) Verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage Hier: 20 Abs. 2 Nr. 1, 23 BNatSchG i.v.m. Art. 12 Abs. 1 S. 1 BayNatSchG verfassungsgemäß + b) Formelle Rechtmäßigkeit Hier: + c) Materielle Rechtmäßigkeit aa) Einhaltung der Grenzen der Ermächtigungsgrundlage Hier: + bb) Verhältnismäßigkeitsprinzip - Legitimer Zweck Hier: Staatsziel Naturschutz gem. Art. 20a GG - Geeignetheit +

- Erforderlichkeit+ - Angemessenheit Abwägung kollidierender Rechtsgüter - Bei Art. 14 GG stets: Privatnützigkeit versus Sozialbindung des Eigentums - Mögliche Kriterien: o Situationsgebundenheit o Bedeutung des vermögenswerten Rechts für den Eigentümer o Knappheit des Gutes o Ausgleichsmaßnahmen o Härtefallklauseln/Übergangsregelungen cc) Institutsgarantie gem. Art. 14 I 1 GG - Keine Gefährdung der Privatrechtsordnung als solche dd) Wesensgehaltsgarantie gem. Art. 19 II GG IV. Ergebnis Die NatSchVO verletzt den M nicht in seiner Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG. Teil II/1: A. Entschädigungsanspruch aus Art. 14 III 2 GG - Hier: jedenfalls keine gesetzliche Regelung der Junktimklausel B. Entschädigungsanspruch aus ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmung - Hier: keine gesetzliche Ausgleichsregelung C. Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff

I. Herleitung - Gewohnheitsrechtlich anerkannt - Dogmatische Herleitung: o Vor Nassauskiesung: Art. 14 III GG argumentum a maiore ad minus o Heute: allgemeiner Aufopferungsgedanke der 74, 75 Einl. Allgemeines Landesrecht für die Preußischen Staaten in seiner richterrechtlichen Ausprägung II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 14 I GG + 2. Rechtswidrige hoheitliche Maßnahme - Hier: Duldungsanordnung als VA = hoheitliche Maßnahme - Formelle Rechtmäßigkeit: ZVS + - Materielle Rechtmäßigkeit: sicherheitsrechtliche Generalklausel + Verhältnismäßigkeit 3. [Unmittelbarkeit zwischen hoheitlicher Maßnahme und Eigentumsbeeinträchtigung +, wenn hoheitliche Maßnahme entweder ohne weitere Zwischenschritte oder typischerweise und vorhersehbar zur Eigentumsbeeinträchtigung führt und deshalb dem handelnden Hoheitsträger zugerechnet werden kann 4. Überschreitung der Sozialbindung a) Gemeinwohlbezogenheit b) Sonderopfer (durch materielle RM indiziert)

5. Vorrang des primären Rechtsschutzes Mitverschulden gem. 254 BGB analog, wenn Betroffener gegen die Eigentumsbeeinträchtigung hätte vorgehen können und ihm dies auch zumutbar gewesen wäre] D. Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff I. Herleitung - Gewohnheitsrechtlich anerkannt - Dogmatische Herleitung: o Heute: allgemeiner Aufopferungsgedanke der 74, 75 Einl. Allgemeines Landesrecht für die Preußischen Staaten in seiner richterrechtlichen Ausprägung II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 14 I GG s.o. 2. Beeinträchtigung durch atypische und unvorhergesehene Nebenfolgen einer rechtmäßigen hoheitlichen Maßnahme s.o., aber atypische und unvorhergesehene Nebenfolge 3. [Unmittelbarkeit s.o. 4. Überschreitung der Sozialbindung a) Gemeinwohlbezogenheit b) Sonderopfer - Bedarf in diesem Fall besonderer Begründung

- Überschreitung der Sozialbindung des Eigentums (Schweretheorie)?] Teil II/2: A. EA aufgrund Enteignung - Art. 14 III 4 GG: ordentlicher Rechtsweg B. EA aufgrund ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmung - 40 II 1 HS 2 VwGO: Verwaltungsrechtsweg C. EA aufgrund enteignungsgleichem Eingriff - 40 II 1 HS 1 VwGO: ordentlicher Rechtsweg D. EA aufgrund enteignendem Eingriff - 40 II 1 HS 1 VwGO: ordentlicher Rechtsweg