Schnittstellen in der Krebsversorgung

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3 Schnittstellen in der Krebsversorgung Tagungsband zum ersten interdisziplinären Kongress Quality of Cancer Care (QoCC) November 2013 in Berlin

4 Kongressvorsitz: Prof. Dr. Wolff Schmiegel Medizinische Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus Wissenschaftliche Leitung: Deutsche Krebsgesellschaft e.v. (DKG) Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) Gesellschaft der Epidemiologischen Krebsregister (GEKID) EUROpe against Cancer (Eurocourse) Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e.v. (BNHO) Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (WINHO) Netzwerk der Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS-Netzwerk) Impressum Herausgeber: Deutsche Krebsgesellschaft e. V. Kuno-Fischer-Straße Berlin Tel.: Fax: service@krebsgesellschaft.de V.i.S.d.P.: Dr. Johannes Bruns Redaktion: Dr. Katrin Mugele Umschlaggestaltung: werkraum-media, Weimar Druck: Juli 2014 Der Tagungsband ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Nachdruck, Vervielfältigung und Verbreitung (gleich welcher Art), auch von Teilen oder von Abbildungen, bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers.

5 Schnittstellen in der Krebsversorgung 3 Tagungsort Kalkscheune, Berlin, Loft

6 4 Tagungsband Inhaltsverzeichnis Schnittstellen in der Krebsversorgung Ein Vorwort 6 Prof. Dr. Wolff Schmiegel, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Einführung 8 Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Aus welcher Motivation werden klinische Studien durchgeführt? 10 Prof. Dr. Markus Löffler, Universität Leipzig Warum Studien für uns Patienten so wichtig sind 15 Jan Geißler, Riemerling Kennen wir die Studienlage? Darstellung am Beispiel der Leitlinie Zervixkarzinom 24 Prof. Dr. Peter Mallmann, Leiter des Gynäkologischen Krebszentrums der Uniklinik Köln Implementierung und Evaluierung von Leitlinien 30 Prof. Dr. Achim Wöckel, seit 1. Mai 2014 Klinikdirektor der Universitätsfrauenklinik Würzburg, ehemals geschäftsführender Oberarzt der Unifrauenklinik Ulm Ist Zertifizierung Qualitätssicherung? Bericht aus einem Zentrum 37 Prof. Dr. Hans Hoffmann, Thoraxklinik Heidelberg Studien im Alltag der zertifizierten Zentren 41 Prof. Dr. Thomas Seufferlein, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm Was brauchen Krebsregister von Leitlinien und Leistungserbringern? 49 Prof. Dr. Ferdinand Hofstädter, Direktor des Instituts für Pathologie der Universitätsklinik Regensburg Sind die Routinedaten eines KIS für die Erfassung der Daten der klinischen 55 Krebsregister nutzbar? Walter Voigt, Comprehensive Cancer Center Ulm, Universitätsklinikum Ulm Versorgungsforschung als Instrument der Darstellung von Versorgungsrealitäten 61 PD Dr. Monika Klinkhammer-Schalke, Geschäftsführender Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren; Berlin Versorgungsforschung mit flächendeckenden, bevölkerungsbezogenen Datenpools 65 Prof. Dr. Holger Pfaff, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Universität zu Köln Zusammenfassung vom Vortag 70 Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Ergebnisse des Workshops I: Studienergebnisse als Evidenzgrundlage für die 74 Leitlinienentwicklung? Vorgestellt von Prof. Dr. Markus Löffler, Universität Leipzig Ergebnisse des Workshops II: Qualitätsindikatoren aus Leitlinien als Grundlage für die 75 Zertifizierung an zertifizierten Zentren Vorgestellt von Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin

7 Schnittstellen in der Krebsversorgung 5 Ergebnisse des Workshops III: Registerdaten als Grundlage für die Entwicklung von 78 Studienprojekten der Versorgungsforschung in der Onkologie Vorgestellt von Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Ergebnisse des Workshops IV: Versorgungsrealität als Basis für Leitlinien: 80 Die Bedeutung von Versorgungsforschung und Registerdaten für die Entwicklung evidenzbasierter Leitlinien Vorgestellt von Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Schlusswort 82 Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin

8 6 Tagungsband Schnittstellen in der Krebsversorgung Ein Vorwort Prof. Dr. Wolff Schmiegel, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Liebe Leserinnen und Leser, gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Tumorzentren hat die Deutsche Krebsgesellschaft 2013 erstmalig zum Interdisziplinären Kongress Quality of Cancer Care (QoCC) eingeladen. Die Idee zu dieser neuartigen Veranstaltung entstand aus der Erfahrung, dass es häufig die Schnittstellen sind, an denen es in der Qualitätsentwicklung der Krebsversorgung zu Reibungsverlusten kommt. Anders als andere Veranstaltungen griff der QoCC-Kongress keine einzelnen Aspekte der onkologischen Versorgungsqualität auf. Vielmehr ging es um eine Zusammenschau aller wichtigen Themen von der onkologischen Leitlinie über die Zertifizierung und Dokumentation bis hin zu klinischen Studien sowie der Versorgungsforschung vor allem im Hinblick auf die drängenden Fragen an den Übergängen zwischen den einzelnen Bereichen. Das gewählte Format, eine Kombination aus interaktiven Workshops und einer Vortragsserie zum aktuellen Stand onkologischer Leitlinien, bot eine ausgezeichnete Plattform für einen konstruktiven Gedankenaustausch. Ich bin sicher, die Qualität der Krebsversorgung in Deutschland wird von einem solchen dauerhaft geführten Dialog profitieren. Mittlerweile sind wir auf dem Weg zu einer besseren Versorgungsqualität schon ein gutes Stück vorangekommen, davon zeugt die Entwicklung, die der Nationale Krebsplan in den letzten beiden Jahren genommen hat. Erst im Frühjahr 2013 wurde das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) verabschiedet. Es sieht unter anderem die flächendeckende Einrichtung klinischer Krebsregister vor; sie sind ein weiterer wichtiger Baustein zur Messung der Behandlungsergebnisse an Krebszentren sowohl an Organkrebszentren, Onkologischen Zentren als auch an Onkologischen Spitzenzentren. Darüber hinaus sollen populationsbasierte, organisierte Einladungsprogramme als wesentlicher Bestandteil der Früherkennung von Darm- und Gebärmutterhalskrebs eingeführt werden und die bisher opportunistische Teilnahme ablösen. Die QoCC-Konferenz 2013 war also der ideale Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme des Erreichten und einen Ausblick auf die Aufgaben, die im Rahmen des Nationalen Krebsplans noch vor uns liegen: Welche Herausforderungen birgt die angestrebte Vereinheitlichung der Tumordokumentation, welche Ansatzpunkte ergeben sich für die Versorgungsforschung, und wie können wir die Registerdaten künftig für die Leitlinienentwicklung und Zertifizierung nutzbar machen? Die bislang erreichte Qualität der Krebsversorgung wäre nicht denkbar ohne das Engagement von Fachexperten, Ärzten und Zentren, die der Überzeugung sind, dass Qualität in der Krebsversorgung ein Teil ihres Versorgungsauftrags ist. Doch die Finanzierung hoher Versorgungsqualität kann man

9 Schnittstellen in der Krebsversorgung 7 nicht allein den Zentren überlassen. Eine Fachgesellschaft wie die Deutsche Krebsgesellschaft sollte nicht nur offen zu sein für wissenschaftliche Diskussionen, sondern auch solche praktischen Hindernisse auf dem Weg zu einer besseren Krebsversorgung klar ansprechen. Ich freue ich mich deshalb, wenn dieser Tagungsband nicht nur genutzt wird, um die Ergebnisse des QoCC-Kongresses nachzuvollziehen, sondern auch Ansatzpunkte für die Entwicklung intelligenter Lösungsstrategien in der Krebsversorgung bietet. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre. Prof. Dr. Wolff Schmiegel Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft

10 8 Tagungsband Einführung Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Sehr geehrte Damen und Herren, Die Deutsche Krebsgesellschaft setzt seit Jahren auf ein Zertifizierungssystem, das Krebskranken in jeder Phase ihrer Erkrankung eine Behandlung ermöglicht, die sich an hohen Qualitätsmaßstäben orientiert. Die Basis dieses Systems bildet ein dreistufiges System von Zentren Netzwerke aus stationären und ambulanten Einrichtungen, in denen alle an der Behandlung eines Krebspatienten beteiligten Fachrichtungen eng zusammenarbeiten: Organkrebszentren sind auf jeweils eine Tumorart spezialisiert. Bei der Behandlung kooperieren die verschiedenen ambulant und stationär tätigen Fachdisziplinen eng miteinander. Auf der zweiten Stufe stehen die Onkologischen Zentren, die mehrere Tumorarten unter einem Dach behandeln und als zusätzliche regionale Anlaufstellen die Qualität der Versorgung verbessern. Die Onkologischen Spitzenzentren werden durch die Deutsche Krebshilfe gefördert. Ihr Schwerpunkt liegt neben der klinischen Betreuung der Patienten vor allem auf Forschung. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 870 Organkrebszentren und Onkologische Zentren, dazu kommen 12 Onkologische Spitzenzentren. Trotz unterschiedlicher Aufgabenspektren unterziehen sich alle Zentren dieses Systems freiwillig einer strengen Qualitätskontrolle nach einheitlichen Maßstäben. Das heißt, die Zentren müssen jährlich nachweisen, dass sie die fachlichen Anforderungen für die Behandlung einer Tumorerkrankung und bestimmte Qualitätsindikatoren erfüllen Leitlinien spielen bei der Festlegung dieser Indikatoren eine wichtige Rolle. Am Ende erhält jedes Zentrum einen individuellen Jahresbericht, der die eigenen Ergebnisse im Vergleich zu anderen zertifizierten Zentren darstellt. So können die Zentren ihre eigene Qualität stetig verbessern. Lohnt sich der Aufwand der Zertifizierung? Daten zeigen, dass Patienten von einer leitliniengetreuen Behandlung deutlich profitieren. Die Überprüfung der Anwendung der Leitlinieninhalte in Form eines Audits und das steuernde Korrigieren bei analysierten Defiziten gewährleistet eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Versorgungsqualität. Durch die Verfügbarkeit anonymisierter Benchmarking- Berichte im Internet kann sich zudem jeder Interessierte einen Überblick über die Versorgungssituation der Zentren verschaffen, das schafft Transparenz.

11 Schnittstellen in der Krebsversorgung 9 Wie lässt sich die onkologische Versorgungsqualität noch weiter verbessern? Essenziell ist der flächendeckende Aufbau klinischer Krebsregister, denn sie ermöglichen eine Überprüfung der Ergebnisqualität einer Behandlung über die Grenzen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung hinweg und entlang der gesamten Versorgungskette des Patienten. Zudem können Register Daten für viele Fragestellungen der Versorgungsforschung liefern. Deshalb freuen wir uns sehr, dass der flächendeckende Aufbau klinischer Krebsregister seit dem Frühjahr 2013 Gesetz ist. Betrachtet man die einzelnen Schritte, die zur Qualitätsverbesserung in der Krebsversorgung beitragen, so lassen sich fünf wesentliche Stationen unterscheiden: Klinische Studien Leitlinien Zertifizierung Dokumentation, zum Beispiel in klinischen Krebsregistern Versorgungsforschung Alle diese Aspekte nehmen aufeinander Bezug: Die Entwicklung qualitativ hochwertiger Leitlinien gelingt nur, wenn aussagekräftige Studien vorliegen. Die Zertifizierung wiederum stützt sich auf evidenzbasierte Leitlinien und leitet daraus Kriterien ab, mit der sich die Qualität der Krebsversorgung messen lässt. Für eine Überprüfung der Ergebnisqualität reicht das aber nicht aus, deshalb brauchen wir die klinischen Krebsregister. Mit ihrer Hilfe erhalten die Leistungserbringer eine Rückmeldung über das Ergebnis, das ihre Behandlung für den Patienten gebracht hat. Die Krebsregister liefern aber nicht nur Informationen über Verbesserungspotenziale in der Krebsversorgung, sie können auch für die Versorgungsforschung genutzt werden. Die Validierung der Ergebnisse klinischer Studien im Versorgungsalltag wiederum ist absolut notwendig, um zu überprüfen, ob die Resultate auch tatsächlich auf alle Patienten übertragbar sind, mit denen der Arzt im Versorgungsalltag umgeht. Durch die Verbindung zwischen der Versorgungsforschung und der klinischen Forschung schließt sich der Kreis. Der beschriebene Kreislauf zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten QoCC-Kongress. Denn nur wenn die Kommunikation zwischen diesen einzelnen Stationen reibungslos klappt, dann sind die Voraussetzungen für die Krebsversorgung optimal. Wie alle beschriebenen Schritte ineinandergreifen und welche Barrieren an den Schnittstellen entstehen können, das ist das Thema dieser Konferenz. Wir werden am ersten Tag die Schnittstellen in einzelnen Vorträgen beleuchten. Am zweiten Konferenztag haben die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen in Workshops zu diskutieren. Die Workshop-Ergebnisse wollen wir nutzen, um zukünftige Ansatzpunkte für Verbesserungen zu identifizieren. Deshalb freue ich mich, wenn Sie sich zahlreich daran beteiligen Ihr Input ist gefragt. Doch zunächst beginnen wir mit dem Thema Klinische Studien ; möchte ich Ihnen den ersten Vortrag dieses Tages ankündigen. Leider ist Frau Professor Loibl, die dafür vorgesehen war, verhindert, ihr Flug wurde nach Dresden umgeleitet und sie hat keine Chance mehr, rechtzeitig zum Vortragsbeginn in Berlin zu sein. Deshalb wird ihr Part von Professor Markus Löffler aus Leipzig übernommen.

12 10 Tagungsband Aus welcher Motivation werden klinische Studien durchgeführt? Prof. Dr. Markus Löffler, Universität Leipzig Sehr geehrte Damen und Herren, bevor ich mit dem eigentlichen Vortrag beginne, ganz kurz einige einführende Worte zu meiner Person: Ich habe Medizin und Physik studiert, bin Biometriker und leite in Leipzig unter anderem das Zentrum für klinische Studien. Dort führen wir die Datenauswertung vieler onkologischer Studien durch, zum Beispiel zum erblichen Brustkrebs, zum erblichen Kolonkarzinom, zu Hirntumoren, Lymphomen und etlichen anderen Krebsarten. Frau Professor Loibl, die ich hier vertrete, leitet ebenfalls zahlreiche klinische Studien, insbesondere im Bereich des Mammakarzinoms; sie arbeitet in einem professionell organisierten Studienzentrum im Rhein-Main-Gebiet, der German Breast Group Forschungs GmbH. Frau Loibl hat mehr als 30 Studien begleitet und aus dieser Erfahrung heraus mit ihren Partnerinnen und Partnern eine Umfrage durchgeführt, in der es um die wesentlichen Beweggründe für die Durchführung klinischer Studien geht. Ihre Umfrage zeigt, dass der Hauptbeweggrund für die Durchführung klinischer Studien in der Verbesserung von Therapieergebnissen liegt; dazu gehört auch die Untersuchung neuer Erkenntnisse, die zu einer Differenzierung der Therapie für bestimmte Stadien und Krankheitszustände führen. Dabei stellt sich die Frage nach dem Evidenzgrad der vorhandenen Studien. Vielen ist die Bewertung von Evidenzen nach dem Oxfordschema geläufig; der guten Ordnung halber sei das Prinzip hier kurz erläutert. Es handelt sich dabei um ein Ranking mit absteigender Ordnung, nach dem die Aussagekraft klinischer Studienergebnisse bewertet wird. Mit einem hohen Ranking werden systematische Reviews belegt, also Zusammenfassungen vieler randomisierter kontrollierter Studien, die alle einen gleichartigen Effekt nachweisen. In einem solchen Fall spricht man von einem Evidenzlevel Oxford 1A. Wenn es nur wenige solcher Studien gibt, die aber immerhin eine große Aussagekraft und kleine Konfidenzintervalle besitzen, dann spricht man vom Evidenzlevel 1B. Studien mit geringerer Aussagekraft, insbesondere solche, bei denen entweder nur Kohortendaten vorliegen oder die schlecht oder unzureichend randomisiert sind, besitzen den Evidenzgrad 2. Die nächste Ebene zur Beurteilung therapeutischer Ergebnisse bilden die Fallkontrollstudien. Das sind keine systematisch geplanten prospektiven Studien mehr, sondern nur noch retrospektive Blicke in die Fallregister. Aber auch damit kann man mitunter noch relevante Aussagen produzieren. Insgesamt gesehen bilden sie eine weniger valide Basis für Therapieempfehlungen. Die höchste Wertigkeit besitzen also prospektiv kontrollierte randomisierte Studien; prospektive Beobachtungsstudien, bei denen keine Randomisation, aber immerhin eine Vergleichsgruppe vorliegt,

13 Schnittstellen in der Krebsversorgung 11 werden bereits als weniger gewichtig angesehen. Aber nicht alle Fragestellungen kann man randomisiert prüfen. Wenn Sie zum Beispiel eine operative mit einer nicht operativen Vorgehensweise vergleichen wollen, wird eine Randomisierung schwierig. Allerdings hängt ein solcher Vergleich von den jeweiligen Gegebenheiten in einem Fachgebiet ab: In der Kardiologie konnte man sich lange Zeit nicht zu diese Art von Studien durchringen, bis man zuletzt doch Bypass-Operation gegen konservative Behandlungen randomisierte. Welche Empfehlung ist aus den Daten ziehen, die auf diese Weise bewertet wurden? Eine Empfehlung mit einem doppelten + besagt, dass die bewertete therapeutische Intervention hochgradig vorteilhaft für die Patienten ist und ohne Einschränkung empfohlen werden kann. Eine solche Aussage lässt wenig Zweifel aufkommen. Ein einfaches + bedeutet dagegen schon eine Abschwächung: Diese therapeutischen oder diagnostischen Interventionen sind von einem gewissen Vorteil für Patienten. Die restlichen Wertungen reichen von neutral ( ± ) über negativ ( ) bis hin zu Bewertungen mit einem doppelten, also den Strategien, die man nicht verfolgen sollte. Lassen Sie mich die typischen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer solchen Bewertung an einem Beispiel erörtern. In der molekularbiologischen Diagnostik des Mammakarzinoms wurde in den letzten Jahren ein großer Erkenntnisgewinn erzielt. Auf der Basis von Genexpressionsanalysen gelang die Unterteilung in verschiedene Untergruppen. So unterscheidet man fünf verschiedene Hauptgruppen des Mammakarzinoms: hormonrezeptorpositive Tumoren mit geringer bzw. höherer Aggressivität (genannt Luminal-A und Luminal-B), HER2-positive Tumoren (erbb2-phänotyp), und Hormonrezeptorbzw. HER2-negative Karzinome mit oder ohne Basalzelleigenschaften (basal-like und normal-like Phänotypen). Dazu kommt eine Unterteilung in Patienten, die nach der Operation eine sogenannte pcr, eine pathologisch komplette Remission, erreichen und solche, bei denen keine pcr nachgewiesen werden kann. Die pcr erwies sich als Surrogatmarker für ein langes Überleben und eine hohe Heilungsquote trotz primär schlechter Ausgangslage. Wir verstehen also mittlerweile die Heterogenität von Tumoren besser; doch hat dieser Erkenntnisgewinn bei bestimmten Patientengruppen auch einen Einfluss auf die bisher übliche Therapiestrategie? Dies ist umso interessanter, als mittlerweile eine Reihe neuer Therapeutika wie zum Beispiel die Wirkstoffe Trastuzumab, Lapatinib und Pertuzumab existieren, die auf das Her2neu-Target abzielen. In der Onkologie stellt sich häufig die Frage, wie sich solche zielgerichteten Therapien mit üblichen Chemotherapien kombinieren lassen. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Kombinationen, die es zu testen gilt. Inzwischen sind dazu auch einige Studien publiziert und nach dem Oxfordschema oder nach den Kriterien der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie klassifiziert. In der Realität führen diese Klassifizierungen nicht immer zu einheitlichen Empfehlungen: Die Wirksamkeit von Trastuzumab in Kombination mit einer Chemotherapie ist sehr gut belegt, erhielt also den Evidenzgrad 1B. Die AGO leitet in diesem Fall eine Empfehlung 2+ ab. Die Kombination mit Lapatinib mit einer Chemotherapie erhält ebenfalls den Evidenzgrad 1B, die AGO kann sich trotzdem einer Empfehlung nicht anschließen. Lassen Sie mich noch eine weitere Frage aufgreifen: Wenn neue Therapeutika ins Spiel kommen und klinische Studien durchgeführt werden, dann benötigt man üblicherweise fünf bis sechs Jahre Beobachtungszeit, um zu einer guten Abschätzung über das Risikoprofil des Wirkstoffs zu kommen; das gilt jedenfalls für das krankheitsfreie Überlebens als Studienendpunkt. Betrachtet man das Gesamtüberleben, dann muss man viele Jahre warten, um zu validen Daten zu gelangen. International gibt es daher viele Überlegungen dazu, wie man die Studiendauer verkürzen könnte. Gelänge es, die Informationen über einen pathologischen oder nicht-pathologischen complete response als eine

14 12 Tagungsband Frühinformation über den Vorteil eines Medikaments zu nutzen, dann könnte man Studien auf diesen Endpunkt hin ausrichten und damit die Zulassung eines Medikaments durch die FDA beschleunigen. Die FDA hat sich bereits entsprechend in einem Editorial positioniert: Sie, die FDA may grant accelerated approval on the basis of a surrogate endpoint that is reasonably likely to predict clinical benefit. Wohlgemerkt, es geht nicht um den tatsächlich erbrachten Beweis des klinischen Benefits, sondern um den wahrscheinlichen klinischen Nutzen. Für die neoadjuvanten Brustkrebstherapien wird zum Beispiel vorgeschlagen, die Rate der pathologisch kompletten Remission als solchen Surrogatendpunkt zu nutzen. Dadurch beschleunigt man zwar die Medikamentenzulassung, muss aber den Nutzenbeweis durch spätere Nachbeobachtungen absichern. Zusätzlich zu den erwähnten Zulassungsstudien für Medikamente gibt es eine Reihe weiterer Studien, die für die Krankenversorgung von Bedeutung sind. Neben den klinischen Prüfungen interventioneller Vorgehensweisen, bei denen die neuen Interventionen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe betrachtet werden, gibt es die sogenannten nicht-interventionellen Studien. Darunter versteht man nichtrandomisierte Beobachtungsstudien mit einem detaillierten Studienprotokoll. Anwendungsbeobachtungen gehören ebenfalls zu den nicht-interventionellen Strategien; an dieser Stelle würde ich aber nicht mehr von Studien sprechen: Eine Anwendungsbeobachtung steht außerhalb des Studienkontextes. Sie darf nicht mit einem allgemeinen Erkenntnisinteresse verbunden sein, sondern ist nur im Interesse des Patienten zu sehen. Darüber hinaus nutzen wir epidemiologische Studien zur Klärung der Frage, wie Krebsrisiken oder Probleme der Lebensqualität in großen Kohorten einzuschätzen sind. Studien aus der Grundlagenforschung befassen sich mit den molekulargenetischen Eigenschaften von Tumoren. Dazu kommt eine andere Art von Forschung, die in dieser Aufzählung nicht unerwähnt bleiben soll: die Durchführung systematischer Reviews, in denen alle Studienergebnisse jedwedes Evidenzgrades zusammengetragen und nach einem ganz bestimmten strukturierten Vorgehen bewertet werden. In der Regel sind es internationale Konsortien, die solche Reviews und Metaanalysen durchführen und dann zu einer speziellen Fragestellung eine spezielle Antwort liefern. Diese Antwort kann von Leitlinienkommissionen aufgegriffen und weiterbewertet werden. Wir alle wissen, dass die Durchführung von klinischen Studien eine vielschichtige und komplexe Angelegenheit ist. Es geht um Fragen des Studiendesigns, um die Durchführung vor Ort, um Fragen der Versicherungen und um ethische Aspekte. Bei der Studiendurchführung spielen Qualitätssicherungsaspekte eine große Rolle sie sind sogar in Verordnungen und Richtlinien streng geregelt. Studienordner wiegen inzwischen dreimal so viel wie noch vor 15 Jahren. Entsprechend hoch ist auch der Aufwand, den Ärzte auf sich nehmen müssen, wenn sie einen Patienten in eine Studie einbringen. Nach meiner persönlichen Einschätzung ist der zeitliche Aufwand von zwei Stunden auf inzwischen fünf Stunden gestiegen. Es geht dabei nicht nur um mehr Papier. Auch die Vermittlung und das Zusammentragung aller nötigen Informationen sind komplexer geworden. Surrogat-Endpunkte, so werden Sie vermutlich einwenden, gibt es außerhalb der Onkologie auch in anderen medizinischen Disziplinen. In der Diabetologie wird häufig der HBA1C-Wert als ein Marker für das Vorliegen von Diabetes genutzt. Das beweisende Verfahren wäre eigentlich ein oraler Glucosetoleranztest. Der aber ist aufwändig und lässt sich nicht so rasch durchführen. Andere Beispiele betreffen die Prävention des Kammerflimmerns nach einem Myokardinfarkt; hier kann man die Unterdrückung der ventrikulären Extrasystolen benutzen, um eine Vorhersage über die Mortalität bei einer Behandlung zu treffen. Das Beispiel wird in vielen Vorlesungen benutzt, um die Grenzen von

15 Schnittstellen in der Krebsversorgung 13 Surrogatmarkern aufzuzeigen. Man glaubte nämlich zunächst, mit einer bestimmten Betablocker- Behandlungsstrategie ließen sich die ventrikulären Extrasystolen beseitigen. Später stellte sich allerdings in einer besser gepowerten Studie heraus, dass trotz dieser Behandlung die Sterblichkeit der betreffenden Patienten erhöht war. Das Herz war nach dieser Behandlung zwar gesund, der Patient aber noch lange nicht. Fazit: Surrogat-Endpunkte funktionieren nicht immer perfekt; ihre Grenzen und Vorteile sollten in Studien geklärt und belegt sein. Das leitet über zum Thema der klinischen Studien. Frau Loibl erwähnt in ihrer Präsentation eine der allerersten klinischen Präventionsstudien aus dem Jahre Sie alle wissen, dass England durch die Seefahrt besonders wohlhabend wurde. Die englischen Seefahrer haben mehrere wegweisende Erfindungen bzw. Entdeckungen gemacht. Eine war eine hochpräzise Uhr, die den Atlantikfahrern die genaue Bestimmung des Breitengrades ermöglichte und damit die Genauigkeit der Navigation erheblich verbesserte. Die andere Entdeckung machte James Cook bereits 1760 auf einer seiner Reisen. Er fand heraus, dass seine Seeleute nicht an Skorbut erkrankten, wenn sie die heimischen Früchte verzehrten, die sie beim Landgang eingesammelt hatten. James Lind, ein schottischer Arzt und Pionier der Schiffshygiene, initiierte 35 Jahre später eine kleine Ministudie mit einem sechsarmigen Design. Für seinen Versuch teilte er zwölf Skorbut-kranke Matrosen in sechs Gruppen ein. Alle erhielten dieselbe Diät und die erste Gruppe außerdem einen knappen Liter Apfelwein täglich. Gruppe zwei nahm 25 Tropfen Schwefelsäure ein, Gruppe drei sechs Löffel voll Essig, Gruppe vier knapp ein Viertel Liter Seewasser, Gruppe fünf zwei Apfelsinen und eine Zitrone täglich und die letzte Gruppe eine Gewürzpaste sowie Gerstenwasser. Die Behandlung von Gruppe fünf musste abgebrochen werden, als nach sechs Tagen die Früchte ausgingen, aber zu diesem Zeitpunkt war einer der Matrosen bereits wieder dienstfähig und der andere beinahe erholt. Die Grundidee klinischer Studien besteht also darin, dass man aus einer großen Gruppe aller verfügbarer Patienten mit einer bestimmten Erkrankung eine Teilmenge zieht. Mitunter handelt es sich dabei um eine echte Stichprobe, sehr häufig haben wir es jedoch mit einer Auswahl zu tun, einer Selektion ohne Berücksichtigung älterer Menschen, ohne Personen, die körperlich nicht fit sind, und so weiter. Das heißt, es ist wichtig, zu verstehen, dass die Aussage der Studie sich nicht notwendigerweise auf die gesamte Population der Patienten übertragen lässt. Da gibt es eine Überdeckungslücke, sodass man auch bei vorliegender Evidenz immer wieder überlegen muss, ob die erhobenen Ergebnisse im Versorgungsalltag repräsentativ für die gesamte Zielpopulation sind. Das trifft häufig nicht zu. Und genau deshalb brauchen wir Versorgungsforschung. Darüber hinaus gibt es eine Reihe methodischer Aspekte klinische Studien können gut oder weniger gut konzipiert sein. Es gilt herauszufinden, ob die neue Therapie eindeutig besser ist als die derzeitige Standardtherapie, und wir sind zufrieden, wenn wir aus einer Studie klare Erkenntnisse gewinnen. Der Zufall kann einem aber einen Streich spielen, vor allem bei sehr geringen Fallzahlen. Bei Fehlern erster Art sieht es fälschlicherweise so aus, als ob die experimentelle Therapie überlegen sei, in Wirklichkeit ist sie jedoch unwirksam. Oder aber die experimentelle Therapie ist wirklich wirksam, aber die Ergebnisse der Studie decken diesen Vorteil nicht auf. Deswegen ist es wichtig, die Wertigkeit von klinischen Studien und ihre Aussagekraft in die Bewertung für Empfehlungen einzufügen. Das passiert in der Evidenzbewertung, später noch einmal bei einem systematischen Review und zu guter Letzt, wenn Leitlinienkommissionen zusammentreten und ihre Empfehlungen ableiten. Frau Loibl hat aus den Rückmeldungen ihrer Kolleginnen und Kollegen noch ein weiteres wichtiges Anliegen mitgenommen: Die Durchführung klinischer Studien in den Versorgungseinrichtungen, in den Praxen und Kliniken, wird immer mühsamer. Das betrifft das Einbringen von Patienten in klinische

16 14 Tagungsband Studien. Darüber hinaus wird es zunehmend schwieriger, das entsprechende Assistenzpersonal, die Studienassistenten zu finanzieren. Viele Hürden, zum Beispiel die Beantwortung von Rückfragen aus den Studienzentralen, sind kaum noch zu bewältigen. Der Berufsstand der Studienassistenten ist nicht sehr attraktiv. Frau Professor Loibl sieht darin eine Gefahr einer Erosion der Studienlandschaft. Ich kann das aus meiner Studienerfahrung durchaus bestätigen. Das hat aus meiner Sicht damit zu tun, dass die verfügbaren Ressourcen im Gesundheitssystem schrumpfen. Auf fast allen Ebenen arbeiten die Mitarbeiter am Limit, die zum Teil niedrigen Fallpauschalen reichen zur Finanzierung vor allem von Investigator-iniated Studies oft nicht aus. Das bringt mich zu einem letzten Punkt: Industriefinanzierte Studien und solche, die unabhängig finanziert werden, weisen Parallelitäten auf. Aber sie haben auch einen ganz klaren Unterschied. Bei den Studien der Industrie besteht ein kommerzielles Interesse an dem zu untersuchenden Produkt, das bei den unabhängigen Studien fehlt. Frau Loibl nennt ein Beispiel, das ihr am Herzen liegt: Bei HER2- positiven Patientinnen mit einer pathologisch kompletten Remission stellt sich die Frage, ob diese Patientinnen noch weiter HER2-Inhibitoren nehmen müssen oder vielleicht komplett darauf verzichten können. Die Beantwortung dieser Fragestellung liegt offensichtlich im Interesse der Patientinnen, weniger im Interesse eines pharmazeutischen Unternehmens, das sein Produkt weiter verkaufen möchte. Für solche Studien wird eine öffentliche Förderung gebraucht. Damit komme ich zum Ende und bedanke mich im Namen von Frau Loibl für Ihre Aufmerksamkeit. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit schlage ich vor, dass wir gleich mit dem nächsten Sprecher fortfahren. Herrn Geißler ist als Patientenvertreter in einem europäischen Konsortium tätig, um Patienteninteressen zu vertreten und Patienten mehr mit dem Thema Studien vertraut zu machen. Er ist selbst auch Betroffener, aber das hat ihn nicht gehindert, sich schon seit vielen Jahren engagiert einzusetzen. Wir sind sehr gespannt auf Ihren Vortrag, Herr Geißler.

17 Schnittstellen in der Krebsversorgung 15 Warum Studien für uns Patienten so wichtig sind Jan Geißler, Riemerling Sehr geehrte Damen und Herren, herzlichen Dank für diese Einladung und für die freundliche Begrüßung. Dass Patienten in dieser Sitzung die Möglichkeit haben, ihre Sichtweise zu erläutern, ist fantastisch. Ich selbst bin seit zwölf Jahren Leukämiepatient. Ich hatte damals das Glück, dass ich gut Englisch sprach und über eine Dame in Singapur, die Patientenzusammenfassungen aller relevanten englischsprachigen Publikationen zu meiner Erkrankung in einem Yahoo-Forum gepostet hatte, den Weg in eine Studie fand, die ungefähr 400 Kilometer entfernt von meinem Wohnort stattfand. Es handelte sich um eine kombinierte Phase I / Phase II-Studie mit 25 Patienten. Das ist möglicherweise der Grund, warum ich heute hier stehe. Ich habe viel Glück gehabt. Meine Erfahrungen mit der Krankheit gehen aber noch weiter, weil in meiner näheren Verwandtschaft in den letzten Jahren drei weitere Krebsfälle auftraten. Damit entspricht meine Familie durchaus dem statistischen Durchschnitt: Jeder dritte Deutsche erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs. Ich selbst habe keinen medizinischen Hintergrund, aber das Thema Krebs und klinische Studien lässt mich seit meiner Erkrankung nicht mehr los; deshalb befasse ich mich zunächst ehrenamtlich damit, seit 2008 vollberuflich. Warum sollten sich Patienten an der Forschung beteiligen, sich damit auseinandersetzen und sie verstehen? Die Berichterstattung in den Medien schwankt meist zwischen zwei verschiedenen Extremen hin und her: Auf der einen Seite werden hohe Erwartungen an eine neue Wundermedizin formuliert, auf der anderen Seite steht der Argwohn, in klinischen Studien würden Menschen als Versuchskaninchen benutzt. Lassen Sie mich kurz auf diese Diskrepanz eingehen prägte das Time Magazine in einer seiner Ausgaben den Begriff von der Zaubermunition im Krieg gegen Krebs. Dabei gibt es bisher sehr wenig von dieser Zaubermunition. Ich selbst hatte Glück, dass ich eine Erkrankung bekam, bei der die Behandlung im Rahmen der Studie sehr gut funktioniert hat. Aber solche Erfolgsgeschichten sind für die meisten der etwa 230 verschiedenen Krebsarten nicht so häufig. Ich selbst habe als Patientenvertreter an einem EU-Projekt teilgenommen, in dem wir die Daten aus 88 Krebsregistern aus ganz Europa zusammengetragen haben, um Krebsinzidenzen und -prävalenzen herauszufinden. Von diesen etwa 230 Krebsarten sind 200 definitionsgemäß selten. Aber sie machen immerhin 25 Prozent aller Neuerkrankungen aus. Wir reden also über eine lange Reihe von Leukämiebzw. Krebserkrankungen, wobei meist nur über die häufigen gesprochen wird. Betrachtet man die die Unterschiede zwischen den häufigen und den seltenen Krebserkrankungen genauer, dann stellt man fest, dass im jungen Alter die Überlebensraten relativ nah beieinander liegen. Aber je älter die Patienten werden, desto stärker treten die Überlebensunterschiede zwischen häufigen und seltenen Tumoren zu Tage. Natürlich sind klinische Studien häufig auf eine bestimmte Population von Patienten

18 16 Tagungsband optimiert, das gilt vor allem für die Zulassungsstudien. Sobald jedoch Komorbiditäten oder gar Komedikationen ins Spiel kommen, sieht die Situation oft ganz anders aus. Deswegen habe ich mich auf europäischer Ebene sehr stark dafür eingesetzt, die EU-Studiengesetzgebung neu zu gestalten, weil wir insgesamt mehr Forschung brauchen, und um auch speziell den Fortschritt für Patienten mit seltenen Krebserkrankungen zu unterstützen. Aber gehen wir noch einen Schritt zurück und stellen die Frage: Was interessiert einen Patienten mit der Erstdiagnose Krebs oder mit einem Rückfall? Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass es in dieser Situation für den Patienten keinen Unterschied macht, ob gute oder schlechte Therapien existieren: Er hat Krebs; das ist schlimm genug. Der Patient, der wie ich im Alter von 28 Jahren mit Krebs konfrontiert wird, hat sich noch nie mit dieser Erkrankung auseinandergesetzt, befindet sich mitten auf einer emotionalen Achterbahnfahrt und soll in dieser Situation rational entscheiden, wie es mit ihm weitergeht. Das heißt, er hat einen dramatischen Informationsbedarf. Es geht um elementare Fragen: Was habe ich überhaupt für eine Erkrankung und wie finde ich einen erfahrenen Arzt, der sich damit auskennt? Sobald ein seltener Krebs vorliegt, ist das kein triviales Problem. Entscheide ich mich für eine Behandlung, wenn ja, für welche; kann ich mit anderen Patienten in einer ähnlichen Situation sprechen? Gibt es entsprechende Studien, für die ich in Frage komme, soll ich dort teilnehmen? Das Thema Therapietreue ist mit zunehmender Dauer der Therapie ein Riesenproblem. Auch das Thema Komplementärmedizin wird oft im ärztlichen Alltag ausgeblendet: Obwohl zwei Drittel aller Krebspatienten komplementäre Medizin einnehmen, sprechen sie mit ihrem Arzt größtenteils nicht darüber. In Deutschland nehmen derzeit nur ungefähr sechs Prozent der Patienten an Krebsstudien teil. International variiert dieser Prozentsatz. Das mag unter anderem damit zusammenhängen, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung klinischer Forschung insgesamt viel öffentliches Misstrauen gibt. Ich habe im meinem Umfeld oft erlebt, dass Freunde oder Verwandte bei der Erwähnung der Teilnahme an einer klinischen Studie oft die provozierende Frage stellten, ob man denn wirklich Versuchskaninchen sein wolle. Da ist es nicht hilfreich, wenn auch die seriöse Publikumspresse wie zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung am einen Artikel mit dem Titel Versuche am Menschen veröffentlicht und darin ausführt, dass Tiere nach dem neuen Vorschlag der EU-Regulierung besser durch die Gesetzgebung geschützt seien als der Patient. Hier noch ein zweites Beispiel: Das englische Pendant zur Bildzeitung, die Sun, schrieb über die Komplikationen im Zusammenhang mit der sehr bedauerlichen Studie zum TeGenero-Antikörper reißerisch: Wir haben gesehen, wie Versuchskaninchen explodiert sind. Solche Aussagen setzen sich im öffentlichen Bewusstsein fest und sorgen für Misstrauen gegenüber der Forschung insgesamt, besonders dann, wenn eine forschungsfeindliche Grundstimmung existiert. Forschung ist international vernetzt, sodass viele Studien zunächst in den USA starten, um dann später auch in anderen Ländern durchgeführt zu werden. In einer forschungsfeindlichen Atmosphäre erhalten manche Patienten, die auf Studien in Europa angewiesen sind, weil keine vernünftigen zugelassenen Therapien für ihre Erkrankung existieren, möglicherweise gar nicht erst den Zugang dazu. Warum nehmen so wenig Patienten an Studien teil? Die Erkenntnisse darüber sind wissenschaftlich gut dokumentiert; ich erzähle also keine Hypothesen. Zunächst geht es um die Unsicherheit, die sich ergibt, wenn man sich auf einen experimentellen Ansatz anstelle einer erprobten Therapie einlässt. Es besteht ein Informations- und Wissensmangel. Dazu kommt, dass Studien massiv unter mangelnder Transparenz leiden. Es ist ganz schwierig, Informationen über Studien zu finden, Patienteninformationen

19 Schnittstellen in der Krebsversorgung 17 und die Patienteneinwilligung stehen fast nie zum Download verfügbar. Das verstärkt die Verunsicherung. Abb. 1: Was Patienten von der Teilnahme an klinischen Studien abhält. Außerdem müssen Patienten die Systematik einer Studie verstehen, die Gründe für ihre Durchführung und die Vorteile und Nachteile, die eine Teilnahme bringt. Ich erinnere mich gut an die Diskussion mit meinem Vater und seine Bedenken gegenüber der Zufälligkeit bei der Randomisierung; er argumentierte: Was bringt es mir persönlich, wenn ich in den Placebo-Arm aufgenommen werde? Ein wiederkehrendes Thema ist auch die Auswirkung auf die Lebensqualität, wenn sich Patienten häufiger im Studienzentrum untersuchen lassen müssen. Ich selbst hatte insgesamt ungefähr zwölf Knochenmarkbiopsien. Im Rahmen der Diskussion eines Protokolls einer geplanten Studie habe ich intensiv mit Forschern diskutiert, ob denn diese Untersuchung in jedem Fall einen Erkenntnisgewinn bringt und daher erforderlich ist. Die Frage, wie viel Diagnostik denn wirklich sein muss, wird häufig diskutiert. Dazu kommt, dass der Zeitpunkt der Aufnahme in eine Studie auch zur Lebensplanung des Patienten passen muss. Meine Erkrankung tritt üblicherweise erst im Alter von 65 Jahren auf. Die ersten drei Ärzte, mit denen ich sprach, hatten folglich das Thema Familienplanung gar nicht auf dem Schirm. Glücklicherweise sprach mich der vierte Arzt darauf an. Er konfrontierte mich erstmals mit dem Gedanken, dass eine experimentelle Therapie bedeutet, zunächst keine Kinder bekommen zu können. Heute bin ich Vater zweier Kinder. Dazu kommt die Frage, ob es sich ein Patient überhaupt leisten kann, an einer Studie teilzunehmen: Kann ich weiter arbeiten, kann ich weiter meine Familie ernähren, wenn ich mehr Zeit in der Klinik verbringen muss? Werden meine Fahrtkosten erstattet? All das bewegt die Patienten.

20 18 Tagungsband Dazu kommt, dass klinische Studien sehr stark reguliert sind, was uns schützt und sehr wichtig ist. Die EU-Richtline zu klinischen Studien wurde 2001 zu unserem Schutz eingeführt, aber leider, ohne uns Patienten daran zu beteiligen. Deswegen habe ich mich seit 2006 intensiv mit der europäischen Clinical Trials Directive auseinandergesetzt, um die schwierige Balance zwischen Nutzen, Risiko, Schutz und Bürokratie zu diskutieren. Die sicherste Studie ist immer diejenige, die nicht stattfindet, aber für die meisten Krebspatienten ist es noch viel gefährlicher, wenn gar keine Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Deshalb müssen wir Patienten in eine Risiko-Nutzen-Abwägung einbezogen werden. Sehr oft bestehen Unterschiede zwischen der Nutzenauffassung des Arztes, der entsprechenden Aufsichtsgremien und der Patienten bzw. seiner Angehörigen. Wenn wir mit Patienten über potenzielle Vor- und Nachteile einer Studienteilnahme reden, dann machen wir oft die Erfahrung, dass sie diesen Punkt nach entsprechender Aufklärung sehr gut verstehen. Gerade bei Krebserkrankungen werden manche Patienten von der altruistischen Überlegung getrieben, dass sie zukünftigen Patienten auf diese Weise helfen können. Die Rate der Zustimmung zur Bereitstellung des eigenen Gewebes für die Forschung variiert deshalb auch sehr stark, je nachdem, wie gut Patienten darüber aufgeklärt werden, was mit Ihrem Gewebe geschieht und warum ihre Zustimmung vorteilhaft wäre. Bestimmte Tumorbanken in Deutschland erreichen mittlerweile Zustimmungsraten von 98,7 Prozent. Oftmals wird die Studienteilnahme auch als letztes Mittel nach einem Fortschreiten der Erkrankung gesehen. Insgesamt muss aber sehr viel stärker als bisher kommuniziert werden, dass Patienten zum Beispiel in einer akademischen Beobachtungsstudie eine bessere Verlaufskontrolle bekommen, das heißt also, häufigere Untersuchungen, die man so vielleicht in der Regelversorgung nicht machen würde, und zwar von einem Team, das auf dem neuesten Forschungsstand ist. Auch dazu existieren interessante Daten, zum Beispiel aus einer Untersuchung der Arbeitsgruppe Gynäkologische Onkologie zum frühen Ovarialkarzinom. Dort hat man überprüft, wie viele Patienten eine leitliniengerechte Therapie erhalten. Man fand heraus, dass die Wahrscheinlichkeit, eine optimale Standardversorgung zu erhalten, in einem Studienzentrum sehr viel höher ist ob man an einer Studie teilnimmt oder nicht. Das heißt also, eine Steigerung der Teilnahmeraten an klinischen Studien setzt voraus, dass sich die Patienten in der Studie gut aufgehoben fühlen; außerdem bedarf es einer guten Kommunikation, bei der der Patient im Fokus steht. Der Patientenfokus ist derzeit als Thema sehr modern und wird durch das Patientenrechtegesetz stark betont. Auch sprechen viele davon, Patienten doch an der Forschung zu beteiligen. Doch eine Patientenbeteiligung zu einem frühen Zeitpunkt, wenn das Studiendesign festgelegt wird, ist heute außer bei HIV und seltenen Erkrankungen eher die Ausnahme als die Regel. Deshalb müssen wir über dieses Thema diskutieren. Besonders bei den seltenen Erkrankungen haben Patienten eine lange Odyssee hinter sich, bis sie überhaupt wissen, an welcher Erkrankung sie leiden und bis sie dann die richtige Therapie erhalten. Der Zugang zur richtigen Information, zum Experten, der sich mit einer bestimmten Erkrankung auskennt, ist essenziell für sie. Das ist umso wichtiger, da die Onkologie immer komplexer wird und die Krebserkrankungen immer weiter in Untererkrankungen fragmentieren. Wir reden nicht mehr über die Leukämie oder den Brustkrebs, sondern über ganz viele Untertypen. Um in diesen Feldern auf dem Laufenden zu bleiben, muss ein Arzt viel Zeit aufwenden. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit Expertenzentren und zwischen niedergelassenen Ärzten und der Klinik extrem wichtig. Einen qualitativ hochwertigen PCR-Test im Leukämiebereich sollte zum Beispiel idealerweise nur ein Labor machen, das darauf spezialisiert ist. Darüber hinaus brauchen wir Langzeitdaten. Allein bei der chronischen myeloischen Leukämie gab es in letzter Zeit einige Fälle, in

21 Schnittstellen in der Krebsversorgung 19 denen sich die Nebenwirkungen, die das Herz oder die Thrombose-Bildung betrafen, erst nach ein bis zwei Jahren manifestierten. Das Thema Transparenz liegt mir besonders am Herzen. Deutschland ist in diesem Bereich leider kein Vorreiter. Forschung nützt nur, wenn die Studienergebnisse auch tatsächlich beim Patienten ankommen. Sehr oft höre ich von Patienten: Hätte ich nur von dieser Studie gewusst oder sie verstanden, dann hätte ich vielleicht auch teilgenommen. Viele Patienten werden über die Existenz von Studien gar nicht aufgeklärt. Das mag unter anderem auch daran liegen, dass bei einer durchschnittlichen Dauer eines Arzt-Patientengesprächs von 9,1 Minuten schlichtweg keine Zeit für Aufklärung bleibt. In diesem Zeitraum über Untersuchungsergebnisse, den Stand der Therapie, die psychologischen Faktoren und über klinische Studien aufzuklären, ist ganz, ganz schwierig. Häufig landen die Patienten bei uns in der Selbsthilfe, weil sie etwas gehört, aber nicht verstanden haben. In diesem Umfeld fungieren wir sehr oft als Lotsen ich zum Beispiel betreibe die Webplattform Wir haben dort eine eigene Studiendatenbank für die chronische myeloische Leukämie eröffnet, weil wir gemerkt haben, dass die Informationen und auch Patienteninformationen zu Studien in dieser Erkrankung nirgendwo zentral zusammengeführt, sondern im Internet über verschiedene Datenbanken und Webseiten verstreut sind. Wir wollen mit unserem inoffiziellen Studienregister für die Betroffenen die wichtigen Fakten zu einer Studie bereitstellen und ihnen mitteilen, welche Zentren sie durchführen. Abb. 2: Die Rolle von Patientenorganisationen bei klinischen Studien. Wenn jemand an einer Studie teilnimmt, möchte er auch das Ergebnis wissen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass 90 Prozent der Probanden daran interessiert sind, die Ergebnisse ihrer Studie

22 20 Tagungsband zu erfahren. 93 Prozent werden aber weder vom Studienarzt noch vom Sponsor über das Ergebnis informiert. Als Grund für diese Diskrepanz werden rechtliche Hindernisse angeführt. Mit ein wenig Mut könnte man die aber leicht überwinden. Denn prinzipiell befürworten sowohl die europäische als auch die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde diese Art der Transparenz, vorausgesetzt, die herausgegebenen Informationen sind qualitätsgeprüft und von den entsprechenden Aufsichtsbehörden freigegeben. Auch 98 Prozent der Studienärzte möchten Studienergebnisse gerne teilen. Alle wollen dasselbe, aber es ändert sich nichts. An diesem Thema müssen wir gemeinsam arbeiten. Wenn wir das Thema Transparenz diskutieren, dann geht es auch um die Veröffentlichung der Ergebnisse. Vor ein paar Wochen las ich einen sehr interessanten Artikel im British Medical Journal, dem eine Untersuchung von insgesamt 585 Multicenterstudien mit jeweils mehr als 500 Teilnehmern zugrunde lag. Die Resultate zeigten, dass 32 Prozent aller Industriestudien und 18 Prozent der akademischen Studien auch fünf Jahre nach Studienende nicht publiziert sind. Hier müssen wir wirklich besser werden. Welche Rolle haben Patientenorganisationen im Bereich der klinischen Studien? Ein Teil unserer Aufgabe liegt sicher im Erwartungsmanagement. Oftmals sind wir diejenigen, die übertriebene Hoffnungen dämpfen und auf vielversprechende Therapieansätze hinweisen können. Auch zur Diskussion um ein optimiertes Studiendesign haben wir einiges beizutragen: Ist die Diagnostik wirklich erforderlich? Wie stellen sich Risiko und Nutzen der Studienteilnahme aus Patientensicht dar? Bestehen ethische Probleme? Welche patientenrelevanten Endpunkte werden in der Studie untersucht? Wie wird das Thema Lebensqualität erfasst? Wie sollte die Aufklärung über Studien erfolgen? Wie gelangen die Informationen darüber überhaupt zum Patienten? In diesem Rahmen existiert ein weites Betätigungsfeld für uns, ohne dass man dafür Gesetze ändern muss. Man braucht nur den Mut, Dinge zu ändern. In den Zeiten von Internet, Facebook und Co mag man sich darüber beklagen, dass Patienten Informationen zu ihrer Erkrankung googeln und damit beim Arzt ankommen. Wenn Patienten Leitlinien kennen und nach einer leitliniengerechten Behandlung fragen, dann liegt darin aber auch eine Chance. Seltene Krebserkrankungen werden in unserer Versorgungslandschaft eher stiefmütterlich behandelt, es sei denn, die Patienten selbst machen sie zum Thema. Das führt auch dazu, dass Patienten eine stärkere Rolle im Vorantreiben der Suche nach neuen Therapien einnehmen. Es gibt viele Beispiele, wo Patientenorganisationen viel bewegt haben, sei es durch Fundraising oder durch Netzwerke. Momentan bauen wir zum Beispiel mit Fördermitteln der EU eine Europäische Patientenakademie EUPATI auf. Dort bilden wir Patientenvertreter weiter, sodass sie den ganzen Prozess der Arzneimittelentwicklung verstehen und mit konkreten Vorschlägen in die Diskussion mit Zulassungsbehörden, Ethikkommissionen, Industrie und klinischen Forschern gehen können. Mein Fazit: Patientenbeteiligung hat nicht mit Beteiligungsbürokratie zu tun. Es liegt uns fern, Prozesse schwieriger zu machen. Wir wollen vielmehr unseren Teil dazu beitragen, dass die Forschung zielgerichteter und patientenzentrierter wird. Ich glaube, dazu können wir einiges an Erfahrung, an täglichem Wissen um die Bedürfnisse und ihre Herausforderungen von Patienten beisteuern. Und deswegen sollte die Patientenbeteiligung ein Qualitätsmerkmal in der Forschung sein. No research about us without us das sollte das Motto sein. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

23 Schnittstellen in der Krebsversorgung 21 Diskussion Frage: Herr Geißler, Sie erwähnten vorhin eine Liste von 230 Tumorerkrankungen. Ganz viele davon sind selten. Kann man diese Liste irgendwo einsehen? Herr Geißler: Ja, sie steht zum Download auf der Webseite bereit. Es handelt sich dabei um ein EU-Projekt, das vom Mailänder Tumorinstitut geleitet wurde und in das die Daten aus vielen Krebsregistern in ganz Europa eingeflossen sind. Sie können dort die Prävalenz, Inzidenz und Mortalität der jeweiligen Erkrankung nachlesen. Frage: Vielen Dank für den tollen Vortrag. Meine Frage lautet: Wie könnte man Patientenerfahrungen besser in klinische Studien einbeziehen, sodass die Sichtweise von Patienten systematisch erfasst wird? Krebspatienten haben Erfahrungen im Umgang mit den Medikamenten und ihren Nebenwirkungen. Aber dieser Erfahrungsschatz wird bislang zu wenig systematisch erhoben und ausgewertet. Herr Geißler: Es gibt verschiedene Ansätze. Patientenvertreter oder Patienten, die sich sehr gut in der klinischen Forschung auskennen, könnten zum Beispiel besser in die frühe Diskussion über Studienprotokolle eingebunden werden. Dazu braucht man natürlich Vertreter, die den Inhalt dieser Protokolle und die Prozesse dahinter verstehen. Wenn es um Erfahrungswissen geht, dann empfiehlt sich die Bildung von Fokusgruppen mit verschiedenen Patienten und unterschiedlichen Profilen, die sich zwei Tage zusammensetzen, um alle Aspekte zu beleuchten. Wir haben in unserem Netzwerk auch schon Umfragen durchgeführt, die mit Klinikern entwickelt und über unsere Patientennetzwerke herausgegeben wurden. Ein wichtiger Punkt ist die entsprechende Qualifizierung man kann Patientenvertreter nicht in einem Eintagesworkshop qualifizieren, man muss sie aktiv einbinden und sie zu Fachveranstaltungen zulassen; sie brauchen ferner ein Coaching in Statistik, in evidenzbasierter Medizin und in der Systematik von Studien. Ich denke, dazu müssen die Fachgesellschaften Patienten aktiv in ihre Fachkongresse einbinden. Frage: Sie beschreiben hier eine extreme Professionalisierung. Ich habe überhaupt kein Problem damit, Studiendesigns mit Patienten auf dem von Ihnen beschriebenen Niveau zu diskutieren. Es stellt sich allerdings die Frage, wie weit wir uns damit vom Durchschnittspatienten entfernen und sich auf diese Weise nicht doch ein Bias einschleicht. Nach der Lektüre aller auf dem ASH-Meeting publizierten Studien haben Sie eine völlig andere Wahrnehmung als ein Patient, der von einer CML oder von einer akuten Leukämie überrollt wird. Mir fehlt an dieser Stelle die Sichtweise des normalen Patienten. Denn wir sehen im Klinikalltag viele Patienten, die an ihrer Erkrankung versterben, die sich nicht jahrzehntelang damit auseinandersetzen können, sondern nach ihrer Diagnose eine Perspektive von wenigen Monaten haben. Bei diesen Patienten ist die Bereitschaft sehr viel geringer, für Verbesserungen zu kämpfen oder sich streitbar mit dem Arzt auseinanderzusetzen. Sie betonen außerdem, die Patienten sollten eigentlich ihre Studienergebnisse kennen. Ein Studienteilnehmer mit einem Pankreaskarzinom ist im Allgemeinen verstorben, wenn die Studie abgeschlossen ist. Ich glaube, wir brauchen noch mehr und noch bessere Instrumente, um auch diese Patienten in ihrer Erkrankung zu erreichen und zu begleiten. Ich sehe ganz klar Ihr Engagement in praktischen Fragen, ich sehe auch Ihre Professionalisierung mit einem sehr patientenorientierten Blickwinkel. Aber auf der anderen Seite glaube ich, für viele ist das ein sehr weitgehendes und auch ein nicht erfüllbares Ziel.

24 22 Tagungsband Herr Geißler: Ich sehe darin keinen Widerspruch. Ich bin selbst als Patientenvertreter aktiv, betreibe Selbsthilfegruppenarbeit und beantworte täglich Fragen in unserem Forum. Während der letzten Jahre habe ich Posts allein im Leukämieforum geschrieben. Wir führen jährlich ein Treffen für Patienten durch, die eben nicht die Erkrankung in den Vordergrund ihres Lebens stellen, sich aber trotzdem einmal im Jahr informieren möchten. Über alle diese Kontakte bekommen wir viele der üblichen Patientenprobleme mit. Die Frage, ob ein Verband repräsentativ für die Gesamtgruppe ist, stellt sich in jedem Verbandswesen. Wir können niemals in allen Belangen repräsentativ sein, aber ich glaube, wir können die Bedürfnisse von Patienten mit Hilfe unserer Werkzeuge, wie etwa über Gruppentreffen oder Umfragen, gut abfragen und haben einen sehr, sehr guten Einblick in das, was Leukämiepatienten bewegt. Frage: Sie sprachen das Patientenrechtegesetz an. Es fordert, dass der Patient schriftlich über Diagnostik, Therapie, auch über die Therapiealternativen mit den jeweils typischen klassischen Wirkungen und Nebenwirkungen aufgeklärt wird. Meine Frage lautet: Gibt es Bestrebungen, für die Ärzte standardisierte Aufklärungshilfen zur Verfügung zu stellen, damit nicht jeder Einzelne das Rad neu erfinden muss. Ich glaube, an dieser Stelle benötigt die Ärzteschaft Hilfe. Kommentar: Dafür existiert das Instrument der Leitlinie. Sie schafft für den Arzt eine Bewertung der Evidenzen aus verschiedenen Studien; es gibt sie in verschiedenen Fassungen, einer Kurzfassung, einer ausführlicheren Langfassung und mit einem Methodenreport. Parallel dazu wird eine Patientenleitlinie herausgegeben, in der die Therapie und Behandlung einer bestimmten Krebsart in der Sprache des Patienten und bezogen auf sein Informationsbedürfnis zur Verfügung gestellt wird. Diese Materialien gibt es bereits, auf die kann man zurückgreifen. Herr Geißler: Ich möchte diese Aussage kurz ergänzen: Auch die Patientenorganisationen beteiligen sich an der Erstellung solcher Patientenmaterialien und arbeiten dabei mit Onkologen zusammen, um die Informationen objektiv, verständlich und glaubwürdig zu gestalten. Aber wir machen eben auch die Erfahrungen, dass unsere Unterlagen im ärztlichen Gespräch oft nicht berücksichtigt werden. An dieser Stelle ist eine noch engere Zusammenarbeit gefragt, damit solche Patienteninformationen aktiv verteilt werden. Ganz viele Patienten bekommen diese Leitlinien oder Patientenbroschüren nicht. Der Arzt sieht den Patienten vom ersten Moment an. Deswegen müsste man dort vielleicht auch für die Verteilung der Materialien sorgen. Kommentar: Vielen Dank, Herr Geißler, für Ihren brillanten Vortrag. Ich finde es wichtig, dass es Patienten gibt, die informiert sind, argumentieren können und den Druck auf den anonymen Medizinbetrieb von unten erhöhen. Und ich finde es wunderbar, wenn Ärzte in ihrem Selbstverständnis aufgerüttelt werden und eine Therapieauswahl begründen müssen. Es ist gut, dass diese Kompetenz in den Patientenreihen jetzt so gebündelt wird. Frage: Ich komme von der medizinischen Hochschule Hannover. Dort arbeiten wir an einer seltenen Tumorerkrankung, haben aber viel zu wenig betroffene Patienten, um überhaupt ernsthaft über eine klinische Studie nachzudenken. Wir reden hier auf dieser Konferenz ja auch über das neue Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz bzw. über flächendeckende Krebsregistrierung. Bieten die Register nicht auch eine Chance, Teilnehmer mit seltenen Erkrankungen für Studien zu rekrutieren? Man könnte sich in diesem Zusammenhang die Pädiater zum Vorbild nehmen.

25 Schnittstellen in der Krebsversorgung 23 Kommentar: In der Tat, es gibt kaum ein Kind mit einer Krebserkrankung, das nicht an einer Studie teilnimmt. Das gilt auch für andere, zum Beispiel monogenetische Erkrankungen, die ebenfalls sehr selten sind. Auch dort führen solche Register zum Ziel. Herr Geißler: Ich glaube, wir müssen bei den seltenen Erkrankungen über die Grenzen von Deutschland hinaus denken. Unsere Erfahrungen aus dem pädiatrischen Bereich, mit der HIV- Forschung oder bei den Sarkomen zeigen, dass der Schlüssel zum Fortschritt in einer europaweiten Zusammenarbeit liegt. Deswegen haben wir uns als Patientenorganisation in Brüssel so stark für eine Verordnung anstatt einer Richtlinie für die Durchführung klinischer Studien eingesetzt. Wir brauchen eine stärkere Harmonisierung. Sonst passiert es weiterhin, dass akademische Forscher jeweils dasselbe Studienprotokoll in Deutschland, in Italien, in Frankreich einreichen, weil sie die jetzige europäische Richtline fürchten. Zusammenarbeit ist alles und gerade bei den seltenen Erkrankungen kann Deutschland das Problem nicht alleine lösen. Frage: Ich kann das für den Bereich der Sarkome nur bestätigen. Europäische Sarkom- Patienten sind in der Regel in einer Datenbank am Tumorzentrum in Mailand gelistet. Das ist wesentlich effizienter als eine rein deutsche Lösung. Meine Frage an Herrn Geißler geht aber noch in eine andere Richtung: Interessanterweise spielte in Ihren Ausführungen das Thema Leitlinien gar keine Rolle. Mich würde deshalb interessieren, ob Sie dort keinen besonderen Fokus sehen. Herr Geißler: Ich wurde gebeten, über Studien zu reden, deshalb habe ich mich auf dieses Thema fokussiert. Aber in der Tat, Leitlinien sind ganz wichtig. Es gibt für die chronische myeloische Leukämie die Therapieempfehlung einer Expertengruppe im European Leukemia Net. Genau die haben wir übersetzt und für Patienten zusammengefasst. Uns ist ganz klar, dass die Evidenz für die Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen nur aus Studien kommen kann. Insofern sind Studien und Leitlinien eng miteinander verbunden. Dr. Bruns: In der Tat sind Studien und Leitlinien sind eng miteinander verknüpft. Deshalb wollen wir nach der Pause mit dem Thema Leitlinien fortfahren. Zunächst aber vielen Dank an Professor Löffler und Herrn Geißler für ihre Ausführungen und für die spannende Diskussion. Dr. Follmann: Herzlich willkommen zum zweiten Teil unserer QoCC-Konferenz, in dem es um das Thema Leitlinien gehen soll. Ich selbst bin Koordinator des Leitlinienprogramms Onkologie und freue mich mit Ihnen auf zwei sehr interessante Beiträge. Im ersten geht darum, aus der Perspektive der Experten, der die die Leitlinie entwickeln, auf die Studienlage zu schauen. Der zweite Beitrag nimmt den entgegengesetzten Blickwinkel des klinischen Forschers hin zur Leitlinie ein. Das erste Thema wird von Herrn Professor Mallmann aus Köln präsentiert. Professor Mallmann ist Leiter des Gynäkologischen Krebszentrums der Uniklinik Köln.

26 24 Tagungsband Kennen wir die Studienlage? Darstellung am Beispiel der Leitlinie Zervixkarzinom Prof. Dr. Peter Mallmann, Leiter des Gynäkologischen Krebszentrums der Uniklinik Köln Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen in den nächsten 15 Minuten den Prozess der Leitlinienentwicklung aus der Sicht eines Klinikers vorstellen, und zwar am Beispiel der Leitlinie zum Zervixkarzinom. Die Leitlinie Zervixkarzinom ist schon relativ alt. Zehn Jahre haben wir mit einer Leitlinie auf S1-Niveau gearbeitet. Dann wurde sie 2008 auf S2-Niveau angehoben; derzeit arbeiten wir mit der Hilfe von Herrn Follmann daran, sie auf S3-Niveau zu bringen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen, dass die Therapie des Zervixkarzinoms evidenzbasiert abläuft, sodass jeder Kliniker in Deutschland weiß, wie er diese Krankheit optimal zu behandeln hat. Der Prozess der Leitlinienentwicklung lief auf dem üblichen Weg ab: Wir haben 49 Fachgesellschaften eingeladen, das entspricht 75 Personen, die das Projekt unter der Koordination von Herrn Beckmann und mir und mit der Hilfe von Herrn Follmann angehen. Für jede Gruppe gibt es einen Mandatsträger aus verschiedenen Arbeitsgemeinschaften mit internationaler Beteiligung, vor allem aus Österreich und der Schweiz. Drei externe professionelle Anbieter haben uns bei der Literaturrecherche und bei der Beantwortung der Kernfragen geholfen. Dazu kommen noch zwei Gesundheitsexperten, die uns rein methodisch unterstützt haben. Das Ganze wurde von der zentralen Koordination mit Hilfe eines hauptamtlichen Koordinators unterstützt. Wie ist der aktuelle Stand dieser Leitlinie? Wir haben zunächst damit begonnen, Ziele zu definieren und dann geschaut, welche Leitlinien zu unserem Thema in der internationalen Literatur, vor allen Dingen im angloamerikanischen Sprachraum, existieren. Aus diesem Literaturüberblick haben wir die Fragen formuliert, die unserer Meinung nach beantwortet werden müssen. Diese Fragen waren wissenschaftlich, vor allem aber klinisch definiert. Nach der Auswahl der Schlüsselfragen legten wir fest, wie sie am besten beantwortet werden sollten. Danach erfolgte die Literaturrecherche durch die externen Anbieter, auf deren Basis einzelne Arbeitsgruppen gebildet wurden. Diese Arbeitsgruppen haben dann anhand ihres Literaturüberblicks die entsprechende Schlüsselempfehlungen formuliert und diese Kernaussagen durch entsprechende Hintergrundtexte und Literaturstellen belegt. In diesem Fall wurden aus ursprünglich 104 Schlüsselfragen 22 herausgefiltert und zur Bearbeitung an einen externen Anbieter weitergegeben, elf davon gingen an ein Institut in Basel. Soviel zur Komplexität dieser Analyse der Arbeitsaufwand ist typisch für jede Leitlinienentwicklung.

27 Schnittstellen in der Krebsversorgung 25 Abb. 3: Recherche zur S3-Leitlinie Zervixkarzinom. Im nächsten Schritt möchte ich Ihnen am Beispiel des Zervixkarzinoms die klinischen Probleme bei der Erstellung von Leitlinien darstellen. Wenn eine Patientin zu uns kommt, dann interessiert sie sich überhaupt nicht für den Inhalt einer Leitlinie, den gängigen Standard bei der psychosozialen Betreuung oder bei der Patientenaufklärung. Aus ihrer Sicht lautet die alles entscheidende Frage: Wie wird mein Karzinom am besten behandelt? Alles andere ist in diesem Moment für sie völlig nebensächlich. Dabei hat sie prinzipiell zwei Möglichkeiten: Sie kann sich operieren lassen oder sie entscheidet sich für eine Bestrahlung. Die derzeit geltende Leitlinie liefert uns in diesem Punkt leider nur eine grobe Orientierung. Deshalb lautet die entscheidende Schlüsselfrage, die Kernfrage schlechthin bei der Behandlung eines Zervixkarzinoms: Soll man besser operieren oder bestrahlen? Dementsprechend haben wir uns auch besonders intensiv mit dieser Frage beschäftigt und geeignete Suchstrategien entwickelt, um alle relevanten Datenbanken speziell unter dem Aspekt Operation oder Bestrahlung zu durchsuchen. Auf der ersten Ebene ging es vor allem um randomisierte, kontrollierte Studien, auf der zweiten Ebene um nicht-randomisierte, kontrollierte Studien, in der nächsten Ebene um prospektive vergleichende Studien, danach um Reviews zu dieser Frage. Letztendlich versucht man auf diese Weise, alle relevanten Daten zu ermitteln und analysiert sie dann nach PICO-Kriterien. Insgesamt Literaturangaben wurden auf diese Weise aus den jeweiligen Datenbanken herausgefiltert. Mehr als tausend davon haben wir ausgemustert, weil es sich um Mehrfachpublikationen handelte. Von den verbliebenen schlossen wir aus, weil sie zur Beantwortung der Frage nicht geeignet waren. Es blieben 45 Arbeiten zur Überprüfung anhand der von uns definierten Kriterien. Leider endete diese Überprüfung mit dem Ausschluss aller 45 Studien. Das heißt, von Publikationen blieb am Ende keine einzige Arbeit übrig, die uns bei der Beantwortung unserer Kernfrage weitergebracht hätte. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um Detailfragen, etwa, wie man am

28 26 Tagungsband besten operiert oder was die beste Chemotherapie sei. Vielmehr ist die entscheidende Frage nach der besten Behandlung für diese Tumorart evidenzbasiert nicht zu beantworten. Abb. 4: Literaturauswahl zur Frage OP oder Bestrahlung beim Zervixkarzinom? Dieses Resultat ergab sich für eine ganze Reihe anderer Fragestellungen in ähnlicher Weise. Das heißt, die aus meiner Sicht als Kliniker nachrangigen Fragen sind wunderbar evidenzbasiert zu beantworten, aber die Kernfrage für die Therapie des Zervixkarzinoms bleibt leider unbeantwortet. Um die Liste noch zu vervollständigen: Für die elf entscheidenden Fragen beim Zervixkarzinom haben wir als Ergebnis einer nunmehr dreijährigen Arbeit letztendlich keine einzige verwertbare Studie gefunden. Das heißt, wir haben immer noch keine Antwort auf die Frage unserer Patientinnen: Soll ich mich operieren oder bestrahlen lassen? Warum gibt es keine entsprechenden Studien zum Zervixkarzinom? Ich kann diese Frage ganz eindeutig beantworten: Weil niemand dafür das Geld zur Verfügung stellt. Die Öffentlichkeit hat kein Interesse an einer Erkrankung, die mit bis Neuerkrankungen im Jahr nicht gerade häufig vorkommt. Der Pharmaindustrie mangelt es an Interesse, weil hier kein Medikament gefragt ist, von dem man sich entsprechende Marktchancen ausrechnet. Dazu kommt, dass solche Studien kompliziert sind. Es gibt unterschiedliche Operations- und Bestrahlungsmethoden; man müsste sich also zunächst auf jeweils eine Methode einigen, die man dann vergleicht. Dazu kommt unser Gesundheitssystem, das die Behandlung ein Zervixkarzinoms überall in Deutschland ermöglicht. Von den über gynäkologischen Abteilungen hat im Regelfall keine Abteilung mehr als 20 Patienten mit einem solchen Tumor, auch die großen Universitätskliniken nicht.

29 Schnittstellen in der Krebsversorgung 27 Das heißt, wir haben in der klinischen Praxis derzeit das Phänomen, dass Expertenmeinungen, also die Ansicht und Überzeugung eines erfahrenen Arztes, darüber entscheidet, wie eine Patientin behandelt wird. Man könnte auch sagen: Die Entscheidung, ob eine Patientin operiert oder bestrahlt wird, hängt vom geographischen Zufall ab. Wird sie einer Abteilung mit operativer Expertise zugewiesen, erhält sie eine OP. Kommt sie mit der gleichen Erkrankung in ein Haus mit geringerer operativer Expertise, wird sie bestrahlt. Daran wird sich auch nach der Publikation der S3-Leitlinie nicht ändern. Wir werden in diesen Leitlinien die Frage Operation oder Chemotherapie? offen lassen müssen. Wir werden schreiben müssen, dass beide Therapieoptionen möglich sind. Wie könnte die Lösung für dieses Problem aussehen? Die Studienlandschaft wird momentan vom Geldgeber geprägt. Ganz einfach: Wer zahlt, bestimmt. Und das ist im Moment im Wesentlichen die Pharmaindustrie. Das heißt, wir müssen dahin kommen, dass der Bedarf an Studien durch die Fachgesellschaften und nicht durch andere Interessen geprägt wird. Darüber hinaus bedarf es einer unabhängigen Finanzierung dieser Studien. Damit bin ich am Ende. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Diskussion Dr. Follmann: Vielen Dank Herr Mallmann. Ich fand es wirklich sehr interessant, einen Einblick in die Arbeit einer Leitliniengruppe zu erhalten und über das Dilemma zu erfahren, das sich ergibt, wenn die entscheidenden Studien fehlen, die einem den Weg zu einer besseren Therapie weisen. Haben Sie Fragen an Herrn Mallmann? Frage: Ich komme aus Brandenburg und wir dokumentieren dort biometrische und biologische Daten von Patienten, dazu die Behandlung und das Follow-up. Prinzipiell sind wir auch in der Lage, Überlebenszeiten und Outcomes zu überprüfen. Wäre es denkbar, dass Sie solche Registerdaten nutzen, um ein Gefühl für das Ergebnis in der genannten Patientenpopulation zu bekommen? Prof. Mallmann: Die Auswertung solcher Registerdaten ist sicher eine ganz wichtige Hilfe. Das Problem sind die Einschlusskriterien. Anders ausgedrückt, die Entscheidung, warum jene Patientin bestrahlt, die andere dagegen operiert wurde, die ist häufig nicht nachvollziehbar. Wir können am Ende mit Ihrer Hilfe schauen, was aus den Bestrahlten und aus den Operierten geworden ist und dann indirekt schlussfolgern, dass die eine Methode vielleicht besser ist als die andere. Das Dumme ist nur, wir wissen nicht, ob es Zufall war oder die geografische Verteilung, die sie zur einen oder anderen Behandlung geführt hat. Deshalb wird die Aussagekraft dieser Studien wahrscheinlich eingeschränkt sein. Frage: Ich bin jetzt etwas überrascht, dass beide Methoden als gleichwertig dargestellt werden. Hat man denn überhaupt beim Vergleich dieser Therapiemethoden auch die Nebenwirkungen mit einbezogen? Bei einer Bestrahlung treten häufig gravierende Nebenwirkungen auf, die bei einer Operation eher nicht gegeben sind. Prof. Mallmann: Da schon die Methoden nicht verglichen wurden, fehlt auch der Vergleich der Nebenwirkungen. Deshalb basiert die Empfehlung, zu operieren, tatsächlich auf der klinischen Überzeugung desjenigen, der die Aussage macht, aber nicht auf irgendwelchen Studien. Kommentar: Ich glaube, Sie konnten sehr gut darstellen, dass Leitlinienerstellung eben nicht nur immer Lust ist, sondern manchmal auch Frust, besonders, wenn die Evidenzen fehlen. Ich denke, Sie haben trotzdem ein großes Ziel erreicht: Sie haben den Forschungsbedarf ganz klar skizziert: Das ist

30 28 Tagungsband ein wesentliches Ziel der S3-Linien. Und damit lohnt sich Ihre Arbeit letztlich doch. Der Arzt wird zukünftig nicht nur eine einzelne Studie als Entscheidungsgrundlage nehmen, sondern auf die aggregierte Evidenz und Ihre Bewertung zurückgreifen. Deshalb zahlt sich Ihre Arbeit auf jeden Fall aus. Prof. Mallmann: Wir haben zwar eine Vielzahl von kleineren Fragen der täglichen Arbeit gelöst, zum Beispiel, ob es Sinn macht, nach einer Bestrahlung noch die Gebärmutter zu entfernen. Dort können wir jetzt auf Basis der S3-Leitlinie sagen, die sekundäre Entfernung der Gebärmutter ist unsinnig; sie bringt nur Nebenwirkungen, keinen Nutzen. Trotzdem bleibt die Kernfrage ungelöst. Prof. Löffler: Ich teile Ihre Meinung hinsichtlich der Undurchführbarkeit unabhängiger Studien nicht ganz und verweise hier auf die von der deutschen Krebshilfe initial finanzierte Prefere-Studie zum Prostatakarzinom. Dort wird die radikale Prostatektomie verglichen mit verschiedenen strahlentherapeutischen Optionen und einer Watchful-waiting-Strategie bei bestimmten Indikationsfenstern. Die Studie kostet über 20 Millionen und wird von öffentlichen Geldgebern bezahlt. Die Voraussetzung für die Initiierung dieser Studie war allerdings, dass aus den verfügbaren Kohortendaten doch so etwas wie eine vergleichbare Unsicherheit für den Ausgang festgestellt werden konnte. Daher meine Frage: Sie sagten, es gäb keine vergleichenden Studien. Aber es existieren doch sicherlich größere Kohortendaten, mit denen man überprüfen könnte, ob es in Ihrem Fall eine vergleichbare Unsicherheit gibt. Prof. Mallmann: Es gibt Daten bezüglich einer reinen Bestrahlung oder einer Radio-Chemotherapie und andere Daten, die sich auf die OP beziehen. Man kann diese Daten miteinander vergleichen und wird dann bezüglich der Effektivität von einer Gleichwertigkeit bei einem unterschiedlichen Nebenwirkungsspektrum kommen. Diese Daten gibt es und wahrscheinlich wird man sich aufgrund dessen auch auf eine Expertenmeinung einigen. Das Prostatakarzinom ist das häufigste Karzinom des Mannes mit einem großen öffentlichen Interesse an dieser Erkrankung und es ist beeindruckend, dass dort Geldgeber gefunden wurden. Beim Endometriumkarzinom, dem fünfthäufigsten Karzinom der Frau, und auch beim Zervixkarzinom bemüht sich die Organkommission seit vielen Jahren um eine rein operative Studie, die die banale Frage beantworten soll, ob die Lymphknoten entfernt werden müssen oder nicht. Selbst da ist eine entsprechende unabhängige Finanzierung nicht gelungen. Frage: Könnte man nicht vielleicht die Strukturen der Organkrebszentren gewinnbringend nutzen? In den gynäkologischen Krebszentren kommen doch sicher pro Zentrum und Jahr 20 bis 30 Neuerkrankungen für das Zervixkarzinom zusammen. Diese Zentren könnte man doch für eine Zusammenarbeit gewinnen. Prof. Mallmann: Wir haben das intensiv diskutiert. Die Selektion findet allerdings eine Stufe vorher, nämlich in der Primärversorgung statt. Die Patienten, die in die gynäkologischen Krebszentren kommen, haben ja schon eine Zuweisung, entweder direkt zum Strahlentherapeuten oder zur OP. In keinem mir bekannten gynäkologischen Krebszentrum wird der Strahlentherapeut von einer Bestrahlung der ihm zugewiesenen Zervixkarzinompatientin Abstand nehmen, schon allein deswegen nicht, weil er die Compliance mit seinem Zuweiser nicht gefährden möchte. Deshalb muss man hier an der Primärversorgung ansetzen. Frage: Mein Name ist Hilde Schulte von der Frauenselbsthilfe nach Krebs. Ich möchte kurz noch auf einen anderen Aspekt eingehen, der für Patienten nicht unbedeutend ist. In den Leitlinien werden grundsätzlich die Prinzipien der Diagnosemitteilung sowie der Information und Aufklärung festgelegt.

31 Schnittstellen in der Krebsversorgung 29 Auf welche Voraussetzungen stoßen Leitlinien diesbezüglich im Versorgungssystem im Medizinalltag? Ist das unter den heutigen Gegebenheiten überhaupt umsetzbar? Prof. Mallmann: Die Diskussion über die Patientenaufklärung nahm tatsächlich am meisten Zeit im Rahmen der Leitlinienentwicklung ein. Denn wir müssen aufgrund der schwachen Datenlage tatsächlich fordern, dass die Patientin über diese schwache Datenlage informiert werden muss, um ihre Entscheidung zu treffen. Das Dumme ist nur, dass die Patientin trotzdem nicht auf Augenhöhe mit uns kommuniziert, sondern am Ende eine Empfehlung erwartet. Unabhängig davon, wie intensiv sie aufgeklärt wurde, möchte sie im Regelfall hören, was sie jetzt machen soll. Diese Empfehlung können wir ihr nicht evidenzbasiert geben. Dr. Follmann: Vielen Dank, Professor Mallmann. Ich möchte überleiten zum nächsten Thema, das von Herrn Professor Wöckel präsentiert wird. Er befasst sich mit der Umsetzbarkeit von Leitlinien.

32 30 Tagungsband Implementierung und Evaluierung von Leitlinien Prof. Dr. Achim Wöckel, seit 1. Mai 2014 Klinikdirektor der Universitätsfrauenklinik Würzburg, ehemals geschäftsführender Oberarzt der Unifrauenklinik Ulm Sehr geehrte Damen und Herren, herzlichen Dank für die einführenden Worte. Gerne möchte ich Ihnen darstellen, inwieweit sich die Qualität der Krebsversorgung mit Hilfe von Leitlinien beeinflussen lässt. Anders ausgedrückt geht es um die Frage, ob die Leitlinienanwendung überhaupt die Qualität verbessert. Ich habe drei Themen für Sie im Gepäck. Zum einen möchte ich mit Ihnen einen kurzen Abstecher in das Thema Qualitätsmodelle und Leitlinien machen: Was ist in diesem Bereich überhaupt möglich? Dann werde ich Ihnen das Konzept unserer Studiengruppe BRENDA vorstellen, bei der wir mittlerweile an der Schnittstelle von Versorgungsforschung, Leitlinien und Registerdaten arbeiten. Und schließlich würde ich gerne diskutieren, wie wir in Zukunft Leitlinien besser machen und gleichzeitig die Versorgung der Patienten, zum Beispiel mit einem Mammakarzinom, entsprechend optimieren können. Vor der Überlegung, ob Leitlinien die Versorgungsqualität verbessern können, steht zunächst die Frage, ob die Einführung einer Leitlinie überhaupt einen Einfluss auf unser ärztliches Handeln hat. Die ersten Ergebnisse auf diese Frage gab es im Prinzip erst Anfang des letzten Jahrzehntes: Damals untersuchte Victoria White die Implementierung einer Leitlinie zum Mammakarzinom in einer ländlichen Gegend Australiens. Eine leitliniengerechte Versorgung setzt zum Beispiel voraus, dass Frauen mit einem positiven Homonrezeptorstatus eine antihormonelle Therapie erhalten, Frauen mit einem negativen Homonrezeptorstatus dagegen nicht. In der Untersuchung von Frau White erhielten vor der Implementierung der Leitlinie 69 Prozent der Patientinnen die korrekte Behandlung, nach der Einführung der Leitlinie waren es 90 Prozent. Das heißt, die Leitlinie war erfolgreich. Sie führte zu Qualitätsverbesserung. Machen wir die Gegenprobe: Vor der Leitlinienimplementierung erhielten 39 Prozent der Patientinnen eine antihormonelle Therapie, obwohl sie eigentlich gar keine brauchten. Danach waren es noch immer 17 Prozent. Das heißt, noch immer wurden zu viele Patientinnen mit einer unnötigen Therapie behandelt. Die Qualität der Versorgung steigt zwar, aber nicht um das Maß, das wir uns wünschen. Es bleibt die Frage, ob wir überhaupt eine 100-prozentige Optimierung erreichen können oder ob es Limitationen gibt, die wir auch in Zukunft im Rahmen dieser Qualitätsdebatte einfach hinnehmen müssen. Parallel zu den Untersuchungen von Frau White wurde die Qualität der Krebsversorgung in Deutschland und auch in Europa sehr klar abgebildet. Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität sind Begriffe, die uns heute leicht von der Zunge gehen und auch sehr gut beurteilbar sind. Vor allem

33 Schnittstellen in der Krebsversorgung 31 Struktur- und Prozessqualität lassen sich mit Hilfe von Qualitätsindikatoren gut nachvollziehen. Das heißt, wenn Sie eine Leitlinie implementieren, dann müssen Sie vorher anhand der harten Empfehlungen in den Leitlinien sogenannte Qualitätsindikatoren definieren. Damit können Sie die Umsetzung der Leitlinie messen. Dabei zeigt sich bei vielen Fragestellungen ein erfreulicher Effekt: Nicht nur beim Mammakarzinom, auch bei vielen anderen onkologischen Entitäten ist die Qualität, die wir anstreben, schon erreicht. Als Grundlage dafür brauchen wir nicht unbedingt Zentren, aber natürlich verpflichten diese sich zur Umsetzung. Das führt am Ende dazu, dass sich die Qualität verbessert, sowohl die Struktur- als auch die Prozessqualität. Bei der Ergebnisqualität wissen wir derzeit nicht so genau, wie wir das Ganze beurteilen sollen. Wie kann man die Behandlungsqualität optimieren. Und vor allem, wie misst man sie? Verbessert die Einhaltung von Leitlinien überhaupt den Outcome? Diese Frage muss man stellen, um letzten Endes die Ergebnisqualität evaluieren und auch die Leitlinien entsprechend optimieren zu können. Wir haben in Ulm das große Glück, dass mein früherer Chef, Professor Kreienberg, ein Netzwerk namens BRENDA aufgebaut hat. BRENDA steht für Breast Cancer Care Under Evidence-based Guidelines. Das Netzwerk wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und hat mehrere wichtige Partner: Professor Wischnewski aus Bremen und Professor Blettner aus Mainz steuerten ihre epidemiologische Erfahrung bei; dazu kommen insgesamt 17 Brustzentren eines dieser Zentren ist die Unifrauenklinik in Ulm. In diesem Netzwerk wurden seit 1992 insgesamt Patientinnen aus dem Ulmer Brustzentrum, aber eben auch aus vielen Netzwerkkliniken beobachtet. Das heißt, BRENDA liefert eine gute Möglichkeit für einen Vergleich zwischen unserer Klinik in Ulm und den anderen Netzwerkkliniken, um die jeweiligen Verläufe zu evaluieren. Nur noch einmal kurz zur Erinnerung: Wir arbeiten beim Brustkrebs auf der Basis einer S3-Leitlinie, die höchste Ansprüche an die zu bewertenden Evidenzen stellt. Heute Morgen kamen die Leitlinien der AGO zur Sprache; dabei muss man aber berücksichtigen, dass es sich dabei nicht um Leitlinien, sondern um konsensbasierte Empfehlungen handelt. Ich glaube, nur die S3-Leitlinie liefert im Augenblick die Methodik für eine valide Beurteilung der Frage, ob eine gegebene Therapie oder Diagnostik besser ist als eine andere. Das BRENDA-Projekt überprüft, ob die leitlinienkonforme Behandlung besser abschneidet als nichtkonformes Behandeln. Das heißt, der gesamte Krankheitsverlauf einer jeden einzelnen Patientin muss mit einem bestimmten Algorithmus dokumentiert werden, um bei jedem einzelnen Therapieabschnitt, also OP, Strahlentherapie, endokrine Therapie, Systemtherapie, Konformität oder eventuell Abweichungen von der Leitlinie zu erfassen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Natürlich sind wir bestrebt, bei der brusterhaltenden Therapie eine R0-Resektion durchzuführen. Es gibt aber Patientinnen, bei denen der Tumor randständig ist. Sie müssen eventuell nachoperiert werden, damit die Anforderung einer R0-Resektion erfüllt ist. Patientinnen, bei denen diese Nachoperation nicht stattfindet, sei es, weil sie diesen zweiten Eingriff ablehnten oder weil andere Gründe vorlagen, sind nicht konform behandelt worden. Wir haben die Konformitätsraten für jeden einzelnen Therapiebereich durchdekliniert. In vielen Fällen liegen sie bei über 80 Prozent, fallen also ganz gut aus. Bei der Chemotherapie mit 70 Prozent liegen die Raten schon ein wenig niedriger. Aber wenn Sie sich die Konformitätsraten im Gesamten anschauen, also von der OP über die Strahlentherapie bis zur endokrinen Therapie, dann kommen Sie bei Patientinnen im mittleren Alter auf Konformitätsraten von 65 Prozent. Das ist nicht viel, obwohl sich

34 32 Tagungsband alle um eine leitlinienkonforme Behandlung bemüht haben. Es gibt also eine ganze Reihe an Ausreißern, die wir genauer analysieren müssen. Eine Möglichkeit der Annäherung an dieses Problem ist die Durchführung einer Benchmark-Analyse, also eines Vergleichs der Zentren untereinander. Ich verrate Ihnen nicht, wie die Uniklinik in Ulm bei diesem Vergleich abschnitt. Aber es gab Zentren mit sehr guten Ergebnissen und welche, die schlechter waren. Das liegt aber nicht notwendigerweise daran, dass diese Zentren schlecht arbeiten, sondern dass sie möglicherweise ein ganz spezielles Patientenkollektiv mit einer per se schlechteren Prognose behandeln. Wenn wir also die Versorgungsqualität anhand von Leitlinien beurteilen, müssen wir uns genau das behandelte Patientenkollektiv anschauen und eine Adjustierung vornehmen. Das BRENDA-Projekt gestattet eine ganze Reihe interessanter Analysen: So lässt sich zum Beispiel die Leitlinien-Konformität in Abhängigkeit vom Alter und den Komorbiditäten darstellen. Je höher diese beiden Parameter ausfallen, desto größer die Chance, dass bei der Behandlung der Patientinnen von der Leitlinie abgewichen wird. Abb. 5: Leitlinienkonformität und Gesamtüberleben in der BRENDA-Studie. Die zentrale Aussage meines Vortrags besteht darin, dass die Leitlinienkonformität mit einem besseren Gesamtüberleben assoziiert ist, unabhängig vom benutzten Adjustierungsmodell oder den berücksichtigten Komorbiditäten. Die Methodiker protestieren an dieser Stelle meist, weil es sich bei BRENDA um eine retrospektive Studie handelt. Aber wie auch immer Sie das Ergebnis drehen und wenden, die leitlinienkonforme Behandlung bringt Vorteile, sowohl für das Gesamtüberleben als auch für das rezidivfreie Überleben.

35 Schnittstellen in der Krebsversorgung 33 Wirklich interessant wird es, wenn wir diejenigen Patientinnen anschauen, bei denen nicht nur bei der OP von der Leitlinie abgewichen wurde, sondern auch bei der Strahlentherapie, und die auch ihre endokrine Therapie nicht genommen haben, weil sie Gelenkschmerzen davon bekamen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich die negativen Auswirkungen auf das Überleben potenzieren: Bei einer leitlinienkonformen Behandlung leben nach fünf Jahren noch 90 Prozent der Patientinnen, bei drei Leitlinienverletzungen sinkt das Überleben auf 40 Prozent. Ich finde dieses Ergebnis sehr eindrucksvoll. Abb. 6: Bei Leitlinienverletzungen potenzieren sich die Negativeffekte für die Patienten. Mit unseren Berechnungen sehen wir auch, dass die Strahlentherapie wahrscheinlich den größten Einfluss auf das Überleben aufweist. Dass sie bei der brusterhaltenden Therapie essenziell ist, wurde in zahlreichen RCTs und in Metaanalysen gezeigt. Im Rahmen unserer Versorgungsforschung zeigt sich darüber hinaus: Die Patientinnen, die suboptimal operiert wurden und die danach leitlinienkonform bestrahlt wurden, hatte ein schlechteres Gesamtüberleben als die Patientinnen, bei denen die Nachoperation vor der Bestrahlung durchgeführt wurde. Die Nachteile aus einer suboptimalen Operation sind durch eine Strahlentherapie also nicht zu kompensieren wir brauchen die operative Therapie. Ich glaube, dieses Ergebnis ist ein gutes Beispiel, um die Bedeutung von Versorgungsforschung zu illustrieren. Ein solches Resultat lässt sich nicht durch einen Randomized Controlled Trial generieren. Dazu müsste man einen Vergleich zwischen suboptimal operierten Patientinnen und R0-Patientinnen durchführen ein solches Studiendesign würde keine Ethikkommission der Welt genehmigen. Lassen Sie mich auf den Ausgangspunkt zurückkommen, auf die Schnittstelle zwischen den Leitlinien und den Studien. Wir analysieren mit Hilfe aussagekräftiger Studien, wie sich das Behandlungsergebnis

36 34 Tagungsband verbessern lässt. Das Resultat fließt in die Leitlinie ein. Mit solchen Projekten wie BRENDA beweisen wir, dass die Leitlinienanwendung letzten Endes das Behandlungsergebnis verbessert. Diese gegenseitige Ergänzung ist für die Qualitätsbeurteilung ganz wichtig. Ich erwähnte eingangs, dass nur zwei Drittel aller Patientinnen wirklich leitlinienkonform behandelt wurde. Dieser Punkt hat uns sehr beschäftigt: Schaffen wir es, alle Patientinnen nach den Leitlinien zu behandeln? Oder existieren bestimmte unüberwindbare Barrieren, an denen wir nicht vorbeikommen, etwa der Wunsch der Patientin, die Therapiefreiheit des Arztes, die Komorbiditäten oder die Toxizitäten einer Behandlung? Der logische Weg zur Antwort auf diese Fragen bestand in der prospektiven Weiterführung der BRENDA-Studie zur Erfassung aller Barrierefaktoren, und zwar entlang der gesamten Behandlungskette, von der Ultraschall-Diagnostik über die Biopsie bis zur OP und darüber hinaus. BRENDA2 untersucht quasi an bestimmten longitudinal festgelegten Punkten, ob die Leitlinienkonformität beibehalten wurde und wenn nicht, warum sie aufgegeben wurde. Wir messen mit ganz verschiedenen Tools und Methoden somatische, aber auch psychosomatische Faktoren. Ein wichtiger Untersuchungspunkt ist dabei die Chemotherapie, weil die Patientinnen davor Angst haben und diese Angst im Therapieverlauf zunimmt. Diese Angst vor der Chemotherapie ist aber nicht die Hauptursache für einen Therapieabbruch. Entscheidend ist vielmehr der Rat des Vertrauensarztes in der ambulanten Versorgung. Das heißt, die Patientin verlässt die Klinik mit einer Empfehlung des Tumorboards für eine Chemotherapie. Sie entschließt sich dann doch zu einem Besuch bei ihrem Hausarzt oder Gynäkologen und fragt ihn, ob die Chemotherapie für sie denn sinnvoll sei. Der Hausarzt antwortet ihr, sie habe einen hohen Hormonrezeptor-Status, da käme man mit einer Tamoxifen-Behandlung doch auch ganz gut hin. Und schon entfällt die leitlinienkonforme Chemotherapie. Das heißt, es gibt mehrere Schnittpunkte in der Versorgung, die dazu führen, dass eben nicht konform behandelt wird. Genau diese können wir mit der BRENDA2-Studie analysieren. Im letzten Abschnitt meines Vortrags möchte ich Ihnen noch zeigen, welche Art von Versorgungsforschung im Zuge der Auswertung von Registerdaten zukünftig möglich sein könnte. Denkbar wäre zum Beispiel die Verlinkung mit Biobanken, um die Überlebensdaten retrospektiv im Zusammenhang mit prädiktiven Faktoren auszuwerten. Wir wollen uns mit BRENDA zukünftig aber auch verstärkt prospektiven Untersuchungen zuwenden, vor allem im Hinblick auf Rezidive und Metastasierungen und die frühe Nutzenbewertung. Sie wissen, dass sich die frühe Nutzenbewertung im Rahmen des Arzneimittel-Neuordnungsgesetzes bislang überwiegend auf Daten zum Gesamtüberleben als Studienendpunkt stützt. Arzneimittel, die aufgrund eines Vorteils für das progressionsfreie Überleben zugelassen wurden, haben es in der Nutzenbewertung deutlich schwerer. Unser Ziel ist es, das progressionsfreie Überleben (PFS) näher zu beleuchten und seine Relevanz für die Patienten zu testen. Das heißt, wir arbeiten mit dem BRENDA1-Patientenkollektiv und führen mit den Patientinnen, die später ein Rezidiv bekommen haben oder bei denen der Tumor metastasiert ist, standardisierte Interviews durch. Auf diese Weise wollen wir feststellen, was sich bei diesen Patientinnen im Rahmen der Tumorprogression somatisch, psychosomatisch, im Alltag, während der Hospitalisierung geändert hat. Unser Ziel ist es, auf der Basis der Ergebnisse einen Fragebogen zu entwickeln, der zukünftig auch für prospektive Studien angewendet werden kann. So hoffen wir, den Aspekt der Patientenrelevanz stärker in die Debatte um die Studienendpunkte hineinzutragen. Ein anderes Thema auf unserer Agenda ist der Aufbau einer Metasierungsdatenbank. Wir wissen heute zum Beispiel, dass manche Tumoren durch neue Therapien zunächst größer werden, bevor sie schrumpfen. Der Radiologe, der die Patientin zur Reevaluation überwiesen bekommt, interpretiert die

37 Schnittstellen in der Krebsversorgung 35 Größenzunahme als ein vermeintliches Fortschreiten der Tumorerkrankung. Das Tumorboard empfiehlt daraufhin einen Therapiewechsel, ohne zu wissen, ob das primäre Aufblähen des Tumors nicht vielleicht sogar ein physiologischer Vorgang ist. Eine genauere Analyse des Behandlungserfolgs ist nur möglich mit Daten aus der Versorgungsforschung. Auch das wird ein Ziel von BRENDA4 sein. Darüber hinaus planen wir gerade ein neues Forschungsprojekt, mit Patientinnen, die nicht leitliniengerecht betreut worden sind. Wir wissen, es sind vorwiegend die alten Patientinnen, oder auch Patientinnen im mittleren Alter mit einem Grading von 2, mit ein bis drei positiven Lymphknoten. Gerade bei diesen Patientinnen tauchen häufig sehr spezielle Fragestellungen auf. Wir werden diese Informationen in die Leitliniengruppen zurückspielen, in der Hoffnung, auf diese Weise spezielle Empfehlungen für bestimmte Patientengruppen zu initiieren. In einer Nachevaluation wäre es dann wichtig, zu untersuchen, ob die Leitlinienkonformität steigt. Damit schließt sich der Kreis: Qualitätsbeurteilung darf nicht auf der Ebene der Patienten stehenbleiben, es muss auch die Rückkopplung zur Leitlinienentwicklung geben. Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. Diskussion Dr. Follmann: Vielen Dank, Herr Wöckel. Die Analysen der Abweichungen von einer leitlinienkonformen Behandlung und das Zurückspiegeln der Analyse in die Leitliniengruppen halte ich für extrem wichtig. Bestimmt gibt es dazu noch einige Fragen. Frage: Ich fand es sehr interessant, zu sehen, dass also auch Patienten im mittleren Alter nur zu 65 Prozent leitlinienkonform therapiert werden. Bei den älteren Patienten erstaunt mich Ihr Ergebnis nicht. Ich denke, man müsste die Fragestellungen, die zu einer Abweichungen von den Leitlinien führen, noch viel stärker differenzieren. Das haben Sie in Ihrem geplanten Projekt ja auch vor. Die Kurve, mit der Sie zeigen, dass bei einer Untertherapie das Outcome schlechter wird, finde ich allerdings wenig aussagekräftig. Das liegt eben in der Natur der Patientinnen. Prof. Wöckel: Ich gebe Ihnen bedingt recht. Bestimmte Faktoren führen dazu, dass der Outcome automatisch schlechter wird. Man könnte sogar böswillig sagen, Patienten mit mehr Komorbiditäten haben automatisch ein schlechteres Behandlungsergebnis und deswegen bekommen sie möglicherweise auch keine leitlinienkonforme Therapie. Ganz so einfach ist die Sachlage aber dann doch nicht. Wir haben verschiedene Adjustierungen vorgenommen und stellen dabei fest: Es sind nicht nur die älteren Patientinnen, sondern auch die Intermediate-Fälle, bei denen sich aus dem Grading, aus dem Ki-67-Wert, aus den Proliferationsmarkern ganz spezielle Fragestellungen ergeben. Deshalb muss das Ergebnis in die Kommission zurückgespiegelt und die Empfehlungen entsprechend angepasst werden. Frage: Es gibt vermutlich insgesamt wenig Daten, die eine Bewertung der Leitlinienkriterien für ältere Patienten zulassen. Wenn keine Referenz existiert, dann kann man auch nicht sagen, ob die Leitlinie diesbezüglich eingehalten wird oder nicht. Wie gehen Sie damit um? Prof. Wöckel: Die ältere Patientin ist im Prinzip genau so zu behandeln wie die junge Patientin. Da gibt es keine Unterschiede. Diese Empfehlung wird so auch in der S3-Leitlinie ausgesprochen, das heißt, ältere Patientinnen profitieren genauso wie die junge Patientin von einer operativen Behandlung, von Hormon-, Strahlen- und Chemotherapie, sofern diese Behandlungen anwendbar sind. Ich gebe Ihnen in einem Punkt Recht: An manchen Stellen bestehen durchaus Wissenslücken, weil Studien häufig junge Patientinnen oder ältere Patientinnen ausschließen. Die Studien der letzten Jahre sind aber diesbezüglich besser geworden. Und dort, wo die Evidenzen nicht ausreichen, führen wir einen

38 36 Tagungsband Konsens in einer interdisziplinär besetzten Expertengruppe herbei. Ungeachtet mancher Unsicherheiten im Wissen ändert das aber nichts an der Grundaussage, ältere Patientinnen im Prinzip genauso zu behandeln wie jüngere. Dr. Follmann: Vielen Dank, Herr Prof. Wöckel. Ich gebe weiter an Frau Dr. Wesselmann. Dr. Wesselmann: Danke. Wir kommen zum nächsten Punkt, der Zertifizierung der Versorgungsstrukturen. In den nächsten Vorträgen geht es um die Frage, ob Zertifizierung auf der Basis der Leitlinien wirklich zu einer Qualitätsverbesserung in der klinischen Versorgung führt und ob die zertifizierten Zentren dazu geeignet sind, Evidenzen im Rahmen von Studien zu generieren. Professor Hoffmann und Professor Seufferlein sind beide Sprecher zertifizierter Zentren und der Zertifizierungskommission. Darüber hinaus fungieren sie auch als Leitlinienkoordinatoren. Sie sind also sehr gut mit dieser Thematik vertraut.

39 Schnittstellen in der Krebsversorgung 37 Ist Zertifizierung Qualitätssicherung? Bericht aus einem Zentrum Prof. Dr. Hans Hoffmann, Thoraxklinik Heidelberg Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für die Einladung und für die Gelegenheit, Ihnen kurz den Einfluss der Zertifizierung auf die Qualität der Versorgung darstellen zu dürfen. Die Frage, ob die Zertifizierung zur Qualitätssicherung beiträgt, möchte ich mit einem klaren Ja beantworten. Bevor ein Zentrum sich der Zertifizierung stellt, wurde im Vorfeld schon ganz viel Arbeit geleistet: Die Leitlinie wurde in einem aufwändigen Prozess entwickelt, dann konstituiert sich eine Zertifizierungskommission, in der alle Fachgesellschaften vertreten sind, und entwickelt einen Anforderungskatalog auf Leitlinienbasis. Ein solcher Katalog umfasst im Schnitt 50, 60 Seiten; er dient den Zentren und den Auditoren als Grundlage für die Zertifizierung. Auch für die Zentren selbst bedeutet eine Zertifizierung Arbeit. Sie müssen darlegen, wie sie die Anforderungen im Katalog erfüllen können; sollte das nicht auf Anhieb möglich sein, dann müssen sie ihre Strukturen entsprechend ändern und anpassen. Die Essenz der Zertifizierung ist also der Anforderungskatalog; er enthält sogenannte Kennzahlen sie setzen sich aus einem klar definierten Zähler und einem Nenner zusammen, machen die Erfüllung der Anforderungen messbar und garantieren so die Vergleichbarkeit verschiedener Zentren untereinander. Eine der Qualitätsvorgaben beim Brustkrebs besagt zum Beispiel, dass mehr als 60 Prozent der Patientinnen mit positivem Hormonrezeptorstatus und Lymphknotenbefall eine Chemotherapie erhalten sollte. Wir wissen, dass die zertifizierten Brustkrebs-Zentren diese Behandlung im Mittel bei 75,1 Prozent der relevanten Patientengruppe einsetzen. Die Zentren selbst sind keine isoliert arbeitenden Krankenhäuser, sondern vielmehr Netzwerke von stationären und ambulanten Einrichtungen, die eng miteinander kooperieren. Die Qualitätssicherung in einem solchen zertifizierten Netzwerk umfasst im Prinzip drei Ebenen: Zunächst muss sichergestellt werden, dass in den Zentren alle Fachbereiche und Disziplinen zusammenarbeiten, die für die optimale Betreuung der Patienten wichtig sind. Als Kennzahl für diese Interdisziplinarität dient zum Beispiel der Anteil an Patienten, die in einer interdisziplinär besetzten Tumorkonferenz vorgestellt werden, oder die psychoonkologische/psychosoziale Betreuungsquote. Das sind messbare Qualitätskriterien. Auf der zweiten Ebene geht es um die Expertise der an der Behandlung beteiligten Fachleute. Wie viele Operationen sollten in einem Zentrum durchgeführt werden, damit ein operativer Eingriff mit hoher Wahrscheinlichkeit gut gelingt? Auf der dritten Ebene spielt die Qualität der Behandlung selbst eine Rolle, deshalb werden zum Beispiel Komplikationsraten und eine leitliniengerechte Therapieumsetzung erfasst. Diese drei Ebenen werden bei der Zertifizierung überprüft und erlauben eine Aussage über die Qualität der Versorgung in einem Zentrum. Die Kennzahlen, auch das haben wir im Zertifizierungsprozess gelernt, unterliegen durchaus gewissen Interpretationsspielräumen. Vor allem bei der Lunge haben wir am Anfang sehr deutlich gespürt, dass die Zentren mit den abgefragten Kriterien unterschiedliche Inhalte verbinden. Deshalb haben wir in den ersten drei Jahren dieses Zertifizierungsmodells ganz stark an einer Vereinheitlichung gearbeitet. Zertifizierungsprozesse sind dynamisch; hier wird ständig über den Verbesserungsbedarf nachgedacht und entsprechend adjustiert.

40 38 Tagungsband Die Auswertung der Kennzahlen verfolgt zwei Zielsetzungen: Zum einen geht es um eine Auswertung der Kennzahlen über alle Zentren, zum anderen bekommt jedes einzelne Zentrum seine Ergebnisse zurückgespiegelt, und zwar bezogen auf das Gesamtergebnis. Die Kennzahlenauswertung für alle Zentren beginnt mit der Betrachtung der Anzahl aller an den Zentren versorgten Fälle in Relation zur Gesamtinzidenz über die vergangenen Jahre hinweg. Es gibt durchaus Vorgaben, die die meisten Kliniken nicht erfüllen. Solche Daten sind für die Zertifizierungskommission ganz wichtig und können zu einer Adjustierung der Kennzahlen hinsichtlich der geforderten Kriterien führen. Auch die Auditoren vor Ort besprechen mit den Kliniken, woran es gelegen hat, dass bestimmte Anforderungen nicht erfüllt wurden. Abb. 7: Beispiel für die Kennzahlenauswertung eines DKG-zertifizierten Zentrums. In der Einzel-Auswertung wird darüber hinaus für ein Zentrum deutlich, wo es in Relation zu den anderen steht. Kliniken können auf diese Weise auch erkennen, wie sie sich im Zertifizierungszeitraum verbessert oder verschlechtert haben. Ich erwähnte es kurz: Während des Audits werden die einzelnen Kennzahlen durch die Fachexperten mit den Ärzten vor Ort beleuchtet. Bei der Behandlung von Lungenkrebs fordern wir zum Beispiel eine endoskopische Stent-Implantation, darunter versteht man eine Schienung der Atemwege. Die Institution, die diese Schienung durchführt, sollte mindestens zehn solche Eingriffe pro Jahr durchführen. Bei einer unserer Audits stellte sich heraus, dass ein bestimmtes Zentrum nur acht Stents jährlich einsetzt. Bei einer näheren Analyse zeigte sich, dass dieses Zentrum die Indikationsstellung für das Stenting sehr restriktiv interpretierte, die Kompetenz aber durchaus vorhanden war. Natürlich wird die Zertifizierung in einem solchen Fall nicht entzogen. Denn es gilt,

41 Schnittstellen in der Krebsversorgung 39 falsche Impulse zu vermeiden, die dann entstehen, wenn Interventionen nur zum Erreichen der notwendigen Eingriffsquoten, ohne medizinische Notwendigkeit durchgeführt werden. Ein anderes Beispiel aus der Praxis der Zentren: Bei einer OP streben wir natürlich die R0-Resektion an, also eine möglichst vollständige Entfernung des Tumors im Gesunden. Das ist ein ganz wesentliches Qualitätskriterium, deswegen lautet die Forderung, dass bei mindestens 95 Prozent der Lungenkrebspatienten im frühen oder mittleren Stadium der Tumor im Gesunden reseziert werden sollte. Sollte ein Zentrum diese Anforderung nicht erfüllen können, dann führen wir eine Einzelfallbetrachtung durch und erarbeiten gemeinsam mit den Ärzten vor Ort Methoden und Wege, wie bestimmte Kriterien in Zukunft besser erfüllt werden können. Deshalb lautet mein Fazit: Die Zertifizierung führt sehr wohl zu Verbesserungen in den Zentren und hat sich dort mittlerweile als nützlicher Prozess etabliert. Vielen Dank. Diskussion Frage: Wenn ich mich in die Rolle eines Patienten versetze, wäre es interessant, zu wissen, welches Zentrum nur 50 Prozent der Nullresektion erreicht. Dieses Wissen würde sicher meine Entscheidung für eine dortige Behandlung beeinflussen. Außerdem wäre die Offenlegung dieses Qualitätsrankings doch auch für die Zentren ein noch stärkerer Anreiz, die Qualitätsvorgabe zu erfüllen. Sie müssten bei weit unterdurchschnittlichen Leistungen befürchten, dass sie nicht mehr ausreichend Patienten rekrutieren können. Prof. Hoffmann: Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt. Andererseits schließt die Nichterfüllung von Kernvorgaben die Zertifizierung aus. Patienten können deshalb davon ausgehen, dass alle zertifizierten Zentren die Kernvorgaben erfüllen; das ist das Merkmal der Zertifizierung. Frage: Das heißt, wenn Sie ein Audit in einem Zentrum durchführen und dabei feststellen, dass die Vorgaben nicht erfüllt sind, dann geht die Zertifizierung verloren? Prof. Hoffmann: Genau. Dr. Wesselmann: Oft kommen Abweichungen von den Leitlinien zustande, weil die Patienten sehr alt oder in einem Allgemeinzustand sind, in dem die Durchführung einer Therapie sehr wahrscheinlich eine Verschlechterung bedeutet. In solchen Situationen empfiehlt das Tumorboard eine Abweichung von der Therapieleitlinie, in der Statistik sieht es aber so aus, als würde das Zentrum schlecht behandeln. Bei solchen Einzelabweichungen werden die Zahlen üblicherweise angepasst. Frage: Das heißt, das, es reicht nicht aus, einfach nur die Daten zu erheben, sondern man muss dann wirklich das Audit berücksichtigen und dann eine abschließende Bewertung der Kennzahl durchführen? Dr. Wesselmann: Die Darstellung in den Berichten sollte solche Anpassungen schon abbilden. Prof. Hoffmann: Um Ihnen ein Beispiel aus dem Praxisalltag der Lungenzentren zu nennen: Nicht jeder unklare Lungenrundherd wird prätherapeutisch im Tumorboard besprochen, weil die Krebsdiagnose erst nach der Resektion gestellt werden kann. Wenn ein Zentrum solche Fälle mit einrechnet, kann das die Vorstellungsquote verringern, im Vergleich zu einem Zentrum, das solche Fälle prinzipiell nicht einschließt. Wir haben gelernt, dass es durchaus plausible, unterschiedliche Interpretationsmöglich-

42 40 Tagungsband keiten für die Berechnung von Kennzahlen gibt und Standardisierungen nötig sind, um die Auswertung vergleichbar zu machen und falsche Schlussfolgerungen zu vermeiden. Frage: Professor Hoffmann, was würden Sie als Sprecher eines Lungenzentrums als eine entscheidende durch die Zertifizierung ausgelöste Verbesserung bezeichnen? Prof. Hoffmann: Wir haben an der Thoraxklinik in Heidelberg den Vorteil einer Klinik, die speziell auf die Behandlung der Lunge ausgerichtet ist. Trotz dieses Vorteils konnten wir unsere Prozesse ganz erheblich optimieren, sei es die strukturierte Vorstellung der Patienten im Tumorboard oder auch die Vorstellung der Patienten nach der Operation. Das ist bei uns im Rahmen dieses Projektes sehr viel systematischer geworden. Dr. Wesselmann: Vielen Dank. Als nächster beleuchtet Herr Professor Seufferlein das Thema Studien an zertifizierten Zentren.

43 Schnittstellen in der Krebsversorgung 41 Studien im Alltag der zertifizierten Zentren Prof. Dr. Thomas Seufferlein, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank. Wir kommen zu einem Punkt, der soeben schon anklang: Obwohl von den Zentren im Rahmen der Zertifizierung gefordert wird, dass sie eine bestimmte Quote von Patienten im Rahmen klinischer Studien behandeln, stellen wir fest, dass diese Studienquote nicht immer erreicht wird. Ich möchte mit Ihnen im Folgenden die Hintergründe diskutieren: Ist es überhaupt sinnvoll, von Zentren die Durchführung von Studien zu fordern? Oder muss es in diesem Bereich Anpassungen geben? Doch bevor ich darauf eingehe, zuvor noch eine Antwort auf Ihren Einwand, man sollte die Bedingungen zur Messung der Qualitätskennzahlen noch stärker präzisieren, damit die Qualitätsüberprüfung einfacher wird. Im Prinzip haben Sie recht. Auf der anderen Seite ist eine Zertifizierung ein lernendes System. Unser Zentrum zum Beispiel hat regelmäßig eine suboptimale Quote bei der adjuvanten Chemotherapie des kolorektalen Karzinoms. Warum ist das so? Wir behandeln sehr viele hochbetagte Patienten, die den verbleibenden Rest ihrer Tage mit einer guten Lebensqualität verbringen möchten und die Chemotherapie deshalb scheuen. Diese Entscheidung kann man ihnen nicht verwehren. Wenn wir diese Fälle aber gesondert ausweisen, wird das System sehr, sehr komplex. Dann müssen wir, ähnlich wie bei den DRGs, Unterziffern und Subkategorien einführen; das ist in der Praxis nicht mehr umsetzbar. Die Benchmark-Berichte eignen sich sehr gut als Indikator für den Stand der Weiterentwicklung der Zertifizierung. Aber es lassen sich darin nicht alle diese Bedingungen optimal abbilden. Nun aber zu den Studien: Selbstverständlich brauchen wir Studien, um die Versorgung zu verbessern. Studien generieren Evidenz und Evidenz ist die Grundlage für unsere Leitlinien. Das ist ein kontinuierlicher Prozess: Wir stellen im Alltag fest, wo Studienbedarf besteht. Daraus ergeben sich wissenschaftliche Studien, deren Resultate dann wiederum die Basis für eine Verbesserung der Behandlung darstellen. In Deutschland werden zu wenige Patienten in Studien behandelt. Wir sind auf diesem Gebiet wesentlich schlechter aufgestellt als unsere Nachbarländer, zum Beispiel die Niederlande oder Großbritannien. Das liegt zum Teil an unserer Versorgungsstruktur. Das führt dazu, dass vieles von dem Wissenszugewinn, der in unsere Leitlinien eingeht, außerhalb Deutschlands generiert wird. Das kann dann zum Problem werden, wenn sich die Versorgungsrealitäten in verschiedenen Ländern nicht eins zu eins decken. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, das zeigt, wie Studienergebnisse ganz konkrete Vorteile für die Versorgung von Krebspatienten bringen können. Es geht dabei um die interdisziplinären Einflussgrößen für die Definition des Tumorstadiums; sie sind essenziell zur Beurteilung der Frage, an

44 42 Tagungsband welchem Stadium einer Erkrankung der Patient leidet. Für die Stadieneinteilung beim Kolonkarzinom ist die Zahl der erfassten Lymphknoten sehr wichtig. Je weniger Lymphknoten im Operationspräparat vom Pathologen beurteilt werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit einer falschen Stadieneinschätzung. Umgekehrt besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine richtige Einschätzung, wenn mindestens zwölf Lymphknoten oder mehr untersucht werden, was daher zu einer Anforderung für das korrekte Staging beim kolorektalen Karzinom gemacht wurde. Seit der Implementierung einer verbesserten Erhebung beobachtet man in Großbritannien über die letzten Jahre eine Stadienverschiebung seit 1995 nimmt der Anteil der Patienten mit einem kolorektalen Karzinom im Stadium III im Verhältnis zu Stadium I und II zu. Die Patienten erhalten somit eine adäquate, optimale Therapie. Ein Beispiel aus Deutschland bezieht sich auf die Frage, wann beim Rektumkarzinom eine Radiochemotherapie eingesetzt werden sollte. Die Erlanger Studiengruppe konnte zeigen, dass die Lokalrezidiv-Rate deutlich sinkt, wenn die Radiochemotherapie vor und nicht nach der Operation durchgeführt wird. Dieses Vorgehen ist mittlerweile Standard und stellt auch eine Kennzahl für die Zertifizierung der Darmkrebszentren dar. Analog zur Erlanger Rektumkarzinom-Studie würden wir gerne mehr derartige Studien in Deutschland sehen. Denn manche Versorgungsparameter sind in Deutschland anders als in England oder den Niederlanden. Studien sollten dort erarbeitet werden, wo die Versorgung stattfindet. Gerade, wenn es um interdisziplinäre Zusammenarbeit geht, sind die nötigen Strukturen an den Zentren vielfach bereits vorhanden. Meine These ist, dass zertifizierte Zentren aufgrund ihrer Konstellation eine wirklich gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung klinischer Studien bieten. Aktuell behandeln wir zum Beispiel 35 Prozent aller Patienten mit einem kolorektalen Karzinom in den DKG-zertifizierten Darmkrebszentren. Dort besteht also ein enormes Potenzial für die Durchführung von Studien, das auch genutzt werden sollte, nicht zuletzt deshalb, weil die Abläufe in den Zentren transparent und klar strukturiert sind. Gerade weil festgelegt ist, wer für was zuständig ist und alle zusammen arbeiten, können dort auch übergreifende Fragestellungen beantwortet werden. Anforderungen an die Psychoonkologie, Aspekte der partizipativen Entscheidungsfindung, Krebsprävention, auch diese Themen ließen sich hervorragend durch entsprechende Studien an den Zentren untersuchen. Wie sieht die Realität aus? Beim Darmkrebs sollten laut Kennzahlenbögen zehn Prozent aller Primärfälle in eine Studie eingebracht werden. In einem Darmkrebszentrum ist ein Primärfall ein Patient, der operiert wird, das macht die Erreichung dieser Quote ohnehin schwieriger. Immerhin erfüllen 68 Prozent der Darmkrebszentren diese Vorgabe. Bei den Prostatakrebszentren lautet die Sollvorgabe fünf Prozent. Das erfüllt nur ein Drittel der Median liegt bei zwei Prozent. Ähnlich ist die Situation bei den gynäkologischen Krebszentren; die Quote von fünf Prozent erfüllen 42 Prozent, der Median liegt bei 3,9 Prozent. Bei den Lungenkrebszentren erreichen 62 Prozent die Sollvorgabe von zehn Prozent, wahrscheinlich deswegen, weil sie größere Einheiten darstellen. Zu den generellen Problemen gehört das Fehlen von Studien in bestimmten Indikationen: Es gibt zum Beispiel aktuell keine Studie zur adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms. Selbst wenn Zentren wollten, können viele ihre Primärfälle also nicht in Studien einbringen. Bei den Darmkrebszentren scheint die Anzahl an Primärfällen für die Studienquote keine so große Rolle zu spielen: Es gibt Zentren mit unter 60 oder 60 bis 100 Fällen und einer Studienquote von ungefähr

45 Schnittstellen in der Krebsversorgung bis 18 Prozent; Zentren mit über 100 Primärfällen kommen auch nur auf 18 Prozent. Diese Quoten haben sich über Jahre nicht wesentlich geändert. Warum also schaffen die Zentren keine höheren Studienquoten? Sidney Brenner formulierte in einer Kolumne in Trends in Cell Biology einmal einen Satz, der mir in Erinnerung geblieben ist: Science should be the most exciting thing with your trousers on. Mit anderen Worten, eine wesentliche Motivation für die Durchführung wissenschaftlicher Studien ist Neugier. Man kann aber einem Zentrum, das bereits mit der Routineversorgung an die Grenzen des Belastbaren kommt, nicht auch noch über eine Studienquote Neugier verordnen. Die andere Frage betrifft die Kapazität: Welche Studienangebote bestehen tatsächlich für die Primärfälle? Anders als in den USA oder Großbritannien existieren hierzulande keine Institutionen wie das National Cancer Institute oder das Medical Research Council, die industrieunabhängige Forschungsprojekte finanzieren. Das heißt, es fehlt bei uns an der nötigen Finanzierung. Alle reden von Versorgungsforschung, keiner fördert sie, oder wenn, dann mit nicht ausreichenden Beträgen. Dazu kommt, dass Wissenschaftler mit hervorragenden Ideen, aber ohne unmittelbaren Zugang zu den entsprechenden Strukturen, kaum unterstützt werden, wenn es um Fragen der Logistik, der Finanzierung oder der Protokolleinreichung geht. Mittlerweile sind die Studienvorgaben so überbordend, dass sich jemand, der sich nicht täglich damit befasst, praktisch kaum durchfindet. Häufig deckt die Finanzierung durch die Fallgelder nicht den zusätzlichen Aufwand für die Studie. In Ulm führen wir derzeit eine Studie zur Darmkrebs-Sekundärprävention mit Grünteeextrakt durch. Diese Studie fördert die Deutsche Krebshilfe immerhin mit zwei Millionen Euro. Aber auch für die DKH ist es schwierig, Patientenfallpauschalen und Pauschalen für das Zentrum aus Spendengeldern zu generieren. Die Zentren melden zurück, dass eine Finanzierung der Study Nurse auf diese Weise nicht möglich ist und eine Teilnahme deshalb nicht in Frage kommt, trotz Interesses am Projekt. Es muss also alternative industrieunabhängige Fördermöglichkeiten für studienaktive Zentren geben, sonst können wir künftig nur noch Studien mit und für die Industrie machen, aber keine Fragestellungen bearbeiten, die uns vielleicht gerade in den Zentren auf den Nägeln brennen. Viele Kollegen in Kliniken mit privater Trägerschaft melden, dass ihr Träger kein Interesse an Studien hat, weil sie kein Geld bringen. Auch die Krankenkassen halten sich bei der Unterstützung studienaktiver Zentren bedeckt. Und das, obwohl gleichzeitig aufwändige Projekte finanziert werden. Es gibt in Oberfranken eine Studie, die die Eignung von Kolonkapseln als Darmkrebsvorsorgeuntersuchung testet. Dieses Konzept wird sich schon aus Kostengründen nicht durchsetzen, dennoch erfolgt die Finanzierung dieser Studie durch eine Krankenkasse. Die DRGs enthalten keinen Anteil für Investitionen. Gleichzeitig sind wir in den Krankenhäusern aber gefordert, Evidenzen zu generieren, um die Versorgung zu verbessern. Wie soll das gehen? Die Einwerbung von Studien erfordert heutzutage enormes Engagement. Eine Studie fällt einem nicht plötzlich in den Schoß. Als Studienleiter muss man präsent sein, auf Studientreffen gehen, Kongresse besuchen das ist ein enormer Zeitaufwand. Personen in dieser Funktion arbeiten in ihren Kliniken meist an exponierter Stelle als Chef- oder Oberärzte. In ihrer Abwesenheit gibt es für sie keine Vertretung. Oft entscheiden sie sich dann, lieber zu Hause zu bleiben, weil sie die Arbeit sonst nicht bewältigen. Dazu kommt, dass Zentren auch große Anstrengungen unternehmen, um ihre Zertifizierung aufrechtzuerhalten. Es bringt manche Zentren an den Rand ihrer Möglichkeiten, die nötigen Fallzahlen aufzubringen, das Tumorboard zu organisieren, die SOPs für alle Bereiche zu erstellen, Informations-

46 44 Tagungsband materialien zu produzieren, die psychoonkologischen Ressourcen sicherzustellen, ein Dokumentationssystem zu beschaffen, die Dokumentation auf Stand zu halten und die Auswertungen aus dem System zu generieren. Da fehlen die Ressourcen für zusätzliche Studien, zumal deren Durchführung ziemlich komplex ist: Sie müssen Study Nurses vorweisen, Ihre Ärzte müssen Prüfarztkurse absolviert haben. Man kann argumentieren, die Zertifizierung erleichtere den Zentren den Zugang zu einer besseren Infrastruktur. Bei den Audits geht es auch darum, die Zentren zu beraten, wie sie gegenüber ihrem Träger auftreten können, um in diesem Punkt mehr als den allgemeinen Behandlungsstandard anbieten zu können. Aber die Verhandlungen mit dem jeweiligen Träger sind teilweise sehr langwierig und basieren auf unsicheren Strukturen. Wenn zum Beispiel der Chirurg wechselt und es länger dauert, bis ein Ersatz gefunden ist, reduzieren sich die Fallzahlen. Als Folge geht die Zertifizierung verloren und damit auch die mühsam erkämpfte Infrastruktur. Das gleiche passiert, wenn die Study-Nurse, die viele wichtige Aufgaben in der Studienkoordination übernimmt, ausfällt. Dann bricht die Dokumentation für die Studien plötzlich zusammen. Ohne Konzept für ein entsprechendes Back-up bei personellen Ausfällen funktioniert die Durchführung von Studien nicht. Die Zertifizierung löst dieses strukturelle Problem nur zum Teil. Ich habe bereits erwähnt, dass die auf die Primärfallzahlen bezogene Studienquote oft nicht erfüllt werden kann, weil für bestimmte Indikationen die Studien fehlen. Andere Studien, die wir dringend zum Beispiel in der Prävention und in der Nachsorge benötigen, gehen nicht in die Quote ein. Zumindest für den Darm haben wir uns in der Zertifizierungskommission überlegt, die Studienquote zu ändern. Studien zur chirurgischen und medikamentösen Therapie kolorektaler Karzinome oder Studien zur Nachsorge müssen und sollten prospektiv und bevorzugt randomisiert sein. Wir nehmen aber auch Studien zur Prävention und zur Versorgungforschung auf. Polypen-Prävention, Maßnahmen zur Verbesserung der Teilnahme an Vorsorgemaßnahmen, Informed Decision Making bei Screening- Maßnahmen Studien zu diesen Themen werden wir in Zukunft auch berücksichtigen. Ich sehe die Zentren auch als Zentren der Prävention an, nicht nur als Einrichtungen zur Therapie und Nachsorge. Dieser Aufgabe können wir damit gerecht werden. Wenn Sie in den Benchmark-Bericht sehen, finden Sie auch Zentren mit sehr hohen Studienquoten. Dabei handelt es sich teilweise um reine Registerstudien, bei denen der Pathologe sein Material an eine Registerbank schickt, damit ist der Patient dann in einer Studie. Das halten wir nicht für sinnvoll: Eine Studie, die keinem Monitoring unterliegt, in der nur Material gesammelt und ein Bogen versandt wird, fällt eher in die Kategorie einer Anwendungsbeobachtung. Reine Materialsammlungen werden wir bei dieser Studienquote für die Zertifizierung nicht berücksichtigen. Wir haben deswegen ein gemeinsames Studienboard gegründet, an dem sich mehrere Fachgesellschaften beteiligen: die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), die chirurgischen Fachgesellschaften, die Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO), die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und die Arbeitsgemeinschaft der zertifizierten Darmkrebszentren (ADDZ). Auf diese Weise hoffen wir auf einen großen Pool an möglichen Studien, bei denen Zentren teilnehmen können und die mit einem vertretbaren Aufwand durchführbar sind. In der Tat gibt es positive Beispiele für solche Studien; ich denke zum Beispiel an die Resektat-Studie von Professor Benz in Nagold. Das ist eine realitätsnahe Studie, die sehr gut rekrutiert und großen Anklang bei den beteiligten Zentren findet.

47 Schnittstellen in der Krebsversorgung 45 Abb. 8: Die Resektatstudie Beispiel für eine Studieninitiative aus einem Darmzentrum. Abb. 9: Das Design der Resektatstudie.

48 46 Tagungsband Wir plädieren deshalb für die Gründung eines Studienbüros, eventuell unter Mithilfe der Deutschen Krebsgesellschaft. Dort sollte ein Antragsteller ein Konzept einreichen können und Unterstützung erhalten, zum Beispiel bei der Überprüfung der Machbarkeit, beim Vergleich mit ähnlichen Studien, in Fragen des Studiendesigns, bei den statistischen Anforderungen und bei der Suche nach möglichen Fördermöglichkeiten. Sinnvoll wäre idealerweise auch eine Beratung in Fragen zu den regulatorischen Anforderungen: Denn mittlerweile sind nicht nur die Auflagen für Studien nach dem Arzneimittelgesetz hoch, sondern auch bei Fragestellungen zu Medizinprodukten. Natürlich muss man die Finanzierung klären, an die großen Kostenträger herantreten, mit Krankenkassen und anderen sprechen. Aber mit einem überzeugenden Konzept für versorgungsnahe Studien an zertifizierten Zentren bin ich zuversichtlich. Momentan verfolgen wir die Strategie, dass Studien sein müssen; dabei drückt man die Augen zu, wenn die Studienquote von zehn Prozent nicht erreicht wird und das Zentrum ansonsten eine qualitativ hochwertige Versorgung leistet. Ich glaube, wir müssen vom Muss zum Soll. Wie gesagt, Neugier kann man nicht verordnen. Zentren, die wirklich studienaktiv sind, sollten vielmehr zusätzlich zu ihrem Zertifikat als aktives Studienzentrum ausgewiesen werden. Dann können wir die auszeichnen, die wirklich Studien machen, ohne den anderen guten Zentren das Zertifikat entziehen zu müssen. Mein Fazit: Studien, gerade an zertifizierten Zentren, sind notwendig, weil diese Zentren die Versorgungsrealität abbilden und damit auch ein Motor für weitere Verbesserung der Patientenversorgung sein können. Die Durchführung von Studien stellen die Zentren aber vor, zum Teil nicht lösbare Herausforderungen, bei denen man sie unterstützen muss. Wir brauchen eine Einrichtung, die interessierte Zentren unterstützt, eine geeignete Studie zu finden oder vielleicht sogar selber zu initiieren. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. Diskussion Frage: Erwarten Sie durch die ambulante spezialärztliche Versorgung (ASV) eine Zunahme der Studien? Prof. Seufferlein: Ich glaube, die ASV wird unsere Probleme nicht wesentlich ändern. Dr. Bruns: Ist die Einhaltung von Leitlinien in studienaktiven Zentren besser als in Zentren, die weniger studienaktiv sind? Gibt es dazu Daten? Prof. Wöckel: Es gibt eine Publikation zu diesem Thema. Wir haben herausgefunden, dass der Outcome von Patienten, die leitlinienkonform therapiert werden, nicht besser ist als bei Patienten, die in Studien therapiert werden. Zwar ist die Studienteilnahme in Zentren höher als in Nicht-Zentren, aber das Behandlungsergebnis ist bei den konform-therapierten Patienten, die nicht Studien therapiert werden, genauso gut wie bei den Studienteilnehmern. Prof. Seufferlein: Wir haben das einmal durchgespielt: Die nicht so studienaktiven Zentren, gehören beileibe nicht zu den schlechten Zentren. Wir haben exzellente Zentren, die eine hohe Qualität aufweisen und die Leitlinien sehr, sehr gut umsetzen, aber kaum Studien durchführen. Dr. Bruns: Danke, das war die Antwort auf meine Frage. Jetzt zu Ihrer Anregung, ein Studienbüro bei der Deutschen Krebsgesellschaft einzurichten. Soll das ein Ersatz für das Koordinierungszentrum für

49 Schnittstellen in der Krebsversorgung 47 klinische Studien sein oder ist das eine Geschäftsstelle, die sich sozusagen, makelnd um Ideen kümmert? Prof. Seufferlein: Nein, es geht nicht um einen Ideenmakler, sondern um die Miniaturausgabe eines Koordinierungszentrum für klinische Studien. Wir haben viele Zentren ohne Anschluss an eine größere Einrichtung, die sie bei der Suche nach einer geeigneten Studie oder bei der Entwicklung ihrer eigenen Studienideen unterstützt. Es gibt pfiffige Wissenschaftler ohne ein entsprechendes Umfeld und ohne KKS in ihrer Nähe. Wer diese unterstützende Rolle übernehmen sollte, das ist vollkommen unklar. Aber man könnte sich zum Beispiel eine Kooperation mit einem KKS vorstellen, das dann als Vermittler zu einem KKS in der Nähe des entsprechenden Fragestellers auftritt. Dr. Bruns: Ich war Sprecher des KKS-Netzwerks und deswegen möchte ich für ein Netzwerk und nicht für ein einzelnes Studienzentrum plädieren. Ich glaube aber, die Nähe ist nicht wirklich ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob man sich mit einer Indikation auskennt. Die KKS- Netzwerke haben, glaube ich, eine Menge Expertise, deshalb sollte man auch auf sie zurückgreifen. Prof. Seufferlein: Es geht vor allem um die Schaffung eines niederschwelligen Angebots. Dr. Wesselmann: In der Tat, es ist ein häufiges Problem für Zentren, an die Informationen über geeignete klinische Studien und Versorgungsforschungsstudien kommen. Deswegen finde ich Ihre Auswertung sehr spannend. An der Resektat-Studie von Herrn Prof. Benz, Leiter eines Darmkrebszentrums, nehmen ausschließlich nicht-universitäre Zentren teil. Sie wurden von Herrn Benz direkt angesprochen, weil er selber als Sprecher in der Arbeitsgemeinschaft der Darmkrebszentren aktiv ist. Ansonsten beobachten wir, dass die universitären Zentren aufgrund ihrer guten Vernetzung die Studienquote am besten erfüllen. Prof. Wöckel: Aus meiner Erfahrung sind die Zentren mit den meisten Studien nicht an Universitäten, sondern an größeren, nicht-akademischen Lehrkrankenhäusern angesiedelt. Das ist der deutsche Studienmittelstand, genau diejenigen, auf die man sich verlassen kann. Die müssen wir ansprechen und für diese Zielgruppe ist die Niedrigschwelligkeit sicherlich ein wichtiges Thema. Dort gibt es hervorragende Leute, denen man eine Chance bieten sollte. Prof. Seufferlein: Es geht vor allem um die Art der benötigten Studien. Versorgungsnahe Studien müssen von denen durchgeführt werden, die uns versorgen. Vor allem beim Darmkrebs sind das nicht in erster Linie die großen Universitätskliniken, sondern die mittleren und kleineren Zentren. Die muss man darin unterstützen, interessante, für ihre Realität relevante Fragestellungen zu beforschen. Das machen uns die Engländer und die Holländer vor, aber wir haben es noch nicht richtig gut umgesetzt. Frage: Ich habe eine ganz allgemeine Frage zu den Studien. Unabhängig davon, ob sie niederschwellig oder höherschwellig aufgesetzt werden, in welchem Ausmaß sind sie interdisziplinär? Prof. Seufferlein: Wir sehen eine ganze Reihe interdisziplinärer Ansätze. Im Bereich Rektumkarzinom untersucht eine Studie zum Beispiel, ob es besser ist, die Patienten zunächst zu bestrahlen und dann zu operieren, oder nach der Bestrahlung auf die OP zu verzichten. In einer anderen Studie untersuchen wir, ob man bei Patienten mit synchron metastasiertem Kolonkarzinom den Primärtumor operieren soll oder nicht.

50 48 Tagungsband Dr. Wesselmann: Wenn es keine weitere Fragen mehr gibt, dann kommen wir jetzt zu dem dritten Komplex unseres Kreislaufs, der Krebsregistrierung. Frau Dr. Hiltrud Kastenholz hat dieses Thema auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums in den letzten fünf Jahren intensiv und federführend betreut und wird heute durch diesen Veranstaltungsblock führen. Dr. Kastenholz: Herzlichen Dank, Frau Wesselmann. Ich freue mich, dass wir jetzt zu einem sehr praxisnahen Aspekt des Tages kommen, nämlich zu den klinischen Registerdaten. Das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz, das im April in Kraft trat, war ein wesentlicher Schritt hin zu einer Verbesserung der Qualität der Versorgung. Wir stehen im Moment vor der flächendeckenden Etablierung der klinischen Krebsregistrierung. Mit diesen Daten wird sich die Qualität der Versorgung im Bereich der Onkologie erheblich verbessern. Zum einen schaffen die Register Orientierung für Leistungserbringer in Bezug auf die Qualität ihrer eigenen Behandlung. Auf diese Weise entsteht mehr Transparenz als bislang, bis hin zu der Möglichkeit, die Krebsregisterdaten auch für die Leitlinienentwicklung und Versorgungsforschung zu nutzen. Ich freue mich, diesen Fortschritt jetzt genauer zu diskutieren. Der erste Beitrag kommt von Herrn Professor Hofstädter er war der Sprecher von Ziel 8 im Nationalen Krebsplan. Sein Vortrag trägt den Titel Was brauchen Krebsregister von Leitlinien und Leistungserbringern? Herr Professor Hofstädter, bitte schön.

51 Schnittstellen in der Krebsversorgung 49 Was brauchen Krebsregister von Leitlinien und Leistungserbringern? Prof. Dr. Ferdinand Hofstädter, Direktor des Instituts für Pathologie der Universitätsklinik Regensburg Sehr geehrte Damen und Herren, ich gestehe, dass ich bei dem mir zugedachten Vortragstitel zunächst ins Stolpern geriet. Denn eigentlich sollen die Krebsregister ja Informationen an die Leistungserbringer zurückspiegeln. Dennoch stellt sich die Frage, welche Art der Informationen die Register benötigen, damit sie dieser Aufgabe sinnvoll nachgehen können. Schauen wir noch einmal kurz auf die Zielsetzung der klinischen und epidemiologischen Krebsregister: Die Leistungserbringer die Krebsregister brauchen sie, um den Erfolg ihres eigenen Tuns abschätzen zu können und um die entsprechenden Kapazitäten für eine erfolgreiche Krebsversorgung besser planbar zu machen. Umgekehrt sind auch die Leitlinien auf die Daten der Krebsregister angewiesen. Nur so lässt sich der Beweis antreten, dass sie umgesetzt werden können und tatsächlich in der Fläche wirksam sind. Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Die in den Leitlinien beschriebenen Parameter sollten so definiert sein, dass sie in ein Register aufgenommen und verarbeitet werden können. Dabei sollte man sich auf bestimmte für die Behandlungsqualität entscheidende Indikatoren konzentrieren, diese müssen klar definiert, messbar und versorgungsrelevant sein und auch im Register abgebildet werden können. Und erlauben Sie mir den Hinweis, sie sollten auch über längere Zeit gelten. Register sind langfristig angelegt; sie begleiten den Patienten entlang der gesamten medizinischen Versorgungskette. Wenn die Leitlinie den Fortschritt des medizinischen Wissens abbildet und dieser sehr kurzlebig ist, dann ändern sich möglicherweise auch die Indikatoren für eine optimale Patientenversorgung. Ich versuche das Problem an einem Beispiel zu verdeutlichen: Kurzfristige Änderungen in der Tumorklassifikation führen unter Umständen dazu, dass Patienten von der einen in die andere Kohorte wechseln. So etwas gab es etwa bei den lymphatischen Erkrankungen. Das kann zu gewissen Widersprüchen führen und wir müssen Kompromisse zur Lösung dieses Problems finden, damit man Register-Ergebnisse langfristig betrachten kann. Was können die Krebsregister von den Leistungserbringern erwarten? Im Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) ist die Herangehensweise sehr klar beschrieben. In der Begründung zu Satz 2 des Gesetzes heißt es, dass die Rückmeldung der Auswertungsergebnisse durch die Krebsregister alle notwendigen Informationen für einen strukturierten Prozess der Qualitätsoptimierung enthalten muss. Das setzt aber voraus, dass die Leistungserbringer diese Rückmeldungen nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen, wie in der Vergangenheit oft geschehen, sondern diskutieren, auch mit den Krebsregistern. Dazu gehört auch, dass sie sich im Dialog mit den Registern mit der Unterschiedlichkeit der Ergebnisse zwischen einzelnen Leistungserbringern beschäftigen. Auch das ist im KFRG

52 50 Tagungsband vorgegeben. Die beste klinische Krebsregistrierung ist nutzlos, wenn sie von den Leistungserbringern nicht aufgegriffen wird, um entsprechende Optimierungsansätze zu finden. Eine weitere Aufgabe der klinischen Krebsregister ist gesetzlich in der Begründung zu Abschnitt 4 angelegt: Die Daten der klinischen Krebsregister sollten durch einrichtungsübergreifende Qualitätszirkel oder interdisziplinäre Arbeitsgruppen in strukturierten Prozessen ausgewertet werden, um Qualitätsdefizite aufdecken und die erforderlichen Maßnahmen anzustoßen. Diese Forderung geht über das Konzept, das wir aus der Zertifizierung der Krebsgesellschaft schon kennen, hinaus: Nicht nur die eigene Einheit sollte dabei betrachtet werden, sondern die Gesamtheit aller Versorgungseinheiten in einer Region. Auf diese Weise sollte es möglich sein, regional auftretende Versorgungsdefizite zu erfassen. Dabei geht es auch nicht nur um die Versorgung von Krebspatienten, sondern ebenso um Früherkennungsprogramme wie das Mammographie-Screening oder die entsprechende Aufklärung der Patienten. In der Begründung zu Abschnitt 6 des KFRG geht es um die Pflichten der Leistungserbringer, die für die Funktion und Effektivität der klinischen Krebsregister bedeutsam sind. Hier ist der Begriff des Datenmanagements genannt, das mit der Funktionsweise des klinischen Krebsregisters abgestimmt sein muss. Das betrifft auch die Dokumentationsinfrastruktur, die Datenwege und die Datenspeicherung. Hier sollten die klinischen Krebsregister eingebunden sein. Die Auswertungen, die das klinische Krebsregister durchführt, dürfen nicht isoliert, quasi im Alleingang, durchgeführt werden, sondern müssen gemeinsam mit den Leistungserbringern erfolgen. Wie diese Abstimmung zwischen Zentren und Krebsregistern aussehen kann, haben die Deutsche Krebsgesellschaft und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren bereits vor drei Jahren in einer Muster-Kooperationsvereinbarung exemplarisch niedergelegt. Dort wird exakt definiert, was das jeweilige Zentrum liefert, was das Krebsregister verarbeitet, was das Krebsregister und was das Zentrum erwartet. Eine solche Transparenz ist beispielhaft und sollte meiner Meinung nach auch auf andere Leistungserbringer ausgeweitet werden. Natürlich sollten die gelieferten Daten möglichst vollständig sein das ist eine der Fördervoraussetzungen für die Register. Diese Forderung ist nicht trivial. In meiner Praxis habe ich immer wieder erlebt, dass Datenlieferungen nach Jahren der Kontinuität plötzlich versiegen, sei es, weil das Personal wechselt oder aus anderen Gründen. Wir erwarten außerdem, dass diese Datenlieferung strukturiert ist; auch das ist ein Förderkriterium. Für eine plausible Verarbeitung werden strukturierte Daten benötigt, die exakt den Vorgaben entsprechen und zeitnah möglichst elektronisch geliefert werden. Die größte Gefahr für dieses Gesetz liegt jedoch nicht in der mangelnden Technik, sondern darin, dass die Leistungserbringer diese Daten nicht nutzen. Das war in der Vergangenheit bisweilen der Grund für das Scheitern der Krebsregister. Deshalb muss das Hauptaugenmerk auf der Nutzung der Registerdaten in der jeweiligen Organisation liegen. Besondere Bedeutung in diesem Zusammenhang kommt der Tumorkonferenz zu. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten der Beteiligung: Entweder organisiert das Tumorzentrum die Teilnahme des Krebsregisters an der Tumorkonferenz, oder man überführt die Beschlüsse des Tumorboards in die Krebsregister, so dass eine doppelte Dokumentation vermieden wird. Die Daten können genutzt werden für interne Audits, für das QM-System der jeweiligen Praxis oder des Krankenhauses, für die SOPs zur Organisation der internen Klinikabläufe und für die Zertifizierung. Sie sollten außerdem in den regionalen Qualitätskonferenzen und in der Versorgungsforschung verwendet werden. Darüber hinaus wünschen sich die klinischen Krebsregister die Übermittlung der Daten in einem daten-

53 Schnittstellen in der Krebsversorgung 51 sparsamen Format, mittlerweile haben sich alle entsprechenden Einrichtungen auf den ADT-Datensatz geeinigt. Das folgende Beispiel illustriert das Verbesserungspotenzial, das von den Krebsregistern ausgeht. Der Sprecher eines Brustzentrums wies vor Jahren in einer Qualitätskonferenz darauf hin, dass die Pathologen bei der Mammakarzinom-Diagnostik neben dem Her2-neu Marker meist noch weitere prognostische Marker, wie etwa Ki-67 oder MIP-1, bestimmen. Es gibt dafür in der Literatur keine wirkliche Basis. Brauchen wir diese häufigen Markerbestimmungen überhaupt? Und ist es tatsächlich möglich, diese Tests standardisiert zu erheben, auch wenn sie verschiedene Pathologen mit unterschiedlichen Methoden durchführen? Das müsste doch eigentlich geprüft werden. Wir haben uns entschlossen, dieser Frage anhand der Registerdaten in unserer Region nachzugehen. Eine Mitarbeiterin wertete die Daten aus und beschäftigte sich mit der Frage, ob die Marker bei der Entscheidung über die Therapie des Mammakarzinoms genutzt werden können. Diese Untersuchung ist deshalb von praktischer Bedeutung, weil die Unterteilung der Mammakarzinome in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel erfuhr: Die Erhebung des Her2-neu- und Östrogenrezeptor-Status hat zu einem Expressions-Clustering geführt. Wir sprechen auch von molekularen Signaturen, die sich von der klassischen, histologischen Diagnostik abheben. Da gibt es zwei Brustkrebsformen, Luminal-A und Luminal-B-Tumoren, deren Unterscheidung bedeutsam für die Entscheidung über die adjuvante Therapie ist. Ein zusätzlicher Marker wie Ki-67 wäre für die Wahl der richtigen Therapie durchaus hilfreich. Der ist aber bisher weder standardisiert noch prospektiv validiert worden. Fragen nach dem Schwellenwert sind noch offen, es existieren dazu zwar Metaanalysen, aber keine randomisierten Studien. Vor allem fehlen Aussagen über die Eignung dieses Markers in der Versorgungsrealität. Wir konnten bei unserer Untersuchung auf flächendeckende Daten des Tumorzentrums Regensburg mit einer Vollzähligkeit von über 95 Prozent zurückgreifen. Ki-67 war im Erhebungszeitraum von 2005 bis 2011 bei fast Patientinnen mit primärem, nicht metastasiertem, nicht neoadjuvant vorbehandeltem Mammakarzinom erfasst worden. Die Bestimmung erfolgte an mindestens sechs unterschiedlichen pathologischen Einheiten: an einer Universitätsklinik, durch Krankenhauspathologen und kleinere niedergelassene Pathologielabors. Das Grading ließ sich ganz exakt darstellen. Der Cut-off- Wert für Ki-67 lag in dieser Arbeit bei 15 Prozent. Die Arbeit zeigt, dass das Tumor-Grading deutlich mit Ki-67 korreliert. Bei Patientinnen mit Grading 3, also einem hohen Anteil proliferierender Zellen, sind die Ki-67-Werte höher als bei Patientinnen mit einem niedrigen Grading von 1, sprich einem geringen Anteil an proliferierenden Zellen. Und das, obwohl verschiedene Pathologen unterschiedliche Testmethoden verwenden. In der Tat weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Ki-67 ein relevanter prognostischer Marker für das Gesamtüberleben ist, auch nachdem man die Untersuchung auf den menopausalen Status, die Tumorgröße, die Histologie, den Nodalstatus und den Hormonrezeptorstatus adjustiert hat.

54 52 Tagungsband Abb. 10: Ki-67 korreliert deutlich mit dem Tumor-Grading beim Brustkrebs. Mit Hilfe der Registerdaten kann man sich die Arbeitsweise der einzelnen pseuodonymisierten pathologischen Einrichtungen genauer anschauen und stellt dabei eine erhebliche Varianz in der Qualität des Nachweises fest: Manche Pathologen benutzen zum Ki-67-Nachweis eine händische Färbemethode, andere arbeiten beim Färben mit Automaten. Um diese Varianzen auszuschalten, wurden die Pathologen in dieser Region aufgerufen, sich methodisch auszutauschen, um die Technik zu harmonisieren. Dieser Vorgang, also die Nutzung von Registerdaten zur Klärung einer offenen versorgungsrelevanten Fragestellung, die Rückspiegelung der Ergebnisse an die Leistungserbringer und eine Optimierung der Versorgung, das ist der Weg, den wir künftig gehen müssen. Ich komme noch einmal zu meiner Ausgangsfrage zurück: Wie lauten die wichtigen Fragen, die im Dialog zwischen den Leistungserbringern und den Krebsregistern angesprochen werden müssen? Damit die Register optimal arbeiten können, müssen zunächst Dokumentationsfehler ausgeschlossen werden. Diese entstehen bisweilen, weil Parameter unterschiedlich interpretiert werden. Deshalb bereiten wir für die Zentren entsprechende Auswertungspräsentationen vor und gehen sie gemeinsam mit ihnen durch, um Auffälligkeiten zu besprechen. Im nächsten Schritt muss der Leistungserbringer bereit sein, darüber nachzudenken, ob eventuell Qualitätsdefizite vorliegen. Sollte das der Fall sein, muss er darauf eingehen, geeignete Gegenmaßnahmen entwickeln und sich bei der Durchführung dieser Maßnahmen begleiten lassen.

55 Schnittstellen in der Krebsversorgung 53 Auch die klinischen Krebsregister brauchen Beratung: im Hinblick auf das, was sie dokumentieren müssen, was relevant ist für die Versorgung und in welcher Form die Dokumentation erfolgen soll. Sie müssen außerdem bereit sein, bei der Optimierung der unterschiedlichen Dokumentationswege mitzuwirken. Sie müssen sich auch bei Fragestellungen aus der Versorgungsforschung beraten lassen. Ich habe das Beispiel der Evaluation von Ki-67 angeführt, um Ihnen klarzumachen, dass gute Versorgungsforschung nur dann entstehen kann, wenn Krebsregister und Kliniker eng zusammenarbeiten. Die klinischen Krebsregister wünschen sich darüber hinaus, dass die Erkenntnisse aus den Registerdaten eingebunden werden in die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Es erschreckt mich immer, wenn ich Vorlesungen von Kollegen höre, in denen Daten aus Wisconsin oder Neuseeland aus dem Jahr 1990 behandelt werden, aber nicht die Daten des klinischen Krebsregisters Regensburg, obwohl das für die Hörer sehr viel relevanter wäre. Herzlichen Dank. Diskussion Dr. Kastenholz: Herzlichen Dank, Herr Professor Hofstätter, der Vortrag hat sehr schön gezeigt, wie wichtig ein vertrauensvoller Dialog zwischen Krebsregistern, Leistungserbringern und Leitlinienerstellern ist. Aus politischer Sicht möchte ich noch ergänzen, dass die klinischen Krebsregister den Gesundheitsministern nicht nur die Möglichkeit bieten, Daten zu erheben, sondern gemeinsam mit den Klinikern in einen vertrauensvollen Verbesserungsprozess einzutreten. Ich darf Sie um Ihre Fragen und Anmerkungen bitten. Frage: Auch wir kennen das Phänomen, dass regionale Versorgungsdaten in der Aus- und Weiterbildung meist unter den Tisch fallen. In den USA existieren entsprechende Programme und ich habe schon mehrmals vorgeschlagen, so etwas hier in Deutschland vielleicht auch auf der Basis unserer Register aufzubauen. Ist die Zeit für ein solches Projekt mittlerweile reif? Prof. Hofstädter: Ja, das ist tatsächlich ein ganz aktuelles Thema. Wenn die klinischen Krebsregister weiter ausgebaut werden und vollständige Daten bundesweit vorliegen, dann ist das ein wertvolles Gut, das der Versorgungsforschung, der Aus- und Weiterbildung ohne große Hürden zur Verfügung gestellt werden müsste. Der Zeitpunkt ist da, um darüber nachzudenken, wie man diese Lücke füllen könnte. Frage: Auf europäischer Ebene gibt es die elektronischen Health Records. Die Daten, die Sie in den klinischen Zentren erheben, enthalten ja auch all die Felder, die dort relevant sind. Wie kann man eine Doppelerfassung vermeiden? Prof. Hofstädter: Die elektronische Erfassung steht im Zentrum der Überlegungen der Kostenträger, also der Kassen. Die Realität beurteile ich allerdings skeptisch. Wir bemühen uns, in die Förderkriterien konventionelle Wege einer Datenerfassung aufzunehmen. Die Nachsorge wird vielfach von Ärzten mit wenigen Krebspatienten durchgeführt, die elektronisch nicht angebunden sind. Wenn wir von einem Orthopäden mit einer vor drei Jahren behandelten Mammakarzinom-Patientin eine schriftliche Meldung erhalten, dann müssen wir in der Lage sein, diese Meldung aufzunehmen, um das Follow-up möglichst hoch zu halten. Daher werden wir noch für längere Zeit Meldungen auf dem Papierweg zulassen müssen. Frage: Sie haben dankenswerterweise schöne Beispiel für die molekulare Klassifizierung bestimmter Tumoren gebracht. Sind im GEKID-Datensatz dafür schon Felder vorgesehen? Und gibt es auch schon ein Feld für genomische Informationen?

56 54 Tagungsband Prof. Hofstädter: Ja, wir haben für bestimmte Tumoren Module entwickelt, in die molekulargenetische bzw. prädiktive Faktoren aufgenommen werden können. Grundsätzlich verfolgen wir gemeinsam mit der GEKID das Konzept, den Basisdatensatz möglichst knapp zu halten und für spezifische Anwendungen Module entwickeln, die dann ausgetauscht werden können. Wenn man sofort alle Parameter in den Basisdatensatz aufnimmt, dann schwillt er unnötig an und das führt zu Redundanzen in der Datenerhebung. Daher haben wir uns für das Konzept der Modularisierung entschieden. Dr. Kastenholz: Vielen Dank, Herr Professor Hofstädter. Wir kommen jetzt zum nächsten Vortrag. Die Präsentation von Herr Dr. Voigt, dem ehemaligen Leiter eines klinischen Krebsregisters in Ulm, behandelt die Frage, ob die Routinedaten eines Krankenhausinformationssystems für die Datenerfassung durch die klinischen Krebsregister nutzbar sind.

57 Schnittstellen in der Krebsversorgung 55 Sind die Routinedaten eines KIS für die Erfassung der Daten der klinischen Krebsregister nutzbar? Walter Voigt, Comprehensive Cancer Center Ulm, Universitätsklinikum Ulm Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für die freundliche Einführung. Im ersten Teil meines Vortrags befasse ich mich zunächst mit den Routinedaten in unserem Krankenhausinformationssystem (KIS) und erkläre anhand ihrer Verarbeitung und Auswertung die Problematik der Tumordokumentation. Im zweiten Teil wird es um die Versorgungsqualität, die Einflussgrößen, die Risikofaktoren und die Möglichkeiten der Optimierung gehen. Ich arbeite am Comprehensive Cancer Center in Ulm (CCCU), das ein Krebsregister der Versorgung betreibt, ähnlich wie alle Register des Landes Baden-Württemberg mit Ausnahme des Landeskrebsregisters. Wenn wir von Routinedaten sprechen, dann meinen wir damit alles, was bei uns in der elektronischen Patientenakte des KIS vorliegt. Eine der wenigen strukturierten Daten dort sind die ICD-10-Diagnosen. Man muss sich das so vorstellen: Monatlich wird bei uns eine Arbeitsliste erstellt mit einem Versatz von drei Monaten. Aus einer Liste aller malignen Diagnosen recherchiert der Dokumentar die relevanten Dokumente in der Patientenakte und dokumentiert die Patienten im Dokumentationssystem CREDOS (Cancer Retrieval Evaluation and DOcumentation System). Das Ergebnis wird in einem Bearbeitungscode festgehalten, anhand dessen wir die Daten analysiert haben. Bei zehn Prozent der Diagnosen, die zunächst als maligne eingestuft wurden, stellte sich später heraus, dass es sich dabei gar nicht um einen Tumor gehandelt hatte. Bei insgesamt 40 Prozent änderte sich nachträglich die ICD-10; hauptsächlich deswegen, weil die Diagnose sehr viel spezifischer geworden war. Bei 50 Prozent wurde der fünfstellige ICD-10-Code übernommen, der zu Beginn vergeben wurde. Betrachten wir noch einmal genauer die Fehlerquellen für die Verschlüsselung, dann finden wir Fehler aufgrund mangelnder Dokumentationskenntnisse und aufgrund unspezifischer Verschlüsselungen. Die Ursache dafür liegt meist in der mangelnden Motivation des Mitarbeiters bzw. in einem Mangel an Zeit für die Suche nach dem spezifischeren ICD-10-Schlüssel. Ein Mitarbeiter eines Krebsregisters erzählte mir von einer Begebenheit, bei der alle Mammakarzinom-Patientinnen eines Krankenhauses immer als C 50.4 gemeldet wurden. Die Nachfrage brachte folgendes ans Licht: Die Einrichtung hatte ein neues Dokumentationsprogramm und die Eingabe von C 50.9 wurde vom System immer mit der Meldung zurückgewiesen, dieser Code sei nicht spezifisch genug. Der Mitarbeiter hatte es daraufhin mit der Eingabe von C 50.4 versucht, das ging anstandslos durch. Welche Gründe gibt es für eine fehlerhafte Diagnose? Die Gründe liegen zum einen in den unterschiedlichen Zielen der Erfassung von Routinedaten (Behandlung und Abrechnung) und Krebsregisterdaten (Qualitätssicherung). Zum anderen liegen sie in dem unterschiedlichen Wissensstand der Akteure, die mit den Routinedaten umgehen und der Akteure bei der Krebsregistrierung. Routinedaten

58 56 Tagungsband haben das Ziel, die Patientenbehandlung zu schematisieren, um die Behandlungskosten zu ermitteln. Medizinische Aspekte spielen eine untergeordnete Rolle. Für die Routinedaten zur behandlungsbegleitenden Dokumentation müssen die Beteiligten wissen: Wer hat wann welche Behandlung oder Diagnostik durchgeführt und in welchem Zustand befand sich der Patient? Handelt es sich bei seiner Erkrankung um einen Primärtumor oder um ein Rezidiv? Die Information muss möglichst rasch für die Präsentation beim Tumorboard zur Verfügung stehen, oft schon zwei bis drei Tage nach der Diagnosestellung. Da bleibt keine Zeit zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den detaillierten Codier-Vorschriften. Deshalb wird die Dokumentation hauptsächlich in Textform durchgeführt. Die Akteure sind greifbar und Details, die für die Therapieentscheidung von Bedeutung sind, wie der der psychische und physische Zustand des Patienten, können nachgefragt werden. Die Datenerhebung für die klinischen Krebsregister erfolgt hingegen zum Zweck der Qualitätssicherung. Die Akteure sind zum Zeitpunkt der Qualitätssicherung meist nicht mehr greifbar (z.b. bei Berechnung von Überlebenszeiten). Dazu brauchen wir standardisierte Merkmale, um das Krankheitsgeschehen zu beschreiben. Die Daten müssen von hoher Qualität sein, möglichst korrekt, detailliert, spezifisch und so vollständig wie möglich, damit sie vergleichbar sind. Abb. 11: Fehlerquellen bei der Diagnoseverschlüsselung. An der Erfassung der Routinedaten sind Akteure mit unterschiedlichen Dokumentationskenntnissen beteiligt: Codier-Fachkräfte, Pflegekräfte und sogar Ärzte. Dadurch entstehen die für die Dokumentation der KKR unbrauchbaren Diagnosen (wie oben angeführt). Eine Registrierung der Daten der Klinischen Krebsregister sollte daher ausschließlich durch qualifizierte, erfahrene und motivierte Dokumentare erfolgen. Natürlich können die Dokumentare nur ihre Aufgabe erfüllen, wenn ausführliche Textinformationen in der elektronischen Patientenakte vorhanden sind.

59 Schnittstellen in der Krebsversorgung 57 Ohne Arztbriefe und Befunde könnten wir keine korrekten Diagnosen ermitteln und keine Auswertung durchführen. Ich möchte das an einem kleinen Beispiel demonstrieren: Die TNM-Klassifizierung für Nierenkarzinome wurde im Zeitraum von 1979 bis 2010 durch die Einführung diverser Unterklassifizierungen vielfach geändert. Für den Arzt genügt es eigentlich schon, die Tumorklasse in Textform zu beschreiben, und zwar so, dass die Stadienbezeichnung daraus ableitbar ist. Mehr Detailwissen braucht er nicht. Für die Dokumentation in einem Krebsregister ist es aber wichtig, dass die Routinedaten nicht unkritisch aus dem KIS übernommen, sondern von gut ausgebildeten Dokumentaren überprüft werden, die solche Änderungen im Klassifikationssystem beim Nierenkarzinom auch nachvollziehen können. Die Qualität eines solchen Krebsregisters steht und fällt also mit der Qualität seiner Dokumentare. Darüber muss man sich im Klaren sein. Deshalb mein Appell: Sparen Sie nicht am Dokumentationspersonal und an Fortbildungen; fördern Sie den Austausch der Dokumentare untereinander. Auch Zeitdruck ist Gift für eine hochwertige Tumordokumentation. Abb. 12: TNM-Klassifizierung für Nierenkarzinome im Zeitraum von 1979 bis Damit komme ich zum zweiten Teil meines Vortrags: Wie erreichen wir eine hohe Qualität in der Arbeit der klinischen Register? Zu den Zielen des Handlungsfelds 2 im Nationalen Krebsplan zählen die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen, die Qualitätssicherung und damit die Verbesserung der Behandlung der Patienten; sie können nur erreicht werden, wenn der Unterbau solide ist. Wenn das Fundament bröcklig ist, nutzt das schönste Gebäude nichts. Mit dem Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) wurde der erste Schritt getan, bis Ende des Jahres wird ein bundesweit verbindlicher einheitlicher onkologischer Basisdatensatz vorliegen. Sicher wird es dann noch Unstimmigkeiten oder Auslegungsdifferenzen geben, aber wir alle helfen gerne mit, diesen Standard zu

60 58 Tagungsband vervollkommnen. Nun liegt es aber an den Versorgern, verlässliche Daten von einer hohen Qualität zu liefern und das ist ein kritischer Bereich. Wie definieren wir denn Qualität? Es muss uns gelingen, die Krankengeschichten von Patienten mit dem gleichen Tumorgeschehen und derselben Behandlung durch das gleiche Modell abzubilden, unabhängig von Ort, Zeit und der behandelnden Einrichtung. Nur dann kann man Benchmarking betreiben. Sicherlich spielt der einheitliche, verbindliche Datensatz dabei eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus benötigen wir auch einheitliche, eindeutige Definitionen der Merkmalsausprägungen. Eine wichtige Voraussetzung für die Anwerbung qualifizierter Kräfte für die klinischen Krebsregister ist eine nachhaltige Finanzierung. Es genügt nicht, die bevölkerungsbezogenen Krebsregister zu finanzieren, so wie im KFRG vorgesehen. Wir brauchen eigentlich einen Finanzierungsschlüssel für Krebsregister, die die primäre Datenerfassung betreiben und einen Finanzierungsschlüssel für Krebsregister, die nur die Datenzusammenführung betreiben. Es gibt natürlich auch Krebsregister, die Mischformen dieser beiden Registerarten darstellen. Für diese kann man dann anteilig den Finanzierungsschlüssel ermitteln. Die primär erhebenden Register haben sicherlich erheblich mehr Aufwand als die zusammenführenden Stellen. Ein Beispiel: Die zusammenführende Stelle findet Widersprüche in den Meldungen, gibt diese zurück an die Stelle, die die primäre Datenerfassung verantwortet; diese wiederum muss den Sachverhalt vor Ort nachrecherchieren, um den Fehler herauszufinden. Umgekehrt brauchen die zusammenführenden Stellen eine große Anschubfinanzierung, um die entsprechende IT zu installieren. Wir selbst haben die Erfahrung gemacht, dass die Qualität unter einer dezentralen Organisation der Dokumentare eher leidet. Nur mit einer zentralen Organisationsform lässt sich erreichen, dass die Dokumentare einheitlich ausgebildet sind und dass auch personelle Ausfälle leichter kompensiert werden können. Auch daran sollte man bei der Einrichtung der Register denken. Damit komme ich zum Thema IT-Plausibilitätsprüfungen. Auch hier ist eine einheitliche Qualität notwendig. Ich halte es für kontraproduktiv, wenn jede der 50 bis 100 Einrichtungen gesondert über eine eigene Lösung zur Durchführungen von Plausibilitätsprüfungen bei der Eingabe der Daten in den onkologischen Basisdatensatz nachdenkt. Man könnte stattdessen zusammen mit dem Datensatz auch eine Vorschrift der Plausibilitätsprüfung entwickeln, die alle benutzen können. Wir verfügen außerdem über viel zu wenig Erfahrung darüber, wie man die Qualität der Datenerfassung überprüft. Man könnte zum Beispiel 50 elektronische Patientenakten zusammenstellen und das Ergebnis mit einer Modelllösung vergleichen. Auf diese Weise könnten wir Defizite erkennen und anhand der Einflussgrößen die Risikofaktoren bestimmen. Das KFRG fordert Vollständigkeit bei der Datenerfassung. Das setzt voraus, dass die Datenübermittlung Pflicht ist und praktikable Regelungen vorliegen, wie ein Verstoß geahndet wird. Aus Baden-Württemberg weiß ich, dass es schwierig sein wird, bei der Vollständigkeit der Dokumentation über die 90-Prozent-Marke zu kommen. Wir brauchen auch in diesem Bereich zumindest Richtlinien und Normen, damit wir uns an die Kassen wenden können. Ich denke, wenn wir diese Unterstützung bekommen, dann können wir die flächendeckende klinische Krebsregistrierung auf einem soliden Fundament aufbauen. Damit bedanke ich mich und stehe für Fragen zur Verfügung.

61 Schnittstellen in der Krebsversorgung 59 Diskussion Dr. Kastenholz: Herzlichen Dank, Herr Voigt. Sie haben noch einigen Anpassungsbedarf genannt, zum Beispiel in Bezug auf die Finanzierung der klinischen Krebsregister. Und Sie sprachen außerdem die Vollständigkeit der Daten an. Die Erhöhung der Fallpauschale zur Finanzierung der laufenden Betriebskosten der Register war ein langer Prozess. Wir haben die Kosten durch ein Gutachten schätzen lassen und sind dann anschließend im Abstimmungsprozess auf einen Betrag gekommen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit für regionale Abweichungen in den Länderregelungen. Das heißt, im Gesetz sind Möglichkeiten zur flexiblen Handhabung eingebaut. Bei der Vollzähligkeit handelt es sich um eine harte Forderung, die wahrscheinlich auch in die Förderkriterien eingeht. Hier müssen wir zunächst die Implementierung der Register in der Übergangsphase abwarten, sie läuft ja immerhin noch bis Ende Frage: Herr Voigt, Sie haben zu Recht auf die Schwierigkeit hingewiesen, Daten aus dem KIS in die Tumordokumentation zu übernehmen. Aber aus unserer Erfahrung möchte ich dafür werben, im KIS rückwirkend genau diese Felder zu implementieren, damit dann die Auswertung tatsächlich möglich ist. Das ist eine gute Möglichkeit zur Steigerung der Datenqualität; der Arzt oder die Pflegekraft, die primär mit der Betreuung des Patienten betraut sind, können die Daten direkt eingeben. Ich plädiere dafür, dass man das KIS entsprechend anpasst, um die Tumordokumentation zu integrieren. Kommentar: So ganz kann ich das nicht stehen lassen. Die Systematik der Abrechnungsdokumentation, die sich im KIS niederschlägt, ist grundsätzlich anders als die der Tumordokumentation. Sehen Sie die Chance, dass sich die Systematiken zwischen dem KIS und der Tumordokumentation etwas stärker annähern? Herr Voigt: Die Chancen werden zumindest besser. Denn die Bereitschaft der Kassen, Qualität zu bezahlen, steigt. Das bedeutet, dass diese Qualitätsparameter in den Abrechnungen auftauchen. Auf diesem Wege kommen wir vielleicht zu einer Lösung. Kommentar: Die Dokumentation für die Krebsregister findet ja nicht losgelöst von allen anderen Dokumentationsaktivitäten statt. Für die Zertifizierung werden doch eigentlich schon alle für das Krebsregister benötigten Daten erhoben. Wer da ein gutes Tumordokumentationssystem besitzt, der ist doch bereits auf einem guten Weg. Dr. Wesselmann: Ich finde auch, dass die Dokumentation für die Krebsregister mehr in der Hand geschulter Dokumentare liegen sollte. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass sich die Datenqualität bei einer hohen Fluktuation von Assistenzärzten verschlechtert; wenn die Lernkurve steigt, wird es zwar besser; dann kommen neue Kollegen und der Verbesserungsbedarf steigt wieder. Es spricht also vieles dafür, mit Hilfe erfahrener Dokumentare mehr Kontinuität in diesem Bereich zu schaffen und diese Aufgabe nicht einem chronisch überlasteten Klinikarzt aufzubürden, der das noch nebenbei erledigen soll. Es geht dabei nicht um den medizinischen Sachverstand, vielmehr um die Dokumentationsfeinheiten, die man in andere Hände geben sollte. Dr. Kastenholz: Vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr Voigt. Ich gebe weiter an Herrn Dr. Bruns, der den nächsten Veranstaltungsblock moderiert. Dr. Bruns: Wir haben das Thema Versorgungsforschung nicht ans Ende gestellt, weil es das Unwichtigste ist, sondern weil sich das so aus der Logik des Kreislaufs ergeben hat. In diesem Schema

62 60 Tagungsband nimmt die Versorgungsforschung eine ganz wichtige Position ein. Umso mehr freue ich mich, dass Dr. Baumann vom Wissenschaftlichen Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen, WINHO, die Moderation dieses Abschnitts übernimmt. Dr. Baumann: Vielen Dank. Unser WINHO-Institut arbeitet eng mit dem Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen zusammen das nur als Ergänzung. Versorgungsforschung ist ein weites Feld, das zwar insgesamt der Entwicklung von Qualität in der Medizin dient, sich aber nicht auf die Qualitätssicherung oder Qualitätsforschung beschränkt. Deshalb würde ich gerne die Unterscheidung zwischen Versorgungsforschung und Qualitätsforschung im engeren Sinne hervorheben. Grundsätzlich besteht außerdem ein Unterschied zwischen der klinischen und der nichtklinischen Versorgungsforschung. Ein großer Teil besonders der industriegeförderten Projekte besteht aus Anwendungsbeobachtungen, um die Wirkung von Medikamenten im Versorgungsalltag besser zu verstehen. Ich sehe das überhaupt nicht negativ. Wir brauchen nicht nur konventionelle klinische Studien, wir brauchen auch gut durchgeführte Anwendungsbeobachtungen. In der nicht-klinischen Versorgungsforschung geht es aber nicht so sehr um die Wirkung von Therapien, sondern vielmehr um die Evaluation von Versorgungssystemen. Im nächsten Vortrag wird Frau Dr. Klinkhammer-Schalke aus Regensburg das Potenzial der klinischen Krebsregister für die Versorgungsforschung, vor allem für die Qualitätsforschung, diskutieren. Für spezifische Fragen bedarf es aber spezieller Versorgungsforschungsstudien. Darum wird es im Anschluss im Vortrag von Professor Pfaff gehen. Frau Dr. Klinkhammer-Schalke, darf ich Sie um Ihren Ihren Vortrag bitten?

63 Schnittstellen in der Krebsversorgung 61 Versorgungsforschung als Instrument der Darstellung von Versorgungsrealitäten PD Dr. Monika Klinkhammer-Schalke, Geschäftsführender Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren, Berlin Sehr geehrte Damen und Herren, Versorgen bedeutet, man kümmert sich darum, dass derjenige, der dringend etwas braucht, auch dazu Zugang erhält. Das heißt, im Zentrum unserer Bemühungen steht der Patient: Er braucht dringend eine optimale Behandlung und für ihn müssen wir das, was an Studien, Leitlinien, Zertifizierung, Dokumentation und Versorgungsforschung notwendig ist, so optimal, so fachlich gut wie nur irgend möglich planen und durchführen. Die zertifizierten Zentren der Deutschen Krebsgesellschaft sind ein gutes Vorbild für ein Versorgungsmodell, bei dem viele Disziplinen interdisziplinär zusammenarbeiten, um eine hohe Versorgungsqualität sicherzustellen. Ich denke, genau diese Art der Zusammenarbeit ist auch bei den Registern, bei der Dokumentation und in der Versorgungsforschung gefragt. Da geht es nicht nur um eine theoretische Interpretation der Daten, sondern auch um die Behandler, die Leiter der Zentren: Sie müssen gemeinsam mit den Forschern auf die relevanten Fragestellungen schauen. Das deutsche Netzwerk für Versorgungsforschung hat sich schon vor einigen Jahren Gedanken über die Grundlagen der Versorgungsforschung gemacht. Zunächst geht es um einheitliche Strukturen. Herr Hofstädter hat soeben ganz deutlich einheitliche Datensätze gefordert. Über die Bedeutung einer klaren Definition leitlinienkonformer Qualitätsindikatoren, die in die Register übernommen werden können, haben wir im Laufe dieser Konferenz bereits gesprochen. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland (GEKID) geben den onkologischen Basisdatensatz vor, dazu kommen die Module und Erhebungskriterien der Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft und die in den Leitlinien festgelegten Qualitätsindikatoren. All das ist bereits definiert und vorhanden. Damit ist schon ein wichtiger Schritt hin zu einer Vereinheitlichung getan. Auch im Bereich Datenschutz sind wir damit auf einem guten Weg; personenbezogene Registerdaten sind sensibel und dürfen auf keinen Fall nach draußen gehen. Darüber hinaus muss es Regeln geben, die die Nutzbarmachung der Registerdaten zum Zwecke der Versorgungsforschung festlegen. Wie sollen die Registerdaten ausgelesen werden, was darf zu welchen Bedingungen genutzt werden? Wie soll die Auswertung und die Rückmeldung der Daten an den Fragesteller erfolgen? Bei kleineren Fragestellungen einer Praxis ergeben sich möglicherweise ganz andere Anforderungen als bei den Fragestellungen größerer Forschungszentren oder bei einer gesamtbundesdeutschen Auswertung zu speziellen Versorgungsforschungsfragen. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob der Patient über diese Forschung informiert werden muss. In 90 Prozent der Fragestellungen war bislang die Zustimmung des Patienten zur Nutzung seiner Daten für

64 62 Tagungsband die Forschung erforderlich. Ich würde mich sehr freuen, wenn Patienten in Zukunft stärker auf den Datenschutz vertrauen. Sie sollten erkennen, dass die anonymisierten Daten, die sie für Forschungszwecke zur Verfügung stellen, tatsächlich etwas verändern können. Wie in jeder Klinik, so müssen auch die Register die Datenverwaltung mit Hilfe entsprechender Standardvorschiften regeln. Darüber hinaus interessiert uns, welche spezifischen Fragestellungen aus der Versorgung von Interesse sind. Das Spektrum denkbarer Auswertungen ist groß und reicht von sozio-demographischen Analysen bis hin zu der Frage, ob es denn tatsächlich eine Verbindung zwischen dem Auftreten eines kolorektalen Karzinoms und Diabetes als Begleiterkrankung gibt. Darüber hinaus geht es um Versorgungsdefizite, um die Behandlungsergebnisse bei spezifischen Therapien, die Überlebensvorteile durch die Umsetzung von Qualitätsindikatoren und die Frage, wo gute Krebsbehandlung stattfindet. Viele Aspekte dieser Themen können mit Hilfe bevölkerungsbezogenen Daten aus klinischen Krebsregistern beantwortet werden. Wir haben in den letzten Jahren eng mit der deutschen Krebsgesellschaft zusammengearbeitet, um zu untersuchen, ob die Behandlung an zertifizierten Zentren besser ist als an nicht-zertifizierten Zentren. In einigen Punkten konnten wir das auch zeigen. Entscheidend ist aber, dass sektorenübergreifend alle Behandlungsschritte erfasst werden. Krebspatienten werden, anders als Diabetiker, von ganz unterschiedlichen Spezialisten behandelt, das heißt sie wechseln vom stationären in den ambulanten Versorgungssektor, vom Hämatoonkologen zum Strahlentherapeuten oder umgekehrt, anschließend gehen sie für die Nachsorge zum Hausarzt. Das Register muss alle diese Schritte abbilden, wenn die Daten später für die Versorgungsforschung nutzbar sein sollen. Im Rahmen des Krebsfrüherkennungs- und Registergesetzes werden wir die Register sehr zeitnah und flächendeckend implementieren. Das heißt, wir können in naher Zukunft mit valide geprüften Daten mit regionalem Bevölkerungsbezug rechnen. Professor Hofstädter hat Ihnen schon detailliert die Ergebnisse des Projekts zur Bewertung der prognostischen Bedeutung von Ki-67 erläutert. Ich möchte hier ganz kurz auf einige andere Beispiele eingehen, die das Potenzial der Krebsregister in der Versorgungsforschung illustrieren. Nationale und internationale Studien zeigen, dass die Entfernung von Lebermetastasen beim metastasierten Darmkrebs für die Patienten einen hohen Überlebensvorteil von ca. 30 Prozent bringt. Das lässt sich auch anhand bevölkerungsbezogener Daten belegen wurden nur ca. 20 Prozent der Lebermetastasen operiert. Seit 2008 ist dieser Punkt explizit in der Leitlinie verankert. Mittlerweile wird diese Leitlinienempfehlung sehr gut umgesetzt; dadurch trat eine deutliche Verbesserung der Situation der Patienten ein. Hier noch ein anderes Beispiel: 2004 stellte die Deutsche Lymphomgruppe nach der Durchführung einer randomisierten Studie fest, dass die zusätzliche Antikörpertherapie mit Rituximab einen beträchtlichen Überlebensvorteil für die Behandelten bringt. Seitdem ist Rituximab in dieser Indikation fester Therapiebestandteil. Aber die Studie war mit einem Studienkollektiv durchgeführt worden, das alte und multimorbide Patienten ausschloss. Deshalb haben wir die Effizienz von Rituximab in unseren bevölkerungsbezogenen Daten überprüft. In der Tat bringt die breite Anwendung von Rituximab allen Patienten Überlebensvorteile. Gerade für ältere Patienten ist es beruhigend zu wissen, dass auch sie von einer solchen Therapie profitieren können.

65 Schnittstellen in der Krebsversorgung 63 Abb. 13: Gesamtüberleben mit und ohne Antikörpertherapie beim Non-Hodgkin-Lymphom Auswertung bevölkerungsbezogener Daten. Das heißt, es geht darum, herauszufinden, ob die Gabe einer bestimmten Therapie in einem bevölkerungsbezogenen Umfeld das gleiche Ergebnis liefert wie in der Leitlinie verankert. Solche Resultate sind enorm wichtig für die Optimierung der Versorgung. Entscheidend ist außerdem die Lebensqualität des Patienten. Ich habe in der Pause mit einem klinischen Forscher gesprochen, der die Lebensqualität seiner Patienten mit dem EORTC-Bogen erfasst. Der Bogen fragt unter anderem auch nach der Patientenzufriedenheit. Hier stellt sich die Frage: Kommen denn die Empfehlungen zur Verbesserung der Lebensqualität tatsächlich beim Patienten an? Sind sie sinnvoll? Aus Patientensicht ist die entscheidende Frage: Geht es mir damit besser, auch langfristig? Sind meine Beschwerden tatsächlich erkannt und behandelt worden? Unsere Studien zeigen, dass die Zufriedenheit der Patienten in der Nachsorge zwar hoch ist. Dennoch wünschen sie sich, dass auf Defizite noch besser eingegangen wird. Auch 83 Prozent der Ärzte sagen, dass Empfehlungen zur Verbesserung der Lebensqualität des Patienten für sie hilfreich sind. 90 Prozent wollen solche Empfehlungen sogar außerhalb von Studien weiter bekommen. Das finde ich ganz wichtig, denn mit der Einführung dieser Empfehlungen muten wir dem Arzt ja auch zu, dass er sich mit etwas Neuem beschäftigt, in die Routineversorgung einbaut und mit dem Patienten bespricht. Das geht nicht gegen seine Überzeugung. Dieses positive Echo unter den Ärzten finde ich toll und es ermutigt, an dieser Stelle weiter zu arbeiten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, ich

66 64 Tagungsband konnte Ihnen zeigen, dass wir den Weg zu Nutzung der Registerdaten für die Versorgungsforschung wirklich gemeinsam gehen müssen. Diskussion Dr. Baumann: Vielen Dank für dieses lebhafte Plädoyer, das sowohl die Wünsche der Krebsregister an die Versorgungsforschung, als auch die Anliegen der Versorgungsforschung an die Krebsregister einschloss. Gibt es Fragen? Frage: Ihr Beispiel mit den Lebermetastasen zeigt aber auch die Grenzen der Versorgungsforschung. Denn die Patienten, die operiert werden, sind sicher selektioniert: auf eine geringere Tumormasse solche Patienten haben eine höhere Chance auf eine Nullresektion, auf eine höhere körperliche Fitness, auf ein jüngeres Alter. Das sind die üblichen Verzerrungen bei der Zuordnung solcher Therapiemaßnahmen. Dr. Klinkhammer-Schalke: Die Frage nach der Analyseverzerrung ist berechtigt. Zunächst einmal können wir eine Verzerrung bezüglich des Alters ausschließen, unsere Daten sind altersstandardisiert. Bei den anderen Parametern, die Sie angesprochen haben, fehlen leider einheitliche diagnostische Kriterien. Fragen Sie fünf Leberchirurgen, ob eine bestimmte Lebermetastase operabel ist oder nicht, und Sie hören fünf verschiedene Meinungen. Es gibt keine standardisierte Grundlage für die Entscheidung, bei einem drei Zentimeter großen Tumor zu operieren, und bei einem zwei Zentimeter großen Tumor auf eine OP zu verzichten. Das hängt ganz stark davon ab, ob sich der Chirurg die OP noch zutraut. Dr. Baumann: Vielen Dank. Den nächsten Vortrag hält Herr Professor Pfaff aus Köln über flächendeckende Datenpools und ihren Stellenwert für die Versorgungsforschung.

67 Schnittstellen in der Krebsversorgung 65 Versorgungsforschung mit flächendeckenden, bevölkerungsbezogenen Datenpools Prof. Dr. Holger Pfaff, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln Sehr geehrte Damen und Herren, am Ende des ersten Konferenztages besteht meine Aufgabe darin, Ihnen darzustellen, wie man Datenpools für die Versorgungsforschung nutzen kann. Ich glaube, ein wichtiger Aspekt der Versorgungsforschung ist der Umgang mit Unsicherheit. Eine randomisierte kontrollierte Studie ist planbar: Man legt vor Studienbeginn fest, welche Patienten dort aufgenommen werden und schließt bestimmte Patientengruppen aus, um Verzerrungen bei der Interpretation der Daten zu vermeiden. Aber so ideal sind die Verhältnisse in der täglichen Krankenversorgung leider nicht: Der Arzt muss entscheiden, ob eine bestimmte Behandlungsoption bei einem multimorbiden Patienten in Frage kommt, auch wenn der Benefit für diese Patientengruppe nicht gut untersucht ist. Die damit verbundene Unsicherheit lässt sich allerdings schrittweise verringern, indem man ausgehend von den Ergebnissen der Versorgungsforschung alltagsorientierte RCTs plant. Sie alle kennen wahrscheinlich den Spruch, dass vom vielen Wiegen noch kein Schwein fett geworden ist. Ich befasse mich beruflich ständig mit Messungen und in diesem Zusammenhang vertreten wir auch die Idee der Nutzung von Qualitätsindikatoren und Kennzahlen. Wir führen in den Brustzentren in Nordrhein-Westfalen jedes Jahr ein kennzahlenbasiertes Benchmarking durch. Dabei fällt auf, dass die Qualität einzelner Häuser einen Sprung nach oben macht, bei anderen wiederum lässt die Qualität nach, aber insgesamt verbessern sich die Brustzentren über die Zeit hinweg nur langsam. Offensichtlich ist es schwer, über alle Zentren hinweg einen Quantensprung bei der Patienteninnenzufriedenheit zu erzielen. Wie kann man aber große Verbesserungen erzielen? Um bei dem eingangs gewählten Bild zu bleiben: Damit das Schwein fett wird, muss man wissen, wie man es fett machen kann man muss die Mechanismen kennen, das Messen allein reicht nicht. Auf die Qualitätssicherung übertragen heißt das: Es ist zwar wichtig, zu prüfen, wie valide einzelne Qualitätsindikatoren sind. Die eigentliche Herausforderung besteht aber darin, zu verstehen, welche Stellschrauben das Versorgungssystem für Verbesserungen zu bieten hat, um an diesen dann ansetzen zu können. Das ist der entscheidende Punkt. Der Begriff der Versorgungsforschung wurde heute schon mehrmals erläutert. Die Aufgabe der Versorgungsforschung im Zusammenhang mit unserer heutigen Qualitätsdiskussion sehe ich hauptsächlich in der Beantwortung der folgenden Fragen: Sind die Daten, die wir nutzen, valide? Beschreiben sie die Situation richtig? Von welchen Faktoren werden die Qualitätsindikatoren beeinflusst? Rein medizinische Fragen kann man mit naturwissenschaftlichen Strategien hervorragend beantworten. Menschen funktionieren aber nicht wie Maschinen oder biologische Organismen. Sobald das mensch-

68 66 Tagungsband liche Verhalten ins Spiel kommt, spielen soziologische, psychologische, organisatorische oder auch ökonomische Aspekte eine Rolle. Von entscheidender Bedeutung für die Versorgungsforschung ist in diesem Zusammenhang das zur Verfügung stehende Datenmaterial. Über die Bedeutung der klinischen Krebsregister als Datenquelle der Zukunft wurde heute schon ausführlich gesprochen. Sie alle kennen außerdem die Morbi-RSA-Daten, die für den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich genutzt werden und beim Bundesversicherungsamt zusammenfließen. Mittlerweile macht das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) diesen Datenpool auch den Forschern zugänglich. Das ist ein wirklicher Fortschritt. Damit bekommen wir Zugang zu einem wichtigen Datenpool. Datenpools sind allerdings nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung zum besseren Verständnis des Versorgungssystems. Auch die beste Datensammlung zeigt Ihnen nicht, wie das System funktioniert. Dafür braucht man eine zielgerichtete, kausalanalytische Strukturierung und Auswertung der Daten. Dies lässt sich erreichen, wenn man zum Beispiel von einem systemtheoretischen Modell des Versorgungssystems ausgeht. In diesem Modell steht das Versorgungssystem (z.b. Krankenhaus, Arztpraxis) mit entsprechenden Versorgungsstrukturen und prozessen (Throughput) im Mittelpunkt. Die Strukturen und Prozesse des Versorgungssystems werden von äußeren Faktoren beeinflusst, insbesondere von den Input-Faktoren. Das sind jene Faktoren, die das Versorgungssystem benötigt, um seiner Aufgabe nachgehen zu können (z.b. Personal, Finanzmittel, Technik). Die Nahwirkung (Output) des Versorgungssystems besteht in der Erbringung der konkreten, abrechenbaren Versorgungsleistung (Diagnose, Therapieplan, Therapie). Die Fernwirkung (Outcome) des Versorgungssystems ist die Wirkung auf das Gesamtüberleben, das progressionsfreie Überleben oder die Lebensqualität der Patienten. Auf der Basis dieses Throughput-Modells kann eine zielführende Ausrichtung des Versorgungssystems angestrebt werden. Dabei geht es darum, eine Outcomeorientierung des Systems zu etablieren. Der Nationale Krebsplan ist ein Beispiel für eine solche Vorgehensweise. Die Ableitung der Maßnahmen aus Zielen und Strategien ist vorbildlich. Im nächsten Schritt geht es darum, auf der Basis der Strategieund Zielsetzung ein ganzheitliches Controlling- und Kennzahlensystem zu entwickeln, mit dem dieser gesamte zielorientierte Prozess erfasst werden kann. Warum ist das wichtig? Um das angestrebte Gesundheitsziel, zum Beispiel die Erhöhung des Gesamtüberlebens, zu erreichen, muss man eine Art von Controlling einführen. Das heißt, Sie überprüfen, ob Ihre Steuerung des Systems funktioniert. Die Auswertung der Krebsregisterdaten ist zum Beispiel ein solches Steuerelement. Für alle diese Bereiche definiert man Soll-Vorgaben, stellt mithilfe einer Messung den Ist-Zustand fest und leitet bei einer Soll-Ist-Abweichung eine Interventionsplanung mit anschließender Intervention ein. Wie auch immer man sich dem Problem des Krebsmanagements nähert, entscheidend ist die Festlegung verschiedener Ziel- und Stellgrößen. Zielgrößen sind wünschbare Outcomes eines Versorgungsprozesses. Unter Stellgrößen verstehe ich hier die beeinflussbaren Ursachen dieser Zielgrößen. Sowohl für Stellgrößen als auch für Zielgrößen benötigen wir meist objektive und subjektive Kennzahlen. Diese müssen beide sinnvoll miteinander kombiniert werden. Darüber hinaus benötigen wir Kennzahlen für die Erfassung der Kette vom Input, über Throughput und Output zum Outcome. Zentrale Indikatoren für diesen Wertschöpfungsprozess werden in der Industrie als Key-Performance- Indikatoren" bezeichnet. Mit der Hilfe solcher Überlegungen lässt sich ein Modell für das Controlling des Krebsmanagements aufbauen und entsprechende Kennzahlen aus den vorhandenen Datenpools

69 Schnittstellen in der Krebsversorgung 67 generieren. Damit könnte man z.b. untersuchen, welchen Einfluss die Leitliniencompliance auf das Überleben hat. Stellt man dabei fest, dass die Leitliniencompliance sowohl das Überleben als auch die Lebensqualität positiv beeinflusst, wäre dies eine Stellgröße mit positiver Doppelwirkung, die auf jeden Fall eine wichtige Rolle beim Krebsmanagement spielen sollte. Ich möchte Ihnen noch einige Beispiele zur möglichen Nutzung von Datenpools in der Versorgungsforschung zeigen. Ein befreundeter Forscher von der University of Michigan (USA) arbeitet mit amerikanischen Registerdaten und geht dabei ganz bestimmten Fragestellungen nach: Wovon hängt es zum Beispiel ab, dass der Patient von einem erfahrenen Chirurgen behandelt wird? Oder: Wie erhält der Patient Zugang zu einem zertifizierten Zentrum? Die Untersuchung zeigte, dass Patienten, die sich selbst um einen Behandlungsplatz kümmern, eher beim besseren Chirurgen bzw. beim zertifizierten Zentrum behandelt werden. Die Überweisung durch den behandelnden Arzt führte in dieser Untersuchung zu einer schlechteren Versorgung. Mein Kollege stellte außerdem die Frage, wer eine Brustrekonstruktion nach vollständiger Entfernung der Brust bekommt. Er erhob die Daten auf der Basis einer Befragung der Patientinnen, der Operateure und mithilfe von Registerdaten. Er konnte eindeutig eine Korrelation mit der sozialen Schicht nachweisen. Vor allem Frauen mit lateinamerikanischer Herkunft aus den unteren Schichten hatten erheblichen Informationsbedarf und das Bedürfnis, stärker in die Therapieentscheidung eingebunden zu werden. Sie erhielten am Ende auch weniger Brustrekonstruktionen als der Durchschnitt der Frauen. Ich nenne Ihnen noch ein drittes Beispiel: Dabei ging es um die Frage, wie viele Patienten zur Arbeit zurückkehren, und wovon ihre Wiedereingliederung in den Beruf abhängt. Es zeigte sich, dass die Rückkehr ganz stark vom Alter abhängt, aber auch von der Arbeitswelt, in der die Frauen tätig waren. Diese drei Beispiele zeigen, dass in der Verknüpfung von Datenpools (z.b. Registerdaten) und Individualdaten (z.b. Befragungsdaten) eine große Chance für die Krebsforschung liegt. Mit ihrer Hilfe können Ursache-Wirkungs-Analysen durchgeführt werden, die dabei helfen, den Versorgungsproblemen auf den Grund zu gehen. Dies bedeutet aber auch, dass wir uns mit dem Thema Big Data auseinandersetzen müssen. Die Versorgungsforschung kann, aufbauend auf den Methoden der empirischen Sozialforschung und unter Nutzung von Datenpools, Verhalten und Ergebnisse vorhersagen und Prozesse steuern. Wenn Sie Kennzahlensysteme im Bereich der Onkologie aufbauen, dann geraten Sie in den Bereich des Controllings und damit auch der sozialen Kontrolle. Die soziale Kontrolle der Krebsbehandlung ist in Deutschland bereits weit fortgeschritten, zumindest was die Brustkrebsbehandlung betrifft. Die Zertifizierung der Krebszentren zielt auf eine Harmonisierung und Standardisierung der Behandlung in Deutschland ab. Unabhängig vom Behandlungsort soll die Behandlung überall gleich und in hoher Qualität erfolgen, Abweichungen sollten vermieden werden. Diese Form von Gleichschaltung setzt aber voraus, dass derjenige, der das System lenkt und ordnet, in allen Punkten die richtigen Vorgaben macht. Wenn diese Vorgaben nicht stimmen, läuft die Versorgung in die falsche Richtung. Da alle Gesundheitsakteure diesen Vorgaben folgen müssen, gibt es auch keine Klinik oder kein Zentrum mehr, die noch Alternativen erproben können. Irrtümer werden auf diese Weise gar nicht mehr bemerkt: Das onkologische Versorgungssystem wird auf diese Weise lernfeindlich und im schlimmsten Fall lernunfähig. Ich schlage vor, der Standardisierung der Onkologie ein optimierendes Lernen zur Seite zu stellen, das über die Nutzung der Datenpools mit Hilfe von Qualitätsindikatoren und Key Performance Indikatoren eine Optimierung der Versorgung auf der Basis autonomen Lernens anstrebt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

70 68 Tagungsband Diskussion Herr Hegemann: Herzlichen Dank, Herr Professor Pfaff. Gibt es Fragen? Dr. Klinkhammer-Schalke: Wir wollen doch nicht das Lernen abschaffen. Im Rahmen von Studien können ja durchaus neue Ideen ausprobiert werden. Aber nicht mal eben so, ohne Struktur und in der täglichen Alltagsversorgung. Man möchte als Patient ja nicht als Versuchskaninchen dienen. Ansonsten geht es natürlich um eine Vereinheitlichung. Kommentar: Krebsregister sollen Hinweise auf Problemfelder geben, die dann die Versorgungsforschung mit anderen Datenquellen, weiteren Analysemethoden untersuchen muss. Aber bevor wir mit einer Analyse beginnen, müssen zunächst die Problemfelder und die neu auftretenden Fragen analysiert werden. Das ist, glaube ich, die Verbindung zwischen Herrn Pfaff und Frau Klinkhammer- Schalke. Prof. Hofstädter: Das Regelsystem in der Versorgung wird ja durch die handelnden Personen, also die Ärzte und die Patienten, bestimmt. Dort besteht eine riesige Heterogenität. Das heißt, das Regelwerk der Zertifizierung kann nur unvollständig in das System eingebracht werden. Und es wird nie so sein, dass wir wirklich gleichgeschaltete Systeme erreichen. Prof. Pfaff: Das ist ein wichtiger Punkt. Herr Wöckel hatte gezeigt, dass nicht alle Patienten nach Standard behandelt werden. Beim Hämatologen-Kongress in Wien wurden Vorträge präsentiert, die zeigten, dass selbst in den eigenen Häusern der Untersucher die Rate der ärztlichen Leitlinien- bzw. Regel-Compliance schlecht war. Das heißt, Sie haben Recht. Aber auch Frau Dr. Klinkhammer-Schalke hat Recht: Kliniken dürfen in der Versorgung nicht einfach neue Verfahren ausprobieren. Es geht darum, unnötige Varianz zu minimieren. Aber sobald der Patient mitentscheiden darf, kann er sich auch gegen eine leitlinienkonforme Behandlung entscheiden. Dann bekommen Sie als Chefarzt oder Chefärztin ein Problem, weil Sie Anforderungen der Zertifizierung möglicherweise nicht erfüllen. Im Extremfall werden Sie tendenziell dazu angehalten, gegen den Willen des Patienten zu handeln, weil Sie sonst von den Kontrolleuren des jeweiligen Versorgungssystems sanktioniert werden. Dr. Klinkhammer-Schalke: Die Registerdaten ermöglichen, dass man nachvollziehen kann, ob die Entscheidung gegen die leitlinienkonforme Behandlung erfolgte, weil der Patient sie nicht wollte, oder weil die empfohlene Behandlung kontraindiziert war. Es bleibt immer noch genug, was sich verbessern lässt, aber ein bisschen differenzierter sind wir schon. Prof. Pfaff: Ich habe nur versucht, darzustellen, wohin das System führen kann, wenn man nicht aufpasst. Es ist sehr gut, dass wir diejenigen Fälle herausfiltern können, in denen der Patient sich gegen eine leitlinienkonforme Behandlung entschieden hat. Aber prinzipiell ist das System eher so angelegt, dass es zur Gleichschaltung führt. Frage: Die Qualitätsindikatoren, die aus den Empfehlungen der Leitlinie abgeleitet sind, beruhen auf Evidenzen, also auf den Aussagen von Randomized Controlled Trials. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie komplett in die falsche Richtung gehen. Vielmehr sind sie das Resultat von Studien, die an vielen Tausend Patienten über Jahre nachgewiesen haben, dass diese Intervention zu einer signifikanten Veränderung des Überlebens oder des PFS führt. Diese Bezugnahme auf die Qualitätsindikatoren ist als Gleichschaltung sicherlich im Sinne der Patienten.

71 Schnittstellen in der Krebsversorgung 69 Prof. Pfaff: Das ist richtig. Trotzdem unterscheiden wir Single-Loop-Learning und Double-Loop- Learning. Beim Double-Loop -Lernen treten Sie einen Schritt zurück und fragen sich: Sind wir überhaupt auf dem richtigen Dampfer? Es kann sein, dass Sie in einer randomisierten kontrollierten Studie das bisherige Verfahren A mit einem anderen Verfahren B vergleichen, das in eine andere Richtung geht. Sie stellen fest, dass A besser ist als B. Wenn es niemanden gibt, der die Frage stellt, ob es nicht grundsätzlich noch andere Vorgehensweisen gibt (z.b. Varianten von B), werden Sie nicht die optimale Marschrichtung herausfinden. Sie müssen schon versuchen herauszufinden, ob es nicht grundsätzlich noch andere Strategien gibt. Kommentar: Das wäre ja sicher ein Plädoyer dafür, dass die Erhebung in den Registern nicht zulässig sein soll. Vielmehr geht es darum, ein möglichst großes Spektrum von Verhaltensweisen, Therapien etc. abzudecken, um grundsätzlich auch andere Strategien evaluieren zu können. Prof. Pfaff: Lernen und kontrolliertes Abweichen muss in jedem Versorgungssystem möglich sein. Kommentar: Aber auf diese Weise schließt sich doch der Kreis zu den klinischen Studien. Die klinischen Studien werden durchgeführt, um neue Wege der Diagnostik und Therapie auszutesten. Kommentar: Prinzipiell würde ich Ihnen Recht geben: Je mehr reglementiert wird, umso mehr leidet die Kreativität der Forschung. Aber eigentlich ist die Marschrichtung doch völlig klar: Bei den Indikationen, bei denen die Patienten eine schlechte Prognose haben, müssen wir weiter forschen. Aber warum sollten wir in den Indikationen, die mit den bestehenden Empfehlungen gut behandelt werden können, nicht Best-Practice-Regeln erstellen? Prof. Pfaff: Ja, ich sehe das auch so. Es gibt praktisch keine echte Alternative zu diesem Vorgehen. Aus Sicht der Lernforschung wollte ich Ihnen nur zeigen, dass wir auch noch einen Bereich brauchen, in dem wir kreativ sein können. Herr Hegemann: Vielen Dank, Herr Pfaff, das war ein gutes Stichwort. Ich hoffe, dass liefert morgen noch ganz viel Anlass für Diskussionen

72 70 Tagungsband Zusammenfassung vom Vortag Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Sehr geehrte Damen und Herren, Wir haben gestern über wesentliche Aspekte der klinischen Forschung, Leitlinien, Zertifizierung, Dokumentation und Versorgungsforschung gesprochen, die es auf dem Weg zu einer besseren Qualität der Krebsversorgung umzusetzen gilt. Der Tag startete mit dem Thema Studien, dort ging es um die Frage, wie klinische Studien gemacht werden, wie sie vorbereitet werden und welche Fragestellungen Forscher und Kliniker damit klären möchten. Ich muss gestehen, ich hätte an dieser Stelle noch gerne gewusst, wie man es die Kommunikation an der Schnittstelle zwischen Forschung und Klinik gut hinbekommt, damit die Information, die dort generiert wird, in den Gesamtkontext einfließen kann. Herrn Geißler schilderte danach die Patientensicht und hat klar die Bedeutung von Studien betont. Zwar sagt er das in seiner Position als Patientenvertreter, der in seinem Wissensstand möglicherweise nicht zu vergleichen mit dem Gros der Patienten, mit denen der Arzt normalerweise im Versorgungsalltag zu tun hat. Wichtig ist aber, an dieser Stelle zu erkennen, dass wir es auf der einen Seite mit Patienten zu tun haben, die praktisch ohne Vorwissen in den Behandlungsprozess eintreten, dass es auf der anderen Seite aber eben auch Menschen gibt, die als Patientenvertreter hochprofessionalisiert sind, solche Fragestellungen aufgreifen und sich damit sehr gut auskennen. Beim Thema Leitlinien beschrieb Herr Mallmann sehr anschaulich die Aufgaben bei der Leitlinienentwicklung: Es geht zunächst um die Sichtung der Evidenzen, um damit grundlegend eine klinische Fragestellung zu klären. Aber selbst wenn man eine große Menge an Evidenzen findet, kann es durchaus sein, dass sich diese Ausgangsfrage nicht klären lässt, weil es widerstrebende Interessen gibt. Wir haben solche Beispiele nicht nur beim Thema Zervixkarzinom, sondern auch beim Prostatakarzinom (PCa). Auch dort gibt es eine Unmenge von Studien, die aber bei die Klärung der Frage, welche der gängigen Behandlungsmethoden beim Low-risk-Karzinom für welchen Patient am besten passt, nicht weiterhelfen. Auch unterschiedliche Experten bekommen bei diesem Problem keinen Konsens hin. Das heißt, auch aus der Leitlinienarbeit heraus ist es wichtig, Impulse für klinische Studien zu setzen. Ein Beispiel für einen solchen Impuls ist die Prefere-Studie, die jetzt gerade angelaufen ist. Sie soll klären, ob man PCa-Patienten am besten bestrahlt, operiert, mit einer Brachytherapie behandelt oder einfach nur abwartet und das Tumorwachstum zunächst beobachtet, bevor man eingreift. Ohne eine solche Studie wird die Therapieentscheidung möglicherweise mit einem Bias behaftet sein. Ist der behandelnde Arzt Strahlentherapeut, rät er seinem Patienten zur Strahlentherapie, als Chirurg bevorzugt er vermutlich eher die OP. Das heißt, mit dem Wissen um eine

73 Schnittstellen in der Krebsversorgung 71 konkrete Versorgungssituation lohnt es sich, zurückzugehen und relevante Fragen in einer klinischen Studie zu testen. Herr Wöckel hat gestern sehr eindrücklich am Beispiel der BRENDA-Studie dargelegt, wie wichtig es ist, zu überprüfen, inwieweit Patienten tatsächlich leitlinientreu behandelt werden und ob eine leitlinientreue Behandlung dem Patienten tatsächlich Vorteile bringt oder nicht. Solche Studien sind absolut notwendig. Sie zeigen, wo mögliche Konflikte existieren, zum Beispiel, weil die Leitlinie die Versorgungsrealität nicht abbildet. Beim nachfolgenden Thema der Zertifizierung nimmt die Komplexität dieser Zusammenhänge deutlich zu, weil wir damit auch näher an die Versorgungsrealität heranrücken. Herr Hoffmann hat den Aspekt der Qualitätssicherung herausgegriffen und zog das Fazit, dass dabei relativ viel Optimierungsbedarf gefunden wurde. Manche Dinge lassen sich in der Versorgung nicht so einfach umsetzen, wie im Zertifizierungskatalog theoretisch bestimmt wurde. Auch hier ist es wichtig, immer wieder zu überprüfen, ob sich die Zertifizierung im Versorgungsalltag bewährt. Nur dann ist sie ein gutes Instrument. Ich glaube übrigens, es ist sehr sinnvoll, dass die Zertifizierung freiwillig ist, nur dann gelingt tatsächlich die Versorgungsoptimierung. Wir haben immer wieder im Rahmen des Nationalen Krebsplans die Diskussion geführt, ob diese Zertifizierung nicht zur Pflicht gemacht werden sollte. Am Ende haben wir uns für die Freiwilligkeit entschieden, um die Motivation zur Optimierung nicht zu zerstören. Herr Seufferlein ist dann gestern noch auf einen ganz speziellen Aspekt eingegangen, nämlich die Probleme, die bei der Durchführung von Studien entstehen können, zum Beispiel, wenn sich zertifizierte Zentren abschotten und dann in Rekrutierungsprobleme geraten. An solchen Problemstellen wird eine Nachjustierung nötig sein. Wie wir gestern gehört haben, gibt es durchaus positive Beispiele, die zeigen, dass auch große Studien möglich sind, wenn es gelingt, die Abschottung zu vermeiden. Wir werden nicht überall eine Studienquote von 25 Prozent erreichen können, damit würden wir die Zentren über Gebühr belasten, aber eine entsprechende Vernetzung zwischen den entsprechenden Experten und denjenigen, die in der Versorgung gerne Studien durchführen wollen, kann hier sicher einiges dazu beitragen, diese Schwierigkeiten zu beheben. Das nächste große Thema sind die Krebsregister; wir diskutieren dieses Thema seit 20 Jahren und ich bin froh, dass in diesem Jahr das KFRG endlich auf den Weg gebracht wurde. Es geht vor allem darum, Versorgungstransparenz zu schaffen, denn wenn wir Qualitätssicherung anstreben, Verbesserungen durchführen wollen, dann brauchen wir diese Form der Transparenz. Das KFRG verordnet Transparenz, das ist für mich positiv. Jetzt geht es darum, diese Register auch in die Klinik einzubinden. Manche haben damit bereits Erfahrung: Herr Hofstädter präsentierte gestern Beispiele, wie man damit Versorgungsfragen, klinische Fragestellungen angehen kann, aber diese Nutzung muss insgesamt noch klarer werden. Herr Hofstädter formulierte gestern den Wunsch, dass die Ärzte dort mitziehen, das hoffe ich ganz genauso. Das Instrument funktioniert nur dann, wenn es möglichst umfassend von den versorgenden Einheiten, Kliniken und Praxen genutzt wird. Deshalb ist für mich die sensibelste Frage, über die wir gestern gar nicht gesprochen haben, die der Dokumentationsgebühr. Wenn diese Gebühr falsch eingerichtet wird, dann erhalten wir aus den Krebsregistern möglicherweise keine belastbaren Daten. Derzeit verhandeln die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft; ich habe noch keine Richtung gesehen, in die das Ganze gehen soll. Sollen die Ärzte durch Bestrafung motiviert werden oder wird es minimale Incentives geben? Nur wenn dieser Bereich mit Augenmaß eingerichtet wird, dann kann er funktionieren, ansonsten droht das Scheitern an Dokumentationsquoten, nicht-repräsentativen Fallzahlen etc. Letzt-

74 72 Tagungsband lich, und darüber muss man sich im Klaren sein, hängt die Zukunft der Register davon ab, dass sie die entsprechenden Qualitätskriterien erreichen. Beim Thema Versorgungsforschung schließt sich der Kreis. Herr Pfaff vertrat gestern die provokante These, dass wir in diesem Bereich mehr Experimente zulassen sollten. Ich denke, es muss in der Tat Bereiche geben, in denen experimentiert werden darf, aber eben nicht überall. Demjenigen, der in der Autoproduktion am Band das Rad montiert, würde ich wenig Kreativität bei der Erledigung seiner Aufgabe zugestehen. Wer dagegen bei der Entwicklung neuer Autoteile nach innovativen Ansätzen sucht, der braucht sehr wohl Kreativität. Das ist aber ein Punkt, den unser reguliertes Gesundheitswesen vollkommen ausblendet. Damit sind wir wieder beim Thema Studien und ihrer Finanzierung: Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen sie in der Regel nicht; für den Erkenntnisgewinn bei den Volkskrankheiten Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen fühlen sie sich nicht zuständig. Mein Ansatz wäre, dass ein Versicherungssystem, das 90 Prozent aller Versicherten in Deutschland zwangsverhaftet, für deren Wohl in der Zukunft zuständig ist. Weiterentwicklung des Gesundheitswesens, Erkenntnisgewinn bei der Bekämpfung von Krankheiten muss ein Thema der gesetzlichen Krankenkassen sein, sicher auch in Kombination mit staatlichen Einrichtungen. Es reicht nicht, nur auf Abrechnungsdaten zu schauen. Wir haben gestern fast kaum über die klassischen Themen der Versorgung, etwa die ambulante spezialärztliche Versorgung oder die DRGs gesprochen. Darin sieht man schon, dass es um ein versorgungsnahes Denken geht, während im politischen Kontext derzeit eher regulierungsnah gedacht wird. Das verführt dazu, die Versorgungsrealität aus den Augen zu verlieren. Wir müssen es aber schaffen, dieses versorgungsnahe Denken in die regulierende Welt eines Bundesministeriums für Gesundheit oder eines Forschungsministeriums zu tragen. Denn ansonsten wird unser Gesundheitssystem ausschließlich von Fallpauschalen, DRGs oder Abrechnungsdaten bestimmt. Vor der Einführung der DRGs wurden die Krankenhäuser als Innovationsmotor des Gesundheitswesens angesehen, mit der Einführung der DRGs hat man dort vieles reguliert, was die Innovationskraft deutlich einschränkt. Unsere Diskussion gestern machte deutlich, dass die Erkenntnisse aus klinischen Studien einschneidend für die Fortentwicklung unseres Gesundheitswesens, für den künftigen Stand der Versorgung sein werden. Der Weg ausgehend von Studien hin zu Leitlinien ist die einzige Möglichkeit, den Stand des Wissens für ein Versorgungsproblem auszuloten und auch die Wissenslücken zu beschreiben. Es gibt dazu keine Alternative. Diese Aufgabe wird aber derzeit weder vom Gemeinsamen Bundesausschuss noch vom Bewertungsausschuss der Krankenkassen und der KBV wahrgenommen. Obwohl viele Ärzte zur Umsetzung motiviert sind, hat die Leitlinienerstellung derzeit noch nicht die Anerkennung, die sie braucht. Die Motivation der Ärzteschaft kommt aber an eine Grenze, das merken wir bei der Leitlinienarbeit und bei der Zertifizierung. Um zu verhindern, dass diese Anstrengungen verpuffen, versuchen wir die Politik zu sensibilisieren: mit solchen Veranstaltungen wie der QoCC- Konferenz und anderen, aber auch über unseren Input zum Nationalen Krebsplan. Der NKP ist ein Glück für die Onkologie. Ich glaube aber nicht, dass wir für jede Krankheit einen solchen Plan brauchen. Vielmehr geht es darum, Krankheiten aus der Versorgung heraus zu denken, nicht aus der Regulierung. An dieser Stelle haben wir die Aufgabe, auch für andere Krankheiten außerhalb der Onkologie mitzudenken und Zusammenhänge klarzumachen. Das ist nicht immer leicht: Erklären Sie einem Abgeordneten, der als Jurist im Verwaltungsrecht zuhause ist und jetzt im Gesundheitsausschuss sitzt, worauf er bei der Weichenstellung fürs Gesundheitswesen achten sollte. Leider ist dieses System schwer erklärbar, an dieser Stelle müssen wir besser werden.

75 Schnittstellen in der Krebsversorgung 73 Kommen wir zum heutigen Programm: Es soll darum gehen, wie die fünf beschriebenen Bereiche klinische Forschung, Leitlinien, Zertifizierung, Dokumentation und Versorgungsforschung optimal ineinandergreifen und an den Schnittstellen miteinander kommunizieren. Jeder dieser Bereiche hat einen Output, der als Input für den nachfolgenden Bereich dient. Wir haben vier Workshops vorgesehen: klinische Studien Output Leitlinien Input; Leitlinien Output Zertifizierung Input; Zertifizierung Output Krebsregister Input sowie Versorgungsforschung Output und klinische Studien Input. Für diese vier Schnittstellen stellen wir die Frage: Wie arbeiten die jeweiligen Bereiche miteinander zusammen? Jetzt sind Sie und Ihre Expertise gefragt, um in den geplanten Workshops die entsprechenden Kernpunkte von Input und Output zu diskutieren. Wir wollen am Nachmittag aus jedem Workshop die fünf zentralen Punkte dessen, was Sie erarbeitet haben, herausnehmen und vorstellen. Daraus lassen sich dann eventuell weitere Vorschläge entwickeln.

76 74 Tagungsband Ergebnisse des Workshops I: Studienergebnisse als Evidenzgrundlage für die Leitlinienentwicklung? Vorgestellt von Prof. Dr. Markus Löffler, Universität Leipzig Sehr geehrte Damen und Herren, Wir hatten eine sehr rege Diskussion mit ca. 20 Teilnehmern über die Wechselwirkung zwischen Studien, Leitlinien und Versorgung. Vor allem zwei Aspekte wurden dabei als unbefriedigend eingeordnet: Zum einen geht es darum, wie man von den Punkten, die durch die Leitliniengruppen als nicht ausreichend geklärt angesehen werden, zu einer Rückübertragung in Studien kommt. Hier fehlt ein gut strukturiertes Feedback. Ein zweiter Aspekt war die Frage, ob die Wechselwirkung mit den Versorgern innerhalb der Leitlinien- und der Studiengruppen auf paritätischen Füßen steht. Wenn wir eine Studie abschließen, Überlegenheit feststellen und einen neuen Standard deklarieren, wird das von unseren Prüfzentren in der Regel rasch umgesetzt, obwohl es in keiner Leitlinie steht. Das heißt, es gibt einen Wissensvorsprung für die studienaffinen Versorger, die anderen bekommen den neuen Standard erst später mit. Wünschenswert sind also ein strukturiertes Feedback und ein schnelleres Update, eine schnellere Verbreitung der Leitlinien. Dazu müssen unserer Meinung nach fünf Punkte erfüllt sein: Die Leitliniengruppen sollten eine Roadmap erstellen mit den wirklich wichtigen Fragestellungen, die in klinischen Studien geklärt werden sollten, einschließlich der Möglichkeit zur Förderung. Hier könnten wir uns durchaus eine Rolle der Deutschen Krebsgesellschaft vorstellen. Momentan ist es eher so, dass die Förderer zu Studien aufrufen, dabei wird Nettes, Schönes und Spannendes ausgewählt, aber nicht unbedingt das für die Krebsversorgung Wichtige. Umgekehrt gibt es einen Bedarf an qualitativ hochwertigen Studien, auch in Bereichen, die nicht so intensiv beforscht werden. Wir denken da an die Biomarkerforschung: Wir werden derzeit mit einer Flut von Biomarkern konfrontiert, 99 Prozent davon sind für die Versorgung irrelevant, aber welche sind wichtig und validiert? Und was davon kann für eine stratifizierte Therapieentscheidung von Bedeutung sein? Ein anderes Thema sind die nichtmedikamentösen Therapien, z.b. robotergestützte Operationsverfahren. Uns fehlen außerdem Studien mit patientenrelevanten validen Studienendpunkten. Es gibt zu wenige Daten hinsichtlich Morbidität, Langzeittoxizität und Lebensqualität. Das sind Fragen, um die sich momentan zu wenige kümmern. Es gibt einen großen Bedarf an versorgungsnahen Studien mit einer breiten Abdeckung der Bevölkerung. Ältere Menschen sind in Studien unterrepräsentiert, ferner Personen, die medically non-fit sind, bildungsferne Schichten und Migranten. Das führt uns auch zu der Frage der Einbindung von Patienten in Studien; siehe auch der Vortrag von Herrn Geißler gestern. Der folgende Punkt stand vermutlich auch in den anderen Workshops zur Diskussion: Incentives und Förderungen. Ich habe den Punkt Career Incentives für Studiendurchführende nach vorne gestellt. Es gibt derzeit kaum freiwillige, engagierte Leute, die eine Karriere auf der Durchführung einer Versorgungsstudie aufbauen. Ein immer wiederkehrendes Thema ist die Finanzierung von Versorgungsstudien. Über den G-BA findet jetzt unter dem Stichwort Erprobung neuer Metho-

77 Schnittstellen in der Krebsversorgung 75 den die Einbindung von Kostenträgern statt, die einzelne Projekte wie die Prefere-Studie finanzieren. Hier bedarf es aber einer breiteren Basis der Förderung. Unser letzter Punkt bezieht sich auf Studien und Leitlinien bei seltenen Erkrankungen. Vielleicht brauchen wir hier spezielle Register, nicht die allgemeinen klinischen Krebsregister. Außerdem müssen wir uns auch der Validierung diagnostischer Algorithmen widmen.

78 76 Tagungsband Ergebnisse des Workshops II: Qualitätsindikatoren aus Leitlinien als Grundlage für die Zertifizierung an zertifizierten Zentren Vorgestellt von Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Sehr geehrte Damen und Herren, Ziel der Zertifizierung ist die Transparenz der Behandlungsergebnisse. Die entscheidende Frage bei den Qualitätsindikatoren (QIs) ist, wie umfassend sie die Versorgung abbilden. Was kann man damit transparent machen? In diesem Zusammenhang haben die Teilnehmer des Workshops II noch weitere wichtige Fragen identifiziert: Wie kann man die QIs an nicht-zertifizierten Zentren propagieren, natürlich nur an den Zentren, die freiwillig an einem solchen Prozess teilnehmen? Das ist vor allem dann ein Thema, wenn nur fünf Krankenhäuser solche QIs nutzen, aber die Mehrzahl nicht. Die nutzenden Häuser wären dann schlechter aufgestellt als die anderen, d.h. an dieser Stelle besteht Diskussionsbedarf. Wie kann man den Outcome verbessern? Aus den existierenden klinischen Krebsregistern gibt es schon einiges an Erfahrung, die den Definitionsbedarf zeigt. Fest steht: Die positive Auswirkung auf den Outcome muss gezeigt werden, ansonsten wird es schwierig, die Zertifizierung zu rechtfertigen. Der Dialog zwischen klinischen Krebsregistern und den Zentren muss fortgeführt werden. In Teilen gibt es bereits sehr gute Kooperationen. Die Ziele sind für beide Bereiche die gleichen: Man versucht, Behandlungen und Ergebnisse transparent zu machen. Die Hoffnung ist, dass man eventuell zu einer geschickten Arbeitsteilung kommt. Da geht es z.b. um die Frage, wo Zertifizierungsprozesse schon beim Liefern der Daten für die Register benötigt werden. An dieser Kooperation muss gearbeitet werden. Darüber hinaus geht es um eine Anpassung der Parameter und einen definierten Prozess bei der Erstellung der QIs. Das ist eine Methodenfrage, bei der man sich durch einen Konsens auf bestimmte Methoden einigen muss. Entscheidend dafür sind zwei Punkte: Wie messbar ist ein QI? Wie breit ist er anwendbar? Bisweilen ist es schwierig, beide Forderungen gleichzeitig zu 100 Prozent zu erfüllen, hier müssen Kliniker im Dialog mit den Experten aus der Leitlinienentwicklung den richtigen Kompromiss zu finden. Diskussion Dr. Follmann: Vielen Dank für diese Zusammenfassung. Ich möchte noch einen Punkte ergänzen: Wir haben lange darüber diskutiert, wie transparent man sein kann, wenn man über die Ergebnisqualität einzelner Zentren berichtet. Patienten haben verständlicherweise den Wunsch, dass die Daten einzelner Zentren veröffentlicht werden. Demgegenüber steht die berechtigte Sorge, was passiert, wenn bestimmte Indikatoren kommentarlos veröffentlicht werden. Das kann zu Missverständnissen bei den Patienten führen.

79 Schnittstellen in der Krebsversorgung 77 Kommentar: Ich möchte an dieser Stelle auf das Beispiel UK verweisen, wo einmal jährlich sogenannte Leak tables in allen großen Tageszeitungen veröffentlicht werden. Dort sind die Ergebnisse aller Screeningzentren aufgelistet. Am Tag der Veröffentlichung treffen sich dann die Bürger in den Gemeinden mit den Verantwortlichen und diskutieren die Ergebnisse. So ähnlich funktioniert auch die Evaluation von Schulen in UK. Ich glaube aber nicht, dass wir hier in Deutschland so weit gehen können. Dr. Bruns: Wenn wir hier von Transparenz sprechen, dann meinen wir sukzessiv transparente Ergebnisse. Da geht es z.b. um die Frage nach der Risikoadjustierung. Die englische Öffentlichkeit ist in dieser Hinsicht vermutlich entspannter als die deutsche.

80 78 Tagungsband Ergebnisse des Workshops III: Registerdaten als Grundlage für die Entwicklung von Studienprojekten der Versorgungsforschung in der Onkologie Vorgestellt von Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Sehr geehrte Damen und Herren, In diesem Bereich ging es um die Frage, wie man mit den vorhandenen Registerdaten Studien entwickelt. Sind diese Daten umfänglich genug für Studien oder für Versorgungsforschung? Aus den Daten bereits abgeschlossener Registerstudien der KoKQ/ADT sieht man, dass es an dieser Stelle erheblichen Eruierungsbedarf gibt. Es wäre sinnvoll, an dieser Stelle nachzuforschen, wer sich schon einmal auf diesen Weg begeben hat und z.b. vor der Ethikkommission gescheitert ist. Der Basisdatensatz mit der Möglichkeit der Vereinbarungen von Zusatzdatensätzen für Forschungszwecke hat gewisse Einschränkungen, d.h. wir werden nicht für jeden Topf den passenden Deckel haben. Deshalb wird man den Satz, der momentan gerade definiert wird, als Ankerpunkt nehmen und für die Durchführung von Studien gegebenenfalls auch prospektiv zusätzliche Daten festlegen müssen, die für Forschungszwecke geeignet sind. Die Informationen aus den Registern sollten auch den Fachgesellschaften zugänglich gemacht werden. Diese wirken häufig im Hintergrund und werden in diesem Zusammenhang nicht als Player angesehen. Die Deutsche Krebsgesellschaft nimmt zwar die Möglichkeit wahr, mit den Registern in Kontakt zu treten. Dennoch besteht im operativen Geschäft der Arbeitsgemeinschaften noch viel Spielraum für Interaktionen. Krebsregister tragen zweifellos dazu bei, bestimmte Muster in der Versorgung zu erkennen. Damit lassen sich Strategien für Studien entwickeln, z.b. bei seltenen Tumorerkrankungen. Möglicherweise findet man auf diese Weise Zentren, an denen solche Tumoren gehäuft behandelt werden, und kann auf diese Weise potenzielle Prüfzentren identifizieren. Die Gruppe hat lange über die Frage diskutiert, wie man die Lebensqualität misst. Diese Diskussion ist positiv, dennoch erhebt kaum ein Register heute schon Daten, mit deren Hilfe man valide Aussagen zur Lebensqualität treffen könnte. Dieser Punkt muss aufgegriffen werden. Diskussion Prof. Löffler: Aus der Praxis gesprochen: Die Dokumentationen, die im deutschen Gliomnetzwerk zusammengetragen werden, sind nicht in den Krebsregistern enthalten, sondern in einem separaten wissenschaftlichen Register. Kürzlich sah ich, dass im DKTK-Verbund eine Registerdokumentation auf ADT-Basis diskutiert wird, deren Umfang über das in der wissenschaftlichen Studie gefasste CRF-Paket sogar noch deutlich hinausgeht. Meines Erachtens wird das komplett scheitern.

81 Schnittstellen in der Krebsversorgung 79 Dr. Bruns: Dennoch: Wenn in einem Krebsregister 60 Prozent der Daten enthalten sind, die man für eine Studie braucht, dann macht es sicher Sinn, dieses Register zu nutzen. Wenn dort dagegen nur 10 Prozent der Daten enthalten sind, dann ist ein separates Register sinnvoller. Wichtig ist nur, die Synergien optimal zu nutzen. Kommentar: Vielleicht noch ergänzend zum Thema Lebensqualität: Dieser Aspekt spielt gerade bei den seltenen Tumoren eine große Rolle, besonders bei kindlichen Tumoren, bei denen es zu einer Chronifizierung der Erkrankung und einer langen Überlebenszeit kommt. Da entsteht zunehmend das Problem, dass die Patienten aus der Altersgruppe derer herauswachsen, die in einem Kinderkrebsregister erfasst werden und damit eigentlich vom normalen klinischen Krebsregister erfasst werden müssten. Dieser Wechsel markiert auch den Übergang von der Betreuung durch die Kinderärzte und Genetiker zu den normalen Ärzten, die die weitere Betreuung durchführen. Das betrifft alle seltenen Erkrankungen bei Kindern, die mittlerweile gut therapiert werden können und ist ein Riesenproblem. Ich finde, dieser Wechsel sollte erleichtert werden, sodass Inhalte der Kinderkrebsregister in das normale Krebsregister übertragen werden können. Dr. Bruns: Vielen Dank. Der Grund, warum Krebskranke unter 18 Jahren in Kinderkrebsregistern registriert werden, war eher administerieller Art. In der Tat brauchen wir eine solche Harmonisierung mit den existierenden Tools.

82 80 Tagungsband Ergebnisse des Workshops IV: Versorgungsrealität als Basis für Leitlinien: Die Bedeutung von Versorgungsforschung und Registerdaten für die Entwicklung evidenzbasierter Leitlinien. Vorgestellt von Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Sehr geehrte Damen und Herren, für die Erstellung von Leitlinien werden Ergebnisse aus der Versorgungsforschung gebraucht. Diese Forderung ist sicherlich richtig und als solche redundant zu dem, was Herr Löffler vorher vorgestellt hat. Natürlich muss der Bedarf der Leitlinien an die Studienwelt entsprechend formuliert werden. Ich denke, dies ist ein Beispiel für bestimmte wiederkehrende Themen, die sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche durchziehen, und es gilt herauszufinden, wo man sie am besten verankern kann. Die Gruppe fordert die Erstellung eines Konzepts zur Identifikation von Versorgungsdefiziten als Teil der Leitlinienerstellung / Aktualisierung. Wenn man bei der Leitlinienerstellung strukturiert auf die Versorgung schaut, dann findet man zu 90 Prozent defizitäre, nicht passende Studien. Häufig tauchen Defizite dort auf, wo es widersprechende Interessen gibt, die einen Konsens verhindern. Aus der Defizitanalyse müssen an dieser Stelle die Konsequenzen gezogen werden. Dazu bedarf es entsprechender Studien und Indikatoren. Ferner sollte obligatorisch ein Protokoll zur Analyse der Leitlinienimplementierung einschließlich einer Barriereanalyse erstellt werden. Die gestern vorgestellte BRENDA-Studie hat diesen Aspekt retrospektiv untersucht; darüber hinaus ist auch der prospektive Blick notwendig. In der Strukturerfassung der zertifizierten Zentren ist diese Forderung schon implementiert; auch die klinischen Krebsregister können genutzt werden, um die Leitliniencompliance zu überprüfen. Diese Forderung passt gut zur Wunschliste von Herrn Hofstädter: Es ist wichtig herauszufinden, warum eine Leitlinie nicht implementiert wurde. Manche Gründe wird man mit Hilfe der Krebsregister aufspüren können. Darüber hinaus sind es oft auch die Soft Skills, die bei der Leitlinienimplementierung eine Rolle spielen. Das heißt, eine Complianceforschung in der gesamten Breite ist absolut wichtig. Ein autorisierter Vertreter aus dem Bereich Versorgungsforschung sollte an der Leitlinienerstellung beteiligt werden. Ich denke, es ist durchaus sinnvoll, dass entsprechende Experten aus etablierten Studienboards ihre Expertise in die Leitliniengruppen einbringen. Diese Strategie wird bereits regelmäßig mit dem Medizinischen Dienst angewendet. Dahinter steht die Idee, dass man schon sehr frühzeitig Aspekte oder Barrieren identifizieren sollte, die später bei der Leitlinienumsetzung hinderlich sein können. Da geht es zum Beispiel um Formulierungen, die später im Sozialsystem Probleme verursachen können. Ein solches Horizon Scanning bereits bei der Leitlinienentwicklung, und nicht erst dann, wenn die Leitlinie verabschiedet wurde, zahlt sich aus. Die Patientensicht auf das Versorgungsgeschehen muss besser als bislang erfasst werden, und zwar durch eine differenzierte Analyse der Patientenerfahrung. Das gilt ganz grundsätzlich für alle bislang besprochenen Bereiche. Wir reden derzeit zum Beispiel mit Patientenvertretern über die Auswertung von Registerdaten, da kommen solche Gedanken durchaus auf den Tisch. Beispiels-

83 Schnittstellen in der Krebsversorgung 81 weise diskutiert man dort die Einführung eines Summationsfaktors, der davon abhängt, ob ein Behandler oder eine Einrichtung gut oder schlecht bewertet wurde. Die Diskussion ist momentan noch sehr technisch. Patienten können einen sinnvollen Input liefern, den man dann professionalisieren muss. Damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt unserer Diskussion: Der Patient trifft auf seinen Arzt und verhandelt mit ihm darüber, inwieweit er ihm die Kontrolle über seine Behandlung überträgt. Patienten, die sehr kontrollbedürftig sind, muss man viel erklären, andere übertragen dem Arzt die Entscheidung vollständig. Auch das ist ein Thema der Versorgungsforschung: Welche Themen wollen Patienten mit Ärzten diskutieren? Diskussion Dr. Follmann: Nur noch eine kleine Ergänzung: Aus der Sicht der Leitlinienentwicklergruppen wurde klar der Wunsch geäußert, dass eine Handreiche entwickelt wird, um das Thema Ergebnisse aus der Versorgungsforschung mehr in den Köpfen zu verankern und einen strukturierten Umgang zu ermöglichen. Mit dem Begriff Autorisierter Vertreter ist kein Mandatsträger gemeint, der einfach nur an den Sitzungen teilnimmt und abstimmt, sondern ein Versorgungsforscher, der im Thema bewandert ist und gebündeltes Studienwissen mitbringt. Darüber hinaus stellt sich natürlich immer die Frage nach der unabhängigen Finanzierung. Dr. Bruns. Das ist eine berechtigte Frage. Wir haben zunächst versucht, den größten Teil aus diesem Kreis finanziert zu bekommen. Beim Thema Leitlinien gibt es eine gewisse Zwischenfinanzierung, bei der Zertifizierung gibt es eine hohe Bereitschaft der Zentren, die Kosten mitzutragen. Man wird sehen, ob das so weiter aufrechterhalten werden kann. Bei der Durchführung klinischer Studien wurde bereits auf das Kapitel STGB hingewiesen, bislang wurde dieser Aspekt eher stiefmütterlich behandelt; das gleiche gilt für das Kapitel STGB 35c, wenn es um den Off-label use geht. Gerade wurde die Prefere-Studie aufgelegt, ein Galionsprojekt mit einem komplexen Studiendesign, das von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird. Ich sagte es bereits vorher, dass die Kassen hier eine Verpflichtung haben, die Versorgung für ihre Versicherten weiterzuentwickeln. Diese Arbeit kann man nicht den Kliniken oder allein dem Forschungsminister überlassen. Hier gehört der Bundesgesundheitsminister mit ins Boot.

84 82 Tagungsband Schlusswort Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Berlin Sehr geehrte Damen und Herren, Qualität in der Krebsversorgung ist ein komplexes Thema im Spannungsfeld zwischen klinischer Forschung, Leitlinienentwicklung, Zertifizierung, Dokumentation und Versorgungsforschung. Umso wichtiger erscheint der Blick über den Tellerrand und die gemeinsame Diskussion über die Reibungsverluste, die vor allem an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Bereichen auftreten können. Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, mit dem ersten QoCC-Kongress den Grundstein für einen solchen Austausch zu legen. Die Konferenz, die gemeinsam von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren veranstaltet wurde, hat verschiedene Punkte deutlich gemacht: Die Erkenntnisse aus klinischen Studien bestimmen entscheidend die Fortentwicklung von Therapien, den künftigen Stand der Versorgung. Der Weg ausgehend von Studien hin zu Leitlinien ist die einzige Möglichkeit, den Stand des Wissens für ein Versorgungsproblem nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin zu beschreiben und auch die Wissenslücken auszuloten. Es gibt dazu keine Alternative. Nicht für alle klinischen Probleme ist die Studienlage optimal. Deshalb brauchen wir ein strukturiertes Feedback der Leitliniengruppen über den Studienbedarf. Eine Priorisierung, die zeigt, wo der Bedarf am größten ist, könnte auch als Argumentationshilfe bei der Vergabe von Fördergeldern dienen. Momentan ist es so, dass eher wissenschaftlich Interessantes und Spannendes gefördert wird, aber eben nicht unbedingt das für die klinische Versorgung Vorrangige. Es besteht daher ein großer Bedarf an versorgungsnahen Studien, die einen breiten Querschnitt durch die Bevölkerung, also auch ältere und multimorbide Patienten, einschließen. Demgegenüber steht ein Mangel an Ärzten mit klinischer Erfahrung, die bereit sind, ihre Karriere in der klinischen Forschung auf der Durchführung von Versorgungsstudien aufzubauen. Hier sollten entsprechende Anreize geschaffen werden. Klinische Krebsregister sind eine wichtige Ressource, um die Qualität der Krebsversorgung zu verbessern. Sie dienen zum einen der Qualitätssicherung, deshalb ist die enge Zusammenarbeit mit den zertifizierten Zentren gefragt. Darüber hinaus bieten Registerdaten zahlreiche Ansatzpunkte für die Versorgungsforschung. Es bedarf klarer Regelungen, wer welche Daten in

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