Fehlerkultur als Anliegen von Unterrichtsentwicklung
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- Carl Kolbe
- vor 5 Jahren
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Transkript
1 Fehlerkultur als Anliegen von Unterrichtsentwicklung Michael Retzar
2 Gliederung Umgang mit Fehlern im Unterricht ein Selbstversuch Fehlerkultur eine Frage der Perspektive Fehlermanagement in 3 Schritten Auswirkungen von Fehlerkultur auf Schüler Probleme und Herausforderungen Schulentwicklung
3 Warm-up: Ein Selbstversuch Gesucht werden 2 Freiwillige für ein kurzes Rollenspiel. Es soll eine kurze Unterrichtssequenz inszeniert werden, bei der 2 Lehrpersonen nacheinander eine (leichte) mathematische Aufgabe mit einer Klasse behandeln. Vorbereitungszeit draußen: ca. 10 Minuten
4 Vorbereitung der Klasse Bitte versetzen Sie sich in die Rolle von Schülern einer Mathematikklasse. Sie kennen aus vorherigen Stunden bereits den Rechenstrich als Rechenhilfe. Stellen Sie sich auf eine Rechenaufgabe der Lehrkraft ein. (Fehler sind erlaubt.)
5 Fehlerkultur (sachlich & allgemein) In jeder sozialen Institution geschehen Fehler. Fehlern wird eine bestimmte Bedeutung zugeschrieben. Der Umgang mit Fehlern ist geprägt von den Interessen und Zielen der Institution. - Wirtschaft: Effizienz, Produktivität, Gewinnmaximierung - medizinische Einrichtungen: Vermeidung von Behandlungsfehlern, Gesundheit - Schule?
6 Fehlerkultur an Schulen (kritisch) defizitorientierte Leistungsfeststellung Effizienzgedanke im Zeitmanagement Interesse an fehlerfreien Lösungsansätzen Fehlersanktionierung
7 Fehlerkultur eine Frage der Perspektive Fehler können eine geradezu unersetzliche Erfahrung darstellen: Der Nachvollzug des Falschen ermöglicht das Lernen des Richtigen. Das jedoch bedeutet, dass nur aus Fehlern lernen kann, wer die Chance bekommt, in der Rückschau nachzuvollziehen, worin eigentlich der Fehler besteht und wie es zu ihm kam. In diesem Sinne lernen nur diejenigen, Fehler zu vermeiden, denen erlaubt wird, auch Fehler zu begehen. (Althof 1999)
8 Produktive Fehler Fehler: von einer Norm abweichende Sachverhalte oder Prozesse Fehler sollen für die Lernenden einen Nutzen (Erkenntnisgewinn) haben Gelegenheiten zum Dazulernen positive Begriffsprägung: Fehlerkultur Recht der Lernenden auf Fehler und auf eine konstruktive Auseinandersetzung (Koll-Stobbe 1993, Kobi 1994, Oser 1999)
9 Fehlermanagement in 3 Schritten: 1. Auffinden von Fehlern Raum und Zeit lassen für das Begehen von Fehlern aktive Suche nach potenziellen Fehlern und abweichenden Lösungen Verzicht auf hohes Unterrichtstempo (Oser 1999)
10 Fehlermanagement in 3 Schritten: 2. Ermittlung der Fehlerursachen Deskription der Fehlerentstehung Analyse der genauen Fehlerursache und der (fehlerhaften) Lösungsstrategien reflektierte Fehlerforschung ( negatives Wissen : wissen, was falsch ist) (Oser 1999)
11 Fehlermanagement in 3 Schritten: 3. Fehlerbehebung und Fehlerbewertung Sensibilität für emotionale Schülerwahrnehmung Praxis einer verurteilungsfreien Selbstverständlichkeit der Fehleraufklärung konstruktives und wertschätzendes Feedback (Oser 1999)
12 Beispiel: Folgefehler in der Mathematik Auffinden eines Fehlers Beschäftigung mit von den Schülern gewählten Lösungswegen Nachvollzug von Gedankengängen der Schüler Anerkennung von schlüssigen bzw. folgerichtigen Lösungsansätzen klare Kennzeichnung einer Fehlerquelle (leider keine Gelegenheit für eine Selbstkorrektur) keine pauschale Sanktionierung, die die Schülerleistung als Ganzes infrage stellt
13 Positive Auswirkungen von Fehlerkultur auf Schüler (Cerny 2013) Zuversicht und Vertrauen in eigenes Lernpotenzial prägende Vorbildfunktion in der Reaktion auf Fehler anderer Stärkung der Fähigkeit zur Metakognition höhere Schülerbeteiligung am Unterrichtsgeschehen Individualisierung des Lernens Verringerung von Frustrationserlebnissen bessere Ausschöpfung der Leistungspotenziale von Schülern
14 Probleme im Umgang mit Fehlern (Spychiger/Oser/Hascher/Mahler 1999) ggf. mangelndes Fachwissen einer Lehrkraft bzw. keine Vertrautheit mit dem Gegenstand schlechter Unterrichtsaufbau und schlechte Planung Missverständnisse Komplikationen durch typische Interaktionsmuster in Fehlersituationen - Bermuda-Dreieck - Lachen - Nachbohren bei zurückhaltenden und leisen Schüleräußerungen Interesse an Fehlervermeidung
15 Herausforderungen im Umgang mit Fehlern (Spychiger/Oser/Hascher/Mahler 1999) Emotionskontrolle fachdidaktische Kompetenz Schaffung einer angenehmen Arbeitsatmosphäre Selbstüberprüfung der Körpersprache sachbezogene, hilfreiche, konstruktive, aufbauende Rückmeldungen an Schüler sozio-emotionale Rahmenbedingungen in der Klasse und in bestimmten Arbeitsformen
16 Schulentwicklung durch Arbeit an Fehlerkultur (Spychiger/Oser/Hascher/Mahler 1999) konzeptionelle Fehlerkultur-Entwicklung im kleinen Team Verständigung auf erstrebenswerte Praktiken in Fehlersituationen Übung alternativer Reaktionen in Fehlersituationen kollegiale Hospitationen und gemeinsame Auswertung Evaluation eigener Maßnahmen, auch durch Schülerbefragungen
17 Zusammenfassung Fehler kommen in jedem System vor. Der Umgang mit Ihnen erfolgt systemspezifisch. In Fehlern lassen sich Probleme erkennen, die sich durch Lernzuwachs beheben lassen. Im Unterricht kommt es auf das Zulassen, Ergründen und Thematisieren von Fehlern an. Eine Fehlerkultur kommt dem Unterricht und den Schülern persönlich zugute. Lehrer benötigen sensible Fehlermanagementstrategien. Eine schulweite Fehlerkultur ist möglich. Sie benötigt Zusammenarbeit und Trainings.
18 Aufgabe für die Diskussion an Ihrer Tischgruppe Nehmen Sie sich 15 Minuten Zeit, um sich jeweils ein bis zwei Unterrichtssituationen ins Gedächtnis zu rufen, bei denen Sie persönlich ein Mal besonders ausführlich oder ein anderes Mal eher kurz angebunden oder vielleicht unbeholfen mit Schülerfehlern verfahren sind. Wählen Sie als Gruppe für das Plenum ein bis zwei prägnante Tischbeispiele aus, die im Hinblick auf Fehlerkultur interessant zu analysieren sind.
19 Vielen Dank für Ihr Interesse! Fehlerkultur als Anliegen von Unterrichtsentwicklung Michael Retzar
20 Literatur Althof, Wolfgang (Hrsg.) (1999): Fehlerwelten. Vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Opladen: Leske+Budrich. Cerny, Martina (2013): Fehler als Lernchance? Krems: Donau-Universität. Edelstein, Wolfgang (1999): Aus Fehlern wird man klug. Zur Ontologie von Fehlertypen. In: In: Althof, Wolfgang (Hrsg.): Fehlerwelten. Vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Opladen: Leske+Budrich. S Kahl, Reinhard (2000): Lob des Fehlers. Textbuch zur Sendereihe. Hamburg: Pädagogische Beiträge Verlag. Kobi, Emil E. (1994): Fehler. Die neue Schulpraxis 64(2), S Koll-Stobbe, Amei (1993): Falsch oder anders? Überlegungen zu Fehlerbewertungen im Fremdsprachenunterricht aus der Sicht der Sprachgebrauchslinguistik. Fremdsprachen lehren und lernen 22, S Oser, Fritz (1997): Lernen aus Fehlern. Zur Psychologie negativen Wissens. Fribourg: Pädagogisches Institut. Oser, Fritz/Hascher, Tina/Spychiger, Maria (1999): Lernen aus Fehlern. Zur Psychologie des negativen Wissens. In: Althof, Wolfgang (Hrsg.): Fehlerwelten. Vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Opladen: Leske+Budrich. S Reiss, Kristina/Hammer, Christoph (2013): Grundlagen der Mathematikdidaktik. Eine Einführung für den Unterricht in der Sekundarstufe. Basel: Birkhäuser. Reusser, Kurt (1999): Schülerfehler die Rückseite des Spiegels. In: In: Althof, Wolfgang (Hrsg.): Fehlerwelten. Vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Opladen: Leske+Budrich. S Spychiger, Maria (1998): Fehlerkultur aus Sicht von Schülerinnen und Schülern. Fribourg: Pädagogisches Institut. Spychiger, Maria/Oser, Fritz/Hascher, Tina/Mahler, Fabienne (1999): Entwicklung einer Fehlerkultur in der Schule. In: In: Althof, Wolfgang (Hrsg.): Fehlerwelten. Vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Opladen: Leske+Budrich. S Weingardt, Martin (2004): Fehler zeichnen uns aus. Transdisziplinäre Grundlagen zur Theorie und Produktivität des Fehlers in Schule und Arbeitswelt. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
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