MARKETING- UND VERTRIEBSSTRATEGIEN IM LIBERALISIERTEN DEUTSCHEN STROMMARKT. Von Gabor Beyer, Robert Schwarz und Yana Ilieva
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1 MARKETING- UND VERTRIEBSSTRATEGIEN IM LIBERALISIERTEN DEUTSCHEN STROMMARKT Von Gabor Beyer, Robert Schwarz und Yana Ilieva Ergebnisse einer empirischen Untersuchung 2009
2 Inhalt Marketing- und Vertriebsstrategien im liberalisierten deutschen Strommarkt Ergebnisse einer empirischen Untersuchung 2009 Herausgeben von FICHTNER MANAGEMENT BERATUNG AG, Berlin Von Gabor Beyer, Robert Schwarz und Yana Ilieva Unter Mitarbeit von Larisa Bakic, Claudia Bischl, Ariane Hoffmann, Susanne Huneke, Peter Koßmann, Birgit Munk, Dr. Achim Egner, Ines Wießner und Axel Wolff Oktober 2009, 36 Seiten und 17 Abbildungen 2009 FICHTNER MANAGEMENT BERATUNG AG Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen, Mikroverfilmung, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien sind ohne Zustimmung von FICHTNER MANAGEMENT BERATUNG AG nicht gestattet. Layout: 3zack Werbeagentur GmbH, Düsseldorf Druck: Druckerei Hachenburg GmbH, Hachenburg Titelfoto: 2
3 Einleitung Das Wichtigste in Kürze Methodik Auswahlkriterien und Durchführung der Erhebungen Aufbau der Fragebögen Struktur und Teilnehmer Der Wettbewerbsdruck und dessen Einfluss auf den Stromversorger Marketing- und Vertriebsstrategien Zwischen lokaler und bundesweiter Ausrichtung Marktsegmentierung Umsetzung der Marketing- und Vertriebsstrategien Vertriebskanäle Kommunikationsinstrumente Werbemedien Kundenbindungsstrategien und deren Umsetzung Steuerungsinstrumente für Marketing und Vertrieb Die Präferenzstrategie und ihre Umsetzung Gesamtbeurteilung der Marketing- und Vertriebsstrategien und Optimierungsvorschläge Zusammenfassung Ausblick
4 4 Einleitung
5 Die Energiewirtschaft ist weiterhin im Wandel. Gravierende Veränderungen treiben auch nach mehr als zehn Jahren der Liberalisierung die deutschen Energieversorgungsunternehmen (EVU). Vor nunmehr 11 Jahren erfolgte mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes in Deutschland die Öffnung der Strommärkte, verbunden mit einem Abbau von Marktzutrittsschranken. Auf Grund der veränderten Rahmenbedingungen entwickelte sich eine starke Dynamik. Durch die Liberalisierung sieht sich die Branche mit den Herausforderungen des Wettbewerbs konfrontiert. In den Markt traten in den letzten Jahren neue nationale und internationale Anbieter, Handels- oder Brokerunternehmen und spezialisierte Ökostrom- sowie Discountanbieter ein. Um den vertrieblichen Erfolg zu sichern, ist die strategische Neuausrichtung für Marketing- und Vertriebsabteilungen notwendig. Effizienz- und Innovationsdruck sind nunmehr für alle Marktteilnehmer spürbar. Die Deregulierung des Strommarktes wirkte sich in keinem anderen betrieblichen Funktionsbereich der Anbieter von Strom so radikal aus, wie im Marketing und Vertrieb. Während in den Monopolzeiten der Kundenstamm und die Abnahmemengen durch die Gebietsmonopole als weitgehend gesichert galten, waren Marketingmaßnahmen in sehr geringem Umfang nötig. Mit der Liberalisierung des Strommarktes bekamen die Kunden die Möglichkeit, ihren Versorger frei zu wählen. Die Zahl der deutschen Haushalte, die dieses ihnen neu eingeräumte Recht in Anspruch nehmen, steigt stetig. Fragen rund um Vertrieb, Marketing und Kundenbetreuung gewinnen auf Grund des intensivierten Wettbewerbs an Bedeutung. Erforderlich sind nicht nur vielfältige Änderungen der Gestaltung und des Einsatzes von Marketing-Instrumenten wie Werbung oder Preisgestaltung, sondern auch eine grundsätzliche Umorientierung in der Marktphilosophie und in der Marketingstrategie. 5
6 Das Wichtigste in Kürze Die Gesamteinschätzungen und Bewertungen der Marketing- und Vertriebsstrategien waren zum großen Teil nur befriedigend und weisen auf notwendigen Handlungsbedarf hin. 6
7 Höhere Wechselbereitschaft und Wettbewerb auf bundesweitem Niveau Es wird erwartet, dass die bisher registrierte Wechselbereitschaft der Haushaltskunden von jährlich vier bis acht Prozent künftig weiter ansteigen wird. Dies ist vor allem Ausdruck eines sich weiter verschärfenden Wettbewerbs. Mehr als zwei Drittel der Befragten sind einem nunmehr bundesweit stattfindenden Wettbewerb um Kunden ausgesetzt. Die Bedeutung von Marketing und Vertrieb steigt Während Marketing und Vertrieb in den Unternehmen bisher eine nachgelagerte Rolle einnahmen, so erwarten die Energieversorger künftig eine steigende Bedeutung. Einzelne Befragte reagierten bereits mit einer Erhöhung ihrer Budgets für künftige Marketing- und Vertriebsaktivitäten. Dies verwundert nicht, da nahezu die Hälfte der befragten Unternehmen die bisher umgesetzten Marketing- und Vertriebsstrategien eher als befriedigend einstuften. Offensive Aktivitäten und Einsatz innovativer Vertriebskanäle Neben der Bestandskundensicherung im eigenen Versorgungsgebiet gehen immer mehr Stromanbieter in die Offensive und erweitern ihre Aktivitäten auf das gesamte Bundesgebiet. Um dieses Ausweitung erfolgreich umzusetzen werden innovative Vertriebskanäle (Multi-Channel Distribution) wie Kundencenter, Internet, Einzelhandel und Direktvertrieb genutzt. Überraschenderweise setzt die Mehrheit der Befragten zahlreiche Vertriebskanäle ein, hingegen wird deren Effektivität nur als befriedigend eingestuft. Kundenbindung und Segmentierungsmerkmale finden zunehmend Anwendung Kundenbindungsaktivitäten wie Kundenkarten, Treuebonus, Kundenveranstaltungen und -zeitschriften genießen bei den befragten Unternehmen eine hohe Akzeptanz. Um relevante Kundenbedürfnisse und profitable Kundengruppen zu identifizieren, nutzen die Unternehmen stärker als bisher neue demografische als auch verhaltenorientierte Segmentierungsmerkmale z.b. Altersstruktur (Studenten, Senioren), ethnologische Differenzierung (mehrsprachige Serviceangebote) oder Lebensstil (ökologisch orientierte Kunden oder Kunden mit hoher Affinität zum Internet). Kommunikationspolitik rückt in den Vordergrund Die Öffentlichkeitsarbeit als unverzichtbarer Teil der Kommunikationspolitik der Energieversorger dient künftig auch dazu, einer kritischen, öffentlichen Meinung entgegenzuwirken. Gleichzeitig zielen Maßnahmen auf das Image eines umweltverantwortlich handelnden Unternehmens. In diesem Zusammenhang investieren immer mehr Stromversorger in Markenbildungsaktivitäten, zum Teil im Rahmen von Kooperationsprojekten. Produktbegleitende Dienstleistungen Um sich von den Wettbewerbern abzuheben, werden stärker als bisher produktbegleitende Dienstleistungen (Zählerfernauslese, Multi-Utility-Ansatz, Angebot von Bundle-Produkten) angeboten. 7
8 8 Methodik
9 FICHTNER MANAGEMENT BERATUNG AG analysierte im Rahmen einer empirischen Untersuchung Marketing- und Vertriebsstrategien im liberalisierten deutschen Strommarkt, um einen umfassenden Überblick über die strategische Ausrichtung der Unternehmen zu gewinnen. Um eine vollständige Grundgesamtheit der deutschen Stromversorger zu gewährleisten, wurden neben den überregionalen, regionalen und lokalen Energieversorgern auch Händler und andere neue Anbieter in die Stichprobe einbezogen (vgl. Abbildung 1). Neue Anbieter die großen vier Stichprobe der Grundgesamtheit Stadtwerke Regionalanbieter Abbildung 1: Auswahl der Stichprobe Die Befragung erfolgte in dem Zeitraum März bis Ende Juni Für die Befragung wurde ein strukturierter Fragebogen mit offenen und geschlossenen Fragen entwickelt und an die ausgewählten Unternehmen versandt. Aus der Gruppe der Stadtwerke, als auch der neuen Anbieter wurden Unternehmen nach dem Zufallverfahren ausgewählt. Überregionale und regionale Energieversorger wurden vor dem Hintergrund einer definierten Anzahl direkt angeschrieben. Auswahlkriterien und Durchführung der Erhebungen Um die Relevanz der Befragung für das Thema der vorliegenden Arbeit sicher zu stellen, wurden bestimmte Auswahlkriterien für die Teilnehmer der Untersuchung entwickelt. Um diese Anforderungen zu erfüllen, wurden Energieversorger ausgewählt, die in der Stromversorgung und -vertrieb im Haushaltskundensegment tätig sind. Für die Untersuchung wurden Unternehmen herangezogen, welche einen Mindestjahresumsatz in Höhe von 20 Millionen Euro durch den Vertrieb von Strom an Endkunden erwirtschaften. Ziel war es, die Stichprobe um die Gruppe der kleinen Energieversorger und neuen Anbieter (z.b. Stromhändler und Internetanbieter) mit sehr begrenzten Marketing- und Vertriebsressourcen auszuschließen. 9
10 Ausgehend von einer Grundgesamtheit von ca Stromversorgern wurden 200 Stromversorger ausgewählt und befragt. Als Ansprechpartner fungierten je nach Rechtsform der Gesellschaft die zuständigen Vorstände, Geschäftsführer bzw. Abteilungsleiter im Marketing und Vertrieb. In einem ersten Schritt wurden die Fragebögen in Verbindung mit einem persönlichen Anschreiben an die 200 Unternehmen versandt. Nach acht Wochen erfolgte eine telefonische Nachfassaktion. Insgesamt nahmen von den angeschriebenen 200 Unternehmen lediglich 30 an der Befragung teil, was einer Rücklaufquote von 15 Prozent entspricht. Diese Rücklaufquote kann nach Angaben des BDEW (Bundesverband der Energieund Wasserwirtschaft e.v.) unter anderem auch auf den seit der Liberalisierung deutlich angestiegen Berichtsaufwand zurückgeführt werden. Aufbau der Fragebögen Die für die Studie verwendeten Fragebögen sind wie folgt strukturiert: Allgemeine Angaben zum Unternehmen, inklusiv der organisatorischen Umsetzung von Marketing und Vertrieb Fragen zu ausgewählten Marketing- und Vertriebsstrategien Umsetzung der Marketing- und Vertriebsstrategien Einschätzungen zur zukünftigen Entwicklung und Ausblick. Im Mittelpunkt der Studie stehen die nachfolgenden Fragestellungen: Welche Bedeutung haben die Bereiche Marketing und Vertrieb für die Energieversorger vor dem Hintergrund der Marktöffnung? Wie empfinden die Energieversorger die Änderungen des Wettbewerbsumfeldes? Streben die Stromanbieter eine bundesweite offensive Angriffsstrategie an, oder bleiben sie eher defensiv? Welche Vertriebskanäle werden momentan genutzt und welche werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen? Welche Werbemedien haben das höchste Erfolgspotential? Welche Kommunikationswege sind zurzeit besonders aktuell und auf welche Art und Weise werden Kunden an das Unternehmen gebunden? Einschätzung der gesamten Zufriedenheit mit den Marketing- und Vertriebsstrategien? 10
11 Struktur der Teilnehmer Von den an der Studie teilgenommenen Unternehmen weist nahezu die Hälfte (44 Prozent) im Segment der Haushaltskunden (ohne Netznutzung und Stromhandelsgeschäfte) einen Stromumsatz von weniger als 50 Millionen Euro auf. Bei ca. einem Viertel der Teilnehmer (24 Prozent) betrug der Stromumsatz mehr als 100 Millionen Euro und lediglich 4 Prozent erwirtschaften einen Umsatz zwischen 50 und 100 Millionen Euro. Nahezu ein Viertel der Teilnehmer gaben keine Auskunft zu ihren Stromumsätzen (vgl. Abbildung 2). Keine Angaben zum Umsatz 28% Umsatz > 50 Mio Euro 44% Umsatz > 100 Mio Euro 24% Umsatz > 50 < 100 Mio Euro 4% Abbildung 2: Anteil der Teilnehmer nach Stromumsatz 1 Der Stromabsatz der befragten Teilnehmer korrespondiert mit den Umsatzgrößen, jedoch antworteten 28 Prozent der Teilnehmer nicht auf die Frage nach ihrem Stromabsatz mit Haushaltskunden. Machten die Unternehmen hingegen Angaben zu ihren Umsätzen, wurde ebenso über den Absatz im Segment der Haushaltskunden informiert. 1 Quelle: Eigene Erhebung 11
12 Der Wettbewerbsdruck und der Einfluss auf die Stromversorger Die Mehrheit der befragten Unternehmen setzt sich aktuell mit der bundesweiten Ausrichtung der Wettbewerber auseinander. 12
13 Im Wettbewerbsumfeld haben Energieversorger tiefgreifende Veränderungen erfahren, bei denen Monopolstrukturen aufgebrochen wurden und bundesweiter Wettbewerb um Kunden zu Absatz- und Umsatzeinbußen führte. Trotzdem gaben mehr als zwei Drittel der Befragten (71 Prozent) an, dass ihr Stromumsatz nach der Liberalisierung anstieg (vgl. Abbildung 3). Dies drückt zum einen aus, dass der Wettbewerb zu einer Umsatzausweitung führte, zum anderen kann festgestellt werden, dass die Mehrzahl der befragten Unternehmen den veränderten Rahmenbedingungen bisher mit geeigneten Mitteln begegneten. Für ein Drittel der befragten Unternehmen führte die Liberalisierung hingegen zu höheren Risiken und damit zu Absatz- und Umsatzverlusten. Umsatz gesunken 29% Umsatz gestiegen 71% Abbildung 3: Die Umsatzentwicklung seit der Liberalisierung 2 Ergänzend kann auf Grund der Untersuchung überwiegend auf bundesweiten Wettbewerb geschlossen werden. Lediglich 23 Prozent der Mitbewerber sind ausschließlich regional und 8 Prozent lokal aktiv. Die Mehrheit der befragten Unternehmen setzt sich aktuell mit der bundesweiten Ausrichtung des Wettbewerbs auseinander. Insbesondere kleine und lokal tätige Unternehmen, mit begrenzten Mitteln für das Marketing und den Vertrieb, haben mit bundesweit agierenden finanzstarken Mitbewerbern zu kämpfen (vgl. Abbildung 4). 2 Quelle: Eigene Erhebung 13
14 Um diese Herausforderungen zu bewältigen, boten sich verschiedene Formen von Kooperationen und Partnerschaften als Lösungsalternative an. Eine im Markt zu beobachtende Konsolidierung kann hierfür als Beleg herangezogen werden. Mitbewerber bundesweit 69% Mitbewerber lokal 8% Mitbewerber regional 23% Abbildung 4: Mitbewerber auf regionalem, lokalem und bundesweitem Niveau 3 Ein weiteres Indiz für die verschärften Veränderungen der Branche und gestiegenen Wettbewerbsdruck ist der steigende Kundenwechsel. Nahezu alle befragten Unternehmen gaben an, dass die Kundenwechselrate seit der Liberalisierung gestiegen ist. Hierbei waren keine bis maximal 8 Prozent kumulierte Kundenwechsel zu verzeichnen. 4 Mehr als ein Drittel der Befragten erwarten künftig Kundenwechsel kumuliert größer als 8 Prozent. 48% 48% 36% 36% 12% 0% Churn-Rate 0-3% Churn-Rate 4-8% Churn-Rate >8% aktuell erwartet Abbildung 5: Jährliche Wechselrate aktuell und erwartet 5 3 Quelle: Eigene Erhebung 4 92 Prozent der befragten Unternehmen lieferten zu dieser Frage eine Antwort. Quelle: Eigene Erhebung 5 Quelle: Eigene Erhebung 14
15 Da Marketing- und Vertrieb die zentralen Bindeglieder zwischen Unternehmen und Kunden darstellen, unterliegen diese Unternehmensbereiche gravierenden Veränderungen seit der Liberalisierung. Die Verantwortlichen wurden deshalb dazu befragt wie sie die Bedeutung der Marketing- und Vertriebsabteilung in ihrem Unternehmen vor der Liberalisierung, aktuell und künftig einschätzen. künftige Bedeutung der Vertriebsabteilung Bedeutung der Vertriebsabteilung aktuell Bedeutung der Vertriebsabteilung vor der Liberalisierung künftige Bedeutung der Marketingabteilung Bedeutung der Marketingabteilung aktuell Bedeutung der Marketingabteilung vor der Liberalisierung 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr hoch hoch weniger hoch gering sehr gering keine Abbildung 6: Bedeutung der Marketing- und Vertriebsabteilung Im Gegensatz zu der gering eingeschätzten Bedeutung der Funktionsbereiche Marketing und Vertrieb in der Zeit vor der Liberalisierung, stieg die Bedeutung und Relevanz dieser Funktionsbereiche deutlich an. Den Trend einer künftig wachsenden Bedeutung zeigt eindrucksvoll Abbildung 6. Die befragten Unternehmen haben erkannt, dass vor dem Hintergrund des intensiven und bundesweiten Wettbewerbs sowie einer steigenden Wechselbereitschaft Handlungsbedarf besteht. Einzelne befragte EVU reagierten mit einer Erhöhung der Budgets für die Marketing- und Vertriebsaktivitäten in In der Unternehmensstruktur wurden beide Funktionsbereiche für die Hälfte der befragten Unternehmen durch zwei eigenständige und unabhängige Abteilungen organisatorisch umgesetzt. Die andere Hälfte der Befragten ordnete die Marketingabteilung organisatorisch der Vertriebsabteilung unter bzw. integrierte diese und untermauerte damit die Bedeutung von Marketing- und Vertriebsaktivitäten. Kleine und mittlere Unternehmen geben an, dass ihre Marketingabteilungen mit durchschnittlich 3 verantwortlichen Mitarbeitern und die Vertriebsabteilung mit durchschnittlich 10 verantwortlichen Mitarbeitern ausgestattet sind. 15
16 16 Marketing- und Vertriebsstrategien
17 Zwischen lokaler und bundesweiter Ausrichtung Um die räumliche Ausrichtung der Vertriebsaktivitäten zu ermitteln, wurden die Unternehmen nach ihren Präferenzen für ihre Vertriebsstrategie in Bezug auf Neukundenakquisition, Bestandskundensicherung und Kundenrückgewinnung befragt. Aktuell setzen die meisten Befragten eher auf eine lokale und regionale Ausrichtung ihrer Vertriebsaktivitäten. Hauptgrund dafür ist ein hoher Anteil von Stadtwerken in der Stichprobe. Die Akquisitionsstrategie im eigenen und im nahen Umfeld des eigenen Gebietes kann als Defensivstrategie bezeichnet werden. Die zukünftige Orientierung hin zu einer offensiven Strategie außerhalb des früheren Versorgungsgebietes wird weiter verfolgt. Wie Abbildung 7 zeigt, ist nach Ansicht der Befragten das Potential der Neukundenakquisition im eigenen Versorgungsgebiet ausgeschöpft. Eine bundesweite Ausrichtung der Aktivitäten zur Neukundengewinnung stellt eine erfolgversprechende Alternative für ein Drittel der Befragten dar. 64% 44% 48% 48% 36% 16% Neuausrichtung der Neukundenakquisition lokal Neuausrichtung der Neukundenakquisition regional Neuausrichtung der Neukundenakquisition bundesweit aktuell erwartet Abbildung 7: Neukundenakquisition auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene 17
18 Die Stromanbieter kompensieren einen stagnierenden Verbrauch durch Erhöhung der externen Marktgebietsanteile. Sie gehen offensiv mit Angriffsmaßnahmen in neue Marktgebiete. Die durchschnittlich zu erwartenden Kundenverluste im eigenen Marktgebiet (ca. vier bis acht Prozent Churn) müssen, um den Bestand zu halten, mit diesem Vorgehen kompensiert werden. Auch künftig ist es für 60 Prozent der EVU sehr wichtig, im eigenen Gebiet die Kundenverluste zu begrenzen. Hingegen spielt die bundesweite Bestandssicherung heute eine untergeordnete Rolle. Künftig wird dies jedoch von ca. einem Drittel der befragten EVU als wichtig erachtet. Die Anteile des Kundenstamms werden sich durch offensive Angriffsmaßnahmen von einem bisher überwiegend lokalen stärker zu einem regionalen und bundesweiten verschieben. Augenscheinlich geht ein großer Teil der EVU in die Offensive, allerdings bleibt die Strategie der Kundenbestandssicherung für die Mehrheit der befragten Unternehmen unverzichtbar (vgl. Abbildung 8). Entsprechend der Fokussierung auf bundesweite Neukundenakquisitionen gewinnt auch die Sicherung der bundesweiten Bestandskunden künftig an Bedeutung. 72% 60% 48% 48% 32% Bestandskundensicherung lokal Bestandskundensicherung regional 2% Bestandskundensicherung bundesweit aktuell künftig Abbildung 8: Bestandskundensicherung auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene 18
19 Neben der Neukundenakquisition und der Bestandssicherung, ist das Zurückgewinnen von verlorenen Kunden Fokus künftiger Aktivitäten mit dem sich die EVU auseinandersetzen. Die stärkste Ausrichtung, ist aktuell als auch künftig, wie Abbildung 9 zeigt, lokal zu beobachten. Die Kundenhistorie ist dort bekannt und dadurch der Kunde mit seinen Bedürfnissen besser einschätzbar. Know-how über Kunden sowie deren Verweildauer nehmen mit der Distanz zum eigenen Marktgebiet ab. Hierfür spricht die Ausrichtung auf Akquisitionen in den eigenen Gebieten. 64% 60% 44% 48% 16% Kundenrückgewinnung lokal Kundenrückgewinnung regional 4% Kundenrückgewinnung bundesweit aktuell künftig Abbildung 9: Kundenrückgewinnung auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene 19
20 Marktsegmentierung Seit der Liberalisierung können die EVU die Stromabnehmer nicht mehr als reine Zählernummer betrachten. Die spezifischen Kundenbedürfnisse lassen sich durch geeignete Segmentierungskriterien identifizieren. Die Teilnehmer der Studie wurden nach den von ihnen angewendeten Segmentierungsmerkmalen bei der Kundenklassifizierung befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass lediglich mit einer Ausnahme, alle Teilnehmer Segmentierungsstrategien nutzen und künftig die Präzision ihrer Klassifizierung erhöhen werden. Abbildung 10 zeigt, dass das Merkmal Haushaltsgröße sowohl momentan, als auch künftig die höchste Priorität beim Klassifizieren von Kunden genießt. Dies findet seine Erklärung in der einfachen Erhebung dieses Merkmals sowie einer traditionellen Anwendung bereits vor der Liberalisierung. Anhand der Haushaltsgröße lässt sich mittels Erfahrungswerten sehr einfach und präzise der Jahresstromverbrauch ableiten. Die Nutzung von Segmentierungsmerkmalen wie Altersstruktur, Lebensstil oder ethnologischen Unterschieden gewinnt zukünftig weiter an Bedeutung. Die Altersstruktur als Segmentierungskriterium wird momentan von 16 Prozent der Befragten genutzt. 68% 76% 72% 44% 48% 16% 20% 4% Altersstruktur Haushaltsgröße Ethno- Unterschiede Lebensstil aktuell künftig Abbildung 10: Segmentierungsmerkmale 20
21 Künftig wird dieser Anteil auf 44 Prozent ansteigen. Gründe sind der demographische Wandel sowie psychologischen Unterschiede auf Grund von Altersdifferenzen. Diese werden verstärkt in künftigen Segmentierungsstrategien der Stromlieferanten zu berücksichtigen sein. Das Attribut Lebensstil wird erstaunlicherweise aktuell etwa von der Hälfte der Befragten als Segmentierungsmerkmal herangezogen, dieser Anteil erhöht sich auf 72 Prozent in der Zukunft. Ökostrom- und reine Onlineprodukte sind typische Beispiele für die Umsetzung in Produktkreationen für den zielgruppenspezifischen Ansatz der EVU. Die geringste Berücksichtigung bei der Kundensegmentierung fanden bislang ethnologische Unterschiede der Stromkunden. Es sind bereits zahlreiche Ansätze für Ethno-Marketing auf dem Strommarkt zu beobachten. So setzen Stromanbieter auf verschiedenen Internetseiten bereits ganzheitliche Ethno-Marketingansätze um. Darüber hinaus werden im Vertrieb Call-Center speziell für diese wichtige Zielgruppe eingesetzt. Dies unterstreicht die Wahrnehmung der EVU in der Einschätzung der Bedeutung einer bislang wenig berücksichtigten Kundengruppe. 21
22 Umsetzung der Marketing- und Vertriebsstrategien Die Bedeutung von Call-Centern spielt bei der Kundenrückgewinnung künftig auch eine wesentliche Rolle. 22
23 Vertriebskanäle Bestandssicherung und profitables Wachstum sind die wichtigsten Ziele und die Vertriebskanäle müssen dem Rechnung tragen. Deshalb wurden die Teilnehmer nach dem Einsatz von Vertriebskanälen befragt, neben der Fragestellung nach einer qualitativen Effektivitätsschätzung. Der am stärksten genutzte Vertriebskanal ist, wie Abbildung 11 zeigt, das Kundencenter, gefolgt vom Internetportal und dem Call-Center. Der konventionelle Kanal Kunden-Center spielte schon immer eine zentrale Rolle im Stromvertrieb. Die über die Jahre gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse sind eine mögliche Erklärung für die Zufriedenheit der EVU (Note 2,5) in der Bewertung. Die Bewertung des Kundencenters zeigt jedoch in der Einschätzung eine starke Streuung, es ergibt sich bis auf einige Beispiele die Bewertung ausreichend. Ein Kunden-Center eignet sich vornehmlich im eigenen Marktgebiet. Markenbekanntheit und Kundenpotential sind für einen effizienten und effektiven Betrieb unerlässlich. Der Online-Vertrieb ist künftig, wie Abbildung 11 zeigt, mit 80 Prozent zweitwichtigster Absatzkanal. Insgesamt zeigen sich die Unternehmen zufrieden (Note 2,1). Die weiter steigende Akzeptanz des Internets und mit dessen Einsatz verbundene Kostenersparnisse sind einige Gründe hierfür. Zu beachten ist, dass online-affine Kunden sehr gut informiert sind und häufig den Anbieter wechseln. Der offensive Verkauf über den Direkt-Vertrieb (Haustürgeschäfte und Promotions) ist relativ neu im deutschen Strommarkt. Die Effektivität (Note 2,0) wird ausschließlich positiv betrachtet. Ein Indiz für den zukünftig steigenden Einsatz dieses Vertriebskanals. Call-Center nutzen aktuell als auch künftig mehr als die Hälfte der Befragten. Die Erfolgsfaktoren für einen effektiven Einsatz dieses Kanals liegen im rechtlich einwandfreien Adressmanagement, in der Qualifikation der Call-Center-Mitarbeiter und in der Einhaltung von Rahmenbedingung der telefonischen Akquisition. Als erfolgreich gelten in der Praxis Abschlussraten zwischen 20 und 30 Prozent. Die Bedeutung von Call-Centern spielt bei der Kundenrückgewinnung künftig auch eine wesentliche Rolle. Entsprechende zusätzliche Schulungen der Call-Center-Mitarbeiter, attraktive Angebote für Endkunden und Leitfäden sind hierfür von Bedeutung. Die Bedeutung des Vertriebs über den Einzelhandel wird künftig höher als heute eingeschätzt. Parallelen aus der Telekommunikation (TK) könnten hierfür beobachtet werden, da das TK-Umfeld seit Jahren Aktivitäten auf den Fach- und Einzelhandel konzentriert. Viele Kunden wurden durch die Nutzung dieses Kanals gewonnen. 23
24 Einzelhandel (Note 2,5) 4% 16% Direct Mailing (Note 2,3) 32% 52% Direktvertrieb (Note 2,0) 32% 48% Internetportal (Note 2,1) 64% 80% Energieverbund (Note 2,2) 20% 36% Call Center (Note 2,3) 52% 52% Kundencenter (Note 2,5) 84% 84% aktuell künftig Abbildung 11: Eingesetzte Vertriebskanäle mit Bewertung aktuell und künftig Kommunikationsinstrumente Energieversorger befinden sich neben dem Produktwettbewerb (Preis- und Dienstleistungswettbewerb) im Kommunikationswettbewerb, d.h. im Wettbewerb der Meinung potentieller Kunden. Um diesen Wettbewerbsherausforderungen erfolgreich zu begegnen, setzen Stromversorger auf eine breite Palette von Kommunikationsinstrumenten. Die Unternehmen wurden, wie in Abbildung 12 dargestellt, nach dem Einsatz und ihrer Einschätzung der Wirkung der Kommunikationsinstrumente befragt. Werbung (Note 2,3) und Sponsoring (Note 2,1) wurden bereits vor der Liberalisierung intensiv genutzt und werden auch weiterhin von nahezu allen befragten EVU eingesetzt. Darüber hinaus planen die EVU künftig deutlich stärker die weiteren zum Teil neuen Kommunikationsinstrumente zu nutzen. Veranstaltungen (Note 1,8) und Öffentlichkeitsarbeit (Note 2,3) werden mit der stärksten positiven Wirkung beurteilt und künftig noch intensiver genutzt. 24
25 Öffentlichkeitsarbeit (Note 2,1) 68% 80% Verkaufsförderung (Note 2,3) 20% 32% Markenbildung (Note 2,0) 44% 60% Veranstaltungen (Note 1,8) 60% 76% Sponsoring (Note 2,1) Werbung (Note 2,3) 80% 84% 80% 76% aktuell künftig Abbildung 12: Eingesetzte Kommunikationsinstrumente mit Bewertung aktuell und künftig Die eingesetzten Kommunikationsinstrumente sind je nach Ziel und Ausrichtung der EVU (lokal, regional und bundesweit) zu bewerten. Für einen bundesweiten Auftritt sind Markenbildung und Werbung ein wesentlicher Treiber. Veranstaltungen (Note 1,8) und Verkaufsförderung (Note 2,3) zielen hingegen eher auf einen regionalen Kundenstamm. Darüber hinaus ist die Wahl geeigneter Instrumente abhängig von den zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln und Budgets, ebenso wie bei den Mitteln, die pro Kundengewinn bzw. -bindung bereitzustellen sind. Eine starke Marke mit dem richtigen Image kann die Kundenentscheidung signifikant beeinflussen. Markenbildungsmaßnahmen (Note 2,0) werden daher künftig vor allem eingesetzt, um das Kundenbindungs- und Differenzierungspotential zu erhöhen. Werbemedien Welche Werbemedien gezielt eingesetzt werden können, hängt von zahlreichen Faktoren, wie Zielgruppenprofil, Kosten und der Fähigkeit zur Übermittlung einer Botschaft ab. Hierzu wurden die Unternehmen befragt, welche Werbemedien innerhalb ihrer Kommunikationsstrategie eingesetzt werden. Die durch EVU häufig verwendeten Werbemedien sind die Printmedien in Form von Broschüren (Note 2,3), Zeitungen/Zeitschriften (Note 2,1) und Plakaten (Note 2,4). Der Einsatz von Zeitungen/Zeitschriften und Plakaten erfolgt künftig stärker, dies ist sicher den geringen Kosten dieser Werbemedien geschuldet. 25
26 Eine geringe Zahl von EVU nutzt derzeit Rundfunk und schätzt deren Einsatz positiv ein (Fernsehen (Note 2,2) und Hörfunk (Note 2,5)). Ursachen liegen in den hohen Kosten und Streuverlusten. Bei einer regionalen Vertriebsausrichtung ist Hörfunk ein bewährtes Instrument, auch um Streuverluste zu verringern. TV-Werbung ist für einen bundesweiten Auftritt geeignet und unterstützt die Markenbildung. Die Kosten-Nutzen-Relation ist mit einem sehr starken Fokus auf den Markenaufbau durchaus vertretbar. Vorteile von Internetwerbung (Note 2,0) werden durch die aktive Nutzung dieses Werbemediums bei fast allen Unternehmen herausgestellt. Suchmaschinenmarketing und Suchmaschinenoptimierung wirken bezogen auf den Bekanntheitsgrad positiv auf den eigenen Internetauftritt der EVU. Das Internet wurde nunmehr zu einem bewährten Vertriebskanal. TV (Note 2,2) 16% 20% Broschüre/Prospekte (Note 2,3) 76% 76% Plakate (Note 2,4) 52% 64% Zeitung/Zeitschriften (Note 2,1) 72% 80% Veranstaltungen (Note 2,2) 64% 60% Internet (Note 2,0) 80% 80% Hörfunk (Note 2,5) 24% 40% aktuell künftig Abbildung 13: Eingesetzte Werbemedien Kundenbindungsstrategie und deren Umsetzung Die Kundenbindung sichert den Fortbestand des Unternehmens. Trotz deren Bedeutung gibt es im Energiesektor kaum Erfahrungswerte, welche Kommunikationsmaßnahmen am stärksten zu einer hohen Kundenbindung beitragen. Die EVU wurden nach den eingesetzten Kommunikationsmaßnahmen im Hinblick auf deren Eignung zur Kundenbindung befragt (vgl. Abbildung 14). 26
27 Mehr als zwei Drittel der Unternehmen setzen auf eine individuelle Beratung und beurteilen diese zur Kundenbindung sehr positiv (Note 1,4). Am besten können Argumente zur Kundenbindung in der direkten Kommunikation mit dem Kunden platziert werden. Durch die Interaktion kann dem Kunden ein individuelles Angebot zum Verbleiben unterbreitet werden. Die Einschätzung über die Eignung von Maßnahmen zur Stärkung der Kundenbindung erfolgt darüber hinaus positiv für Kundenveranstaltungen (Note 2,2) sowie Pressearbeit (Note 1,9). Hierbei sollte durch die EVU weiterhin aktive PR-Kommunikation betrieben werden. Die Bildung starker Marken (Note 2,1) erhöht das Vertrauen und die Loyalität der Kunden und verhindert deren Abwanderung. Der Großteil der Befragten hat schon die hohen Kundenbindungspotentiale bei der Markenbildung identifiziert und wird die Anstrengungen weiter intensivieren. Bisher nicht ausgeschöpfte Potentiale zeigen die Verwendung von Kundenkarten (Note 2,4) und Direkt Mailings (Note 2,4). Die EVU planen deren Nutzung deutlich zu erhöhen, jedoch muss der Einsatz dieser Instrumente objektiv betrachtet werden. Insbesondere Kundenkarten müssen für die Endkunden spürbaren und dauerhaften Nutzen stiften, um eine hohe Akzeptanz zu erzielen. Direct Mailings sind stark abhängig von den Wettbewerbsaktivitäten der eigenen Marke und der Tarif-Positionierung. Schnell kann die Kosten-Nutzen-Relation sich umkehren. Internetpräsenz (Note 2,2) 64% 64% Veranstaltungen (Note 2,2) 56% 64% Kundenkarte (Note 2,4) 20% 36% Kundenmagazine (Note 2,1) 56% 60% Pressearbeit (Note 1,9) 56% 64% Direct Mailing (Note 2,4) 24% 44% Marken-, Imagebildung (Note 2,1) 52% 68% Individuelle Beratung (Note 1,4) 68% 72% aktuell künftig Abbildung 14: Eingesetzte Kommunikationsmaßnahmen und Bewertung des Kundenbindungspotentials 27
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