Harmonische Polynome im R 3

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1 Harmonische Polynome im R 3 Christoph Fürst, Alexander Grubhofer, Claudia Jabornegg Gerlinde Sigl, Stefan Steinerberger Einführung und Definitionen Definition Sei C (R 3 ) die Menge der {f : R 3 C : f ist glatt} unendlich oft differenzierbaren Funktionen, die R 3 in die Ebene abbilden. Der Laplace-Operator : C (R 3 ) C (R 3 ) ist durch f := f x + f y + f z definiert. Definition Sei l N 0. Unter einem homogenen harmonischen Polynom vom Grad l verstehen wir ein Polynom P C (R 3 ) mit den folgenden Eigenschaften.. P ist harmonisch: P = 0, d.h. R(P ) = 0 und I(P ) = 0. P ist l homogen: Für alle x R 3 und t R gilt P (tx) = t l P (x). Die Menge der harmonischen und homogenen Polynome vom Grad l bezeichnen wir mit H l. Beispiele. Jede konstante Funktion p(x, y, z) = c ist 0 harmonisch. Jedes lineare Polynom der Form p(x, y, z) = ax + by + cz für a, b, c C ist harmonisch. Das Nullpolynome p(x, y, z) = 0 ist l harmonisch für alle l. Das Polynom p(x, y, z) = x y ist harmonisch. Theorem Die l homogenen Polynome über C[x, y, z] bilden einen Vektorraum P l. Weiters dim(p l ) = # { (a, b, c) N 3 0 : a + b + c = l } ( ) l + (l + )(l + ) = = Theorem H l ist ein Vektorraum mit dim H l = l +. Beweis. : P l P l ist ein Vektorraumhomomorphismus. Insbesondere (l + )(l + ) = dim P l = dim Im( ) + dim ker( ) = (l )(l) + dim H l

2 Theorem 3 Seien a, b R 3 und l N 0. Dann ist durch p(x) := ( a x + i b x ) l ein l homogenes Polynom bestimmt. Weiters p(x) = l(l )( a x + i b x ) l ( a b + i a b ) Beweis. Setze a = (a, a, a 3 ) und b = (b, b, b 3 ). Man sieht durch einfaches Nachrechnen, dass p x = l(l )( a x + i b x )l (a + ib ) Analog kann man die anderen Ableitungen berechnen, insgesamt p(x) = l(l )( a x + i b x ) l ((a + ib ) + (a + ib ) + (a 3 + ib 3 ) Vereinfachen ergibt das Resultat. Bemerkung Für l = 0 handelt es sich um Konstanten, von denen wir schon wissen, dass sie 0-harmonisch sind. Für l = ist der Ausdruck für beliebige a, b R 3 harmonisch. Für l ist das Polynom harmonisch genau dann, wenn a = b und a b = 0 gilt. Definition 3 Sei f : R 3 \ {0} C stetig, dann nennen wir die Funktion Φ(f) : S C, die durch φ = f S definiert wird, die Einschränkung von f auf S. Definition 4 Die Einschränkung eines harmonisch-homogenen Polynoms vom Grad l auf S nennen wir Kugelfunktion vom Grad l. In der Kugelfunktion sind alle Informationen über das ursprüngliche Polynom enthalten, wie man leicht aus der Homogenität folgern kann. P (x) = x l Φ( x x ) Definition 5 Sei Y : S C. Wir definieren die l homogene Fortsetzung Y : R 3 \ {0} C durch Y (x) = x l Y ( x x ) Definition 6 Wir werden nun den Laplace-Operator für Funktionen auf S definieren. Dazu betrachten wir zuerst für Kugelfunktionen f(r, θ, φ) und betrachten den Winkelabhängigen Teil. f(r, θ, φ) = f r (r r r ) + r ( f (sin θ sin θ θ θ ) + f sin ) θ φ }{{ } S Beispiel. Sei f : R 3 \ {0} C glatt und kugelsymmetrisch, also f(x) = u( x ), dann folgt beispielsweise sofort S f = 0

3 Die Eigenwerte des sphärischen Laplace-Operators In diesem Abschnitt bestimmen wir Eigenvektoren und Eigenwerte des sphärischen Laplace- Operator S. Bekanntermaßen nennen wir für einen Differentialoperator L eine Funktion f genau dann einen Eigenvektor zum Eigenwert λ, wenn Lf = λf. Kugelfunktionen und Eigenvektoren Wir berechnen den sphärischen Laplace-Operator für eine Kugelfunktion Y, die von einem homogenen Polynom vom Grad l erzeugt wird. Dafür benötigen wir P, die homogene Fortsetzung von Y über den Kugelrand hinaus. Theorem 4 Kugelfunktionen sind Eigenvektoren von S. Beweis. Wir können den sphärischen Laplace-Operator über den Laplace-Operator in Kugelkoordinaten ausdrücken. S Y (ζ) = P (ζ) (r r P (r, ζ) + r r P (r, ζ)) Diese komplizierten Ausdruck können wir schnell vereinfachen, da P wieder auf Y zurückführbar ist. P (r, ζ) = r l P (, ζ) = r l Y (ζ) Kombiniert man die beiden Gleichungen, so erhält man S Y (ζ) = P (ζ) r l l(l + )Y (ζ) Letztendlich setzen wir noch r = (wir arbeiten auf der Einheitskugel) S Y (ζ) = P (ζ) l(l + )Y (ζ) Verwenden wir nun noch, dass Kugelfunktionen harmonisch sind (bisher haben wir nur Homogenität benutzt), dann gilt S Y (ζ) = l(l + )Y (ζ) Es gilt auch die Umkehrung, deswegen sind uns die Eigenwerte/vektoren nun vollständig bekannt. Theorem 5 Sei f : S C ein Eigenvektor von S zum Eigenwert λ, dann gilt λ = l(l + ) für ein l N 0 und f ist eine Kugelfunktion des Grades l. 3 Kugelflächenfunktionen und Legendre Polynome Bisher sind wir nur mit der Definition ausgekommen; wenn wir Kugelflächenfunktionen aber schön anschreiben wollen, stehen wir bisher schlecht da. Es stellt sich heraus, dass sie 3

4 sich mithilfe von Legendre Polynomen in schöner Form anschreiben lassen. Dazu schreiben wir die Eigenwertgleichung explizit an ( θ + cos θ sin θ θ + sin θ )Y (θ, φ) = l(l + )Y (θ, φ) φ Seperation der Variablen Y (θ, φ) = Ω(θ)Φ(φ) liefert Bedingungen an die einzelnen Komponenten, abhängig von einer Konstanten m Z. φ Φ m(φ) = m Φ m (φ) Diese Gleichung (auch Azimutgleichung genannt) gewird durch Φ m (φ) = e imφ gelïost. Die zweite Gleichung (die Polargleichung) ist Ω m (θ) ( θ + cos θ sin θ θ Ω m(θ)) = m sin θ l(l + ) Gleichungen dieser Art kann man auf die folgende, sehr wichtige, (D)-Differentialgleichung zurückführen. ( x ) d y dx x y + (l(l + ) m x x )y = 0 Die Lösungen der allgemeinen Legendre-Gleichung lassen sich mit Reihenentwicklung angeben und existieren genau dann, wenn l, m Z und selbst dann nur auf [, ]. 3. Legendre-Polynome und zugeordnete Legendre-Polynome Um eine schöne Darstellung von Kugelflächenfunktionen zu erhalten, sind wir also auf die Lösungen der verallgemeinerten Legendre-Gleichung angewiesen, die etwa auch eine Rolle bei der Wahl der Stützstellen der Gauss-Quadratur spielen (siehe Numerische Analysis bzw. Algorithmische Methoden ). Definition 7 Sei n N. Das n te Legendre-Polynom ist definiert durch d n P n (x) = n n! dx n [(x ) n ] Die Legendre-Polynome lassen sich rekursiv berechnen. Theorem 6 Es gilt (n + )P n+ (x) = (n + )xp n (x) np n (x) Weiters sind je zwei Legendre-Polynome orthogonal und eine jede Funktion L ([, ]; R) lässt sich als n + f(x) = f P n P n (x) n=0 4

5 anschreiben (die Konvergenz ist hierbei in L zu verstehen). Tatsächlich kann man die Legendre-Polynome auch durch Anwenden von Gram-Schmidt auf {, x, x,...} erhalten (sofern man auf P n () = normiert). Legendre-Polynome selbst sind keine Lösung der allgemeinen Legendre-Gleichung, die Lösungen können jedoch in Abhängigkeit davon angeschrieben werden. Definition 8 Für natürliche l, m mit l m l definieren wir P m l (x) = ( )m ( x ) m l l! d l+m dx l+m (x + ) l Für m = 0 reduziert sich die Definition auf die ursprüngliche Definition der Legendre- Polynome. Für die zugeordneten Legendre-Polynome existieren wieder orthogonalitätsrelationen; so gilt etwa für ein fixes 0 m l P m k P m l dx = (l + m)! (l + )(l m)! δ k,l Wir können nun diese Polynome verwenden, um die zuvor hergeleitete Gleichung zu lösen. Theorem 7 Für ein natürliches l und l m l handelt es sich bei Yl m (l m)! (θ, φ) = (l + ) (l + m)! P l m (cos θ)e imφ um eine Kugelfunktion. Die Konstante wird hierbei so gewählt, dass 4π π π 0 0 Y m l (Y m l ) ds = δ ll δ mm wobei (Yl m ) die komplex-konjugierte Kugelfunktion ist. Je zwei Kugelfunktionen dieser Art sind orthogonal über S und wir sehen leicht, dass wir für ein fixes l genau l + Funktionen dieser Art erhalten. Weiters ist bemerkenswert, dass die zugeordneten Legendre-Polynome in der Lösung nur von cos θ (was auf der Einheitskugel dem z entspricht) abhängt. Tatsächlich vereinfacht sich der Ausdruck auf folgende Weise. Theorem 8 Sei l N und 0 m l, dann gilt P m l (cos θ) = ( ) m (sin θ) m d m d(cosθ) m (P l(cos θ)) Beispiel. Die folgenden Funktionen bilden eine orthonormale Basis der Kugelfunktionen vom Grad l {0,, }. l = 0 4π 3 l = x 3 y 3 z 4π 4π 4π 5 l = xy 5 xz 5 yz 5 4π 4π 4π 6π (x y 5 ) 6π (z x y ) 5

6 Die Kugelflächenfunktionen bilden eine vollständige Menge orthonormaler Funktionen und jede Funktion f L (S ) kann man nach Kugelflächenfunktionen entwickeln, d.h. f(θ, φ) = l l=0 m= l fl m Yl m (θ, φ) wobei die Koeffizienten durch folgende Formel gewonnen werden können f m l = π π 0 0 sin θf(θ, φ)(y m l ) (θ, φ) Diese Darstellung kann auf angenehme Art verwendet werden, um folgende Größe auszurechnen. Theorem 9 Die absolute Kraft einer Funktion f über S, definiert als das Integral über f dividiert durch die Kugeloberfläche, erfüllt folgende Identität. f(x) dx = 4π S 4 Bedeutung in der Chemie 4. Interpretation von Orbitalen l l=0 m= l (f m l ) Die Elektronenhülle eines einzelnen Atoms ist, wenn es nicht von außen gestört wird, kugelförmig. Es gibt keine Richtung, in der sich die Elektronen bevorzugt aufhalten. Dennoch kann man die Elektronen in Klassen einteilen, die bestimmte Eigenschaften haben. Solche Klassen sind die Orbitale. Die Elektronen der Atomhülle werden nach ihrer Rotation um den Atomkern und ihrer örtlichen Lage sortiert (Siehe dazu 4.). Ein Orbital in der Chemie bezeichnet somit eine Wellenfunktion ψ aus der Quantenmechanik. Diese Funktion ψ bildet die Eigenschaften eines Elektrons ab, konkret bezeichnet ψ die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte eines Elektrons in einem bestimmten Punkt. Dabei geht die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Atomkern gegen Null, weil sich das Elektron ja nicht im Kern selbst aufhalten kann. Allerdings kann man den genauen Aufenthaltsort eines Elektrons nicht genau bestimmen, weil die Heisenberg sche Unschärferelation nicht exakt sondern nur ihre Verteilung stochastisch beschrieben werden kann. 4. Klassifizierung von Orbitalen Konkret werden Orbitale durch 4 Kennzahlen beschrieben: Hauptquantenzahl n (n,, 3,...): Gibt das Hauptenergieniveau an, welches das Elektron besitzt Nebenquantenzahl oder Bahndrehimpulsquantenzahl l (l,..., n ): beschreibt den Bahndrehimpuls des Elektrons. Damit wird die Form des Orbitals bestimmt 6

7 Magnetquantenzahl m l (m l l, l +,..., l, l): steht für die räumliche Ausrichtung bezüglich eines äußeren Magnetfeldes Spin(magnet)quatenzahl m s (m s ± ): Gibt den Spin des Elektrons an. Eine Folgerung des Pauli-Prinzips ist, dass ein Orbital nur dann Elektronen aufnehmen kann, wenn sie entgegengesetzten Spin haben. 4.3 Formen von Orbitalen Die Nebenquantenzahl bestimmt maßgeblich die Form des Orbitals. Dabei kann man eine grobe Einteilung in 4 Formen angeben. l = 0: Bezeichnet das s-orbital (s steht für sharp), welche radialsymmetrische Form besitzt (also einfach eine Kugel) l = : Bezeichnet das p-orbital (p steht für principal), welche hantelförmig bezüglich der Raumachsen ist l = : Bezeichnet das d-orbital (d steht für diffuse), welche eine gekreuzte Doppelhantel darstellt l = 3: Bezeichnet das f-orbital (f steht für fundamental), welches rosettenförmig aussieht 4.4 Darstellung von Orbitalen Textuelle Beschreibungen wären zum Beispiel n shape m wobei n für die Hauptquantenzahl, shape für die Nebenquantenzahl und m für die Anzahl der Elektronen in dem Orbital steht. Beispiele: s, s,... Graphische Beschreibung wäre die Wahrscheinlichkeitsdichte in einem D-Konturplot abzubilden, wo Orte mit höhererer Wahrscheinlichkeit mit anderen Farben dargestellt werden als Orte mit geringerer Wahrscheinlichkeit. 4.5 Bezug zur Schrödingergleichung Die Schrödingergleichung beschreibt die räumliche und zeitliche Entwicklung des Zustands eines Quantensystems. Somit ergibt die Lösung der Schrödingergleichung eine komplette Beschreibung der Orbitale eines Elektrons. Zur Veranschaulichung lösen wir ein konkretes Beispiel Wir erinnern uns an die Schrödingergleichung mit einem rotationssymmetrischen Potential V (r). f + V (r)f = λf Kugelfunktionen tauchen nun in natürlicherweise als die Lösung dieser Gleichung auf. Um dies zu sehen, setzen wir f(x, y, z) = u(r)y (ζ). Verwenden wir den Zusammenhang zwischen und S, so erhalten wir ( u (r) r u (r))y (ζ) u(r) r SY (ζ) = λu(r)y (ζ) 7

8 Wir dividieren durch u(r)y (ζ) r r u (r) r u (r) u(r) + r (V (r) λ) = SY (ζ) Y (ζ) Weil beide Seiten von verschiedenen Variablen abhängen, kann die Gleichung nur dann erfüllt sein, wenn beide Seiten konstant sind, insbesondere ist Y (ζ) eine Eigenfunktion von S. Aus dem vorherigen Satz wissen wir dann sofort, dass die Konstante die Form l(l + ) für ein l N 0 haben muss und es sich bei Y (ζ) um eine Kugelfunktion des Grades l handelt. Weiters lässt sich u(r) durch Lösen der gewöhnlichen Differentialgleichung ermitteln. Sei etwa V (r) = r, dann ergibt sich aus der letzten Gleichung: r u (r) r u (r) u(r) + r ( λ) = l(l + ) r Löst man diese gewöhnliche Differentialgleichung nach u(r) auf, so erhält man als Lösung sphärische Besselfunktionen, konkret: u(r) = c SphericalBesselJ( ( l + 4l ), r λ)+ c SphericalBesselY( ( l + 4l ), r λ) Diese Funktionen sind gegeben durch: SphericalBesselJ(x,n) = r=0 ( ) r ( x )r+n Γ(n + r + )r! SphericalBesselY(x,n) = lim p n SphericalBesselJ(x,p) cos(pπ)sphericalbesselj(x,-p) sin(pπ) Es stellt sich raus, dass das Potential keinen Einfluss auf die Lösung von Y (ζ) hat, weil für den sphärischen Teil nur Harmonische Polynome als Lösung rauskommen. Literatur [] Schmuckenschläger, M.: Euklidsche Räume, [] en.wikipedia.org: Laplacian, Spherical harmonics, Legendre polynomials, Atomic orbital, Bessel function, [3] Koecher M., Krieg, A.: Elliptische Funktionen und Modulformen, Springer (007), S. 89 [4] Springer Online Reference Works, Dirichlet Eigenvalue, [5] [6] Legendre polynomials, KANPUR/mathematics-/node86.html 8