Beispiel 6. Folie 78. Vorlesung BGB-AT Prof. Dr. Florian Jacoby
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- Hajo Fischer
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1 Beispiel 6 a) E errichtet ein Testament, in dem er seine Bibliothek seinem Freund F vermacht. Müssen die Erben des E nach dessen Tod dem F die schmale Buchsammlung des E oder seinen großen und wertvollen Weinkeller herausgeben, wenn E den Weinkeller meinte, die Erben mit dieser Bezeichnung aber nichts anfangen können? (Bsp. nach Bork AT Rn. 517) b) V und K einigen sich darauf, dass K das gebrauchte Auto des V für drei Riesen kauft. Später stellt sich heraus, dass V von EUR, K von drei großen Scheinen, mithin EUR ausgegangen ist. K hatte, als er seinen Irrtum entdeckte, aus Scham zunächst geschwiegen. Was kann V von K verlangen? Folie 78
2 Willenserklärung Begriff Willensäußerung, die auf den Eintritt einer Rechtsfolge gerichtet ist, kurz: Äußerung mit Rechtsbindungswillen. Arten von Willenserklärungen - Empfangsbedürftige Willenserklärungen (Regelfall) Wirksamwerden durch Abgabe und Zugang Bsp.: Vertragsangebot, Kündigung - Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen Wirksamwerden durch Abgabe Bsp.: Testament ( 1937, 2247 Abs. 1 BGB) Im Vertragsrecht wichtig 151 BGB: Ausnahmsweise ist Annahme nicht empfangsbedürftig! (Abgabe der Erklärung bleibt erforderlich.) Folie 79
3 Willenserklärung: Tatbestand und Inhalt Liegt eine Willensäußerung vor und welchen Inhalt hat sie? Wille des Erklärenden 133 BGB: Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. - Nur ausnahmsweise maßgeblich, nämlich bei nicht empfangsbedürftigen (und nicht an den Rechtsverkehr adressierten) Willenserklärungen (Bspw. Testament) - Schutz vor Missverständnis nicht erforderlich (kein Empfänger) Das im Rechtsverkehr (gegenüber Empfänger) Erklärte 157 BGB: Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. - Grundsätzlich maßgeblich, insbesondere bei empfangsbedürftigen Erklärungen. - Schutz des Erklärenden, an nicht Gewolltes gebunden zu werden: Nichtigkeit der Willenserklärung nach 105 BGB Nichtigkeit nach Anfechtung, 142 I, 119 ff. BGB, aber dann ggf. Schadensersatzverpflichtung nach 122 BGB Folie 80
4 Lösung Beispiel 6 a) F kann von den Erben den Weinkeller verlangen (unterstellt, dass E das so wollte). b) Kann V von K aus Kaufvertrag ( 433 Abs. 2 BGB) Zahlung von EUR verlangen? (1) Einigung über diesen Vertragsinhalt liegt vor (unterstellt, dass gemeinhin drei Riesen so verstanden werden). (2) Nichtigkeit des Vertrages nach 142 Abs. 1 BGB? (a) Anfechtungsgrund? (+) 119 Abs. 1 Fall 1 BGB (Inhaltsirrtum) (b) Anfechtungserklärung, 143 BGB? Jedenfalls nicht unter Wahrung der Anfechtungsfrist nach 121 Abs. 1 BGB (3) Wirksamer Vertrag liegt vor, Anspruch besteht. Folie 81
5 Ergänzung Fall 6 Vorausgesetzt, K hat sofort angefochten, wann steht V dann ein Anspruch zu? Ansprüche des V gegen K - Auf Kaufpreiszahlung aus Kaufvertrag ( 433 II BGB) Einigung liegt zwar vor, Ist aber nach 142 I BGB nichtig, Folglich kein vertraglicher Erfüllungsanspruch. - Auf Schadensersatz aus 122 I BGB Voraussetzungen liegen vor. Vertrauensschaden ist ersatzfähig: Schaden dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut - (+) V hatte Kosten, um den Wagen zu K zu bringen, - (+) V hat anderweitigen Verkauf für EUR abgelehnt, kann nun nur noch EUR erlösen. - (-) V kann nur EUR erlösen, hatte nie Aussicht auf mehr. Folie 82
6 Beispiele 7 a) K schreibt eine , um ein Kaufvertragsangebot des V anzunehmen. Wann erfolgen Abgabe und Zugang? b) Arbeitnehmer A schreibt seinem Chef, dass er den Arbeitsvertrag kündige. Bevor der Chef ins Büro kommt fängt A am nächsten Tag das Schreiben bei der Sekretärin ab, weil er doch nicht kündigen will. Ist die Kündigung wirksam? c) Kurz vor dem Urlaub diktiert V noch verschiedene Schreiben. K bittet seinen Mitarbeiter, das Vertragsangebot an K aber nur auf Zuruf aus dem Urlaub rauszuschicken. Er sei sich noch nicht sicher. Mitarbeiter schickt Angebotschreiben dennoch raus, wirksam? d) V hatte seine -Adresse im geschäftlichen Verkehr bekannt gegeben. Nun will K innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot auf Vertragsabschluss per annehmen. Auf die erhält K aber die Fehlermeldung, dass V die Mail wegen Überschreiten des Speicherplatzes nicht erreicht. Was ist K zu raten? e) V und K telefonieren über die Modalitäten eines Vertragsabschlusses. Nach einigem Hin und Her hört V nicht mehr richtig zu. Er nimmt daher nicht wahr, dass K sich schließlich mit dem Angebot des V einverstanden erklärt hat. Ist ein Vertrag zustande gekommen. Folie 83
7 Voraussetzungen eines Vertrags (vertraglichen Erfüllungsanspruchs) 1. Einigung a) Antrag/Angebot (auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung) (1) Erforderlicher Inhalt: wesentliche Vertragsbestandteile (2) Rechtsbindungswille (nicht bei Vertragsanbahnung, Gefälligkeit) (3) Wirksamwerden (Abgabe und Zugang), 130 f. BGB b) Annahme des wirksamen Antrags Ja nach Maßgabe von 145 ff. BGB 2. Wirksamkeit a) Keine Unwirksamkeit mangels Geschäftsfähigkeit, 104 ff. BGB b) Keine Unwirksamkeit mangels vorgeschriebener Form, 125 BGB c) Keine Unwirksamkeit wegen Inhalts, 134, 138 BGB d) Keine Unwirksamkeit wegen Bedingung oder Befristung, 158 ff. BGB e) Keine Unwirksamkeit wegen Willensmängeln, 116 ff., 142 BGB Folie 84
8 Wirksamwerden von Willenserklärungen Abgabe einer Willenserklärung - Entäußerung: Der Erklärende muss sie so auf den Weg bringen, dass die Erklärung den Empfänger unter normalen Umständen erreichen wird. - Zielgerichtet: in Richtung auf einen konkreten Empfänger Zugang einer Willenserklärung - unter Anwesenden: Wenn der Erklärende keinen vernünftigen Zweifel daran haben kann, dass der Empfänger die Erklärung verstanden hat. - unter Abwesenden: Wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass mit Kenntnisnahme unter normalen Umständen zu rechnen ist. Folie 85
9 Wirksamkeitsvoraussetzungen einer WE Empfangsbedürftige WE unter Abwesenden unter Anwesenden Nicht empfangsbedürftige WE Äußerung (Formulierung) ja ja ja Abgabe (auf-den- Weg-bringen) Zugang (Möglichkeit der Kenntnisnahme) ja ja z.t. ja ja nein Kenntnisnahme (Hören, Lesen) nein nein (str. für mündl. WE) nein Folie 86
10 Übersicht Wirksamwerden von WE (1) Folie 87
11 Übersicht Wirksamwerden von WE (2) Folie 88
12 Übersicht Wirksamwerden von WE (3) Folie 89
13 Übersicht Abhandengekommene WE Folie 90
14 Übersicht Zugangsvereitelung Folie 91
15 Lösung Beispiel 7 a) Bei erfolgt Abgabe mit Absenden, Zugang tritt mit Eingang im Postfach des V nur ein, wenn V die zur Benutzung im Geschäftsverkehr freigegeben hat, sonst kann Zugang mangels Rechnendürfen mit Kenntnisnahme erst mit tatsächlicher Kenntnisnahme eintreten. b) Mit Eingang bei Sekretärin ist Zugang gegeben, Widerruf nicht mehr möglich, 130 I 2 BGB, Kündigung wirksam. c) Problematisch ist Abgabe. Mangels willentlicher Entäußerung ist die zu verneinen. Da nur Entwurf gegeben ist, lässt sich Willenserklärung auch nicht angesichts des Verkehrsinteresses (vgl. 157 BGB) fingieren. In Betracht kommt aber gesetzlicher Schadensersatzanspruch aus 122 BGB entsprechend oder passender 280, 311 II, 278 BGB. d) Mangels Eingang der Mail bei V liegt kein Zugang vor. K sollte Zugang auf andere Weise herstellen (Fax/Brief). Bei Verzögerung kann sich V wegen vorwerfbarer Zugangsverhinderung auf Fristversäumnis nicht berufen. e) Am Telefon ( fernmündlich ) erfolgen Erklärungen unter Anwesenden. K konnte erwarten, dass V seine Erklärung versteht. Daher Zugang und Wirksamkeit von Annahme und Vertrag. Folie 92
16 Arbeitsanregungen Wiederholen Sie das Wirksamwerden von Willenserklärungen: - Brox/Walker 7 - Leenen 6 I. und II. (S ) - Bork 16 - Oder zusammenfassend: StuKo zu 130 BGB Kontrollfragen: In welchem Zeitpunkt wird ein Angebot oder eine Annahme wirksam? Was ist die einschlägige Norm! Auf welche Konstellation bezieht diese Norm sich (nur)? Folie 93
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