Untersuchung von Peptiddynamik mittels zeitaufgelöster Infrarotspektroskopie

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "Untersuchung von Peptiddynamik mittels zeitaufgelöster Infrarotspektroskopie"

Transkript

1 Untersuchung von Peptiddynamik mittels zeitaufgelöster Infrarotspektroskopie Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der aturwissenschaften (Dr. rer. nat.) vorgelegt von Alexander Popp an der Mathematisch-aturwissenschaftliche Sektion - Fachbereich Chemie - Tag der mündlichen Prüfung: 24. Juli Referent: Prof. Dr. Karin auser 2. Referent: Prof. Dr. Andreas Zumbusch Konstanzer nline-publikations-system (KPS) URL:

2

3

4

5 Kurzfassung Proteine übernehmen vielfältige Aufgaben in Zellen und rganismen. Diese Vielfalt und Komplexität der biochemischen Vorgänge spiegelt sich wiederum in unterschiedlichsten räumlichen Strukturen wider, die Polypeptidketten annehmen können, wenn sie sich zum funktionierenden Protein falten. Dabei sind die Prozesse, welche die Faltung einer Kette aus Aminosäuren zu einem funktionsfähigen Protein steuern, von großem Interesse, denn verschiedene Formen fehlgefalteter Proteine konnten als Ursache für zahlreiche Krankheiten ausgemacht werden. Da die dreidimensionale rganisation eines Proteins aus einigen wenigen Grundstrukturelementen besteht, sind Faltungsexperimente an einzelnen Sekundärstrukturelementen besonders attraktiv. Im Rahmen dieser Arbeit wurden zeitaufgelöste Faltungsstudien an Modellpeptiden durchgeführt. Dazu wurde ein neu aufgebautes Temperatursprung- Spektrometer eingesetzt. Der infrarote Laserpuls regt eine bertonschwingung des Lösungsmittels D 2 an und erzeugt einen Temperatursprung von mehreren C innerhalb von 10 ns. Die dadurch ausgelösten strukturellen Änderungen des Peptids werden im mittleren infraroten Spektralbereich mit einem Quantenkaskadenlaser abgetastet. Diese Methode erlaubt es, schwingungsspektroskopische Experimente mit hoher Struktursensitivität bei einer zeitlichen Auflösung im ns-µs-bereich durchzuführen. Es wurden Varianten des β airpin-modellpeptids Trpzip2 sowie ein drei-strängiges β Faltblatt untersucht. Ein β airpin stellt die kleinste Untereinheit eines β Faltblatts dar und besteht aus zwei antiparallelen Strängen, die durch eine Schleife (Turn) miteinander verbunden sind. Das drei-strängige Peptid D P D P besitzt einen Turn und einen β Strang mehr, wodurch es die ausgedehnten β Faltblattstrukturen gut nachbilden kann. Die Stabilität eines β airpins bzw. β Faltblatts wird durch verschiedene Faktoren bestimmt. eben Wasserstoffbrückenbindungen spielen hydrophobe Effekte, aromatische Wechselwirkungen sowie strukturelle Eigenschaften einzelner Aminosäuren in der Turnregion eine große Rolle. Zum einen wurden die hydrophoben Wechselwirkungen analysiert. Dazu wurden innerhalb der Trpzip2-Sequenz SWTWEGKWTWK- 2 Tryptophane (W) durch Valine (V) bzw. Tyrosine (Y) ersetzt. Die Auswirkungen der Mutationen zeigen sich in einer verringerten thermischen Stabilität sowie in einer schnelleren Relaxationsdynamik. Sowohl die Wahl der Aminosäure als auch die Position der Mutation haben Einfluss auf den Faltungsmechanismus des β airpins. Zum anderen wurde die Bedeutung der Turnsequenz Asparagin-Glycin (G), die in Trpzip2 zu finden ist, für die Peptidstabilität und -dynamik näher betrachtet. Für Trpzip2 -Varianten mit Turnresiduen Threonin-Glycin (TG) und D Prolin-Glycin (pg) lassen sich ebenfalls schnellere Relaxationskinetiken im Vergleich zum Trpzip2 feststellen. Mechanismen für die Entfaltung der untersuchten β airpins wurden vorgeschlagen, die mehrere Intermediatszustände auf dem Weg zum thermisch entfalteten Zustand berücksichtigen. Das drei-strängige Peptid D P D P, welches zwei Turnstrukturen mit jeweils einer D Prolin-Glycin-Kombination besitzt, zeigt seinerseits sehr schnelle mono-exponentielle Relaxationsdynamiken, die bei Raumtemperatur im sub-µs-bereich liegen. v

6 vi

7 Veröffentlichungen Publikationen in Fachzeitschriften PPP A., WU L., KEIDERLIG T., AUSER K. Impact of β Turn Sequence on β airpin Dynamics Studied with Infrared-Detected Temperature Jump. Spectroscopy- An International Journal 27(5-6): , DEEG A.A., RAMPP M.S., PPP A., PILLES B.M., SCRADER T.E., MRDER L., AUSER K., ZIT W. Isomerization- and Temperature-Jump-Induced Dynamics of a Photoswitchable β airpin. Chemistry A European Journal 20(3): , PPP A., WU L., KEIDERLIG T.A., AUSER K. Effect of ydrophobic Interactions on the Folding Mechanism of β airpins. Journal of Physical Chemistry B 118(49): , PPP A., WU L., KEIDERLIG T.A., AUSER K. Time-Resolved Temperature- Jump Ir-Measurements on β airpin Peptides with Alternate Cross-Strand Interactions. Biophysical Journal 106(2):52A 52A, DTE M.L., ASSA S., PPP A., ALTER J., AUSER K., AMM P. p- Jump Induced Leucine Zipper Folding beyond the Diffusion Limit. Journal of Physical Chemistry B 119(4): , Posterpräsentationen Popp A., Wu L., Keiderling T.A., auser K. Turn stability of a β hairpin peptide studied by infrared spectroscopy. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Biophysik, Bochum, Popp A., Krejtschi C., Wu L., Keiderling T.A., auser K. Variants of a β hairpin model peptide studied by time-resolved temperature-jump IR spectroscopy. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Biophysik, Göttingen, vii

8 Popp A., Wu L., Keiderling T.A., auser K. Time-resolved temperature-jump IR measurements on the impact of aromatic interactions in Trpzip2 -β hairpin variants. Joint Meeting of the British and German Biophysical Society, ünfeld, Popp A., Wu L., Keiderling T.A., auser K. Impact of hydrophobic interactions on the folding dynamics of Trpzip2 β hairpin peptides. Faltertage, Regensburg, Popp A., Wu L., Keiderling T.A., auser K. ydrophobic interactions in Trpzip2 - β hairpin variants studied by time-resolved temperature-jump infrared spectroscopy. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Biophysik, Lübeck, Popp A., Wu L., Keiderling T.A., auser K. Folding dynamics of β hairpin and threestranded model peptides studied by time-resolved temperature-jump infrared spectroscopy. Time Resolved Vibrational Spectroscopy Meeting, Madison (USA), viii

9 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung ierarchieebenen der Proteinstruktur Aminosäuren Primärstruktur Sekundärstruktur Tertiärstruktur und Quartärstruktur Modelle zur Proteinfaltung Experimentelle Methoden Infrarot-Spektroskopie Theoretische Grundlagen Fourier-Transform-Infrarot(FTIR)-Spektroskopie FTIR-Spektroskopie an Proteinen Aufnahme und Auswertung der FTIR-Messdaten Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie Temperatursprung-Aufbau für zeitaufgelöste Messungen Aufnahme und Auswertung der Temperatursprung-Messdaten Erweiterung des Aufbaus für p-sprung-messungen durch laserinduzierte Photolyse Probenpräparation Peptidsysteme Modellpeptide zur Untersuchung von β Faltblatt-Strukturdynamik Untersuchte Peptide Trpzip2 -TG Trpzip2 Valin- und Tyrosinmutanten WVYY-pG (B2pG) Drei-strängiges Peptid D P D P ix

10 Inhaltsverzeichnis Synthese und Aufreinigung der Peptide Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Turn Stabilität: Trpzip2 -TG Statische FTIR-Spektren Trpzip2 -TG Zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen an Trpzip2 -TG ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten Valinvarianten: Trp Val Tyrosinvarianten: Trp Tyr β airpin-variante WVYY-pG (B2pG) Statische FTIR-Spektren WVYY-pG Zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen an WVYY-pG D P D P-Drei-strängiges β Faltblatt Peptid Untersuchungen von D P D P im thermischen Gleichgewicht mittels statischer FTIR-Spektroskopie Zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen am D P D P Peptid Weitere Temperatursprung- und p-sprung-experimente Azo-Trpzip Leucin-Zipper Zusammenfassung 129 Appendix 133 A. Aggregation von D P D P B. Durchmesserbestimmung des Abtaststrahlenbündels C. Matlab-Skript zur Berechnung der zeitaufgelösten Temperatursprungtransienten136 D. Matlab-Skript zur Datenpunktemittelung auf der logarithmischen Zeitskala. 145 Abbildungsverzeichnis 147 Tabellenverzeichnis 151 Literaturverzeichnis 153 x

11 1. Einleitung Die abiogene Synthese von kleinen organischen Molekülen aus einfachen, in der Uratmosphäre vorhandenen Molekülen wie Methan (C 4 ), Wasser ( 2 ), Wasserstoff ( 2 ) und Ammoniak ( 3 ) stellte laut Vorüberlegungen zur Entstehung des Lebens auf der Erde vom sowjetischen Biochemiker A. I. parin in 1924 den Ursprung des Lebens dar [pa03]. Bei diesem Syntheseprozess entwickelten sich in der sogenannten Ursuppe komplexere Biomoleküle, unter anderem proteinogene Aminosäuren und anschließend erste Proteine. S.L. Miller bestätigte in seinen berühmten Experimenten in den Jahren 1953 und 1959 parin s ypothese, indem er die vermutete molekulare Zusammensetzung der Uratmosphäre und die damaligen extremen Umweltbedingungen simulierte und anschließend neben zahlreichen Molekülen Glycin und Alanin auf dem Chromatogramm nachweisen konnte [Mil53; Mil59]. Mit der Ursuppe und den ersten einfachen Biomolekülen nimmt die evolutionäre Entwicklung ihren Lauf und gipfelt in einer breiten Diversität von Lebensformen. Gleichzeitig entsteht dabei eine enorme Vielfalt an Proteinen, die als molekulare Maschinen unterschiedlichste Aufgaben in einer lebenden Zelle übernehmen. Die Bedeutung von Proteinen am Anfang der Entstehung des Lebens auf der Erde, vor allem aber ihre immense Wichtigkeit für die Existenz und das Funktionieren eines rganismus zeigt sich unter anderem darin, dass deren rege und intensive Erforschung heutzutage nicht nur Biologen vorbehalten ist. Interdisziplinäre Arbeitsgruppen bestehend aus Medizinern, Biologen, Chemikern, Physikern sowie Informatikern arbeiten daran, Aufgaben und Funktionsweise von Proteinen in einem ersten Schritt zu verstehen, um sie dann gezielt steuern und manipulieren zu können. Das umfangreiche Leistungsspektrum von Proteinen reicht von der Signalübertragung im Signalnetzwerk des Körpers, Transportprozessen in der Zelle und ihrer Funktion als transmembrane molekulare Pumpen bis hin zu Aufgaben bei der Immunabwehr als Antikörper zur Bekämpfung von Krankheitserregern oder beim Vorgang der Blutgerinnung [ME10]. Als Strukturproteine verleihen sie nicht nur Zellen ihre Form und stabile Grundstruktur. So ist beispielsweise Kollagen ein typischer und wichtiger Bestandteil von Knochen, Sehnen und Bändern. hne Enzymproteine als Biokatalysatoren für biochemische Reaktionen würden viele Stoffwechselvorgänge entweder extrem langsam verlaufen oder sogar komplett ausbleiben, was fatale Folgen für den betreffenden rganismus haben 1

12 1. Einleitung kann. In den letzten Jahren sind zahlreiche Krankheiten, deren Auslöser man in fehlgefalteten Proteinen vermutet, zunehmend in den Fokus der Forschung geraten. Rinderwahn oder BSE 1 ist wohl die bekannteste Tierseuche, die Rinder befällt. ierbei bilden sich im Gehirn von infizierten Tieren Amyloid-Ablagerungen, die aus dem fehlgefalteten Protein PrP Sc 2 bestehen und eine unlösliche, pathologische und enzymatisch nicht abbaubare Form annehmen [Agu97]. Auch die beim Menschen auftretende Creutzfeldt-Jakob-Krankheit hat ihre Ursache in fehlgefalteten Proteinen, sogenannten Prionen [Wei91]. Weitere Erkrankungen des Gehirns, wie Alzheimer oder Parkinson, werden auf eine äufung von bestimmten pathogenen Proteinen zurückgeführt [Aul10; Chi06]. 3 Es ist daher notwendig, ein tieferes Verständnis von den Mechanismen und Faktoren zu erlangen, die für die Entstehung und den Ausbruch von neurodegenerativen Krankheiten verantwortlich gemacht werden. Die Erforschung der molekularen Prozesse der beteiligten Proteine trägt dazu bei, wirksame Medikamente zu entwickeln, die Krankheitsursachen auf der Proteinebene bekämpfen. Die drei-dimensionale Form eines Proteins entscheidet über seine Funktion. Daher müssen zunächst fundamentale Fragen zur Proteinfaltung beantwortet werden, um anschließend mit gewonnenen Erkenntnissen die erausforderungen der pathogenen Proteinfehlfaltung wirksam angehen zu können. Welche Kräfte bzw. Wechselwirkungen sind nun wichtig für die richtige und einzigartige räumliche Struktur, sodass ein Protein die ihm zugewiesene biologische Funktion erfüllen kann? Welche Faktoren steuern den Faltungsprozess? Wie kommt es zu einer Fehlfaltung, die im schlimmsten Fall pathogen ist? Wichtige Informationen und Teilantworten auf die Fragen über grundlegende Faltungsvorgänge von Proteinen lassen sich aus Experimenten zur Faltungsdynamik gewinnen. Studien zur Faltung werden oft in vitro durchgeführt, damit die experimentellen Bedingungen genau kontrolliert werden können, die in vivo aufgrund der Komplexität in der Zusammensetzung einer Zelle nur schwer beherrschbar sind. Die Reorientierung einer frisch synthetisierten, linearen Polypeptidkette zu einer funktionierenden Einheit ist ein hochkomplizierter Prozess. Möchte man die einzelnen Schritte nachvollziehen, vor allem Vorgänge in der Anfangsphase der Proteinfaltung, muss man sich zunächst den einfachsten Elementen der Sekundärstruktur, α elices und β Faltblättern, widmen. Sie werden oft als ukleationskeime betrachtet, von denen aus die Ausbildung der räumlichen Proteinstruktur fortschreitet, und bestimmen somit die Faltungsdynamik des gesamten Proteins. Das nicht triviale Zusammenspiel von Wechselwirkungskräften zwischen den einzelnen 1 Bovine Spongiforme Enzephalopathie. 2 P rp Sc : Protease-resistente Scrapie-Form des Prion-Proteins P rp C. 3 Aβ-Peptide (Alzheimer), α-synuclein (Parkinson). 2

13 Aminosäuren im Protein, der Einfluss der Umgebung und die damit verbundenen dynamischen Vorgänge muss für ein tieferes Verständnis der Faltungsvorgänge von Proteinen entschlüsselt werden. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit β airpins und drei-strängigen β Faltblatt-Peptiden. Da sie am Anfang eines Faltungsprozesses gebildet werden, ist der Einfluss und das Zusammenspiel der beteiligten Aminosäuren in diesen Modellsystemen von großem Interesse. Die hydrophoben Wechselwirkungen, die die Sekundärstruktur stabilisieren, die Auswirkungen einzelner, im Turn vorliegender Aminosäuren auf den Faltungsmechanismus sowie das Faltungsverhalten größerer drei-strängiger Modellpeptide sind Gegenstand der Untersuchungen. Das zweite Kapitel erläutert zunächst den hierarchischen Aufbau von Proteinen beginnend mit der Primärstruktur bis hin zur Tertiärstruktur. Ebenso wird ein Überblick über die theoretischen Modelle zur Beschreibung von Proteinfaltungsmechanismen gegeben. Im dritten Kapitel werden die experimentellen Methoden vorgestellt und die Grundlagen der Infrarotspektroskopie ausführlich dargestellt. Die weiteren Abschnitte betreffen die experimentellen Techniken der FTIR-Spektroskopie zur Sekundärstrukturaufklärung von Proteinen sowie der IR-Laserspektroskopie und des p-sprungs zur Untersuchung der Peptiddynamik mit Einzelwellendetektion im Amid I -Bereich. Die neu aufgebaute IR-Laserapparatur wird zudem ausführlich beschrieben, bei der ein Quantenkaskadenlaser (QCL) als Abtastlichtquelle eingesetzt wird und die bisher eingesetzten Bleisalzlaserdioden ersetzt. Zum besseren Verständnis der durchgeführten Experimente dienen schematische Abbildungen der verwendeten Aufbauten und der dazugehörigen mechanischen und optischen Komponenten sowie die Beschreibung der zugrundeliegenden Prinzipien. Die für diese Arbeit relevanten β airpins bzw. β Faltblatt-Modellpeptide werden im vierten Kapitel beschrieben. Die Primärstruktur und schematischen Darstellungen veranschaulichen den Aufbau und die Eigenschaften der untersuchten Peptide. Im fünften Kapitel werden die stationären FTIR- und die zeitaufgelösten IR-Laserspektroskopieexperimente beschrieben und die Ergebnisse erörtert. Die unterschiedlichen Varianten des β airpin-peptids Trpzip2, bei denen entweder die Turnsequenz (G TG) modifiziert oder der hydrophobe Kern durch den Austausch von Tryptophanen durch Valine bzw. Tyrosine verändert ist, werden untersucht. Außerdem werden ein β airpin und ein β Faltblatt mit stabilen pg-turnstrukturen studiert. Die Bedeutung der turnstabilisierenden bzw. hydrophoben Eigenschaften der beteiligten Aminosäuren für die Stabilität sowie den Faltungsmechanismus von β airpins bzw. β Faltblättern werden diskutiert. Im sechsten und letzten Kapitel wird ein kurzer Abriss über weitere im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experimente gegeben. Die temperaturinduzierte Entfaltung eines 3

14 1. Einleitung Azo-Trpzip2 -Peptids konnte mit der Faltung verglichen werden, die durch eine Isomerisierungsreaktion des Azobenzol-Photoschalters im Turn von Azo-Trpzip2 ausgelöst wird. Außerdem wurde der Faltungsmechanismus eines Leucin-Zipper-Peptids untersucht, der durch einen p-sprung induziert wurde. Die Leucin-Zipper-Experimente wurden mit einer zusätzlichen Erweiterung des IR-Laserspektrometers realisiert, die einen laserinduzierten p-sprung ermöglicht. 4

15 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung 2.1. ierarchieebenen der Proteinstruktur Aminosäuren In der atur gibt es 20 proteinogene Aminosäuren, genauer gesagt α Aminosäuren 1, die sich voneinander lediglich in der Seitenkette unterscheiden. ierbei spielt es keine Rolle, um welchen rganismus es sich handelt, den eines Menschen, einer Pflanze oder eines Bakteriums. Lediglich die vielen möglichen Kombinationen der 20 Aminosäuren (Abb. 2.1) innerhalb einer linearen Kette führen zu unterschiedlichsten Proteinen. Sei L die Länge einer Aminosäurekette (=Anzahl der Aminosäuren innerhalb einer Sequenz), dann können 20 L verschieden aufgebaute Polypeptide, jedes mit einer einzigartigen Sequenz, gebildet werden. Eine Aminosäure besteht aus einem Kohlenstoffatom, C α, an das ein Wasserstoffatom, eine Carboxylgruppe C, eine primäre Aminogruppe 2 und eine Restgruppe R angehängt sind. Die einfachste Aminosäure Glycin trägt lediglich ein Wasserstoffatom als Restgruppe. Eine Ausnahme bildet eine einzige Aminosäure, Prolin, bei dem die Seitenkette mit der Aminogruppe 2 verbunden ist und dabei eine starre, cyclische Struktur geformt wird. Alle anderen Aminosäuren tragen eine primäre Aminogruppe 2 C α. Die dadurch eingeschränkte Konformationsfreiheit des Prolins und das fehlende Wasserstoffatom an der Amidgruppe, verantwortlich für die Ausbildung von Wasserstoffbrücken, haben einen großen Einfluss auf die Proteinstruktur. Liegt der p-wert im physiologischen Bereich ( p 7), sind Aminosäuren zwitterionisch. Dabei ist die Aminogruppe protoniert + 3 und die Carboxylgruppe dissoziiert C. Somit können sie als Säuren und als Basen wirken. Die Restgruppe R bestimmt im Wesentlichen die chemischen und physikalischen Eigenschaften der betreffenden Aminosäure: es gibt aromatische, hydrophobe, hydrophile, saure 1 Allgemein sind in der α Stellung zwei funktionelle Gruppen an demselben Kohlenstoffatom gebunden wie im Falle einer Aminosäure: C C α 2. In der β Stellung befinden sich die Gruppen an zwei benachbarten C-Atomen usw. (γ, δ Stellung...). 2 Genau genommen liegt hier eine sekundäre Aminogruppe vor: C C α. 5

16 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung 2 C C C 3 Alanin Ala A 2 C C C 2 C 2 C Glutaminsäure Glu E 2 C C C 2 C 3 C C3 Leucin Leu L 2 C C C 2 Serin Ser S 2 C C C 2 2 C C C 2 2 C C C 2 2 C C C C 2 C 2 C 2 Arginin Arg R C 2 C 2 Glutamin Gln Q C 2 C 2 C 2 2 Lysin Lys K C 3 Threonin Thr T 2 C C C 2 C 2 Asparagin Asn 2 C C Glycin Gly G 2 C C C 2 C 2 S C 3 Methionin Met M 2 C C C 2 Tryptophan Trp W 2 C C C 2 C Asparaginsäure Asp D 2 C C C 2 istidin is 2 C C C 2 Phenylalanin Phe F 2 C C C 2 Tyrosin Tyr Y 2 C C C 2 S 2 C C C C 3 C 2 C 2 C C C C 3 C 3 Cystein Cys C C 3 Isoleucin Ile I Prolin Pro P Valin Val V Abbildung 2.1.: Proteinogene Aminosäuren. Aus 20 L Aminosäuren werden Proteine zusammengesetzt. Sie unterscheiden sich lediglich in der Seitenkette, welche die physiko-chemischen Eigenschaften der jeweiligen Aminosäuren bestimmt. Angegeben sind außerdem die international gebräuchlichen Abkürzungen als Dreibuchstaben- und Einbuchstaben-Code, die für die vereinfachte Angabe von Aminosäuresequenzen verwendet werden. 6

17 2.1. ierarchieebenen der Proteinstruktur C C 2 C α C α 2 R R L - Aminosäure D- Aminosäure Abbildung 2.2.: Enantiomerie. Eine Aminosäure kann in zwei unterschiedlichen Konfigurationen vorliegen, nämlich in der L- und in der D-Form. Die vier verschiedenen Substituenten, C, 2, R und, können sich am C α Atom in zweierlei Weise anordnen, sodass sich die Formen spiegelbildlich gleichen, jedoch nicht durch Rotation des gesamten Moleküls zur Deckung gebracht werden können. und basische, polare und unpolare Gruppen, sie unterscheiden sich sowohl in der Große als auch in der Form. Die Aminosäuren haben im C α -Atom ein chirales Zentrum mit vier Substituenten, welche räumlich betrachtet in den Ecken eines Tetraeders sitzen. Es ist somit möglich, zwei unterschiedliche Spiegelbildisomere zu bilden, eine L- und eine D-Form (Enantiomere, Abb. 2.2), die sich nur durch Spiegelung ineinander überführen lassen [Lam95]. Die Chiralität äußert sich in der unterschiedlichen Drehrichtung von linear polarisiertem Licht nach Durchleuchten der Probe mit L- bzw. D-Aminosäuren. bwohl sie sich in ihren physiko-chemischen Eigenschaften gleichen, kommen bemerkenswerterweise nur die L-Enantiomere in Proteinen vor [Mei13]. Ein ähnliches Ungleichgewicht zwischen zwei möglichen Enantiomeren wird in der atur auch bei Zuckermolekülen beobachtet, die vorwiegend in der D-Konfiguration vorkommen [Fis91a; Fis91b] Primärstruktur Die Primärstruktur eines jeden Proteins ist im entsprechenden Abschnitt der DS 3 im genetischen Code gespeichert. Dort ist die Information durch vier ukleotidbasen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin verschlüsselt. Ein Kombination aus drei Basen wird in eine Aminosäure übersetzt, beispielsweise steht die Abfolge Guanin-Cytosin-Cytosin für Tryptophan. Da es insgesamt 64 mögliche Tripletts geben kann, 4 besitzen einige Aminosäuren (z.b. Arginin) bis zu sechs Codons (= Basentripletts). Drei von 64 werden als Stoppsignal gebraucht, durch 3 Desoxyribonukleinsäure. 4 Die Platzierung von vier unterschiedlichen Basen an drei Positionen ergibt 4 3 = 64 mögliche Kombinationen. 7

18 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung R 1 + R C α R 1 C R 2 C α C - Abbildung 2.3.: Entstehung einer Peptidbindung. Bei der Verknüpfung von zwei Aminosäuren entsteht ein Dipeptid und ein Wassermolekül 2. Bei der sogenannten Kondensationsreaktion sind das Carboxyl-Ende der Aminosäure 1 und das Amino-Ende der Aminosäure 2 beteiligt und es entsteht eine Peptidbindung (C ). Während der Biosynthese werden neue Aminosäuren an das Carboxyl-Ende der bereits gebildeten Polypeptidkette angefügt. das die Synthese des betroffenen Proteins am Ribosom beendet wird. Bereits an dieser Stelle besitzt die gebildete Polypeptidkette allein durch die Primärstruktur genügend Informationen über ihren gefalteten, nativen Zustand. Die Proteinzusammensetzung beginnt mit dem Amino- Terminus (-Terminus) und endet mit dem Carboxyl-Terminus (C-Terminus). Üblicherweise wird die Aminosäuresequenz in der gleichen Richtung angegeben. Als Primärstruktur wird die lineare Abfolge von Aminosäuren bezeichnet. Diese sind kovalent durch eine Peptidbindung aneinander gebunden (Abb. 2.3). In einer sogenannten Kondensationsreaktion wird die Aminogruppe einer Aminosäure mit der Carboxylgruppe einer zweiten bzw. dem C-Terminus einer bereits synthetisierten Peptidkette verknüpft und auf diese Weise eine unverzweigte Polypeptidkette gebildet. Ketten mit weniger als 50 Bausteinen werden als Peptide, längere Ketten als Proteine bezeichnet. Unter Energieaufwendung wird pro gebildete Peptidbindung ein Wassermolekül abgespalten. Bei Standardbedingungen liegt das Gleichgewicht der Reaktion allerdings nicht auf der Syntheseseite, sondern auf der Seite der ydrolyse. Die freie Enthalpie nimmt dabei zu G > 0. Somit ist die Reaktion eigentlich thermodynamisch ungünstig. Dass Proteine in wässriger Umgebung 5 nicht spontan die kinetisch stabile Peptidbindung lösen und in einzelne Aminosäuren zerfallen, liegt an der langsamen Zeitkonstante der Rückreaktion, die nach [Ber02] bei etwa 1000 Jahren liegt. 5 Gilt für Umgebungen ohne Katalysatoren. 8

19 2.1. ierarchieebenen der Proteinstruktur R R 1 R R 2 - Abbildung 2.4.: Partielle Doppelbindung. Am Beispiel eines Dipeptids werden die Mesomerieeffekte der Peptidbindung verdeutlicht. Die Länge der C Bindung liegt zwischen dem Abstand einer C Einfachbindung und einer C = Doppelbindung [ME10]. Die freie Drehbarkeit ist somit unterbunden, die Peptidgruppe liegt als starre Einheit im Rückgrat einer Peptidkette vor Sekundärstruktur Das Rückgrat (engl: backbone) des Polypeptides ist im Gegensatz zu den Seitenketten von Aminosäuren (mit R bezeichnet) weniger flexibel. Von großer Bedeutung für die dreidimensionale Proteinstruktur ist zum einen die durch Mesomerieeffekte stabilisierte Peptidbindung, die partiellen Doppelbindungscharakter zeigt (Abb. 2.4). Diese Resonanzstruktur verhindert die freie Drehung um die C Bindung. Es entsteht eine plane und starre Peptid-Gruppe. Der Grund dafür liegt in der sp 2 -ybridisierung von C, und Atomen, was zu einer Delokalisierung von π-elektronen führt. Es hat den Anschein, dass die Doppelbindung von der C = Gruppe auf die C Bindung übergeht. Die Länge der C Bindung liegt mit typischen 1, 32 Å zwischen den Werten für die C Einfachbindung (1, 49 Å) und C = Doppelbindung (1, 27 Å). Die Energiebarriere, welche die cis- und trans-isomere voneinander trennt, beträgt typischerweise 80 kj/mol [Ste03]. Somit ist die Wahrscheinlichkeit für eine spontane Isomerisierung relativ gering [Ber05]. Lediglich die Aminosäure Prolin (Pro) besitzt eine um den Faktor 2 kleinere Barriere. Alle vorkommenden Peptidbindungen liegen in der trans-konfiguration vor. 6 Die trans- Form ist in Bezug auf die cis-form energetisch günstiger ( 8kJ/mol) und wird deshalb bevorzugt angenommen. Die C α -Atome, welche die Peptideinheit flankieren, liegen sich dabei in Bezug auf die C Bindung (Peptidbindung) gegenüber. Die cis-stellung ist durch sterische inderungen von an C α -Atomen angehängten Gruppen sehr unwahrscheinlich. Diese Eigenschaften der Peptidgruppe haben einen großen Einfluss auf die Ausbildung von Sekundärstrukturelementen. Zum anderen ist die Drehbarkeit um die Einfachbindungen am C α -Atom, nämlich C α C und C α, entscheidend für die Struktur des Proteins. Diese zwei Rotationsfreiheitsgrade zwischen zwei starren Peptidgruppen werden mit Winkeln charakterisiert (vgl. Abb. 2.5). Der Diederwinkel um die C α C Einfachbindung wird mit ψ, der Winkel um die C α 6 Ausnahme bilden Bindungen mit Beteiligung von Prolin, wobei die cis-stellung in 30% der Fälle vorliegt. 9

20 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung... C φ R C α ψ C... Abbildung 2.5.: Dieder- bzw. Torsionswinkel. Im Gegensatz zur starren C -Peptidbindung ist die Drehbarkeit um die Einfachbindungen prinzipiell beliebig möglich. Sterische inderungen schränken die Flexibilität des Rückgrats jedoch ein und bilden die Grundlage für die Ausbildung von Sekundärstrukturelementen. Der Diederwinkel um die C α -Einfachbindung wird mit φ und der Winkel um die C α C-Bindung mit ψ bezeichnet. Ein weiterer Torsionswinkel um die Bindung zwischen dem Kohlenstoff- und dem Stickstoffatom, ω, hat den konstanten Wert von 180. Einfachbindung mit φ bezeichnet. 7 Theoretisch können sie Werte zwischen 180 und +180 annehmen. Mit ψ = +180 und φ = +180 wäre die Polypeptidkette vollständig gestreckt. Die φ-ψ Kombinationen sind jedoch nicht willkürlich verteilt. Manche werden in Proteinen bevorzugt angenommen, andere sind dagegen verboten. Somit werden einige wenige Strukturelemente ausgebildet [Ram63; ov02]. Trägt man nun alle vorkommenden Winkelwerte in ein 2-dimensionales φ-ψ Diagramm, den sog. Ramachandran-Plot (Abb. 2.6) ein, werden dort mehrere Bereiche sichtbar, die eine äufung von bestimmten Wertepaaren bedeuten. Typische reguläre Formen der Struktur bezeichnet man als Sekundärstruktur. Alle anderen Diagrammbereiche mit dazugehörigen φ-ψ Werten sind aufgrund sterischer inderung zwischen den Atomen der Seitenketten und den Atomen im Rückgrat des Proteins nicht zugänglich. So sind bei der Faltung einer Polypeptidkette periodische strukturelle Muster zu erkennen [Pau51c; Pau51a], die mit α elix und β Faltblatt bezeichnet werden. Weitere Elemente der Sekundärstruktur sind Schleifen (loops) und Kehren (turns). Bei der Stabilisierung der Sekundärstruktur spielen Wasserstoffbrücken (... δ+ δ = C...) eine entscheidende Rolle. Bei dieser Interaktion wird ein Wasserstoffatom zwischen einer -Donor-Gruppe (,...) und einer -Akzeptor-Gruppe (C =...) geteilt. Es entstehen also permanente Dipole, die ihrerseits Dipol-Dipol Wechselwirkungen induzieren. α elix Eines der häufigsten Elemente in der Sekundärstruktur von Proteinen ist die α elix, die mit einem 30% Anteil in Proteinstrukturen vertreten ist. Einzelne Proteine können jedoch 7 ψ und φ-winkel im Uhrzeigersinn vom C α aus gesehen positiv. 10

21 2.1. ierarchieebenen der Proteinstruktur 180 β α L ψ α R -180 β φ 180 Abbildung 2.6.: Ramachandran-Plot (schematisch). Der Ramachandran-Plot bietet einen Überblick über die statistische Verteilung von möglichen Diederwinkeln φ und ψ in einer Proteinstruktur. äufig vorkommende Wertepaare φ/ψ deuten auf bestimmte Sekundärstruktur hin. Parallele und antiparallele β Strukturen sind im oberen linken Quadranten zu finden, die rechtshändige und linkshändige α elices haben unterschiedliche Werte für Torsionswinkel. Die größte Fläche nehmen verbotene Bereiche (hellblau) ein, in denen sich die Atome der beteiligten Aminosäuren zu nahe kommen. Da die Seitenkette von Glycin sehr klein ist (-Atom), ist sie extrem flexibel und kann fast den gesamten Wertebereich abdecken [Lov03]. einen unterschiedlichen Prozentsatz an helikaler Struktur aufweisen. So bestehen beispielsweise globuläre Proteine wie ämoglobin und Myoglobin zu über 2/3 aus α elices. Auf die oben beschriebene Weise bilden auch sie stabilisierende -Brücken zwischen der Amino- Gruppe ( ) einer Aminosäure und der Carbonyl-Gruppe (C = ) einer anderen Aminosäure im Rückgrat eines Polypeptids aus, deren Abstand in der Kette 4 Residuen beträgt (n n + 4 ) und pro Windung im Durchschnitt 3, 6 Aminosäuren benötigt. Auch andere Wechselwirkungen, die beispielsweise zwischen den Seitenketten und bei der Entstehung eines Makrodipols innerhalb der elix wirken, führen zur Konformationsstabilität [Cha95]. Die Seitenketten befinden sich an der berfläche der α elix, das von Wassermolekülen freie Innere der elix wird aus dem spiralförmig aufgewickelten Rückgrat geformt. äufig wird die α elix durch die Aminosäure Prolin unterbrochen, da dieser ein Amidwasserstoffatom zur 11

22 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung C µ Abbildung 2.7: Dipolmoment. Aufgrund der polarisierten kovalenten Bindung entsteht ein permanentes elektrisches Dipolmoment. Seine Stärke ist auch von der Polarität der Umgebung abhängig. Ausbildung einer Wasserstoff-Brücke fehlt und sie wegen der zyklischen Seitenkette die erforderlichen Winkel für das Fortsetzen der Struktur nicht annehmen kann. Für das α helikale Motiv lautet die φ/ψ Kombination in etwa φ = 57 /ψ = 47 [or08]. Die Peptidgruppe ist polar und besitzt ein elektrisches Dipolmoment µ. In der α elix sind die Peptidgruppen durch die Wasserstoffbindungen gleich ausgerichtet. Die Peptid-Dipolmomente, die in die Richtung der elixachse zeigen, addieren sich zum Makrodipolmoment [ol78]. Dieses ist vom C-Terminus (negativer Pol) zum -Terminus (positiver Pol) ausgerichtet (Abb. 2.7). Im Ramachandran-Plot ist neben der rechtsgängigen auch eine hypothetisch mögliche linksgängige α elix zu erkennen. Jedoch ist die erstere Konformation energetisch günstiger. Die in der atur vorkommenden elices sind alle rechtsgängig. Andere Arten von elices, die, wenn auch eher selten, in Proteinen vorkommen, sind die π-elix 8 und die elix 9. β Faltblatt Die β Faltblätter oder β Sheets bestehen ihrerseits aus mehreren β Strängen, die auch hier durch -Brücken zwischen den Gruppen und C = Gruppen zusammengehalten werden. Es sind sowohl parallele als auch antiparallele β Faltblätter bekannt. Im Fall einer parallelen Ausrichtung der Stränge ist eine Aminosäure gleichzeitig mit zwei entgegengesetzten Residuen innerhalb eines anderen Strangs verbrückt. Innerhalb der Polypeptidkette haben diese einen Abstand von n = 2 voneinander. Die antiparallele Ausrichtung bedingt die Ausbildung von Wasserstoffbrücken zwischen zwei Peptidplättchen, die sich in C zwei Strängen direkt gegenüberliegen: C. Dies ist beispielsweise beim Trpzip2 - Peptid und seinen in dieser Arbeit untersuchten Varianten der Fall. Die Aminosäureseitenketten zeigen senkrecht aus der Ebene eines β Faltblattes, wobei die benachbarten Seitenketten abwechselnd in entgegengesetzte Richtungen weisen. In der α elix hingegen sind sie radial zur elixachse nach außen gerichtet. Auch in der eher ausgedehnten Form ist das β Faltblatt 8 Eine π elix benötigt im Schnitt 4, 4 Aminosäuren für eine vollständige Windung. 9 Die elix verbraucht 3 Aminosäuren pro Windung. 12

23 2.1. ierarchieebenen der Proteinstruktur (a) α elix (b) β Faltblatt, drei-strängig, in antiparalleler Ausrichtung Abbildung 2.8.: Charakteristische repetitive Sekundärstruktur-Elemente. Wasserstoffbrücken zwischen den Carbonyl (C = )- und Iminogruppen ( ) des Rückgrats stabilisieren die Sekundärstrukturmotive, für deren Ausbildung im Wesentlichen die Primärstruktur verantwortlich ist. Die entfaltete Polypeptidkette wird als random coil (RC) bezeichnet. verschieden zu der Kompaktheit der gefalteten α elix (Abb. 2.8). Turns und Loops Um in eine dichtgepackte und globuläre Form zu gelangen, welche viele Proteine annehmen, muss die Polypeptidkette an der Proteinoberfläche ihre Richtung ändern. Eine Kehre übernimmt diese Aufgabe, wobei kompakte Kehren als Turns und eher ausgedehnte als Schleifen (loops) bezeichnet werden. Diese Kehren sind dafür verantwortlich, verschiedene α elices und einzelne β Stränge miteinander zu verbinden, wobei sie bis zu 30% eines Proteins ausmachen können. Die Einteilung von kompakten Turns erfolgt nach der Anzahl der Turn-bildenden Residuen (siehe Tabelle 2.1). Die β und γ Turns sind am häufigsten unter den kompakten 180 -Kehren zu finden, wobei die β Turns den überwiegenden Anteil ausmachen. In γ Turns ist das Sauerstoffatom der C = -Gruppe des Rückgrats der n-ten Aminosäure mit dem Wasserstoffatom der - Gruppe der n + 2-ten Aminosäure durch Wasserstoffbrücken verbunden. ier sind 3 Reste (n, n + 1, n + 2) bei der Ausbildung der Kehre involviert. Charakteristisch für einen β Turn hingegen ist die Wasserstoffbrückenbindung zwischen der C = -Gruppe der n-ten Aminosäure und der -Gruppe der n + 3 Aminosäure, wobei man vier aufeinander folgende Residuen n, n + 1, n + 2, n + 3 als Turn zusammenfasst (Abb. 2.9). Aufgrund der relativ kleinen Seitenkette (= ein Wasserstoffatom) und damit verbundener Konformationsflexibilität ist die Aminosäure Glycin häufig Bestandteil des β Turns. Andere häufige Turnaminosäuren 13

24 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung TUR RESIDUE WASSERSTFFBRÜCKE C= - α Turn 5 n n+4 β Turn 4 n n+3 γ Turn 3 n n+2 δ Turn 2 n n+1 π Turn 6 n n+5 Tabelle 2.1.: Klassifizierung von Turns. Die Anzahl der beteiligten Aminosäuren legt die Bezeichnung eines Turns fest. Am häufigsten sind in Proteinen die β Turns zu finden [Cho00]. sind Asparagin und Prolin. Es existieren eine Vielzahl an β Turntypen, die in der wissenschaftlichen Literatur definiert sind [Wil88; Cho00]. Typischerweise sind in Proteinen β Turns vom Typ I, II, III und I, II, III zu finden [Ven68]. Sie besitzen jeweils einen eigenen Satz an Torsionswinkeln 10 φ n+1 /ψ n+1 und φ n+2 /ψ n+2 von Aminosäuren n + 1 und n + 2, die sich in einem Turn befinden. Eine Übersicht dazu findet sich in der Tabelle 2.2. β TUR-TYP φ n+1 /ψ n+1 φ n+2 /ψ n+2 β Turn I -60 / / 0 β Turn I 60 / / 0 β Turn II -60 / / 0 β Turn II 60 / / 0 β Turn III -60 / / -30 β Turn III 60 / / 30 γ Turn / invers γ Turn / Tabelle 2.2.: Torsionswinkel für β und γ Turns. Torsionswinkel der häufigsten Turns sind aufgelistet. Ein β Turn besteht aus 4 Residuen. Die Spiegelbilder der ursprünglichen Konformation sind mit Apostroph gekennzeichnet. Im γ Turn sind 3 Residuen beteiligt, die Wasserstoffbrücke entsteht zwischen der n-ten und n + 2 Aminosäure. Werden die Torsionswinkel von β Turns der Typen I und II veranschaulicht, so wird deut- 10 Der Begriff wird synonym zu Diederwinkeln verwendet. 14

25 2.1. ierarchieebenen der Proteinstruktur lich, dass die Peptidbindung zwischen den Residuen n+1 und n+2 eine unterschiedliche rientierung aufweist. Beim Typ I zeigt die C-Gruppe des Restes n + 1 in die entgegengesetzte Richtung wie die von Seitenketten der Residuen n + 2 und n + 3 (vgl. Abb. 2.9). Die β Turns der Typen I, II und III gehen aus der Spiegelung des Rückgrats aus den Typen I, II und III hervor. In β airpins, der einfachsten Form eines β Faltblatts, kommen meistens β Turns des Typs I oder II vor [Sib85]. So besitzen beispielsweise alle der in dieser Arbeit untersuchten Trpzip2 -Mutanten den Typ I -Turn. Bei Trpzip2 besteht dieser aus den Aminosäuren Asparagin () und Glycin (G). Die erste Wasserstoffbrücke entsteht zwischen den flankierenden Aminosäuren Glutaminsäure (E) an Position n und Lysin (K) an Position n + 3. n R φ n+1 ψ n+1 n+1 R Abbildung 2.9: Diederwinkel im Turn (auch Torsion- bzw. Rotations- oder Dihedralwinkel genannt). Der Winkel um die Bindungsachse C α ist mit φ und der Winkel um die Achse C α C mit ψ bezeichnet. Sie charakterisieren vollständig die Konformation des Rückgrats. Der Rotationswinkel um die torsionsstabile Peptidbindung - C- heißt ω und ist konstant. n+3 R ψ n+2 φ n+2 R n Tertiärstruktur und Quartärstruktur Die drei-dimensionale, räumliche Form einer Polypeptidkette wird als Tertiärstruktur bezeichnet. Sie kann aus mehreren Sekundärstrukturelementen bestehen und ist für die biologische Funktion des betreffenden Proteins entscheidend. Stabilisiert wird die räumliche Struktur durch verschiedene Wechselwirkungen, die zwischen den Seitenketten der Aminosäuren entstehen. Bei diesen Kräften handelt es sich zum einen um Disulfidbrücken als kovalente Bindungen, wie beispielsweise zwischen zwei Cysteinen (Cys) ( C 2 S S C 2 ). Wasserstoffbrücken tragen neben der Stabilisierung der Sekundärstruktur (vgl. Abschnitt 2.1.3) gleichzeitig zur Stabilisierung der räumlichen Struktur bei. Als Interaktionen elektrostati- 15

26 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung scher atur wirken sie zwischen polaren Seitenketten aber auch zwischen dem Proteinrückgrat und polaren Seitenketten. Auch geladene Gruppen wechselwirken elektrostatisch miteinander. Amino- und Carboxyltermini oder ionisierte Seitenketten (z.b. einer Glutaminsäure) können sowohl anziehend als auch abstoßend interagieren. Zwischen sauren und basischen Aminosäure-Resten (z.b. Arginin und Glutaminsäure) kommt es zu Ionenbindungen oder Salzbrücken. Van der Waals Wechselwirkungen herrschen zwischen unpolaren Aminosäuren (z.b. Glycin, Valin), dabei wirken anziehende transiente Dipolkräfte. Diese weisen eine starke Abstandsabhängigkeit auf ( 1/r 6 ) und sind im Inneren eines hydrophoben Kerns im Protein von Bedeutung. icht unerwähnt bleiben sollte die Konfigurationsentropie, die der Faltung entgegenwirkt. Die Einschränkung der Freiheitsgrade sowohl des Rückgrats (φ, ψ) aber auch der dichtgepackten Seitenketten im Proteininneren hat einen Einfluss auf die Proteinstabilität (siehe auch Abschnitt 2.2 und Gl. 2.1). Eine große Rolle spielen außerdem die hydrophoben Effekte. Jeder Aminosäure kann ein Wert auf der ydrophobizitätsskala zugeordnet werden [Ros93]. Die hydrophoben Aminosäuren lagern sich in wässriger Lösung bevorzugt im Inneren eines Proteins an, wodurch sie einen von Wassermolekülen freien Kern bilden. Die hydrophilen Reste zeigen nach außen in Richtung des umgebenden Wassers, wobei eine ydrathülle unter Ausbildung von -Brücken entsteht. Somit wird der Entropieverlust des Wassers durch kompakte Anlagerung hydrophober Seitenketten innerhalb des Proteins minimiert, was zur thermodynamischen Stabilität des Proteins beiträgt. Zusätzlich wirken hier auch van der Waals Kräfte zwischen den dichtgepackten wasserabweisenden Seitenketten. Im Vergleich der oben genannten Wechselwirkungen sind die kovalenten (Disulfidbrücken) auf der Energieskala eine bis zwei Größenordnungen stärker als die nicht-kovalenten (Wasserstoffbrücken, Ionenbindungen, Van der Waals, elektrostatische und hydrophobe Interaktionen). Die kovalenten Wechselwirkungen liegen im Bereich zwischen 200 bis 500 kj/mol. Jedoch trägt die große Anzahl der nicht-kovalenten Wechselwirkungen als Summe entscheidend zur Stabilisierung der Tertiärstruktur bei. Je nach Art und Funktion eines Proteins können seine unterschiedlichen Bereiche hydrophob bzw. hydrophil sein. So hat ein amphipathisches Protein beispielsweise die Möglichkeit sowohl mit Phospholipiden als auch mit polaren Umgebungen wie 2 zu wechselwirken. Letztendlich hat die Abfolge der Aminosäuren und somit die Verteilung von Seitenketten mit verschiedensten Eigenschaften einen bestimmenden Einfluss auf die räumliche Struktur und die Funktionalität des Proteins. Es existieren nicht nur Proteine, die aus einer einzigen Polypeptidkette bestehen, sondern aufgrund der Aufgabenkomplexität aus mehrere Ketten zusammengesetzt werden. Beispielsweise beinhaltet das ämoglobin vier Proteinuntereinheiten. Die beteiligten Untereinheiten 16

27 2.2. Modelle zur Proteinfaltung können prinzipiell identisch oder auch verschieden sein. Dabei müssen sie komplementäre berflächenbereiche aufweisen, um deren Zusammenlagerung zu ermöglichen. In den meisten Fällen werden sie durch nicht-kovalente Wechselwirkungen zusammengehalten. Diese Zusammenfügung von Untereinheiten zu einem funktionsfähigen Komplex stellt die letzte Stufe des hierarchischen Aufbaus, die Quartärstruktur, dar Modelle zur Proteinfaltung Die Fragen nach Faltungsmechanismen und Prozessen der Faltungsdynamik, die auch das Problem der Fehlfaltung und Aggregation von Proteinen betreffen, sind Gegenstand aktueller Forschung und wissenschaftlicher Diskussion [Kar97; Fab11]. Frühere Experimente an Proteinen in den dreißiger Jahren haben am Beispiel von ämoglobin gezeigt, dass sie imstande sind nach einer Denaturierung wieder in die native Form rückzufalten [Ans45]. Die ersten dreidimensionalen Proteinstrukturen konnten inweise auf die Beziehung zwischen der Struktur und der Funktion eines Proteins liefern [Bla65; Mat67]. Die Mechanismen der Proteinfaltung waren jedoch unklar. Die Proteinfaltung ist ein hochkomplexer Vorgang, der durch unterschiedlichste Kräfte und Wechselwirkungen gesteuert wird. Eine Polypeptidkette muss in einem riesigen Konformationsraum unter physiologischen Bedingungen die einzig richtige, nämlich die native Konformation finden, um als gefaltetes Protein die ihm zugewiesene biologische Funktion ausführen zu können. Die dazu nötige Zeit wächst exponentiell mit der Länge der Aminosäurekette. Diese würde nach einfachen Berechnungen für ein relativ kleines Protein mehrere Milliarden Jahre betragen [Lev69] und sogar das Alter des Universums übersteigen. Die Formulierung des Levinthal-Paradoxons im Jahre 1969 hat das Rätsel der in Wirklichkeit extrem schnellen Faltungszeiten von Proteinen verdeutlicht. ach Ansicht von C.B. Anfinsen ist die native Konformation eines jeden Proteins durch seine Primärstruktur von Anfang an festgelegt [Anf73]. Unter physiologischen Bedingungen wirken die interatomaren Wechselwirkungen zwischen den Aminosäuren und bestimmen den Faltungsweg. Es herrscht Konsens darüber, dass die ungefaltete Kette von Aminosäuren nicht alle möglichen Konformationen nach dem trial and error -Prinzip durchläuft, um das Energieminimum und die stabilste, native Form zu finden. Vielmehr gleicht die Faltungsenergielandschaft einem Trichter, welcher den Faltungsprozess im Zuge der Minimierung der freien Enthalpie gerichtet steuert (Abb. 2.10) [Wol95; Wol96; nu04]. Demzufolge existiert nicht nur ein einziger Pfad zur nativen Struktur, sondern es bestehen mehrere Möglichkeiten von einer beliebigen Stelle am Rand des Faltungstrichters ins Potentialminimum zu gelangen. Gleichzeitig ist der Konformationsraum derart eingeschränkt, dass 17

28 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung freie Enthalpie Intermediate fehlgefaltetes Protein native Struktur Konformation Abbildung 2.10.: Faltungstrichter. Eine schematisch dargestellte Energielandschaft, die den Faltungsprozess illustriert. Das globale Minimum stellt die native Struktur dar, wobei das Protein auch in anderen Minima gefangen werden kann. Diese können Faltungsintermediate sein, aber auch Fehlfaltungen bedeuten, falls die Konformation sich als stabil erweist. Die Breite der Minima ist mit der Konfigurationsentropie eines bestimmten Faltungszustandes verknüpft [Mor12]. ein Polypeptid sich relativ rasch im globalen Minimum der Potentialhyperfläche wiederfindet. ier wird die energetisch stabile, native Struktur gebildet. Die berfläche des Faltungstrichters ist rau, d.h. der Faltungsprozess verläuft nicht ungebremst, er wird durch Fallen unterbrochen. Während des sukzessiven Absenkens der freien Enthalpie ist das betreffende Protein auf dem Weg ins globale Minimum kurzzeitig in vielen lokalen Minima gefangen, die man als vorübergehende metastabile Konformationen bezeichnen kann. Bleibt es jedoch in einem Minimum gefangen, so kann dieser Zustand, der auch als Fehlfaltung bezeichnet wird, schwerwiegende Folgen für die Zelle haben wie beispielsweise im Falle von fehlgefalteten Prionen [Pan93; Pru98]. Die spontane Faltung eines Proteins folgt der Minimierung der freien Enthalpie G. Die Änderung von G beinhaltet zwei Komponenten, eine enthalpische und eine entropische S Komponente. Für den gefalteten Zustand muss die Summe G = T S (2.1) negativ sein G < 0. Ist G > 0 läuft die Rückreaktion, in diesem Fall die Denaturierung des Proteins, freiwillig ab. eben sich alle Summanden auf, d.h. G = 0, so ist das System im Gleichgewicht, es gibt keine bevorzugte Reaktionsrichtung. Unter physiologischen Bedin- 18

29 2.2. Modelle zur Proteinfaltung gungen ist durch die Wasserstoffbrückenbindungen, van der Waals Wechselwirkungen und ionischen Interaktionen < 0. Der entropische Anteil beinhaltet einerseits eine Abnahme der Entropie durch die Einschränkung des Konformationsraums für die gefaltete Polypeptidkette auf eine einzige Konformation S 1 < 0, andererseits wird durch die Anlagerung von hydrophoben Aminosäuren im Inneren eines gefalteten Proteins die Entropie der wässrigen Umgebung erhöht, S 2 > 0. Somit ist die Summe aller Beiträge (, S 1, S 2 ) im G für den Faltungsprozess entscheidend. Die Größen und S sind im Allgemeinen temperaturabhängig. Betrachtet man die Entfaltung des Proteins, so lassen sich die Enthalpie und Entropie wie folgt ausdrücken: = ref + C P (T T ref ) (2.2) S = S ref + C P ln(t/t ref ) (2.3) ref und S ref sind Änderungen bei einer Referenztemperatur T ref, T ist die absolute Temperatur in Kelvin und C P die Änderung der Wärmekapazität bei konstantem Druck. Faltungsmodelle Zur Beschreibung der Proteinfaltung sind mehrere Modelle entwickelt worden [öl05]: (a) Framework Modell, (b) ydrophober Kollaps und (c) ukleation-kondensation. (a) Framework Modell In diesem Modell beginnt die Faltung beim Ausbilden der Sekundärstrukturelemente, nämlich α elix, β Faltblatt, β Schleife und β Kehre, die ihrerseits in der Abfolge der Aminosäuren kodiert sind. Die Tertiärstruktur entsteht im Anschluss während der Diffusion der ausgebildeten Sekundärstrukturelemente und der folgenden Fixierung in der drei-dimensionalen Form [Pti75; Kar76; Kim90]. (b) ydrophober Kollaps Diesem Modell liegt die Annahme, dass im ersten Schritt ein Kollaps der Polypeptidkette erfolgt, zugrunde. Die treibende Kraft ist dabei die ydrophobizität der Aminosäure- Seitenketten. Die hydrophoben, nicht-polaren Gruppen lagern sich zusammen, wobei sie die Wassermoleküle aus dem Inneren der kollabierten Struktur verdrängen. Die hydrophilen Aminosäuren bilden die berfläche des Knäuels. ach dem Kollaps beginnt die Formation der Sekundärstrukturelemente und der Tertiärstruktur [Rac77; Dil90]. 19

30 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung (c) ukleation-kondensation ach diesem Modell entstehen zunächst diffuse Faltungs-Subdomänen, die sogenannten uklei, in denen sich Sekundärstruktur-Elemente entwickeln und parallel dazu eine annähernde Tertiärstruktur entsteht. Durch ständiges Wachstum und Kollisionen mit anderen Faltungs-Subdomänen erfolgt die Ausformung der endgültigen Konformation der gesamten Aminosäurekette [Kie97; Itz95]. Zwei-Zustandsmodell Im einfachsten Fall des Zwei-Zustandsmodells erfolgt die Reaktion zwischen dem ungefalteten U und dem gefalteten Zustand F ohne Auftreten von intermediaten Zuständen: k F U F (2.4) ku Die Ratengleichungen für die Ausbildung des gefalteten und denaturierten Zustandes würden demzufolge lauten: d [F ] d t d [U] d t = k F [U] k U [F ] = k U [F ] k F [U] (2.5) wobei [U], [F] die Konzentrationen des ungefalteten (U) bzw. gefalteten (F) Zustandes sind. Die mikroskopischen Ratenkonstanten k F für die Faltung und k U für die Denaturierung tragen zur beobachtbaren Ratenkonstante (Relaxationskonstante) k obs wie folgt bei: k obs = k F + k U = 1 τ (2.6) ier lässt sich die Relaxationszeit τ umgekehrt proportional zur Ratenkonstante k obs = 1/τ darstellen. Im theoretischen Model eines Faltungstrichters sind mehrere Wege in den nativen Zustand vorstellbar. Das hat zur Folge, dass die gemessene Ratenkonstante k obs aus Beiträgen aller n Faltungspfade besteht: n k obs = k F,j + k U,j (2.7) j=1 andelt es sich beim Faltungsprozess um eine Reaktion erster rdnung, kann das beobach- 20

31 2.2. Modelle zur Proteinfaltung tete Signal Signal mit einer Summe aus Exponentialfunktionen beschrieben werden: Signal(t) = i A i exp( k obs,i t) (2.8) wobei A i die Amplitude der i-ten Exponentialfunktion ist. Existieren insgesamt n Ratenkonstanten, bedeutet das im Falle einer Reaktion erster rdnung, dass (n + 1) kinetische Zustände und (n 1) Intermediate vorhanden sind [Bie00]. Liegen der native und ungefaltete Zustand im Gleichgewicht vor, so lässt sich eine Gleichgewichtskonstante K eq der Entfaltung 11 definieren: K eq,u = [U] eq [F ] eq = k U k F (2.9) Die obige Gleichung zeigt, dass die Gleichgewichtskonstante sich auch dann bestimmen lässt, wenn man die Konzentrationen der Zustände (F) und (U) im Gleichgewicht kennt. Die Gibbs-Gleichung stellt einen Zusammenhang zwischen der Gleichgewichtskonstanten K eq und der freien Reaktionsenthalpie G 0 her und zeigt, ob das Gleichgewicht einer Reaktion auf der Produktseite ( G 0 < 0) oder Eduktseite ( G 0 > 0) liegt (vgl. Abb. 2.11): G 0 = RT ln K eq (2.10) Mittels Eyring-Gleichung kann die Ratenkonstante k U in der Transition-State-Theorie bestimmt werden mit [Shi95; öl05]: k U = ν k bt h exp ( G #/ RT ) (2.11) Die öhe der Energiebarriere des Übergangszustands (engl. transition state Abb. 2.11) zwischen dem gefalteten und ungefalteten Zustand wird hier mit G # bezeichnet. k B ist die Boltzmann Konstante, h die Planck Konstante und T die absolute Temperatur in Kelvin. In der Konstante ν werden mehrere Parameter zusammengefasst, unter anderem ein Faktor für die Form der Energiebarriere. 12 G # wiederum lässt sich schreiben als die Summe der enthalpischen # und entropischen S # Anteile: G # = # T S # [Atk13]. Damit kann die Gleichung 2.11 geschrieben 11 Die Gleichgewichtskonstante der Faltung ist analog definiert: K eq,f = [F]eq [U] eq. 12 In guter äherung kann ν gleich 1 gesetzt werden und der prä-exponentielle Faktor reduziert sich auf k B T/h. 21

32 2. Grundlagen zur Proteinstruktur und Proteinfaltung freie Enthalpie G # k U # k F U G F # F G 0 Reaktionskoordinate Abbildung 2.11.: Freie Enthalpie einer Faltungsreaktion. Der gefaltete Zustand (F) ist energetisch begünstigt G 0 = G # F G#. Während der Reaktion muss eine Energiebarriere überwunden werden. k F und k U sind Ratenkonstanten der Faltung (F) bzw. Entfaltung (U). Mit transition state # wird der höchste Punkt entlang des Reaktionspfades bezeichnet. werden als: k U = ν k bt h e( S# /R) e ( # /RT) (2.12) Eine Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante wurde zum ersten Mal von van t off [v84] beschrieben und als folgende Gleichung formuliert [L v07]: d lnk dt = RT 2 (2.13) Daraus folgerte er, dass die Ratenkonstanten einer ähnlichen Gesetzmäßigkeit folgen sollten. 13 Mittels Arrhenius Formulierung und Interpretation kann die exponentielle Abhängigkeit der Ratenkonstante von der Temperatur [Arr89] ausgedrückt werden als: k = A e ( Ea/RT ) (2.14) 13 K eg = k 1 /k 1. 22

33 2.2. Modelle zur Proteinfaltung Potential energy Initial state Transition state # E a Final state Abbildung 2.12: Übergangszustand und Aktivierungsenergie. Die Aktivierungsenergie E a muss aufgebracht werden, um zum Endzustand zu gelangen. ach Gleichung 2.14 ist die Ratenkonstante k mit der Aktivierungsenergie E a verknüpft. Reaction coordinate Durch den Vergleich der Gleichungen 2.12 und 2.14 wird deutlich, dass sie äquivalent sind. Im prä-exponentiellen Faktor A steckt der entropische Beitrag. # seinerseits hängt mit der Aktivierungsenergie E a (Abb. 2.12) wie folgt zusammen [Moo81]: 14 # = E a RT (2.15) 14 Dieser Zusammenhang ist nur für Reaktionen in Lösungen gültig. 23

34 24

35 3. Experimentelle Methoden Infrarotspektroskopie ist eine erfolgreiche und weitverbreitete Methode der Molekülspektroskopie. Diese Technik ermöglicht unter anderem Untersuchungen an der Proteinsekundärstruktur. Sowohl die statischen Spektren im thermodynamischen Gleichgewicht als auch dynamische Vorgänge während des Faltungsprozesses lassen sich damit analysieren. In den folgenden Unterkapiteln werden die Grundlagen der Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung mit Materie beschrieben, eine kurze Einführung in die Infrarotspektroskopie (IR) gegeben und die für diese Arbeit relevanten Messmethoden und -instrumente erklärt. Dazu gehört das neu aufgebaute Temperatursprung-Spektrometer für die zeitaufgelösten Experimente, dessen Aufbau und Funktionsweise ausführlich vorgestellt werden. 25

36 3. Experimentelle Methoden 3.1. Infrarot-Spektroskopie Theoretische Grundlagen Elektromagnetische Strahlung Sichtbares Licht, Mikrowellen, Radiowellen oder Röntgenstrahlung, die sehr verschieden in der menschlichen Wahrnehmung und deren jeweiligen Erscheinungsform sind, haben dennoch einen gemeinsamen Ursprung: die oszillierende elektrische Ladung. Sie erzeugt eine elektro-magnetische Transversalwelle mit einer charakteristischen Frequenz ν bzw. Wellenlänge λ, die sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit c ausbreitet. 1 Die Frequenz der szillation ν und die Energie der Welle sind proportional zueinander: E = h ν = h c λ wobei h das Plancksche Wirkungsquantum 2 ist. Betrachtet man die spektrale Zusammensetzung der elektromagnetischen Strahlung, so ist der Infrarotbereich zwischen 780 nm und 1000 µm zu finden (Abb. 3.1). Dieser spektrale Abschnitt grenzt im Kurzwelligen an den für den Menschen sichtbaren Spektralbereich ( nm) und im Langwelligen an den Mikrowellenbereich (1000 µm 1 m). Im Infraroten werden drei Abschnitte definiert [Gre03]: ah-infrarot (IR) (780 nm 2, 5 µm) Mittleres Infrarot (MIR) (2, 5 µm 25 µm bzw cm cm 1 ) Fernes Infrarot (FIR) (25 µm 1000 µm) I n f r a r o t Ultraviolett sichtbares Spektrum nahes IR mittleres IR fernes IR Mikrowellen 380nm 780nm 2,5 µm 25µm 1000 µm λ Abbildung 3.1.: Infrarotspektrum. Der infrarote Spektralbereich grenzt direkt an das sichtbare Spektrum und erstreckt sich von λ IR = 780 nm bis 1 mm. Es wird zwischen ah-infrarot, mittlerem und fernem Infrarot unterschieden. 1 c = m s. 2 Plancksches Wirkungsquantum h = 6, Js. 26

37 3.1. Infrarot-Spektroskopie Die einzigartige spektrale Information, die im Infrarotspektrum einer Messprobe enthalten ist, kann zur Identifizierung von Substanzen verwendet werden. Ferner erlaubt sie Rückschlüsse auf das Vorhandensein von bestimmten Bindungen oder einzelnen Molekülgruppen, aber auch auf die strukturellen Umwandlungen in einem Molekül. Dank hoher Sensitivität wurde die Infrarot-Spektroskopie auch für biologische Systeme interessant. Seit mehr als einem halben Jahrhundert wird sie zur Aufklärung und Analyse der Sekundärstruktur von Peptiden und Proteinen eingesetzt [Ell50]. Mittels stationärer und zeitaufgelöster Experimenttechniken können die einzelnen Schritte der Proteinfaltung nachvollzogen werden [Mat91]. Moderne Methoden erlauben mittlerweile eine Auflösung auf der Skala einer einzelnen Aminosäure [au08; au10; ua09; Cul12]. Damit können unter anderem ortsspezifisch Bindungen innerhalb des untersuchten Proteins und deren Rolle beim Faltungsprozess untersucht werden. Zudem sind Aussagen beispielsweise über den Protonierungszustand oder die Umgebung einer Aminosäurekette möglich. Im mittleren Infraroten (MIR) findet man Fundamentalschwingungen kovalenter Bindungen in einem Molekül (z.b. Peptide bzw. Proteine). ier lassen sich funktionelle Gruppen identifizieren, deren Absorption charakteristisch ist sowohl für die Gruppe an sich als auch für deren Interaktion mit der Umgebung. Für Proteine lassen sich hier außerdem wichtige Aussagen über die räumliche Konfiguration des Rückgrats treffen und damit deren Sekundärstruktur beschreiben. ormalschwingungen Für das Verständnis der Infrarotspektren sind folgende theoretische Grundlagen zu Molekülschwingungen wichtig. Ein System mit Teilchen hat insgesamt 3 Freiheitsgrade. Sind die einzelnen Teilchen durch Bindungen miteinander verknüpft, bleiben lediglich 3 für die Translation- und 3 für die Rotationsbewegung übrig. Somit stehen Z = 3 6 von 3 Freiheitsgraden als Schwingungsfreiheitsgrade zur Verfügung. 3 Diese werden als ormalschwingungen oder ormalmoden bezeichnet. So hat beispielsweise die einfachste und kleinste Aminosäure, Glycin (Gly), Z Gly = = 24 ormalmoden. In einem Protein mit mehreren hundert Aminosäuren liegen demzufolge tausende von Fundamentalschwingungen vor. Gleichzeitig sind auch bertonschwingungen möglich, deren Frequenz ein Vielfaches der ormalschwingungen beträgt, 2ν, 3ν... Jedoch ist die Intensität I(2ν), I(3ν)... verglichen mit der Intensität der entsprechenden ormalschwingung I(ν) stark reduziert. Weitere Absorptionsbanden kommen außerdem zum einen durch Kombinationsschwingungen als Linearkombination aus mehreren ormalschwingungen ν 1, ν 2,... : ν k = a ν 1 ± b ν 2 ± c ν 3 ±... zustande. Zum anderen entstehen auch Fermi-Resonanzen. Im Falle einer Fermi-Resonanz haben unterschiedliche Schwingungsmoden die gleiche Frequenz, d.h. sie sind entartet. ier 3 Für lineare Moleküle gilt der Zusammenhang Z =

38 3. Experimentelle Methoden m 1 m 2 k r 0 r Abbildung 3.2.: Schwingende Massen als Modell für den armonischen szillator. Zwei Parameter r für Auslenkung und k als Federkonstante definieren die wirkende Rückstellkraft F. Die Schwingungsfrequenz des szillators ν vib ist durch die reduzierte Masse m festgelegt (Gl. 3.3). m 1 und m 2 stehen für die durch eine Feder verbundenen Massen 1 und 2. Die Ruhelage des szillators ist durch den Abstand r 0 gekennzeichnet. kommt es zu einer Aufspaltung der Absorptionsbande, wobei die Intensität der weniger starken Schwingungsmode stark zunimmt, sodass zwei ähnlich intensive Banden entstehen. Doch ist nicht jede Schwingung infrarot-aktiv. Dazu bedarf es einer Änderung des elektrischen Dipolmoments eines Moleküls µ während es schwingt: δµ 0. Folglich sind Vibrationen homonuklearer zweiatomiger Moleküle und solche, die symmetrisch zum δr Symmetriezentrum eines Moleküls erfolgen, beispielsweise die symmetrische Streckschwingung von C 2, im IR-Spektrum nicht sichtbar. Diese können jedoch mittels Ramanspektroskopie beobachtet werden [Ram29; Dem07]. armonischer szillator Als einfaches Model zur Veranschaulichung einer Molekülschwingung dient häufig ein zweiatomiges Molekül, welches durch einen harmonischen szillator beschrieben werden kann. Dabei werden Atome als Punktmassen m 1, m 2 betrachtet, die durch eine elastische Feder mit einer Federkonstanten k miteinander verbunden sind (Abb. 3.2). Durch Auslenkung 4 aus der Gleichgewichtslage r 0 um r wirkt eine Rückstellkraft F (r) = k r (3.1) Die potentielle Energie des Schwingungsvorgangs lässt sich durch Integration der Gleichung 3.1 bestimmen. Es ist ein Parabelpotential, das symmetrisch bezüglich des Gleichge- 4 r = R r 0, wobei R der Kernabstand und r 0 die Gleichgewichtslage eines zweiatomigen Moleküls ist. 28

39 3.1. Infrarot-Spektroskopie wichtsabstands r 0 ist: V (r) = k 2 r2 (3.2) als: Die Schwingungsfrequenz lässt sich für den Fall der harmonischen äherung ausdrücken ν vib = 1 k (3.3) 2π m wobei m = m 1 m 2 m 1 +m 2 die reduzierte Masse, k die Federkonstante ist (vgl. [ak05]). Die Federkonstante k, auch als Kraftkonstante bezeichnet, wird als unabhängig von der Auslenkungsamplitude definiert. Sie ist ein Maß für die Stärke einer Atombindung. Üblicherweise wird in der Infrarotspektroskopie anstatt der Frequenz ν die Wellenzahl ν benutzt: ν = ν c = 1 λ (3.4) Die aus historischen Gründen entstandene Größe ν mit der Einheit [ ν] = cm 1 ist proportional zur Energie der Strahlung E = hc ν. Die quantenmechanische Behandlung des harmonischen szillators führt zu diskreten, äquidistanten Energieniveaus mit einer von ull verschiedener ullpunktsenergie (n = 0, 1, 2,...) E = hν (n ) (3.5) mit der Auswahlregel n = ±1. Bei Absorption von infrarotem Licht wird das Molekül in ein nächst-höheres Schwingungsniveau angeregt. Dabei besteht für die Intensität einer bestimmten Absorptionsschwingungsbande eine quadratische Abhängigkeit von der Änderung des Dipolmoments des schwingenden Moleküls I ( δµ δr ) 2. Der Übergang zu höheren energetischen Zuständen mit n 1 ist verboten. Um jedoch reale Moleküle abzubilden, muss das Modell des anharmonischen szillators angewandt werden, in dem die Auswahlregel n = ±1, ±2, ±3... gilt (vgl. Abb. 3.3). Das Morse-Potential zur Beschreibung der Anharmonizität bietet ein realistischeres Bild gegenüber dem Parabelpotential V (r) = D e (1 e a r ) 2 (3.6) wobei die Dissoziationsenergie D e und die Konstante a, welche ähnlich zur Kraftkonstante k die Bindungsstärke zwischen zwei Atomen angibt, für jedes Molekül charakteristisch sind. Die Potentialkurven für den harmonischen und anharmonischen szillator stimmen in der ähe der Gleichgewichtslage r 0 zwar gut überein. Für abnehmende Abstände R < r 0 nimmt die 29

40 3. Experimentelle Methoden Energie a) b) Energie n D e n r Kernabstand R 0 r 0 Kernabstand R Abbildung 3.3.: Parabelpotential und Morse-Potential. a) Der harmonische szillator kann mit einem Parabelpotential beschrieben werden. Die Energieniveaus sind hier mit n bezeichnet und haben einen äquidistanten Abstand auf der Energieskala. Erlaubte Übergänge sind durch Pfeile angedeutet. Dieses Potential ist symmetrisch bezüglich des Gleichgewichtsabstandes r 0. b) Das Morse-Potential hingegen ist unsymmetrisch und hat einen Grenzwert der Bindungsenergie (Dissoziationsenergie D e ) bei großen Abständen, bei denen das Molekül dissoziiert. gegenseitige Abstoßung der Kerne jedoch zu, was sich in einem steileren Anstieg des Morse- Potentials in diesem Bereich zeigt. Bei genügend großen Kernabständen R r 0 besitzt das Morse-Potential einen Grenzwert, an dem die Bindung gebrochen wird und das Molekül dissoziiert. Außerdem sind jetzt Übergänge nicht nur zwischen benachbarten Energieniveaus erlaubt, sondern auch zu höhergelegenen, was neben ormalschwingungen auch bertonschwingungen ermöglicht. Die Wahrscheinlichkeit von Übergängen mit steigendem n nimmt jedoch stark ab, sodass die Intensität der berton-linien im IR-Spektrum im Vergleich zu den Fundamentalschwingungen sehr schwach ist. Die Besetzungswahrscheinlichkeit der Energieniveaus hängt nach Boltzmann vom Faktor e En/kBT ab. Das bedeutet, dass bei Raumtemperatur der intensivste Übergang aus dem Grundschwingungsniveau in das erste angeregte Schwingungsniveau (n = 0 n = 1) erfolgt. Für die Anregung von bestimmten Übergängen muss die Wellenlänge des Anregungslichtes λ bzw. die Energie des Anregungsphotons E γ der Energielücke zwischen den Schwingungsniveaus entsprechen. Mithilfe der in der IR-Spektroskopie üblichen Größe, der Wellenzahl ν, lässt sich die obige Bedingung formulieren als ν = E/hc. Für Temperatursprungexperimente ist es wichtig, die Wellenlänge des Anregungsslasers geeignet anzupassen, um im 30

41 3.1. Infrarot-Spektroskopie Lösungsmittel (D 2, 2 oder MeD etc.) einen Temperatursprung zu erzeugen. So wird im D 2 der berton der Streckschwingung, im 2 der berton der Biegeschwingung angeregt (vgl. Abschnitt 3.3). Lambert-Beer sches-gesetz Für quantitative und qualitative Interpretation der Infrarotspektren bedient man sich des Lambert-Beer schen-gesetzes. Es beschreibt, wie stark die Lichtabsorption der Messprobe ist und von welchen Faktoren sie abhängt. August Beer entdeckte die Konzentrationsabhängigkeit der Absorbanz [Bee52], Bouguer und Lambert beschrieben den linearen Zusammenhang der Absorbanz mit der Weglänge durch die Messsubstanz (siehe Abb. 3.4). In differentieller Form hängt die Änderung der Intensität di(λ) von der Schichtdicke der Probe dl, der Konzentration der absorbierenden Substanz c, der einfallenden Lichtintensität I und dem stoffspezifischen Absorptionskoeffizienten α(λ) ab: di(λ) = α(λ) c I(λ) dl (3.7) Im Allgemeinen sind die Intensität der Lichtquelle und der Absorptionskoeffizient wellenlängenabhängig. ach Integration der Gleichung sieht man, dass die Abschwächung von Licht durch die Probe exponentiell erfolgt [ak05; Eng06] I(λ) = I 0 (λ)e α(λ) c l (3.8) äufig wird α durch den molaren dekadischen Absorptionskoeffizienten ersetzt ε = α/ln10. Entsprechend wird die Absorbanz der Probe definiert als ( ) I(λ) A = ε(λ) c l = lg I 0 (λ) (3.9) Der linearisierte Zusammenhang zwischen der Intensität und der Konzentration bzw. der Schichtdicke der Probe ist besonders für die quantitative Auswertung der Spektren von großer Bedeutung. Ein weiteres Merkmal des Lambert-Beer schen Gesetzes ist seine Additivität. In einer Mischung aus mehreren absorbierenden Substanzen ist die Absorbanz die Summe aus den Absorbanzen der einzelnen Komponenten: A = i A i = i ε i (λ) c i l (3.10) Es müssen jedoch einige Einschränkungen dieser Gesetzmäßigkeit berücksichtigt werden. Damit die Additivität von A weiterhin gilt, dürfen sich die gelösten Substanzen gegenseitig 31

42 3. Experimentelle Methoden I 0 I A = -lg ( I/I 0 ) = ε c l Abbildung 3.4.: Lambert-Beer sches Gesetz. Die Lichtintensität I 0 erfährt beim Durchgang durch eine absorbierende Substanz eine exponentielle Abschwächung. Die eingeführte Größe, die Absorbanz A, stellt den Zusammenhang zwischen der einfallenden und austretenden Intensität, I 0 und I, der Schichtdicke l und der Konzentration c her. Der Proportionalitätsfaktor ɛ(λ), der als Absorptionskoeffizient bezeichnet wird, ist wellenlängenabhängig. nicht beeinflussen. Außerdem gilt der lineare Zusammenhang zwischen der Konzentration und der Absorbanz streng genommen nur für verdünnte Lösungen. Für höher konzentrierte Lösungen muss das Gesetz neu überprüft werden. Die Verteilung der lichtabsorbierenden Moleküle innerhalb der Lösung muss dabei homogen sein. eben Absorption von Licht durch die Probe treten weitere Intensitätsverluste durch Reflexion und Absorption durch das Küvettenmaterial und Streuung an Probenmolekülen auf. Mithilfe einer Referenzmessung mit dergleichen Küvette sollen diese Beiträge bei der Berechnung von A berücksichtigt werden Fourier-Transform-Infrarot(FTIR)-Spektroskopie Zur Messung von Spektren im mittleren Infraroten (MIR) werden anstelle von dispersiven Spektrometern hauptsächlich Fourier-Transform-Spektrometer eingesetzt. Ein Beugungsgitter oder ein Prisma, das als Monochromator dient, wird hierbei durch einen Michelson-Interferometer ersetzt (siehe Abb. 3.5). Als Infrarotlichtquelle im MIR wird meistens ein thermischer Strahler, ein Globar, verwendet (Brenntemperatur 1500 K). Es besteht aus Siliziumcarbid (SiC) und emittiert breitbandig mit einem spektralen Maximum bei 3000 cm 1. Ein Strahlteiler, KBr/Ge 5, reflektiert die älfte des Lichts auf einen festmontierten Spiegel und transmittiert die andere älfte auf einen beweglichen Spiegel. Die beiden Lichtbündel werden anschließend auf den Strahlteiler zurückgespiegelt, wobei der reflektierte Strahl eine Gesamtstrecke von 2L und der transmittierte Strahl 2(L + x) zurücklegt. Der Wegunterschied beträgt d = 2x und wird als optische 5 Kaliumbromid mit Reflexionsschicht aus Germanium. 32

43 3.2. Fourier-Transform-Infrarot(FTIR)-Spektroskopie fester Spiegel L Auslenkung x Lichtquelle L Strahlteiler beweglicher Spiegel Probe Detektor Abbildung 3.5.: Michelson Interferometer. Die Strahlung einer polychromatischen Lichtquelle wird durch einen Strahlteiler geteilt. Die beiden Spiegel reflektieren das Licht und es bildet für jede einzelne Auslenkungsposition x des beweglichen Spiegels am Strahlteiler ein spezifisches Interferenzmuster. ach dem das interferierte Licht die Probe passiert hat, wird das Signal am Detektor (pyroelektrischer DTGS Detektor oder MCT-albleiterdetektor) aufgezeichnet und anschließend durch eine Fouriertransformation in ein Absorptionsspektrum übersetzt. Wegdifferenz bezeichnet. Durch die Überlagerung der beiden Teilstrahlen entsteht ein Interferenzmuster. Entspricht die optische Wegdifferenz d einem ganzzahligen Vielfachen einer bestimmten Wellenlänge λ i d = nλ i mit n = 1, 2, 3..., so erhält man konstruktive Interferenz. Für alle anderen Wellenlängen, die in der breitbandigen Lichtemission vorhanden sind, wird eine stark abgeschwächte bis gar keine Intensität aufgrund der destruktiven Interferenz beobachtet. Destruktive Interferenz für eine Wellenlänge λ i entsteht dann, wenn die optische Wegdifferenz d (d = 2x) und die Wellenlänge in folgendem Zusammenhang stehen: d = (n + 1) λ 2 i mit n = 0, 1, 2, 3... Auf diese Weise wird es möglich, eine bestimmte Position des beweglichen Spiegels einer einzelnen Wellenlänge zuzuordnen. Damit lässt sich aus dem gesamten Auslenkbereich des beweglichen Spiegels der entsprechende gemessene Wellenlängenbereich berechnen. Aus dem Interferogramm I(d), das die Intensität in Abhängigkeit vom Spiegelweg darstellt, werden sogenannte Einkanalspektren der Messprobe sowie der Referenzmessung ge- 33

44 3. Experimentelle Methoden wonnen. Dabei wird die Intensität I( ν) gegen die Wellenzahl ν aufgetragen. Das Verhältnis der beiden Einkanalspektren I( ν) Probe /I( ν) Referenz wird anschließend in ein Absorptionsspektrum umgerechnet. Die Umwandlung eines Interferogramms I(d) in ein Transmissions- bzw. Absorptionsspektrum erfolgt mittels eines Fast-Fourier-Transform-Verfahrens (FFT) [Gre03]. Die weiterführende Bearbeitung der aufgenommenen Spektren hängt von Messung und Messprobe ab. So kann beispielsweise das Rauschen durch Glätten reduziert werden oder es können durch die zweite Ableitung Absorptionsbandenkomponenten besser identifiziert werden, die im Absorptionsspektrum nur schwer zu erkennen wären. Durch eine Zerlegung von breiten Absorptionsbanden in Einzelbanden können vorhandene spektrale Bestandteile aufgelöst werden. Die dazu nötigen Softwarepakete gehören mittlerweile zur Standardsoftwareinstallation von FTIR-Spektrometern. Für eine auf das Experiment zugeschnittene, umfangreichere Auswertung der Daten können weitere leistungsfähige Programme, z.b. MATLAB oder IGR Pro, eingesetzt werden. Die im mittleren Infrarot-Bereich eingesetzten Fourier-Transform-Spektrometer sind dispersiven Spektrometern vor allem aus folgenden Gründen überlegen: CES-Vorteil: Die Position des beweglichen Spiegels x, und somit die genaue Wellenzahl ν, kann mit hoher Präzision bestimmt werden. Dazu wird ein ee Laser (633 nm) zur Kalibrierung in das Interferometer eingekoppelt, womit eine Wellenzahlgenauigkeit von < 0, 01cm 1 erreicht wird. FELLGETT (Multiplex)-Vorteil: Im Gegensatz zu dispersiven Elementen, die nur einen bestimmten Ausschnitt des Spektrums auf den Detektor lenken, wird in FTIR Spektrometern der gesamte Spektralbereich gleichzeitig gemessen. Dadurch verteilt sich das Detektorrauschen auf alle Wellenlängen. Die Zeit zur Aufnahme eines Spektrums wird gleichzeitig deutlich verringert. Das führt zu einem besseren Signal/Rausch Verhältnis. JACQUIT (Throughput)-Vorteil: Durch Wegfall von Spalten, die in dispersiven Geräten zum Einsatz kommen und dabei die spektrale Auflösung bestimmen, können kreisrunde Aperturen mit erheblich größerem Lichtdurchsatz verwendet werden. Somit wird auch hier das Signal/Rausch Verhältnis verbessert. 34

45 3.2. Fourier-Transform-Infrarot(FTIR)-Spektroskopie FTIR-Spektroskopie an Proteinen Die Infrarotspektroskopie ist besonders geeignet für Untersuchungen an biologischen Systemen. Sie beeinflusst oder schädigt die Probe nicht, da die Photonenenergie im Infraroten gering ist. Sie ist struktursensitiv und bietet zudem je nach Methode eine extrem hohe Zeitauflösung [Ata10; Sch07; am99; Bra05; Kot12]. bwohl die räumliche Auflösung nicht an hochauflösende Methoden wie die Röntgenbeugung (X-ray diffraction) oder Kernspinresonanz (MR)-Spektroskopie heranreicht, können Untersuchungen dynamischer Vorgänge in Polypeptiden sogar unter physiologischen Bedingungen durchgeführt werden, wobei die modernen Methoden es mittlerweile erlauben, die Rolle einzelner Aminosäuren näher zu beleuchten. Die untersuchten Proteine müssen dabei nicht wie im Falle der Röntgenbeugung kristallisiert werden, was möglicherweise die native Struktur beeinflusst und zudem nicht immer möglich ist. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Probe in verschiedensten Formen vorliegen kann: als Film, in Lösung, als Feststoff, auch nicht kristallin, rekonstituiert in Lipidvesikeln oder in einer Biomembran. Die Gefahr, dass das Protein durch Kristallbildung in einer von der nativen Struktur abweichenden Form vorliegt, besteht hier nicht. Statische FTIR-Absorptionsspektren von Proteinen im MIR enthalten Signalbeiträge sowohl vom Proteinrückgrat als auch von Aminosäureseitenketten [Bar00; Rah98]. Bandbreite, Peakposition und Intensität der Bande sind wertvolle Informationen, aus denen Rückschlüsse auf die Sekundärstruktur des Proteins, die molekulare Umgebung, sowie auf die Protonierungszustand gewonnen werden können. Zeitaufgelöste Experimente liefern darüber hinaus Informationen über dynamische Vorgänge bei der Faltung bzw. Entfaltung von Proteinen [Dye98; Dav14; Mar14; au08; Goo13; Dee14; Sch11; Don13] oder anderen Proteinreaktionen, wie beispielsweise die Photoreaktion des viel untersuchten Membranprotein Bakteriorhodopsin [Loz75; Mat91]. Es lassen sich insgesamt neun Banden im mittleren Infrarot-Spektralbereich identifizieren, die man den Rückgratschwingungen eines Polypeptids zuschreibt. Sie werden als Amid A-, Amid B-, Amid I-VII-Bande bezeichnet und sind nach abnehmender Wellenzahl geordnet [Sus72; Miy56]. In der Tabelle 3.1 sind 5 Amid-Banden für das kleinste Modellmolekül mit einer Peptidbindung, MA 6, zusammengefasst. Da das Rückgrat einer Polypeptidkette aus einer Aneinanderreihung der betrachteten Peptidgruppe C in trans-konfiguration 7 besteht, können die gewonnenen Informationen auf Proteine übertragen werden. Diese Werte können für größere Polypeptide variieren, da die Kopplung der Moden zwischen den einzelnen Aminosäuren aber auch deren Seitenketten das Vibrationsverhalten beeinflussen. Un- 6 -Methylacetamid. 7 Die cis-isomerie bezüglich der C -Bindung ist im Falle der Peptidgruppe wegen sterischer inderung nicht möglich. 35

46 3. Experimentelle Methoden BADE Amid A / Amid B Amid I Amid II Amid III b WELLEZAL ~3300 /~3170 cm 1 ~1650 cm 1 ~1550 cm 1 ~ cm 1 -- C=- out-of-phase in-phase Streckschw. Streckschw. - - SCWIGUG (80%) in-plane Biege- C- Biege- a schw. Streckschw. schw. (10%) (60%) out-of-phase C- C- CC- Streckschw. Streckschw. Deformations- (40%) und -in-plane Biegeschw. (10%) SESITIV AUF Wasserstoff- Sekundär- Sekundär- Sekundärbrücken struktur struktur struktur Tabelle 3.1.: Schwingungsmoden der Amid-Gruppe von -Methylacetamid [Kri86; Miy60]. Einzelne Schwingungsbanden bestehen meistens aus einer Kombination mehrerer ormalmoden. Änderungen in der Konfiguration eines Polypeptids spiegeln sich im Infrarotspektrum im spektralen Bereich der betreffenden Bande wider. a Beim D-Austausch verschiebt sich die Frequenz zu kleineren Wellenzahlen. Die Amid II -Bande besteht dann hauptsächlich aus der C-Streckschwingung. b Die Zusammensetzung der Amid III-Bande ist für Proteine noch komplexer. terschiede in der Frequenz ergeben sich auch durch die Wahl des Lösungsmittels. Die Vibrationsfrequenz einer Schwingung mit Beteiligung eines Wasserstoffatoms ändert sich nach einem D-Austausch, wenn ein deuteriertes Lösungsmittel zum Einsatz kommt, z.b wenn 2 durch D 2 ausgetauscht wird. Der Grund hierfür liegt in der schwereren Masse des Deuterons im Vergleich zum Wasserstoffatom, die in einer geringeren Schwingungsfrequenz einer Bindung resultiert (vgl. Gleichung 3.3). Verschiebt sich die Frequenz einer Schwingungsmode, so kann sie zu einer anderen Amid-Bande beitragen und damit die ursprüngliche Zusammensetzung der Amid-Banden verändern. Die Banden werden mit einem Apostroph gekennzeichnet, wenn sie in schwerem Wasser D 2 gemessen wurden: Amid I Amid I. Aufgrund starker Absorption von 2 im Amid I-Bereich werden Messungen bevorzugt in D 2 durchgeführt, wenn Informationen über die Sekundärstruktur erlangt werden sollen. Die einzelnen Amidbanden sind im Allgemeinen aus mehreren Schwingungsmoden zusammen- 36

47 3.2. Fourier-Transform-Infrarot(FTIR)-Spektroskopie C α C Amid II Amid I C α Amid III Abbildung 3.6.: Amid I-, Amid II-, Amid III-ormalmoden von -Methylacetamid nach [Kri86]. -Methylacetamid dient als einfaches Modellsystem zur Veranschaulichung von Fundamentalschwingungen, auch ormalschwingungen genannt. Zur Amid I-Bande, die zur Aufklärung der Sekundärstruktur von Proteinen dient, trägt zum größten Teil die C = Streckschwingung bei. Rote Pfeile verdeutlichen die Vibration der beteiligten Gruppen (vgl. Tabelle 3.1). gesetzt (Abb. 3.6). Dadurch können Vorgänge wie der D-Austausch oder Konformationsänderung des Rückgrats an verschiedenen Amidbanden beobachtet werden. Zu der Amid I-Bande (1700 cm cm 1 ) tragen hauptsächlich Schwingungen der Peptidgruppe bei: zu 80% die C = Streckschwingung, zu 20% die Biegeschwingung und die C Streckschwingung. Schwingungsmoden der Aminosäuren-Seitenketten [Bar00] sind ebenfalls in diesem Spektralbereich zu finden, sind aber vergleichsweise intensitätsschwach. Die Dipol-Dipol Wechselwirkungen über die sogenannten Übergangsdipolmomente (transition dipole coupling TDC) zwischen den einzelnen C = Streckschwingungen des Rückgrats reagieren empfindlich auf die Sekundärstruktur des Peptids. Die relative Ausrichtung und Distanz zwischen den C = szillatoren bedingen die Kopplung untereinander. Somit beeinflussen sie die Form der Amid I-Bande eines Polypeptids [Miy60]. Damit können die Sekundärstrukturelemente voneinander unterschieden werden, da die Konfiguration des Rückgrats und damit auch die Kopplung jeweils eine andere ist. Das antiparallele β-faltblatt zeigt beispielsweise zwei aufgelöste Banden, die α-elix dagegen nur eine, die ihrerseits im Vergleich zur ungeordneten Struktur verschoben ist. Daher ist es möglich, aus der Veränderung der Amid I-Bande auf die strukturelle Umwandlung des Proteins zu schließen. Im Allgemeinen überlappen die Beiträge der einzelnen Sekundärstrukturelementen eines Proteins, nämlich die α-elix, das β -Faltblatt sowie die ungeordnete Struktur, im Amid I- 37

48 3. Experimentelle Methoden Bereich. Das macht die Interpretation der Infrarotspektren von Proteinen schwierig. An dieser Stelle helfen kleine Modellpeptide, die nur ein Sekundärstrukturelement beinhalten, die Zusammensetzung der Amid I-Bande komplexer Systeme zu analysieren. In der Abbildung 3.7 sind Amid I -Spektren der Polyglutaminsäure (α-elix) und einer Trpzip2 -Variante im gefalteten bzw. entfalteten Zustand (β-airpin bzw. RC 8 ) in D 2 dargestellt helix -hairpin random coil (RC) ~1652 cm -1 (RC) ~1634 cm -1 ( ) ~1645 cm -1 ( ) A norm ~1674 cm -1 ( ) Wellenzahl / cm -1 Abbildung 3.7.: ormierte Absorptionsspektren der Sekundärstrukturelemente α elix, β airpin und der ungeordneten Struktur RC im Amid I -Bereich. Dargestellt sind Spektren der Polyglutaminsäure (α elix) und einer Trpzip2 -Variante im gefalteten (β airpin) und entfalteten Zustand (RC) in D 2. Die Identifizierung der vorliegenden Sekundärstrukturelementen erfolgt durch die charakteristische Form der Absorptionsbanden und die unterschiedlichen Positionen der Maxima. Für die in dieser Arbeit untersuchten Varianten des Trpzip2 ist die Amid I-Bande von großer Bedeutung, da sie inweise auf die β-airpin Struktur im gefalteten Zustand bzw. die ungeordnete Struktur (RC) im entfalteten Zustand liefert. Zudem ist die Interpretation des Amid I-Bereichs im Vergleich zur Amid II- oder Amid III-Bande einfacher. Außerdem können in diesem Spektralabschnitt bestimmte Aminosäuren, beispielsweise D Pro (vgl. 4.2), in Form einer zusätzlichen Absorptionsbande beobachtet werden. Die dadurch gewonnenen ortsaufgelösten Informationen können zur Aufklärung des Faltungsvorgangs beitragen. 8 random coil. 38

49 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie Aufnahme und Auswertung der FTIR-Messdaten Alle Spektren wurden mit einem Fourier-Transform-Infrarot(FTIR)-Spektrometer Bruker Equinox 55 aufgenommen. Die Auflösung wurde auf 4 cm 1 eingestellt. Der Temperaturbereich wurde zwischen 5 C und 85 C in Temperaturschritten von T = 5 C abgetastet. Die Temperierung erfolgte durch einen Wasserbad-Thermostat 9 mit Antifrogen 10 als Kühlmittel. Mittels eines PT100-Temperaturfühlers wurde die genaue Temperatur am Probenort aufgezeichnet und für weitere Datenauswertungen benutzt. Bei den Messungen kam ein automatisierter Schlitten zum Einsatz, womit die Probe und die Referenz unter gleichen Bedingungen gemessen werden konnte. Für eine zusätzliche Korrektur der FTIR-Daten von den Solventbeiträgen (D 2 ) wurde ein in der Arbeitsgruppe entwickeltes Matlab-Skript eingesetzt [Kre07]. Die Probenpräparation lässt sich im Abschnitt 3.4 nachlesen Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie Schnelle chemische und physikalische Vorgänge lassen sich mittels zeitaufgelöster spektroskopischer Techniken beobachten. Das Prinzip der pump-probe bzw. Anrege-Abtast Experimente basiert auf zwei Lichtstrahlen, wobei der erste die Probe anregt (pump) und der zweite sie abtastet (probe). In unserem Aufbau werden dafür zwei Laser, der pump- und probe-laser, verwendet (vgl. Abb. 3.8). pump-laser Detection probe-laser CW Sample Abbildung 3.8.: pump-probe Technik mit 2 Lasern. Die Probe wird durch einen gepulsten pumpbzw. Anregelaser angeregt. Durch einen zweiten probe -bzw. Abtastlaser kann der Reaktionsverlauf verfolgt werden. Dieser kann entweder gepulst sein oder im Dauerstrichmodus (cw) betrieben werden. Die transiente Transmission der Probe wird am Detektor aufgezeichnet. Durch den ersten Lichtpuls können beispielsweise chemische Reaktionen ausgelöst oder thermodynamische Parameter geändert und dadurch Konformationsänderungen eines Peptids 9 Lauda Ecoline E300, LAUDA DR. R. WBSER GMB & C. KG, Lauda-Königshofen (D). 10 Monoethylenglykol mit Korrosionsschutzadditiven, Westfalen AG, Münster (D). 39

50 3. Experimentelle Methoden oder eines Proteins initiiert werden. Der Zeitpunkt der Anregung markiert den Zeitnullpunkt der Reaktion. Die zweite Lichtquelle liefert entweder Lichtpulse oder Dauerstrich-Strahlung und zeichnet die zeitliche Veränderung des Absorptionssignals vor und nach der Anregung auf. Durch pump-probe Techniken können schnelle dynamische Prozesse auf der molekularen Ebene spektroskopisch aufgelöst werden [Zew00]. Die Temperatursprungmethode als Relaxationsverfahren zur Messung von Relaxationsraten wurde in den 50er Jahren von Manfred Eigen in Deutschland entwickelt. Bei Eigen s Messverfahren wird in leitenden Lösungen durch schnelle Kondensatorentladung Joul sche Wärme erzeugt, wobei Kinetiken auf der ms-zeitskala gemessen werden können. Das Temperatursprung-Prinzip liegt auch dem Aufbau mit laserinduziertem Temperatursprung zugrunde, jedoch erlaubt es die Aufnahme von Kinetiken auf der ns -Zeitskala. Das Gleichgewicht eines Systems wird hierbei einer Störung ausgesetzt. Eine physikalische Größe, hier die Temperatur T, die mit der Gleichgewichtskonstanten K zusammenhängt, wird durch einen schnellen Temperatursprung geändert. ach der Störung ( T) erfolgt eine Relaxation des Systems aus dem icht-gleichgewichtszustand in ein neues Gleichgewicht. Die Kinetik des Relaxationsvorganges kann nun gemessen werden. Für die im Kapitel beschriebenen p-sprung Messungen wird das Prinzip der von orrish und Porter [or49] entwickelten Flash-Photolyse ausgenutzt. ach einem intensiven Lichtblitz wurden in deren Experimenten Radikale in der Messprobe erzeugt und mit dem Abtastlicht transiente Spektren aufgezeichnet. Im p-sprung Experiment hingegen werden durch einen kurzen UV-Laserpuls Protonen freigesetzt und damit der p bzw. pd-wert schnell erniedrigt (p-sprung) und damit der Faltungsprozess eines Proteins ausgelöst. Beide Methoden haben von der Entwicklung der Lasertechnologie stark profitiert und werden mittlerweile auch zur Aufklärung von lichtinduzierten Prozessen in biologischen Systemen eingesetzt. Der im Rahmen dieser Arbeit realisierte Aufbau ermöglicht sowohl laserinduzierte Temperatursprung- als auch p-sprung-experimente. Die Abbildung 3.9 skizziert die gesamte Messapparatur auf dem optischen Tisch Temperatursprung-Aufbau für zeitaufgelöste Messungen Thermodynamische Größen wie der Druck oder die Temperatur, aber auch die Salzkonzentration oder der p-wert in der Lösung, haben einen Einfluss auf die Sekundärstruktur von Proteinen. Durch die schnelle Änderung eines dieser Parameter lassen sich kinetische Faltungsstudien durchführen. Der Temperatursprung ist eine elegante Methode, Relaxationskinetiken zu messen. Die Erzeugung eines Temperatursprungs kann je nach Verfahren auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden. Der Temperatursprung durch elektrische Entladung ist auf die 40

51 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie λ/2 FI 1064 nm WSB BB KD*P d:yag 266 nm RS GP D L1 L UV S2 S nm L2 Sample PP Ch FF BS A LP MCT cm -1 QCL T Abbildung 3.9.: Gesamte Messapparatur. Mit dieser vorhandenen Messapparatur ist es möglich, Temperatursprung- und p-sprung-experimente durchzuführen. Der eodym:yag Laser (d:yag) wird in beiden Fällen zur Erzeugung der pump-pulse geeigneter Wellenlänge verwendet. Seine Emissionswellenlänge liegt bei λ YAG = 1064 nm. Der eingebaute Faraday-Isolator (FI) verhindert in Kombination mit dem λ/2-plättchen das Eintreten von Rückreflexionen aus dem Ramanshifter (RS) in den d:yag-laser. Die für die Erzeugung eines Temperatursprungs benötigte Wellenlänge λ pump = 1909 nm wird im Ramanshifter (RS) durch nichtlineare optische Prozesse generiert. λ pump = 1909 nm wird von den anderen im Ramanshifter erzeugten Stokes- und Anti-Stokes-Linien getrennt, wobei ein Pellin-Broca-Prisma (PP) zum Einsatz kommt. Ein Chopper-Rad (Ch) blockt jeden zweiten pump-puls. Mehrere Farb- und Graufilter (FF) sind im Strahlengang vor dem Strahlteiler (BS beam splitter) platziert. Mit dichroitischen Spiegeln wird der geteilte pump-puls umgelenkt und mit zwei Linsen L1 und L2 auf die Probe fokussiert. Zwei dichroitische Spiegel (S1, S2) unmittelbar vor der Probe erlauben eine genaue Justage von Anrege-Pulsen. Zum p-sprung Part gehören die nichtlinearen optischen Kristalle β Bariumborat (BB) und Kalium- Dideuterium-Phosphat (KD*P), die für p-sprung-experimente die vierte armonische λ 4ω = 266 nm der d:yag-fundamentalen λ YAG = 1064 nm erzeugen. Die Wellenlängentrennbox (WSB wavelength separations box) enthält dichroitische Spiegel, die die Fundamentale λ YAG = 1064 nm und die erzeugten öherharmonischen voneinander trennt. Ein Glasplättchen (GP) dient zur Reduktion der Energie durch Reflexion der Anregungspulse. Der eutralgraufilter (D) erlaubt zusätzlich eine stufenlose Abschwächung der Pulsenergie. Die Linse L UV fokussiert den UV-Anregepuls auf die Probe (Sample). Zum Abtasten der Probe kommt ein Quantenkaskadenlaser (QCL) zum Einsatz. Vor möglichen für die Laseroptik schädlichen Reflexionen schützt ein Langpassfilter (LP). Ein Teleskop (T) in Galilei- Ausführung vergrößert den Durchmesser des probe-strahls. Variable Abschwächer (A) sorgen für eine Anpassung der Intensität, die am photovoltaischen albleiter-detektor (MCT) aufgezeichnet wird. 41

52 3. Experimentelle Methoden Zeitskala von µs beschränkt, der laserinduzierte Temperatursprung macht Kinetiken auf der ns -bis µs -Zeitskala möglich. Verzichtet man beim laserinduzierten Temperatursprung auf Farbstoffe zur indirekten Erzeugung des Temperatursprungs, so stellt sich die direkte Anregung des Solvents als ideale Lösung dar. Dabei werden Probleme einer möglichen Interaktion von Fremdmolekülen (z.b. Farbstoffe, Salzionen etc.) mit dem zu untersuchenden System umgangen. Die Antwort der Probe lässt sich im Infraroten, Sichtbaren oder als Fluoreszenzsignal detektieren. Temperatursprungaufbau λ/2 FI RS 1909 nm PP Ch FF BS MCT S2 L2 A Sample d:yag L1 S cm -1 LP QCL T Abbildung 3.10.: Temperatursprungaufbau. Zum Anrege-Zweig gehören folgende optische Komponenten: Der Anrege-Laser d:yag, ein Faraday-Isolator (FI) mit einem λ/2 Plättchen, ein mit 2 Gas gefüllter Ramanshifter (RS), ein Pellin-Broca-Prisma (PP), ein Chopper (Ch), eine Kombination aus Farb- und Graufiltern (FF), ein Strahlteiler (BS), mehrere dichroitische Spiegel, zwei Ca 2 F Linsen (L1, L2) zur Fokussierung von Anrege-Pulsen auf die Probe, zwei dichroitische Spiegel (S1, S2) unmittelbar vor der Probe zur Justage von Anrege-Pulsen. Die Detektion umfasst den Quantenkaskadenlaser (QCL), ein Langpassfilter (LP), ein Teleskop (T) sowie parabolische Goldspiegel zum Fokussieren des Abtaststrahls auf die Probe (Sample) bzw. auf den albleiterdetektor (MCT). Abschwächer (A) reduzieren die Intensität auf dem Detektorelement, um Messungen im linearen Bereich des Detektors durchführen zu können. Eine genauere Beschreibung von einzelnen Komponenten findet sich im Text bzw. in der Beschreibung zur Abb

53 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie Der aktuelle Temperatursprungaufbau basiert zum Teil auf dem alten Temperatursprungspektrometer am Institut für Biophysik in Frankfurt [Kre08]. Die erste wichtige Aufgabe dieser vorliegenden Arbeit bestand darin, die neue Anlage in Konstanz aufzubauen, wobei der Anrege-Part aus Frankfurt übernommen werden konnte. Im Abtast-Part wurden die kryogen gekühlten Bleisalz-Laserdioden durch einen wesentlich leistungsstärkeren Quantenkaskaden- Laser als Abtast-Infrarot-Quelle ersetzt. Durch Testmessungen wurde die Funktionsfähigkeit der Temperatursprunganlage überprüft und zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen an Modellpeptiden fortgeführt. Der nanosekunden-temperatursprung-infrarot-spektrometer (Abb. 3.10) lässt sich grob in drei Bereiche aufteilen: AREGE-Part (i) ABTAST-Part (ii) DETEKTI-Part (iii) (i) AREGE-PART Der AREGE-Part setzt sich im Wesentlichen aus zwei Komponenten zusammen: dem Anregungs- Laser und dem Ramanshifter. Anrege-Pulse bei 1909 nm Als Anregungslaser kommt ein d:yag 11 -Laser 12 zum Einsatz. Es ist ein gütegeschalteter, gepulster Festkörperlaser, dessen intensivste Emissionswellenlänge im ah-infraroten bei λ = 1064 nm liegt. Die Pulsdauer beträgt 5 ns bei maximaler Energie von 850 mj/puls, wobei die höchste Repetitionsrate bei 10 z liegt. Für die Erzeugung von Lichtpulsen der geeigneten Wellenlänge λ pump, die die Probe innerhalb weniger anosekunden erhitzen sollen, wird der d:yag-laserpuls in die Mitte eines Ramanshifters 13 fokussiert. Als Ramanshifter dient ein 1 m langes Edelstahlrohr, das mit Wasserstoffgas 2 befüllt ist. Um genügend energiereiche Pulse der gewünschten Wellenlänge zu bekommen, wird der Druck innerhalb des Rohrs auf 30 bar eingestellt. λ pump lässt sich mittels stimulierten Raman- Effekts aus der Wellenlänge λ d:yag = 1064 nm generieren [Bye80; ak05]. Im Gegensatz zur elastischen Rayleigh-Streuung basiert das Phänomen auf dem Prinzip der inelastischen Streuung eines Photons an einem Molekül (Abb. 3.11). Dabei wird die Energie des gestreuten 11 eodym (d 3+ )-dotierter Yttrium-Aluminium-Granat Kristall (Y 3 Al 5 12 ). 12 Surelite III, Continuum, Excel Technology, Europe. 13 Radient Dyes, Wermelskirchen (D). 43

54 3. Experimentelle Methoden virtuelles Energieniveau n=2 n=1 n=0 Stokes Rayleigh Anti-Stokes Abbildung 3.11.: Raman-Streuung. Bei der Rayleigh-Streuung wird die Strahlung mit der gleichen Frequenz ν gestreut. Die Stokes-Raman-Streuung verringert die Frequenz (ν ν) des gestreuten Photons γ und versetzt das streuende Molekül in einen höher angeregten Schwingungszustand n 0 n 1. Im Falle der Anti-Stokes-Raman-Streuung tritt das Gegenteil ein: die Frequenz des gestreuten Photons γ wird erhöht (ν + ν), dafür geht das Molekül vom angeregten in den Grund- Schwingungszustand n 1 n 0. Photons verringert (Stokes-Raman-Streuung) bzw. erhöht (Anti-Stokes-Raman-Streuung). Es gilt folgender Zusammenhang, wenn Raman-Streuung am 2 stattfindet : ν Stokes = ν d:y AG n ν 2 eigen = 9398 cm 1 n 4160 cm 1 (3.11) ν Anti Stokes = ν d:y AG + n ν 2 eigen = 9398 cm 1 + n 4160 cm 1 (3.12) Die Eigenfrequenz des streuenden Gases, 2, liegt bei ν 2 eigen = 4160 cm 1. Mit n wird die rdnung der Ramanstreuung bezeichnet, wobei die höheren rdnungen (n > 1) mit nur geringer Intensität auftreten. Die Erzeugung des Temperatursprungs in der Probe erfolgt durch direkte Absorption der Energie von d:yag-pulsen durch das Lösungsmittel ohne Zusatz von Farbstoffen oder Salzen, die mit den untersuchten Proben möglicherweise in irgendeiner Form wechselwirken können. Es ist wichtig, dass das Lösungsmittel in einem Wellenlängenbereich angeregt wird, in dem das Peptid bzw. Protein keine Absorptionsbanden besitzt. Da man in der Infrarot- Spektroskopie häufig mit D 2 als Solvent der Wahl arbeitet, erweist sich die erste Stokes- Linie 14 ν Stokes1 = 5238 cm 1, die λ pump = 1909 nm entspricht, als geeignet. Damit lässt sich 14 ν Stokes1 = ν d:yag 1 ν 2 eigen = 9398 cm cm 1 = 5238 cm 1. 44

55 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie die berton-streckschwingung von D 2 anregen, die bei ν D 2 = 5080 cm 1 liegt. 15 Für die Erzeugung eines Temperatursprungs ist zu beachten, dass die zur Anregung gewählte Absorptionsbanden des Lösungsmittels häufig ein temperaturabhängiges Verhalten zeigen. Darum ist der Temperatursprung bei verschiedenen Starttemperaturen unterschiedlich groß und muss bei der Auswertung der Daten sorgfältig bestimmt werden. Die Einkopplung der Fundamentalen λ d:yag = 1064 nm in den Ramanshifter erfolgt mithilfe einer Linse (f = 600 mm). Eine weitere Linse (f = 600 mm) sorgt für den kollimierten Strahlengang hinter dem Ramanshifter. Es hat sich gezeigt, dass im Edelstahlrohr Rückreflexe entstehen und diese die optischen Elemente innerhalb des d:yag Lasers schädigen. Ein Faraday-Isolator 16 ist zwischen dem Laser und dem Ramanshifter platziert. In Verbindung mit einem λ/2 Plättchen sorgt dieser für die richtige Polarisierung der Anregepulse und gleichzeitig für das erausfiltern der Rückreflexe. Im Faraday-Isolator werden zunächst die s-polarisierten Anteile der eingekoppelten d:yag-pulse durch einen Eingangspolarisator entfernt. Das magnetische Feld im Faraday-Isolator dreht die restliche p-polarisierte Strahlung um +45, das λ/2-plättchen (+45 ) stellt nun die s-polarisation wieder her. Alle möglichen in Richtung des d:yag-lasers kommenden Rückreflexe (s-pol.), die hauptsächlich im Ramanshifter entstehen, werden nun durch das Plättchen zurück um -45 und durch den Faraday-Isolator weiter um +45 rotiert und entsprechend durch den Eingangspolarisator, der kein s-polarisiertes Licht durchlässt, auf einen Strahlauffänger (beamdump) gelenkt. Um die für Messungen benötigte Stokes-Linie λ pump = 1909 nm auszuwählen, müssen die aus dem Ramanshifter austretende Fundamentale sowie alle Anti-Stokes- und Stokes-Linien mit n > 1 geblockt werden. Ein dispersives Pellin-Broca-Prisma trennt die spektralen Linien räumlich voneinander. Eine Lochblende, ein Langpass-Kantenfilter 17 und dichroitische Spiegel 18 werden zusätzlich im Strahlengang platziert, damit keine Fundamentale und keine anderen spektralen Linien auf die Messküvette treffen. Gleichzeitig wird auf diese Weise störende Streustrahlung auf dem Detektor minimiert. Zur Anpassung der Energie der Anrege-Pulse wurden eutralglasfilter 19 verschiedener Transmissionsgrade eingesetzt. Jeder zweite Anrege-Puls wird durch einen optischen Chopper 20 geblockt. Dieser Vorgang ist für die Berechnung der transienten Absorbanz nötig (siehe Abschnitt 3.3.2). Zur Steuerung des Chopper-Rads wird ein negatives (von 3,5V auf 0V) TTL-Signal verwendet, das von der etzteilelektronik des d:yag-laser erzeugt wird. Der Chopperrad-Controller regelt auf 15 Auch 2 und MeD lassen sich mit der ersten Stokes-Linie (λ pump = 1909 nm) anregen. 16 Electro-ptics Technology, Inc., Traverse City(USA). 17 RG630, Schott, Mainz(D). 18 R1909, Laser Components, lching(d). 19 G, Schott, Mainz(D). 20 MC2000 mit Chopperrad MC1F2, Thorlabs Gmb, Dachau(D). 45

56 3. Experimentelle Methoden diese Weise die Drehgeschwindigkeit und die Phase des Rads relativ zum Referenzsignal, das mit der Repetitionsrate des d:yag-lasers synchronisiert ist. Durch die verschiedenen Chopper-Räder und diversen Einstellungsmöglichkeiten an der Chopper-Steuerungseinheit, wie z.b. harmonic, sub-harmonic oder fractional harmonic chopping, ist es möglich, das Abblocken der Anrege-Pulse anwenderspezifisch zu steuern. Messküvette Die Messküvette wird in einen temperierbaren Probenhalter eingeschraubt, der auf einem 3d-Verschiebetisch befestigt ist. Die Temperierung erfolgt mittels eines Wasserbades 21. Der Wärmeaustausch zwischen der Umgebung und den zum Probenhalter führenden Schläuchen sowie der Wärmeaustausch des Probenhalters führt zu einer Abweichung zwischen der eingestellten Temperatur und der Temperatur am Probenort. Zur genauen Ermittlung der eingestellten Probentemperatur wurde ein digitales Thermometer 22 verwendet, wobei der Temperaturdrahtfühler 23 direkt an der Messküvette befestigt wurde. Für eine homogene Aufheizung der Probe wird der Anrege-Puls durch einen 50/50-Strahlteiler 24 geteilt, die auf die Vorder- und Rückseite der Messküvette justiert und in der Mitte der Messküvette überlagert werden (Abb. 3.10). Der eine Teil des Anrege-Pulses wird über eine 1, 5 m Verzögerungsstrecke geführt. Das sorgt dafür, dass die beiden Pulse die Probe nacheinander mit dem zeitlichen Abstand von t = 1, 5 m/c L 5 ns erreichen. Da die Pulslänge des d:yag-lasers ebenfalls 5 ns beträgt, trifft der verzögerte Teilpuls zeitlich genau nach dem nicht verzögerten Teilpuls, sodass ein Gesamtanregepuls von 10 ns entsteht. Der geteilte Anrege-Puls wird durch die Linsen L1 und L2 mit einer Brennweite von f = 200 mm so auf die Probe fokussiert, dass der Fokus hinter der Probe liegt, um zu hohe Energiedichten am Probenort zu vermeiden. Der geringe Extinktionskoeffizient ε D 2 = 0, 18 M 1 cm 1 verhindert zudem einen unerwünschten Temperaturgradienten in Propagationsrichtung des Anrege-Pulses. Durch diese Maßnahmen wird das Probenvolumen gleichmäßig aufgeheizt und störende Artefakte werden vermieden [Bal96; Che05]. In der angeregten Probe, in der ein Temperatursprung induziert wird, entsteht thermische Expansion. Das führt zur Entstehung eines radialen Brechungsindexgradienten in der Probe [Kub09]. Die Position auf dem Detektorelement sowie die Fokussierung des IR-Abtaststrahls am Detektor wird somit bei jedem Anregepuls der Probe geändert. Das angeregte Volumen agiert dabei als Sammel- bzw. Streulinse. Der thermal lensing Effekt führt häufig zu einer unerwünschten Modulation des Messsignals. Sorgfältige Justage kann die störenden Artefakte 21 LAUDA EC Gold RE620, Königshofen (D). 22 VLTCRAFT (Conrad Electronic SE), K101, irschau (D). 23 B+B TERM-TECIK Gmb, K-Typ (icr-i), Donaueschingen (D). 24 für s-pol. Pulse, Laser Components, lching (D). 46

57 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie deutlich reduzieren. Einige Messungen wurden mit zwei Strahlhomogenisierern durchgeführt, die anstelle von CaF 2 -Linsen (L1, L2) eingesetzt wurden. Ziel dabei war es, die otspots im Strahlprofil der Anrege-Pulse zu eliminieren bzw. zu minimieren. Solche Inhomogenitäten können zu einem räumlich ungleichmäßigen Erhitzen der Probe führen. Die gemessene Kinetik würde dabei durch Überlagerung von Ensembles zustandekommen, die sich in T unterscheiden. Gleichzeitig würde es zu einem vermehrten Auftreten von Cavitationen führen [Wra02; Ram06], was die Qualität der Messung negativ beeinflusst. Cavitationen entstehen durch den schnellen Temperatursprung als photoakustische Antwort des Lösungsmittels. Es kommt zur Blasenbildung, wobei kleinste Partikel im verunreinigten Lösungsmittel und gelöste Luft als Keimzentren dienen und so Cavitationsbildung begünstigen. Die eingesetzten abbildenden Strahlhomogenisierer 25 bestehen aus zwei Mikrolinsenarrays und einer sphärischen Linse. Das erste Array zerlegt den ankommenden kollimierten Strahl in viele kleine Teilstrahlen, anschließend fokussiert das zweite Array diese einzeln. Zum Schluss werden die Teilstrahlen mittels einer Sammellinse in der Fokusebene überlagert. Die resultierende Intensitätsverteilung hat eine quadratische Form, da auch die Mikrolinsen in diesem Fall quadratisch sind. Allerdings ergeben sich dabei zwei achteile: 1) Durch die geringen Ausmaße der Microlinsenarrays wurde zum Einen nur ein Teil des Anregepulses transmittiert. 2) ach dem Fokussieren war die Spotgröße etwa 3 mm x 3 mm, die zum einen zu groß für die Erzeugung größerer Temperatursprünge und zum anderen nicht variabel veränderbar war. Diese beiden Aspekte verbessern die Qualität der Transienten nur wenig. Vor allem hat die Verwendung der Microlinsenarrays einen sehr geringen Temperatursprung zufolge, sodass sie nach einer Testphase durch Linsen (L1, L2) ersetzt wurden. Würde man die vorhandenen Microlinsenarrays durch andere mit größeren Abmessungen ersetzen und die resultierende Fokusfläche durch einen größeren Abstand der beiden Microlinsenarrays voneinander weiter reduzieren, so könnte der Problematik der Cavitation besser begegnet werden. Die mithilfe von Linsen angeregte Fläche beträgt ungefähr 1 mm 2, wobei sie durch laterales Verschieben der Fokusposition vergrößert oder verkleinert werden kann. Damit kann die Größe des Temperatursprungs nach Bedarf angepasst werden. Durch die oben genannten Maßnahmen wird eine homogene Temperaturverteilung im abgetasteten Volumen sichergestellt. 25 Suss Microptics, auterive (C). 47

58 3. Experimentelle Methoden (ii) ABTAST-PART Der ABTAST-Part besteht aus einem Quantenkaskadenlaser (QCL) und den zugehörigen optischen Komponenten, die den MIR-Strahl auf die Probe fokussieren und anschließend auf den Detektor lenken (Abb. 3.10). Quantenkaskadenlaser stellen eine relativ junge Technologie in der Laserentwicklung dar [Esa70; Kaz71; Fai94]. Es handelt sich um elektrisch gepumpte albleiter-laser, die kohärente Emission durch Intersubbandübergänge von Elektronen erzeugen. Diese Übergänge finden zunächst zwischen den einzelnen Zuständen in einem Quantentopf statt. Es handelt sich jedoch um mehrere gekoppelte Quanten-Potentialtöpfe, die durch Laserchipherstellung in albleiter-eterostrukturen entstehen. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass ein Elektron durch mehrere Quantentöpfe nacheinander tunnelt und dabei in jedem einzelnen einen Intersubband-Übergang durchläuft, was jedes Mal mit Photonenemission verbunden ist. Der Wellenlängenbereich der Laseremission lässt sich durch die Tiefe der Quantentöpfe anpassen, was in der Produktion des Lasermediums kontrolliert werden kann. Durch die auf diese Weise entstehende Photonenkaskade lassen sich im Vergleich zu herkömmlichen albleiter-lasern wie im Falle der zuvor verwendeten Bleisalz-Laser-Dioden [Kre07] deutlich höhere Leistungen erzielen. Der hier eingesetzte QCL 26 emittiert im mittleren Infrarot-Bereich zwischen 1715 cm cm 1. Der Laser besitzt eine External Cavity -Ausführung (EC-QCL) mit Littrow-Konfiguration (Abb. 3.12) und lässt sich sowohl im Dauerstrich- (cw 27 ) als auch im gepulsten Betrieb an einzelnen Wellenlängen betreiben. Die schmale Linienbreite wird in diesem Fall mittels eines Beugungsgitters erreicht, das durch Rückkopplung von monochromatischer Strahlung in den Resonator alle anderen Moden bis auf die gewünschte Mode geeigneter Wellenlänge unterdrückt. Lediglich der Einstellwinkel des Gitters bestimmt somit die Wellenlänge bzw. Wellenzahl der emittierten Strahlung. Die Leistung im cw-betrieb lässt sich variabel einstellen und beträgt im Maximum 100 mw, wobei der Laser im Emissionsbereich quasi-kontinuierlich durchgestimmt werden kann. Die relativ einfache andhabung ermöglicht Untersuchungen im gesamten Amid I -Bereich, da die Laseremission hier nicht auf die diskreten Moden wie bei albleiter-lasern, die mehrere Wellenzahlen auseinander liegen können, beschränkt ist. Anders als im gepulsten Betrieb muss der QCL im cw-modus gekühlt werden. Für die Kühlung wird ein Chiller 28 mit 50/50 Wasser/Ethylenglycol-Mischung eingesetzt, dabei beträgt die eingestellte Kühltemperatur 19 C. Der IR-Abtast-Strahl wird durch ein Galilei-Teleskop von einem Durchmesser d 1 2 mm 26 Tunable mid-ir external-cavity CW-PLS QCL, Daylight Solution Inc., San Diego, CA (USA). 27 continuous wave. 28 ThermoCube, Solid State Cooling System, Pleasant Valley, Y (USA). 48

59 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie Abbildung 3.12.: External Cavity-Quantum Cascade Laser (EC-QCL) in Littrow Konfiguration. Der Laserchip befindet sich zwischen zwei kollimierenden Linsen. Das bewegliche, einstellbare Beugungsgitter als wellenlängenselektives Element im externen Resonator (external cavity EC (bestehend aus dem Chip und dem Gitter)) speist die gewünschte Wellenlänge zurück ins Gainmedium und unterdrückt auf diese Weise unerwünschte longitudinale Moden. Die verstärkte Mode wird schließlich als monochromatische utzstrahlung ausgekoppelt. auf d 2 40 mm aufgeweitet ( Abb. 3.10). Die eingesetzten Linsen, eine bi-konkave Eintrittslinse (f b = 15 mm) und eine plan-konvexe Austrittslinse (f pk = 300 mm) haben laut folgendem Zusammenhang d 1 d 2 = f b f pk eine 20-fache Vergrößerung. Streng genommen gilt das allerdings nur für parallele Strahlen. Das Quantenkaskadenlaser-Strahlenbündel besitzt jedoch laut erstellerangaben eine Divergenz von 5 mrad und eine Strahltaille in einem cm Abstand von der Austrittsöffnung (vgl. Abb. 3.13). Es hat sich gezeigt, dass eine Irisblende nach dem Linsen-Teleskop für eine bessere Fokussierung am Probenort sorgt. Aus diesem Grund wurde damit der Strahldurchmesser des QCL nach der Vergrößerung durch das Teleskop auf 10 mm eingeschränkt. Danach wird der Strahl durch den ersten parabolischen Goldspiegel 29 (f = 101, 5 mm) auf die Probe fokussiert und durch den zweiten Spiegel (f = 190, 5 mm) parallel gerichtet. Vor dem Detektor wird der Abtaststrahl durch einen Paraboloiden (f = 152, 4 mm) auf das Detektorelement fokussiert. Für den Schutz des Quantenkaskadenlasers vor möglichen Rückreflexionen, welche die eingebaute ptik und den Laserchip beschädigen können, ist ein IR-Langpassfilter 30 direkt vor dem QCL installiert worden. Für die Anrege-Abtast-Experimente ist von entscheidender Bedeutung, dass das angeregte Volumen viel größer ist als das abgetastete Volumen. Aufgrund der vorhandenen Inhomogenitäten im Anregeprofil wird dadurch versucht, die Probe in einer Region konstanter Temperatur abzutasten. Deswegen muss der Durchmesser des auf die Probe fokussierten Abtaststrahls viel kleiner sein als der des Anregestrahlenbündels, damit sie gut überlappen (siehe Abb. 3.14). Mit der Rasierklingen-Methode [Eic05] lässt sich der Radius des Abtaststrahlenbündels w(x), w(y) ermitteln, indem seine Intensitätsverteilung P (x) in Abhängigkeit von der Klingenposition in horizontaler (x) und vertikaler (y) Richtung bestimmt wird. Dabei wird die Annahme 29 Edmund ptics Gmb, Karlsruhe (D) % cut-on 4,94 µm, LASER CMPETS Gmb, lching (D). 49

60 3. Experimentelle Methoden Durchmesser (mm) x-durchmesser y-durchmesser Abstand (cm) Abbildung 3.13.: QCL-Strahlverlauf. Dargestellt ist der Strahldurchmesser des eingesetzten EC- QCLs in Abhängigkeit von der Austrittsentfernung. Die Durchmesser des divergenten Strahls in x- und y-richtung sind verschieden. Quelle: Datenblatt zum QCL D00289, Daylight Solutions. getroffen, dass die Intensitätsverteilung gaußförmig ist. Die Rasierklinge wird am Probenort positioniert und in horizontaler Richtung verschoben. Dabei wird am Detektor die Transmission in Abhängigkeit von der Klingenstellung aufgezeichnet. Anschließend werden die Daten in einem Diagramm dargestellt und durch eine Fitfunktion angepasst, die im Ergebnis den Strahlenbündelradius w(x) liefert. 31 P (x) = P max 2 [ ( )] 2(x x0 ) 1 ± erf + P 0 (3.13) w un wird die Rasierklinge in vertikale Position verschoben und der Wert w(y) bestimmt. Durch die Strahlaufweitung und optimierte Einstellung der Iris-Blende wurden Werte von w(x) = 152 µm und w(y) = 223 µm bestimmt. Das nicht kreisförmige Strahlprofil ist den Laserchipeigenschaften und den im QCL eingebauten optischen Elementen geschuldet. Die Abbildung 3.13 zeigt die unterschiedlichen Durchmesser des QCL-Strahls in x- und y-dimension quer zur Ausbreitungsrichtung. un müssen die pump- und probe-durchmesser miteinander verglichen werden. Der Durchmesser des Anregungsstrahlenbündels (pump) variiert geringfügig je nach Position der Linsen L1 und L2 und beträgt am Probenort 2 mm. Es wird somit 31 Die Fitprozedur ist im Anhang B näher beschrieben. 50

61 Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie angeregtes Volumen (d:yag) T +3 Abtast-Volumen (QCL) Messküvette mit Probe Abbildung 3.14.: Überlapp zwischen Anrege- und Abtast-Strahlenbündeln. Die Messprobe befindet sich in einer Küvette mit einer Schichtdicke von 100 µm, die eine bestimmte Anfangstemperatur hat (im Bild hellblau dargestellt). Durch den Anregepuls wird im ca. 0, 5µl großen Volumen ein Temperatursprung T erzeugt (rosa). Die thermisch induzierte Entfaltung wird in einem kleineren Volumen gemessen (rot), das mit dem angeregte Volumen guten räumlichen Überlapp haben soll. eine im Vergleich zur abgetasteten Fläche ca. 20 fach größere Fläche und somit auch ein 20 fach größeres Probenvolumen angeregt. Dadurch wird ein guter Überlapp zwischen dem Anrege- und dem Abtaststrahls erreicht (Abb. 3.14). Außerdem sollte der Abtaststrahl mit dem Anregungsstrahl mittig überlappen, da der Energiefluss in der Probe nach der Anregung radial nach außen verläuft und so das Zeitfenster der Messung einschränkt [Wra02]. So ist der Temperaturgradient in der Mitte verglichen mit den Randbereichen des angeregten Volumens relativ gering, was wiederum für die Stabilität der Temperatur im gemessenen Zeitbereich wichtig ist. Da der Energietransfer von der durch den ns-pump-puls angeregten Schwingung auf alle anderen Schwingungsmoden des Lösungsmittels sowie auf die Schwingungsmoden des Peptids auf der ps -Zeitskala verläuft und damit insgesamt die Temperatur der Probe ändert, weist das abgetastete Volumen nach dem Temperatursprung eine konstante Temperatur auf. Im Vergleich zum für die Auswertung der Peptidkinetik interessanten µs -Zeitbereich erfolgt der Temperatursprung instantan. Der Wärmeaustausch zwischen dem kühleren, nicht angeregten Restvolumen äußert sich in einer Transmissionsänderung im Amid I-Bereich. eben einer homogenen Temperaturverteilung innerhalb des abgetasteten Volumens ist die zeitliche Stabilität der Temperatur wichtig. Da die Absorption des infraroten Abtaststrahls im Amid I-Bereich temperaturabhängige Änderungen aufweist, lässt sich so der verlässliche, temperaturstabile Zeitbereich für Temperatursprungmessungen bestimmen (Abb. 3.15). Für eine sinnvolle Abschätzung des Zeitbereichs in Temperatursprungexperimenten müssen zahlreiche Parameter berücksichtigt werden. Die Schichtdicke, das Fenstermaterial der Küvette, die thermischen Eigenschaften der Probe, die Wahl des Lösungsmittels und die Temperatur- 51

62 3. Experimentelle Methoden Abbildung 3.15.: Abkühlverlauf von D 2. Dargestellt ist eine transiente Absorptionsänderung von D 2 in einer 100 µm Küvette auf der logarithmischen Skala. Die Absorption ändert ihren Wert in den ersten 100 µs um lediglich 6% bzw. 0, 5 C. ach rund 200 ms erreicht die Probe wieder die Anfangstemperatur von T A =22 C. abhängigkeit seiner Anregungsbande sowie der Strahlenbündeldurchmesser spielen hier eine wichtige Rolle [Wra02]. ach [Kre07] fällt die am alten Temperatursprungaufbau gemessene Absorbanz von D 2 mit 100 µm -Schichtdicke bei einem Temperatursprung von ~13 C in den ersten 100 µs lediglich um ~6%, was eine Abnahme der Temperatur um 0, 8 C bedeutet. In der Abbildung 3.15 ist eine normierte D 2 -Transiente gezeigt, die einen Abkühlverlauf von D 2 am neuen Temperatursprung-Setup an der Wellenzahl 1632 cm 1 nach einem Temperatursprung von etwa 9 C darstellt. Damit wurde gezeigt, dass die Temperaturstabilität im angeregten und abgetasteten Volumen am neuen Temperatursprung-Setup reproduziert werden konnte. Ein Abfallen der Temperatur im wichtigen Zeitbereich µs von um 6% kann als nicht signifikant angesehen werden und hat somit keinen Einfluss auf die Relaxationsdynamik des gemessenen Peptids. Für die Überlappjustage stehen mehrere Lochblenden (pinhole) verschiedener Größe zur Verfügung, die in den Probenhalter eingebaut werden. Als erstes wird der Probenhalter so lange horizontal und vertikal verschoben, bis die Transmission des QCL-Strahls maximal wird. Danach werden die zwei Anrege-Teilstrahlen mit dem jeweiligen letzten Spiegel (S1 bzw. S2 Abb. 3.10) vor der Probe durch dieselbe Blende justiert. Die letzte Überprüfung 52

63 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie des Überlapps erfolgt an der Probe, in der der Temperatursprung angeregt wird. ier müssen die pump-teilstrahlen nachjustiert werden, sodass der Temperatursprung maximal wird. Gleichzeitig sollte das Signal keine störenden Artefakte zeigen, die auf eine nicht optimale Überlagerung der zwei pump-teilstrahlen und dem probe-strahl hinweisen. (iii) DETEKTI Die Detektion erfolgt durch einen schnellen photovoltaischen MCT albleiterdetektor 32. Dieser wird mit flüssigem Stickstoff auf 77 K gekühlt, um die thermische Anregung von Elektronen vom Valenzband ins Leitungsband des eingesetzten albleiters (gcdte) zu verhindern und dadurch bedingtes thermisches Rauschen zu unterbinden. Die Zusammensetzung der albleiterlegierung, genauer gesagt das Verhältnis gte/cdte, bestimmt über die Größe der Bandlücke, die für den messbaren spektralen Bereich des Detektors verantwortlich ist [or02]. Je schmaler die Bandlücke wird, desto kleinere Wellenzahlen sind zugänglich. Durch den mittlerweile ausgereiften erstellungsprozess können heute Detektoren für Spektralregionen zwischen 0, 7 µm bis hin zu 25 µm produziert werden. Für zeitaufgelöste Messungen stehen zwei Detektoren 33 mit folgenden Eigenschaften zur Auswahl: Detektor 1 Detektor 2 Detektorelementgröße 1 mm x 1mm 0,5 mm x 0,5 mm Wellenzahlbereich 3125 cm 1 bis 1050 cm cm 1 bis 900 cm 1 Anstiegszeit a 19 ns 7 ns Tabelle 3.2.: Eingesetzte Infrarot-Detektoren. Photovoltaische albleiter (MCT) Detektoren müssen mit flüssigem Stickstoff (L 2 ) gekühlt werden. ohe Sensitivität und schnelle Zeitkonstanten zeichnen die MCT-Detektoren aus. a Anstiegszeit τ10 90 : Zeit, die bei einem sprunghaften Anstieg zwischen 10% und 90% des Signalmaximums verstreicht. Sie gibt die maximal mögliche Zeitauflösung des Detektors an. Die Strahlungsleistung des Quantenkaskadenlasers liegt im Maximum bei ~100 mw und wird durch eine geeignete Wahl von Abschwächern reduziert, um die Zerstörungsschwelle des Detektorelements nicht zu überschreiten. Im Extremfall besteht die Gefahr einer Beschädigung des Detektorelements durch zu hohe Leistungsdichte des QCL-Lichts. Zur Reduzierung der Leistung können D 2 bzw. 2 -Küvetten verschiedener Schichtdicke oder unterschiedlich dicke PTFE-Folien als Abschwächer verwendet werden, die vor dem Detektor platziert werden. Bei jedem einzelnen d:yag-puls entsteht in der Probenkammer Streustrahlung, die über die Parabolspiegel auf den Detektor trifft. Außerdem emittiert die angeregte Probe thermische Strahlung, die zum Verfälschen des eigentlichen Messsignals führt. Zu diesem Zweck 32 gcdte, Mercury-Cadmium-Tellurid. 33 KMPV11-1-J2, KMPV J1/50/DC, Kolmar Technologies Inc., ewburyport, MA (USA). 53

64 3. Experimentelle Methoden wurden zwei IR-Filter 34,35 unmittelbar vor dem Detektor eingesetzt. Durch diese Kombination konnten die störenden optischen Signale weitestgehend reduziert werden. Um den ganzen Spektrometer-Aufbau installierte Lichtschutzboxen tragen ebenfalls zur Reduktion der Streustrahlung bei. Die Boxen werden außerdem mit Trockenluft gespült, um den Wasserdampfanteil in der atmosphärischen Luft zu entfernen. Dessen Rotations-Absorptionsbanden überlagern den Amid-I Bereich und führen zu einer signifikanten Absorption des infraroten Abtast-Laserstrahls. Außerdem kondensiert Wasserdampf an der Küvettenoberfläche bei Temperaturen unterhalb des Wassertaupunktes und macht damit IR-Absorptionsmessungen unmöglich Aufnahme und Auswertung der Temperatursprung-Messdaten Berechnung von transienten Absorptionsänderungen Für die Berechnung und Auswertung von transienten Absorptionsänderungen werden verschiedene Signale detektiert, digitalisiert und daraus die Größe A(λ, t) berechnet. Auf diese Weise lassen sich die durch die Anrege-Pulse ausgelösten Vorgänge, hier das Relaxieren in einen neuen Gleichgewichtszustand nach dem Temperatursprung, nachverfolgen. Eine Transientenrekorderkarte 36 mit einer 16 Bit Auflösung zeichnet die transienten Signale, die am Detektor gemessen werden, auf. Die graphische Darstellung der Signale und Einstellungen zur Datenaufnahme erfolgt in der mitgelieferten Software, SBench 6. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, die Steuerung der Karte über third-party software (MATLAB 37 oder LabVIEW 38 ) zu realisieren. Damit wäre die Einbindung des Anrege-Laser QCL gemeinsam mit der Transientenrekorderkarte in einer selbst-programmierten Messroutine möglich. Die interne Taktfrequenz (internal clock) bzw. sample rate wurde auf den maximalen Wert von 105 Mz (105 MSaples/s) gestellt. Aufgrund der begrenzten Speichertiefe der Karte muss je nach Länge der Messung die Abtastrate entsprechend verringert werden. Da die Transienten einzeln abgespeichert werden, ist ein externes Triggersignal nötig, um die Datenaufnahme zu starten. Dieses wird von der PCU 39 des d:yag-lasers in Form eines negativen (von 3,5V auf 0V) TTL-Signals generiert. Abgespeichert werden die Daten in einem binären Format (*.bin) CWL 6,2 µm, FWM 0,65 µm, Ge-Bandpass Filter, LASER CMPETS Gmb, lching (D) % cut-on 5µm, Si-Langpass-Filter, LASER CMPETS Gmb, lching (D). 36 M3i.4841-Exp, Spectrum Systementwicklung Microelectronic Gmb, Grosshansdorf (D). 37 MathWorks, MA (USA). 38 ational Instruments, Austin, TX (USA). 39 Power/Cooling Unit. 40 Es sind mehrere Formate möglich: proprietäres *.SBench6, pure binary *.bin, wave *.wav. 54

65 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie Jede aufgenommene Transiente beschreibt den zeitabhängigen Intensitätsverlauf des Messlichts am Detektor nach der Anregung der Probe, I 1 1 (mit Anregung/mit Messlicht). Jedoch bedarf jeder Datensatz einer Korrektur. Die einzelnen Korrekturterme sind: Der Dunkelstrom am Detektor I 0 0 (ohne Anregung/ohne Messlicht), muss von den Daten abgezogen werden, wobei der Anrege-Puls und das Messlicht geblockt sind. Im Fall von I 1 0 (mit Anregung/ohne Messlicht) wird nur das Messlicht ausgeblendet. ier werden zusätzliche Intensitätsanteile, die die Probe nach Erhitzen durch den Anrege- Puls als thermischer Strahler abstrahlt, miterfasst. Die Intensität des Messlichtes ohne Anregung: I 0 1. Für den Mittelwert von I 1 0 und I 0 0 werden vor jeder Messung üblicherweise jeweils = 500 einzelne Transienten aufgenommen und gemittelt. Anschließend erfolgt die Aufnahme von 2000 Transienten (I 1 1, I 0 1 ), wobei jeder zweite Anrege-Puls durch einen Chopper-Rad geblockt wird. Die Mittelung wird durchgeführt, indem man den gemittelten Dunkelstromanteil herausrechnet: mit Anregung : ohne Anregung : I 1 1 = 1 I 0 1 = 1 i=1 i=1 (I 1 1 i I 1 0 ) (3.14) (I 0 1 i I 0 0 ) (3.15) Die gewünschte Größe A 41 lässt sich nun nach folgender Formel berechnen: A = lg ( I 1 1 I 0 1 ) (3.16) Mit diesem Verfahren zur Bestimmung der transienten Absorption A können Signalbeiträge resultierend aus Streustrahlung, thermischer Abstrahlung der Probe, langsamen Drifts des Detektors und elektronischen Störsignalen am Detektor verlässlich eliminiert werden. Die Bearbeitung der Rohdaten und die Berechnung von A übernimmt ein selbst entwickeltes und modifiziertes MATLAB-Skript (siehe Anhang C). Die graphische Darstellung und weitere Analyse der Signale erfolgt mithilfe eines kommerziellen Programms, RIGI 42. Die Daten werden in einem geeigneten Zeitintervall durch 41 A = A angeregt A nicht angeregt = lg(i 1 1 /I 0 ) ( lg(i 0 1 /I 0 ) = lg(i 1 1 /I 0 1 )). 42 rigin 8.6, riginlab Corporation, orthampton, MA (USA). 55

66 3. Experimentelle Methoden eine Summe von Exponentialfunktionen A(t) = ( j a j exp ) t τ j angepasst. Gewählt wird die minimale Anzahl j an Exponentialfunktionen, bei der die experimentellen Daten gut gefittet werden können. In den meisten Fällen wurde eine bi-exponentielle Funktion ( ) ( ) t t A(t) = a 0 + a 1 exp + a 2 exp τ 1 τ 2 (3.17) als Fitfunktion mit a 0 als ffset, a 1 und a 2 als Amplituden, τ 1 und τ 2 als die dazugehörigen Relaxationskonstanten verwendet. Durch die unterschiedlichen Zeitskalen ( µs 100 µs), auf der sich die Peptiddynamik (τ 1 ) und das Abkühlen des Lösungsmittels (τ 2 ) abspielen, kann dieses Verfahren angewandt werden. Das Intervall wird dabei so gewählt, dass sich die Dynamik des Lösungsmittels exponentiell beschreiben lässt und gleichzeitig die Artefakte am Zeitnullpunkt die Fit-Prozedur nicht stören. Typischerweise wird der Bereich auf 500 ns bis 200 µs eingeschränkt [Kre07]. Diese Art von Auswertung bringt jedoch auch achteile mit sich: 1) Durch die lineare Auftragung der Messpunkte werden bei der Anpassung der Fit-Funktion an das gesamte Intervall die langen Zeitkonstanten übergewichtet. Die Bestimmung der gesuchten Peptidrelaxationszeit wird schwieriger und der Fehler des Fits entsprechend größer. Um das Problem zu umgehen, wird hier eine Mittelung der Daten vorgenommen, bei der auf der Zeitachse in jeder Dekade die gleiche Anzahl der Punkte vorhanden sind. Ein selbst geschriebenes MATLAB-Skript rechnet die Daten entsprechend den Startparametern (=Anzahl der Punkte in jeder Dekade) um (Anhang D). Die so gemittelten Daten werden nun bi-exponentiell angepasst. 2) inzu kommt, dass sich die schnellen Zeitkonstanten durch das Abschneiden der Messpunkte (t < 500 ns) wegen ihrer geringen Fitamplitude (a 1 ) nur schwierig bestimmen lassen. Die aus dem Fit bestimmten Zeitkonstanten sind deshalb mit einem großen Fehler behaftet. Durch Verbesserungen am Aufbau konnten Störeffekte soweit reduziert werden, dass die Daten bereits ab ns ausgewertet werden konnten. Dabei wurde viel Wert auf eine stärkere Fokussierung des Anrege-Strahls und gute Überlappung von Anrege- und Abtast- Strahlenbündeln am Probenort gelegt (vgl. (ii) ABTAST-Part auf Seite 48). Dem Problem der Störartefakte zw ns wird mit einer Methode begegnet, bei der das Lösungsmittel gesondert gemessen wird. Dieses Signal wird als Referenz von der entsprechenden, bei der gleichen Temperatur aufgenommenen Peptidtransienten abgezogen. Dabei muss das Referenzsignal geeignet skaliert werden [ua01; Dav13]. Das birgt mehrere Vorteile: Zum einen werden so die Störsignale, die unter anderem von der Justage abhängig sind, von den Peptiddaten subtrahiert. In diesem Fall wird eine Durchflussküvette (siehe Abschnitt 56

67 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie 3.4 Abb. 3.19) eingesetzt, die einen Austausch der Messsubstanz ohne Änderung der Konfiguration an der Messzelle erlaubt. Testmessungen haben nämlich ergeben, dass eine minimale Veränderung der Justage am Probenort zu erheblichen Abweichungen der Temperatursprunggröße in der Probe und damit in A zwischen den einzelnen Messreihen führt. Der Fehler in der resultierenden Größe des Temperatursprungs lag dabei im Bereich von 1 2 C, was etwa 3 4 md entspricht, bei einem Gesamttemperatursprung von ~10 C. Die Arbeitsgruppe von B.Dyer schätzt den Fehler, der bei der von ihr eingesetzten Split-IR-Zelle entsteht, auf 1 md [Wil96]. ier wird die Zelle mit zwei getrennten Kammern senkrecht zum IR- Abtaststrahl lateral verschoben und die Differenz in der jeweiligen Signalstärke abgeschätzt. Zum anderen kann so die Peptidkinetik aus den Daten extrahiert werden, ohne bei der Fitprozedur eine zusätzliche mono-exponentielle Funktion für die Lösungsmittelbeiträge einzuführen. Mit der oben beschriebenen Methode war es möglich, Daten bereits ab t = 100 ns auszuwerten. Bestimmung der Temperatursprunggröße Für eine exakte Auswertung und verlässliche Interpretation von zeitaufgelösten Messergebnissen ist eine genaue Bestimmung des Temperatursprungs und damit auch die Ermittlung der Endtemperatur der Probe T end entscheidend. Sowohl die Temperaturabhängigkeit des Extinktionskoeffizienten ε der angeregten Lösungsmittelbande, die zur Erzeugung des Temperatursprungs verwendet wird, als auch die Schwankungen der Anregepulsenergie [Rid08], wofür die nichtlinearen Prozesse während der Ramanstreuung verantwortlich sind, bestimmen die Größe eines Temperatursprungs. Dazu wird als erstes die Größe A (vgl. Gl. 3.16) aus der berechneten Absorptionstransientenkurve A(t = 0) am Zeitpunkt 0 abgelesen. Die instantane Absorptionsänderung A nach der Anregung der Probe kann anschließend in die Temperaturänderung T umgerechnet werden. Für die Berechnung von T ist die Starttemperatur der Probe T start sowie die Wellenzahl ν, an der gemessen wurde, von Bedeutung. Die temperaturabhängigen FTIR- Absorptionsspektren des verwendeten Lösungsmittel dienen dabei als Referenz. Sind die Werte für T start, die gemessene Wellenzahl ν und A(t = 0) bekannt, so wird durch das FTIR- Spektrum mit der Absorbanz A(T end ) = A(T start ) + A(t = 0) die nach dem Temperatursprung erreichte Temperatur T end ermittelt. ier die Annahme getroffen, dass die Absorptionsänderung am Zeitpunkt 0 (t=0) (d.h. direkt nach dem der Anregepuls die Probe erhitzt hat) aufgrund der Lösungsmittelanregung entsteht. Die möglichen Beiträge des Peptids zur gesamten Absorptionsänderung sind dabei vernachlässigbar, da die Relaxationskonstanten der untersuchten Modellsysteme im µs -Bereich liegt. Der geschätzte Fehler in der Bestimmung der Temperatursprunggröße liegt bei T 1 C. 57

68 3. Experimentelle Methoden Erweiterung des Aufbaus für p-sprung-messungen durch laserinduzierte Photolyse Das Ziel der Implementierung des UV-Anrege-Zweigs in den bestehenden IR-Anrege-IR- Abtast Aufbau war die Realisierung von p-sprung-experimenten durch laserinduzierte Photolyse [or49]. Diese Methode wurde an verschiedenen Peptiden und Proteinen zur Untersuchung von Faltungsdynamik eingesetzt [Cau06; Abb06; Don13]. Die dazu nötigen optischen Komponenten zur Erzeugung von geeigneter Anrege-Wellenlänge und zur Strahlführung wurden aufgebaut und getestet. In Kooperation mit der Arbeitsgruppe P. amm von der Universität Zürich wurden p-sprung Messungen am Leucin-Zipper durchgeführt [Don15]. Die Intensität der Anregepulse und die Fokusgröße am Probenort waren entscheidende Parameter, um die Abgabe von caged-protonen in geeigneter Konzentration durch oba 43 auszulösen [Cia01; Don11]. Aufbau des UV-Anrege-Zweigs Durch die Erweiterung der bestehenden Temperatursprunganlage wird es nun möglich, Experimente an Peptiden, die p-induzierte Konformationsänderungen zeigen, zu realisieren. Ferner können in Zukunft Photokinetiken gemessen werden, deren Anregungswellenlängen bei λ = 532 nm 44 und λ = 266 nm 45 liegen. Alle optischen Elemente, die zum Temperatursprungexperiment gehören, sollten ihren Platz behalten, sodass man ohne viel Aufwand zwischen p-sprung- und Temperatursprungaufbauten wechseln kann. Da der IR-Abtast-Part unverändert bleiben sollte, musste die Erzeugung von UV-Anrege-Pulsen, die Strahlführung und die abbildende ptik für UV-Pulse entsprechend konzipiert und aufgebaut werden. In der Abbildung 3.16 ist der p-sprungaufbau dargestellt. Der d:yag-laser wurde mit UV-Komponenten ausgerüstet, welche die vierte armonische bei 266 nm aus der fundamentalen Wellenlänge bei 1064 nm erzeugen. Dieser Vorgang lässt sich mithilfe nichtlinearer ptik bewerkstelligen. Bei genügend hoher Feldstärke besteht kein linearer Zusammenhang ( P ɛ 0 χe) mehr zwischen dem elektrischen Feld E und der induzierten Polarisation P in einem Dielektrikum [Zin09]. Wird die Polarisation als Potenzreihe entwickelt, erhält man Terme höherer rdnung, die als nichtlineare Antwort des Mediums betrachtet werden können, die nun nicht mehr zu vernachlässigen sind: P i = j a ij E j + j,k b ijk E j E k +... = ɛ 0 ( j χ (1) ij E j + j,k χ (2) ijk E je k +...) (3.18) 43 o-itrobenzaldehyd (2-itrobenzaldehyd). 44 SG zweite armonische von 1064 nm. 45 FG vierte armonische von 1064 nm. 58

69 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie MCT 4ω 266 nm GP A WSB BB KD*P d:yag FG D L UV Sample T cm -1 LP QCL Abbildung 3.16.: p-sprung-aufbau-lichtanregung im UV. Die Erzeugung des p-sprungs erfolgt durch die vierte armonische des d:yag-lasers λ 4ω = 266 nm. Der Anrege-Zweig beinhaltet mehrere optische Elemente: eodym:yag-laser (d:yag) (λ YAG = 1064 nm), nichtlineare optische Kristalle β Bariumborat (BB) und Kalium-Dideuterium-Phosphat (KD*P), Wellenlängentrennbox (WSB engl. wavelength separations box), Glasplättchen (GP), eutralgraufilter (D), Linse (L UV ) und plane dichroitische Spiegel für λ = 266 nm. Zum IR-Spektrometerteil gehören folgende Komponenten: Quantenkaskadenlaser (QCL), Langpassfilter (LP), vergoldete Parabolspiegel zur Fokussierung und Kollimierung des Messsignals, Teleskop (T) in Galilei-Ausführung, variable Abschwächer (A), photovoltaischer albleiter-detektor (MCT). Zur genaueren Beschreibung siehe die Abb. 3.9 und den Abschnitt Mit χ (1) wird die lineare Suszeptibilität bezeichnet. Die Summanden n-ter rdnung χ (n>1) sind für die nichtlineare Polarisation (P L ) verantwortlich. ptische Phänomene wie beispielsweise die Frequenzverdopplung (SG engl. second harmonic generation ω 2ω), Summenfrequenzerzeugung (SFG engl. sum frequency generation ω 1 + ω 2 = ω 3 ), Differenzfrequenzerzeugung (DFG engl. difference frequency generation ω 1 = ω 2 + ω 3 ) lassen sich beobachten. Einige wenige nichtlineare Kristalle haben günstige Eigenschaften für den praktischen Einsatz in der nichtlinearen ptik für Zwecke der Frequenzkonversion : β BaB 2 4 Beta-Barium-Borat (BB), K 2 P 4 Kalium-Dihydrogen-Phosphat (KDP), KD 2 P 4 Kalium- Dideuterium-Phosphat (KD*P), KTiP 4 Kalium-Titanyl-Phosphat (KTP), LiB 3 5 Lithium- Triborat (LB), Lib 3 Lithium-iobat. äheres zu weiteren nichtlinearen Kristallen und zu Eigenschaften der genannten Kristalle findet sich in [Gur99]. 59

70 3. Experimentelle Methoden ω 2 ω ω nichtlinearer Kristall Abbildung 3.17.: Frequenzverdopplung. ichtlineare Effekte sind für die Entstehung der zweiten armonischen (2ω) von entscheidender Bedeutung. Durch die induzierte nichtlineare Polarisation entstehen in einem nichtlinearen optischen Kristall beim χ (2) -Prozess Photonen mit doppelter Frequenz γ ω + γ ω γ 2ω. Frequenzverdopplung (SG) Infolge des sogenannten χ (2) Prozesses findet Frequenzverdopplung (SG) statt. Dabei entsteht unter Erhaltung von Energie und Impuls ein Photon doppelter Frequenz 2ω aus einem Photonenpaar mit der Frequenz ω der fundamentalen Welle (Abb. 3.17). Wenn alle höheren Terme mit n > 2 vernachlässigt werden (P (2) >> P (3) >>...), hat hier die nichtlineare Polarisation doppelte Frequenz (ω 2ω) 46 : P (2) E 2 0(1 + cos(2ωt) (3.19) Für die Erzeugung von Photonen bei 266 nm aus 1064 nm sind zwei nichtlineare optische Kristalle 47 mit hohen χ (2) -Werten nötig [Zin09; Gur99]. Im ersten Kristall, KD*P 48, findet Erzeugung der zweiten armonischen bei 532 nm statt. Im zweiten, einem BB-Kristall 49, entsteht wiederum durch Verdopplung die vierte armonische 266 nm. Beide sind temperaturstabilisiert. Da die rientierung der optischen Achse der nichtlinearen Kristalle zum Wellenvektor der einfallenden Welle für die Effizienz der Frequenzverdopplung entscheidend ist, muss der optimale Winkel durch Justage eingestellt werden. Die resultierende Konversionseffizienz liegt für die verwendeten Kristalle bei etwa 10%. Für die Trennung der einzelnen Wellenlängen (1064 nm, 532 nm, 266 nm), die durch die 46 Aus Gründen der Anschaulichkeit wird hier eine ebene Welle betrachtet (vgl. [Zin09]). 47 χ (2) ist nur in Kristallen ohne Symmetriezentren 0 möglich. 48 KD 2 P 4, Kalium-Dideuterium-Phosphat, Typ II, GSI Group Europe Gmb, Planegg (D). 49 BB, β-bariumborat, GSI Group Europe Gmb, Planegg (D). 60

71 3.3. Zeitaufgelöste Infrarot-Laserspektroskopie Erzeugung der vierten armonischen (FG) entstehen, wurde eine Wellenlängen-Trennungs- Box (WSB) eingesetzt. Sie besteht aus zwei dichroitischen Spiegel und einem Beam-Dump 50, die in einer lichtdichten Box montiert sind. Diese lässt sich durch Kombination von verschiedenen Dichroiten je nach Bedarf für unterschiedliche Wellenlängen (266 nm, 355 nm, 532 nm) umrüsten. In Abhängigkeit von der benötigten Anrege-Leistung werden ein variabler reflektiver eutralgraufilter 51 und ein Glasplättchen, das ~5%-Reflexion besitzt, zur Abschwächung eingesetzt. Mit den für 266 nm ausgelegten dichroitischen Spiegel 52 und einer plano-konvexen Linse L 53 UV (f = 500 mm) wurden die UV-Pulse zur Probenküvette geführt und fokussiert. Die Linse ist auf einer Verschiebestation montiert, mit der die Fokusposition, die hinter der Küvette liegt, verändert werden kann. Das erlaubt eine variable Einstellung der Größe des angeregten Volumens in der Probe. ierzu ist eine Abschätzung der Anzahl der freigesetzten Protonen notwendig, um die ausreichende Protonierung des untersuchten Proteins bzw. Peptids und damit eine messbare Konformationsänderung zu initiieren. Zum kontinuierlichen Austausch der Probe wird eine in der Gruppe Peter amm (Universität Zürich) konzipierte und hergestellte Durchfluss-Küvette eingesetzt, die mit einer peristaltischen Pumpe verbunden wird. Die Durchflussgeschwindigkeit lässt sich genau kontrollieren und muss im Vorfeld für jedes Experiment bestimmt werden. Dabei spielen die Dauer der Messung, Zeitskala der angeregten Reaktion, verfügbares Probenvolumen und die Pulsfrequenz des d:yag-lasers eine Rolle. Damit die optischen Komponenten auf Dauer keinen Schaden aufgrund der zonentstehung durch UV-Pulse nehmen, sollte die Lichtschutzbox mit Stickstoff gespült werden. Ferner wird die empfindliche IR-ptik, z.b. im Faraday-Isolator, durch Strahlblocker und optische Filter vor UV-Strahlung geschützt. 50 Strahlfalle. 51 DC-100C-2M, Abschwächung D, TRLABS Gmb, Dachau (D). 52 B1-K04, λ = nm, TRLABS Gmb, Dachau (D). 53 UV fused silica, TRLABS Gmb, Dachau (D). 61

72 3. Experimentelle Methoden 3.4. Probenpräparation Die im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Trpzip2 -Varianten, das WVYY-pG-Peptids und das drei-strängige Peptid D P D P wurden von der Arbeitsgruppe von Prof. Timothy A. Keiderling zur Verfügung gestellt. Die Peptide sind nach einem Standardprotokoll mittels Fmocbasierter Festphasensynthese synthetisiert worden. Durch Umkehrphasen-Chromatographie (reverse-phase PLC) und MALDI-Massenspektrometrie erfolgte die Aufreinigung und Charakterisierung der Probe. Für die stationäre FTIR- und zeitaufgelösten Temperatursprungexperimente wurde 1 mg der Probe in 100 µl 0, 1 M DCl 54 gelöst, in flüssigem Stickstoff (L 2 ) eingefroren und anschließend lyophilisiert (Dauer ca. 2 Std). Durch diesen Vorgang, der üblicherweise drei Mal wiederholt wird, werden die TFA 55 -Gegenionen, die von der Peptidsynthese übrigbleiben und im Amid I Bereich eine störende Bande bei 1673 cm 1 besitzen, entfernt. Gleichzeitig findet ein D-Austausch statt. Zum Schluss wird die gefriergetrocknete Probe im geeigneten Lösungsmittel gelöst, Trpzip2 -Peptide in D 2 56, WVYY-pG und drei-strängiges Peptid D P D P in Phosphatpuffer (20mM). Alle Messungen wurden üblicherweise bei einer Konzentration von c = 20 mg durchgeführt. Um Aggregation der Probe zu vermeiden und reversible Faltungs- und Entfaltungsvorgänge in der Probe zu ermöglichen, wurden die Trpzip2 ml - Mutanten und D P D P bei saurem pd und WVYY-pG bei neutralem pd gemessen. Die pd- Werte wurden durch Zugabe von DCl und ad 57 eingestellt. Kontrolliert wurde der Wert mittels einer geeichten p-elektrode 58, wobei die anzeigte Größe um 0,4 korrigiert werden muss [Cov68], da alle Messungen in schwerem Wasser (D 2 ) durchgeführt wurden: pd = p + 0, 4 (3.20) Durch Kontakt mit der atmosphärischen Luft entsteht eine mit 2, 2, C 2 und weiteren Bestandteilen der Luft gesättigte Lösung, was das Auftreten der Cavitation in Temperatursprungexperimenten (vgl. Abschnitt unter Temperatursprungaufbau) begünstigt. Um das Problem einzudämmen, kann das Lösungsmittel, in dem Fall D 2 oder Phosphatpuffer, entgast werden. Dazu wird das Reaktionsgefäß in einen Exsikkator platziert, in dem ein Unterdruck mittels einer Durchfluss-Pumpe eingestellt wird. Gemäß dem enry-gesetz, welches die Abhängigkeit der Gaskonzentration und des Partialdrucks beschreibt, entweichen die 54 ARMAR AG, Döttingen (C). 55 Trifluoroacetat C 2 F Sigma-Aldrich Chemie Gmb, Steinheim (D). 57 ARMAR AG, Döttingen (C). 58 BITRDE, Deutsche Metrohm Gmb & Co. KG. 62

73 3.4. Probenpräparation gelösten Gasmoleküle aus dem Lösungsmittel. Eine andere Methode zur Entgasung ist die Filtration des Lösungsmittels durch einen Spritzenfilter mit einer Porengröße von d 0, 2 µm. Auch eine Behandlung der Probe im Ultraschallbad reduziert den Anteil der gelösten Gasmoleküle in der Lösung. All diese Strategien tragen dazu bei, die Qualität der Temperatursprungdaten zu verbessern, da mehr gute Transienten ausgewertet werden können (siehe Abschnitt unter Aufnahme und Auswertung der Messdaten). Für die statischen FTIR- und zeitaufgelösten Temperatursprungmessungen wird die Peptidprobe zwischen zwei plane Kalzium-Fluorid (CaF 2 ) pipettiert, (a) Dünnschichtküvette (b) Transmissionsspektrum von CaF 2 Abbildung 3.18.: (a) Das untere CaF 2 Fenster ist in der Mitte mit einer Vertiefung versehen, die mit der Peptidprobe befüllt wird. Das obere plane Fenster schließt die Messprobe in der Küvette ein. (b) CaF 2 transmittiert sowohl im sichtbaren als auch im infraroten Spektralbereich. Im Amid I -Bereich liegt die Transmission bei über 90 %. Quelle: Materialien-Datenblatt, 63

74 3. Experimentelle Methoden Abbildung 3.19.: IR-Durchflussküvette. Ein PTFE-Spacer mit einer 100 µm Dicke, der passend zugeschnitten werden muss, trennt zwei CaF 2 Fenster voneinander. Die Zelle wird mit einer Spritze bzw. Pipette mit Messprobe befüllt. Durch Einlass- und Auslassöffnungen wird die gemessene Probe ausgetauscht. die durch einen Teflon (PTFE)-Ring (Spacer) mit einer Dicke von 100 µm voneinander getrennt werden. Es stehen verschieden dicke Spacerfolien zur Verfügung: 200 µm, 100 µm bis hin zu 3, 5 µm. Die genauere Beschreibung des gesamten Probenhalters lässt sich in [Kre07] nachlesen. Für statische FTIR-Messungen haben sich Dünnschichtküvetten sehr gut bewährt, da sie einfacher zu präparieren sind und gute Dichtigkeit bei hohen Temperaturen zeigen. Sie bestehen aus einem planen und einem mit einer Vertiefung s (Durchmesser ø=1 cm) versehenen CaF 2 Fenster. Auch hier stehen mehrere Schichtdicken s zur Auswahl. Ein Beispiel mit s = 10 µm ist in der Abbildung 3.18 zu sehen. Insbesondere für die Temperatursprungexperimente wurde eine andere Methode gewählt, die es erlaubt, die Referenzkorrektur an Proteindaten durchzuführen. Dazu wurde eines von beiden CaF 2 Fenstern mit zwei Bohrungen zum Befüllen der Messzelle versehen (Abb. 3.19). Durch PLC-Schläuche wird die Zelle mittels einer Spritze bzw. Pipette befüllt und die Justage durchgeführt. Zunächst werden die Referenzmessungen am D 2 bzw. am Puffer gemacht. Anschließend wird die Zelle, ohne dabei ausgebaut und vom Messplatz entfernt zu werden, geleert, mit Stickstoff getrocknet, mit Probe befüllt und dann die Messung gestartet. Das hat den Vorteil, dass Experimente bei gleicher Messküvettenkonfiguration und gleicher Justage der ns-pump-pulse und des cw-probe-strahls stattfinden. Somit wird es möglich die Lösungsmitteldynamik von den Peptidtransienten direkt zu subtrahieren, ohne dafür eine zusätzliche Exponentialfunktion während des Fit-Vorgangs einzuführen. Sowohl für die FTIR- als auch Temperatursprung-Küvette sind geringe Volumina an Probe notwendig. Für ein Experiment werden ca. 10 µl verbraucht, was im Falle von wertvollen, in geringen Mengen vorhandenen Peptiden von großem Vorteil ist. Wie bereits ober erwähnt, lässt sich durch die Dicke des Spacers das Volumen weiter reduzieren. ier muss jedoch die Abwägung zwischen dem Verbrauch der Probe und einem ausreichenden Messsignal getroffen werden. 64

75 4. Peptidsysteme Kleine Untereinheiten großer Proteine, die nur ein Element der Sekundärstruktur (α elix bzw. β Faltblatt) beinhalten, erleichtern den Zugang zu Informationen über den Faltungsmechanismus. Die Rolle einzelner Aminosäuren bei der Faltung ist von großem Interesse, da die dreidimensionale Struktur des gefalteten Proteins von der Primärstruktur abhängt. Kleine Fragmente mit einer definierten Sekundärstruktur und synthetisch hergestellte Modellpeptide, deren Sequenz bei der Synthese relativ leicht modifiziert werden kann, sind deshalb beliebte Forschungsobjekte. In dieser Arbeit werden Modellsysteme basierend auf dem β airpin Trpzip2 experimentell untersucht Modellpeptide zur Untersuchung von β Faltblatt-Strukturdynamik α helikale Peptide wurden in den vergangenen Jahrzehnten intensiv studiert. Kinetische Experimente an Alanin-basierten Peptiden [Tho97; Goo05], omopolymeren wie z.b. Polyglutaminsäure [Kre11; Kim02] oder anderen helikalen Modellpeptiden [Pet04] konnten sehr schnelle Relaxationszeiten im ns - µs -Bereich aufdecken. Eine wichtige Rolle von β airpins als kleinste Fragmente eines β Faltblatts wird in der Formation von Keimbildungsstellen während der Proteinfaltung vermutet [Sch97; Eat98]. β Faltblätter, aus denen zahlreiche toxische fibrilläre Aggregate bestehen, sind für die Erforschung von neurodegenerativen Erkrankungen von entscheidender Bedeutung [Agu10; Chi06]. Ein β airpin besteht aus zwei antiparallel angeordneten Strängen, die durch einen Turn aus zwei bis sechs Aminosäuren miteinander verbunden sind [Sib85] (vgl. Kap ). Zwischen den Strängen entstehen peptidstabilisierende Wasserstoffbrücken und das ganze Peptid nimmt eine verdrillte Form an, die vom Turntyp abhängig rechts- bzw. linkshändig ist. Eine hohe Tendenz zur Aggregation hat es in der Vergangenheit schwierig gemacht, Peptide mit einer β airpin Struktur herzustellen. Das Problem der inter-molekularen Wechselwirkungen, die eine unerwünschte Aggregation der Probe begünstigen, musste als erstes angegangen werden, um genügend hohe Konzentrationen für spektroskopische Experimente zu 65

76 4. Peptidsysteme ermöglichen [Deg85; Sta98]. Die Bildung von Aggregaten macht es unmöglich, die Faltungsdynamik von monomeren Peptiden zu untersuchen. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass Aminosäuresequenzen, die innerhalb von gefalteten Proteinen eine β airpin Struktur annehmen, herausgelöst oft keine β airpins ausbilden können. Die stabilisierenden intramolekularen Kräfte sind dabei zu schwach. Die Wechselwirkungen im Kontext der Tertiärstruktur, die die Entstehung von airpinmotiven begünstigt, sind deswegen nicht zu vernachlässigen [Cox93]. Zu den vorteilhaften Eigenschaften eines Modellproteins gehört die Kooperativität des Faltungsprozesses. Dabei unterstützen die am Anfang geformten Strukturelemente die Ausbildung weiterer intramolekulare Wechselwirkungen für das Entstehen der nativen Konformation [or08]. Thermodynamisch stabile Modellsysteme mit einem kooperativen Übergang zwischen dem gefalteten und ungefalteten Zustand bei guter Löslichkeit in wässriger Umgebung mussten erst synthetisiert werden [Bla93; Mun97; Gel98; May98; on00]. Cochran et. al [Coc01] konnten in 2001 mehrere stabile monomere Sequenzen des Tryptophan Zippers (Trpzip), eines strukturellen Motivs in β Faltblättern, herstellen, dessen Primärsequenz lediglich 12 bzw. 16 Aminosäuren beinhaltet. Dabei werden die stabilsten synthetisierten Sequenzen zusätzlich durch aromatische Tryptophan-Tryptophan (Trp-Trp) Wechselwirkungen in der Tertiärstruktur fixiert. Sie nehmen eine wohldefinierte β airpin Form an und sind mit ihrer Länge die kürzesten Peptide mit einer stabilen Sekundärstruktur. Die Abbildung 4.1 zeigt eine β airpin-struktur. Die beiden Stränge sind anti-parallel angeordnet, verbunden durch einen Turn. Die Seitenketten, hier bezeichnet mit R, zeigen abwechselnd nach oben bzw. unten in Bezug auf die airpinebene, wobei die Seitenketten einander gegenüberliegender Aminosäuren in die gleiche Richtung zeigen. Zwischen den im Inneren des Faltblattes liegenden und C = Gruppen des Rückgrats bilden sich Wasserstoffbrücken R R R R R R R R R R R Abbildung 4.1.: β airpin. Ein Beispiel eines β airpins aus 12 Residuen mit einem Glycin (Gly) sowie einer weiteren turnfavorisierenden Aminosäure im Turn und einer Amidierung der C-terminalen Residuums. Rot gestrichelte Linien stehen für Wasserstoffbrücken. Die Seitenketten R zeigen abwechselnd nach oben und nach unten aus der Peptidebene, die durch die zwei anti-parallelen Stränge und den Turn gebildet wird. Die Eigenschaften der Aminosäureseitenketten R sind für die Ausbildung einer β airpin-struktur von entscheidender Bedeutung. 66

77 4.1. Modellpeptide zur Untersuchung von β Faltblatt-Strukturdynamik Diese Struktur eignet sich ideal als ein minimales monomeres Modellsystem für β Faltblätter, da ihre geringe Tendenz zur Aggregation auch bei hohen Konzentrationen ungewöhnlich ist. Die genannten Eigenschaften gepaart mit guter Wasserlöslichkeit bieten vielfältige Möglichkeiten für spektroskopische Untersuchungen mit CD- 1, MR- und IR-Techniken [Wu09; ua09]. Zeitaufgelöste Faltungsexperimente an einfachen Systemen wie Trpzip Peptiden wurden von mehreren Forschungsgruppen durchgeführt [Du04; Du06; au08; Zhu11; Jon13]. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf Varianten von Trpzip2, bei denen zum einen die Turn-Region verändert wurde, zum anderen die β Strangsequenz modifiziert wurde um hydrophobe Wechselwirkungen studieren zu können. Der Einfluss auf die thermodynamische Stabilität und Faltungsdynamik neuer Trpzip2 -Varianten sollte eingehend untersucht werden. Größere Modellsysteme zur Untersuchung der Faltungsprozesse stellen den nächsten Schritt in der Erforschung von ausgedehnten β Faltblättern dar. Diese kommen in zahlreichen Proteinen vor, unter anderem in transmembranen β Barrelstrukturen [Mur94], und werden in Form von Amyloidfibrillen für zahlreichen Krankheiten verantwortlich gemacht [Mer03]. Was mit dem Design von monomeren β airpins begann [Sta98], setzte sich mit der Synthese von antiparallelen, drei-strängigen β Faltblättern fort. Die Experimente von Kortemme et al. brachten ein aus 20 Aminosäuren bestehendes monomeres Peptid, Betanova, hervor, das sie als ein kooperativ faltendes Zwei-Zustandssystem beschrieben [Kor98]. Mehrere Faktoren spielen für die Ausbildung und Stabilität der Faltblattstruktur eine große Rolle. So heben Ramirez-Alvarado et al. die Wichtigkeit der Turnsequenz, Seitenketteninteraktionen sowie intrinsische Eigenschaften einzelner Aminosäuren in der Formation eines β airpins bzw. β Faltblatts hervor und beschreiben die erangehensweise für die synthetische erstellung drei-strängiger Modellpeptide [RA99]. Den Stellenwert von D Prolin (p) im Turn erklärten Stanger et al. und formulierten eine Empfehlung zum Design stabiler β Strukturen in wässriger Umgebung [Sta98], die von Schenk et al. zur Synthese eines drei-strängigen Peptids ( D P D P), das aus 20 Aminosäuren besteht und zwei D Prolin-Glycin (pg)-turnsequenzen enthält, umgesetzt wurde [Sch98]. Auch Das et al. waren bei der Synthese eines 14 Aminosäuren langen, drei-strängigen Peptids mit einem D Prolin-Glycin Turn erfolgreich [Das98]. Einige Experimente zur Untersuchung des Einflusses der Turnmutation [Che01; Syu03] auf die Stabilität von drei-strängigen Modellpeptiden, der thermodynamischen Eigenschaften mit Methoden der FTIR-und CD-Spektroskopie sowie der Molekulardynamik-Simulationen [Roe05] wurden durchgeführt. Faltungsdynamische Studien an drei-strängigen Peptiden zeigen ultraschnelle Prozesse auf der Pikosekundenskala [Xu06; Voe09; Cra00; Dav14]. Mehrere Erklä- 1 Circulardichroismus. 67

78 4. Peptidsysteme rungen zum Faltungsprozess wurden dabei zur Diskussion gestellt. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Temperatursprungmessungen an dem drei-strängigen Peptid D P D P durchgeführt. Es konnten Relaxationsdynamiken an verschiedenen Wellenzahlen, die einzelne Komponenten der Sekundärstruktur repräsentieren, in einem weiten Temperaturbereich gemessen werden. Die gewonnenen Ergebnisse sollen zum Verständnis der zugrundeliegenden Faltungsmechanismen in β Faltblattstrukturen beitragen Untersuchte Peptide Sequenz Kurzbezeichnung SWTWEGKWTWK- 2 Trpzip2 AWAWEGKWAWK- 2 Trpzip2-C (WWWW) 2 Die in dieser Arbeit untersuchten β airpin-peptide basieren zum großen Teil auf der Trpzip2 - Sequenz: SWTWEGKWTWK- 2 [Coc01]. Trpzip2 enthält 12 Aminosäuren, wobei der Turn aus den Aminosäuren Asparagin () und Glycin (G) besteht und von einer Glutaminsäure (E) und einem Lysin (K) flankiert wird. Die Kombination der Dieder-Winkel φ und ψ in der Turn-Region gehört zu dem Turn-Typ I 3 [Ros85] (vgl. Kap ). Abbildung 4.2.: Tryptophan Zipper 2 (Trpzip2). Dreidimensionale Darstellung von Trpzip2. Zwei stabilisierende Tryptophan-Paare (blau und rot) sind hervorgehoben. Die gepaarten Tryptophane sind in der edge-to-face Stellung am Turn und an den Enden des Peptids zu finden. Quelle: PDB-Datenbank 1LE1. 2 Trpzip2-C mit vier Tryptophanen (W) an den Positionen 2, 4, 9, 11 wird als WWWW abgekürzt. 3 φ i+1 = 60, ψ i+1 = 30, φ i+2 = 90, ψ i+2 = 0. 68

79 4.2. Untersuchte Peptide Ser Thr Glu Trp Trp Trp Trp Lys Thr Lys Asn Ala Ala Glu Trp Trp Trp Trp Lys Ala Lys Asn Trpzip2 SWTWEGKWTWK- 2 Trpzip2-C AWAWEGKWAWK- 2 Abbildung 4.3.: Schematische Darstellung von Trpzip2 und Trpzip2-C. Im Falle von Trpzip2-C befindet sich an Positionen 1, 3 und 10 die Aminosäure Alanin. Die Turnsequenz Asparagin- Glycin (G) und der hydrophobe Kern, der aus vier Tryptophanen besteht, bleiben erhalten. Vier Tryptophane (W), deren Seitenketten durch π π-wechselwirkungen den hydrophoben Kern und somit die β airpinstruktur zusätzlich stabilisieren, sind in zwei Paaren angeordnet (Abb. 4.2). Zum Vergleich der Experimentalergebnisse wurde eine Trpzip2 -Variante verwendet, bei der sich die Aminosäure Alanin an Positionen 1, 3 und 10 befindet (siehe Abb. 4.3). Diese ist als Trpzip2-C bezeichnet und wird im Folgenden mit WWWW abgekürzt. Diese Modifikation hat keinen Einfluss auf die β airpin-struktur sowie eine geringe Veränderung der thermischen Stabilität von Trpzip2-C im Vergleich zu Trpzip2 zufolge Trpzip2 -TG Sequenz SWTWETGKWTWK- 2 Kurzbezeichnung Trpzip2-TG 2 C C C 2 C 2 2 C C C C Ser Thr Glu Trp Trp Trp Trp Lys Thr Lys Thr Asn Thr Trpzip2-TG SWTWETGKWTWK- 2 (a) Mutation im Turn von Trpzip2-TG. (b) Schematische Darstellung von Trpzip2-TG. Abbildung 4.4.: Die untersuche Trpzip2 -Turnvariante Trpzip2 -TG. Die polare, ungeladene Aminosäure Asparagin (Asn, ) wird durch eine ebenfalls polare und ungeladene Aminosäure Threonin (Thr, T) ersetzt. Die modifizierte Aminosäure ist farbig hervorgehoben. 69

80 4. Peptidsysteme Bei der Variante Trpzip2 -TG ist ein Asparagin () im Turn von Trpzip2 durch eine andere, polare und ungeladene Aminosäure, Threonin (T), ersetzt (Abb. 4.4 (a)). In der Abbildung 4.4 (b) ist die mutierte Region farbig unterlegt. Die thermische Stabilität und Konformationsdynamik nach der Turnmodifikation wurden untersucht und mit den Werten des Trpzip2 verglichen. Damit können genauere Aussagen über die Rolle der Turnresiduen im Faltungsprozess, insbesondere deren Einfluss auf die Ratenkonstanten der Faltung bzw. Entfaltung, gemacht werden Trpzip2 Valin- und Tyrosinmutanten Sequenz Kurzbezeichnung 4 SWTVEGKVTWK (WVVW) SVTWEGKWTVK (VWWV) SWTYEGKYTWK- 2 (WYYW) SYTWEGKWTYK- 2 (YWWY) SWTYEGKWTYK- 2 (WYWY) Um die aromatischen und hydrophoben intra-molekularen Kräfte, die einen großen Beitrag zur Stabilisierung des Peptids leisten, untersuchen zu können, wird jeweils ein Paar der vier Tryptophane innerhalb der Trpzip2 -Sequenz an Positionen 2, 4, 9 und 11 durch die Aminosäuren Valin und Tyrosin ersetzt (Abb. 4.5). Im ersten Fall ist die aliphatische Aminosäure Valin (V) (i) am Turn an den Positionen 4 und 9 (WVVW) und (ii) in der ähe des Carboxylund des Amino-Terminus an den Positionen 2 und 11 (VWWV) mutiert. Ähnlich zu den Valinvarianten wurde im zweiten Fall eine ebenfalls aromatische Aminosäure, Tyrosin (Y), anstelle von Tryptophan (W) in die Sequenz eingebracht. Sie wurde (i) am Turn (WYYW), (ii) in der ähe der Termini (YWWY) und (iii) in den gegenüberliegenden Positionen 4 und 11 (am Turn und am Carboxyl-Ende (WYWY)) mutiert. Die Abbildungen 4.6 und 4.7 zeigen alle untersuchten Varianten mit dazugehöriger Sequenz und die farbig markierten modifizierten Positionen. 5 Es werden hier die thermodynamischen Parameter, wie die Übergangstemperatur T m der thermischen Entfaltung, und die zeitaufgelöste Faltungsdynamik untersucht, um den Einfluss der Mutation auf den Faltungs- bzw. Entfaltungsprozess und damit den Beitrag 4 Die Position der ersetzten Tryptophane wird verdeutlicht, indem Trpzip2-C mit Tryptophanen an den Stellen 2, 4, 9, 11 als WWWW abgekürzt wird. Danach richtet sich die Kurzbezeichnung der untersuchten Varianten, wobei die mutierte Tryptophanposition mit einem anderen Buchstaben für die neue Aminosäure gekennzeichnet ist z.b. VWWV. 5 Eine Valin-Variante ist in der Abbildung nicht gezeigt, da sie keine stabile β airpin Struktur ausbildet [Wu10]. 70

81 4.2. Untersuchte Peptide der hydrophoben Wechselwirkungen zur Proteinfaltung bestimmen zu können. 2 C C C 2 2 C C C C 3 C 3 Val Trp 2 C C C 2 Tyr Abbildung 4.5.: Mutation von Tryptophanen: Trp Val, Trp Tyr. Das stabilisierende aromatische und hydrophobe Tryptophan (Trp, W) wird durch die hydrophobe Aminosäure Valin (Val, V) bzw. die ebenfalls aromatische Aminosäure Tyrosin (Tyr, Y) ausgetauscht. Auf der ydrophobizitätsskala liegt Valin vor Tyrosin und Tryptophan [Ros93]. 3 + Ser Thr Glu Val Trp Val Trp Lys Thr Lys Asn Trpzip2-VWWV SVTWEGKWTVK 3 + Ser Thr Glu Trp Val Trp Val Lys Thr Lys Asn Trpzip2-WVVW SWTVEGKVTWK Abbildung 4.6.: Die untersuchen Valin-Varianten. Die modifizierten Regionen und Aminosäuren sind farbig hervorgehoben. Die Valin-Varianten haben ein durch Valine ersetztes Tryptophanpaar am Turn (WVVW) bzw. an den Enden des Peptids (VWWV). 71

82 4. Peptidsysteme Ser Thr Glu Tyr Trp Tyr Trp Lys Thr Lys Asn Trpzip2-YWWY SYTWEGKWTYK Ser Thr Glu Trp Tyr Trp Tyr Lys Thr Lys Asn Trpzip2-WYYW SWTYEGKYTWK Ser Thr Glu Trp Tyr Tyr Trp Lys Thr Lys Asn Trpzip2-WYWY SWTYEGKWTYK- 2 Abbildung 4.7.: Die untersuchen Tyrosin-Varianten. Drei Peptide mit unterschiedlichen Mutationspositionen (YWWY, WYYW und WYWY) wurden untersucht. Die Stellen, an denen das Tryptophanpaar ersetzt wurde, sind in der Abbildung farbig unterlegt. 72

83 4.2. Untersuchte Peptide WVYY-pG (B2pG) Sequenz SWTVEpGKYTYK- 2 Kurzbezeichnung B2pG (WVYY-pG) Ser Thr Glu Trp Tyr Val Tyr Lys Thr Lys Abbildung 4.8: Schematische Darstellung von WVYY-pG. Das Design des Peptids ist an Trpzip2 angelehnt. Durch die Reihenfolge der Residuen entsteht eine amphiphile Struktur mit einem hydrophoben Kern (WVYY) und dem pg-turn. Das Design des Peptids ist dem Trpzip2 -Peptid nachempfunden. Die Struktur ist neben Wasserstoffbrücken sowohl durch die aromatischen Wechselwirkungen und den hydrophoben Kern (WVYY) als auch durch die Sequenz D P rolin Glycin (pg), die eine Turnbildung begünstigt, stabilisiert. Die Konformationsdynamik von WVYY-pG wird studiert und mit den in dieser Arbeit untersuchten Trpzip2 -Varianten verglichen Drei-strängiges Peptid D P D P Sequenz Ac-VFITSpGKTYTEVpGKILQ- 2 Kurzbezeichnung D P D P Val rn Val Ile Ser Phe Thr Thr Thr Glu Tyr Lys Lys Ile Leu Gln 2 Abbildung 4.9: Schematische Darstellung von D P D P. Die drei anti-parallel ausgerichteten Stränge sind durch zwei enge pg-turns verbunden. Das Peptid, dessen Termini amidiert bzw. acetyliert sind, enthält 20 Residuen, von denen D Prolin (p) und rnithin () nichtproteinogen sind. Um einer Aggregation vorzubeugen, ist die Sequenz so gewählt, dass das Peptid bei einem sauren p-wert positiv geladen ist. Die starke eigung der Aminosäurekombination pg zur Turnbildung wurde ausgenutzt, um 73

84 4. Peptidsysteme in wässriger Umgebung eine stabile monomere Sekundärstruktur zu erhalten, bei der drei β Stränge in anti-paralleler Ausrichtung durch zwei Typ II -Turns miteinander verbunden sind. Zum ersten Mal wurde D P D P von Schenck et al. synthetisiert und beschrieben [Sch98] Synthese und Aufreinigung der Peptide Die Trpzip2 Turnmutante Trpzip2 -TG, die Trpzip2 -Tyrosinmutanten WYYW, YWWY, WYWY sowie das Peptid WVYY-pG, die im Rahmen dieser Arbeit experimentell untersucht wurden, sind von der kooperierenden Forschungsgruppe von Prof. Timothy A. Keiderling vom Department of Chemistry an der University of Illinois at Chicago zur Verfügung gestellt worden. Die Trpzip2 -Varianten VWWV und WVVW sind ursprünglich von der Firma GenScript Corp. 6 erworben worden. Ebenso wurde das dreisträngige Peptid D P D P extern von der Firma Scilight Biotechnology LLC 7 synthetisiert. Trpzip2 -TG, WYYW, YWWY, WYWY sowie WVYY-pG sind in der Arbeitsgruppe von Prof. Keiderling mittels einer FMC basierten Festphasenpeptidsynthese [Mer63] hergestellt worden. Diese Methode erlaubt es, mit einem relativ geringen Aufwand Peptide zu synthetisieren und verschiedenartige Modifikationen an der Polypeptidkette vorzunehmen. Sowohl der einfache Austausch von einzelnen Aminosäuren, der Einbau von isotopenmarkierten ( 13 C) oder von unnatürlichen Aminosäuren (z.b D Prolin) als auch das Einbringen von anderen molekularen Sonden (z.b. Azide) ist möglich. Bei diesem Verfahren werden einzelne Aminosäuren sequenziell aneinander gekoppelt. Die erste Aminosäure wird durch einen Linker am Carboxyl-Ende immobilisiert und am Amino-Ende mit der nächsten Aminosäure verknüpft, wobei mehrere Zwischenschritte zur Aktivierung und zum Anbringen von Schutzgruppen erfolgen. So verläuft die Synthese hier üblicherweise vom C- zum -Terminus, also in der umgekehrten Richtung als bei der Proteinbiosynthese in der Zelle. Während des gesamten Vorgangs befindet sich das Peptid immobilisiert auf einem unlöslichen Polymer. Das synthetisierte Produkt wird anschließend mittels einer Lösung, die unter anderem TFA (Trifluoressigsäure) enthält, vom Träger getrennt und durch reversed-phase PLC 8 analysiert und gereinigt. Die Charakterisierung der Ausbeute erfolgt durch MALDI-MS 9 -Verfahren, während dessen das gewünschte Peptid in einer Mischung mit ebenprodukten identifiziert wird. Für spektroskopische Infrarotexperimente muss TFA durch Lyophilisation entfernt werden (siehe Abschnitt 3.4), da sie eine intensive, störende Absorptionsbande im Amid I-Bereich besitzt. b die hergestellten Mutanten eine wohldefinierte β airpin-struktur zeigen, wurde durch igh Performance Liquid Chromatography PLC. 9 Matrix-assisted Laser Desorption/Ionization Mass Spectrometry MALDI-MS. 74

85 4.2. Untersuchte Peptide MR TCSY und ESY-, CD- und statische IR-Messungen verifiziert [Wu10]. Für alle hier untersuchten Peptide konnte eine β airpin Form mit einer für β Faltblatts typischen Verdrillung [Pau51b; Cho83; Coc01] bestätigt werden. 75

86 76

87 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Zu den häufigsten Sekundärstrukturelementen von Proteinen gehören β Faltblätter, die aus durch Turns verbundenen β Strängen zusammengesetzt sind. Die einfachste Form bestehend aus zwei Strängen und einem Turn wird β airpin genannt und kann in Proteinstrukturen sowohl als Bestandteil eines größeren β Faltblatts als auch einzeln vorkommen. Meist sind dabei die β Stränge anti-parallel ausgerichtet und liegen räumlich nah beieinander. eben intra-molekularen Wasserstoffbrücken stabilisieren weitere Wechselwirkungen das β airpin, die stark von den einzelnen Residuen in der Aminosäuresequenz abhängen. Das künstliche Peptid Trpzip2 ist ein vielfach untersuchtes Modellsystem, das eine wohldefinierte und stabile β airpin Form annimmt. Die statischen und zeitaufgelösten Experimente an Varianten 77

88 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik des Trpzip2 -Peptids sollen dazu beitragen, mithilfe von Mutationen wichtige Interaktionen und grundlegende Prinzipien des Proteinfaltungsmechanismus zu enthüllen. Die Bedeutung der Turnresiduen und der an hydrophoben Wechselwirkungen beteiligten Aminosäuren für die Peptiddynamik wird in diesem Kapitel beleuchtet. Als Referenzpeptid wird eine Trpzip2 -Variante, Trpzip2-C 1, zum Vergleich der experimentellen Ergebnisse herangezogen. Trpzip2-C hat Alanine (A) an Positionen 1, 3 und 10 anstatt eines Serins an Position 1 und zwei Threonine an Positionen 3 und 10. Ansonsten gleicht die Aminosäuresequenz von Trpzip2-C der von Trpzip2. Der für die Stabilität des β airpins wichtige hydrophobe Kern, welcher sich aus vier Tryptophanen (W) an Positionen 2, 4, 9 und 11 zusammensetzt, bleibt erhalten. Die thermische Stabilität bei saurem p-wert, bei dem die Messungen in Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurden, ist im Vergleich zu Trpzip2 leicht herabsetzt. Trpzip2-C bildet ebenfalls eine β airpin-struktur, was durch MR-Daten belegt wurde [au08]. Außerdem ist die Kinetik des Referenzpeptids Trpzip2-C durch die leicht modifizierte Sequenz kaum beeinflusst Turn Stabilität: Trpzip2 -TG Ser Thr Glu Trp Trp Lys Thr Lys Trp Trp C C 3 Abbildung 5.1.: Strukturschema von Trpzip2 -TG. Die stabilisierenden Tryptophane sind auf gegenüberliegenden Strängen und in zwei Paaren am Turn und am Ende des Peptids angeordnet. Die modifizierte Turnsequenz G TG ist farbig hervorgehoben. Die Trpzip2 -TG Variante hat im Vergleich zu Trpzip2 eine modifizierte Turnsequenz, die in der Abbildung 5.1 farbig dargestellt ist. Die Turnsequenz Asparagin-Glycin G ist hier durch Threonin-Glycin TG ersetzt. Es ist bekannt, dass bestimmte Aminosäuren die Bildung eines Turns begünstigen wie beispielsweise Glycin bzw. Prolin oder diesen verhindern. Um die Entstehung von Wasserstoffbrückenbindungen zu ermöglichen, muss der Turn eine pas- 1 Im Folgenden als WWWW abgekürzt. 78

89 5.1. Turn Stabilität: Trpzip2 -TG sende Positionierung der β Stränge begünstigen. ft ist Asparagin Bestandteil enger Turns. Allerdings genügt die Kombination Asparagin-Glycin G zur Turnbildung nicht. Diese wird von hydrophoben Wechselwirkungen unterstützt. Zum besseren Verständnis der Bedeutung, welche die Turnaminosäuren für die Stabilität und Dynamik eines Peptids bzw. Proteins einnehmen, wird in diesem Experiment Asparagin () durch Threonin (T) substituiert. Die thermodynamische Stabilität und die Relaxationsdynamik der Trpzip2 -TG Variante zeigen Abweichungen im Vergleich zum Trpzip Statische FTIR-Spektren Trpzip2 -TG A / D Trpzip2 TG 1700 T FA 1650 Wellenzahl / cm C 11 C 15 C 20 C 25 C 30 C 35 C 40 C 45 C 49 C 54 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C 84 C 1550 A / md 150 Trpzip2 TG T FA Wellenzahl / cm C 11 C 15 C 20 C 25 C 30 C 35 C 40 C 45 C 49 C 54 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C 84 C 1550 Abbildung 5.2.: FTIR-Gleichgewichtsspektren von Trpzip2 -TG. Links: temperaturabhängige Absorptionsspektren. Rechts: temperaturabhängige Differenzspektren. Der graue Balken zeigt eine störende TFA-Absorptionsbande, welche die Peptidbanden überdeckt, und enthält keine Informationen über die Struktur bzw. die strukturellen Umwandlungen von Trpzip2 -TG. Die Peptidprobe Trpzip2 -TG wurde direkt in D 2 gelöst. In diesem Fall wurde die Lyophilisierung aus Zeitgründen übersprungen, da TFA bis auf eine intensive Absorptionsbande im Amid I -Bereich keine strukturellen Einflüsse auf Trpzip2 -TG aufweist sowie keine störenden Signalkomponenten zur Peptiddynamik beiträgt. Der resultierende pd Wert lag im sauren Bereich bei pd TG = 2, 8. Die Abbildung 5.2 zeigt die FTIR-Absorptions- und Differenz- Spektren nach der Lösungsmittelkorrektur im thermischen Gleichgewicht. Im Absorptionsspektrum 5.2 ist bei tiefen Temperaturen die intensive niederfrequente β airpin-bande bei ν β = 1635 cm 1 zu erkennen. Die TFA-Bande bei ν TFA = 1673 cm 1 überdeckt den Teil des Spektrums, in dem sich normalerweise die schwache hochfrequente Bande eines β airpins findet. Mit steigender Temperatur nimmt die Intensität der β airpin- Bande ab, während die Absorbanz im hochfrequenten Spektralbereich eher zunimmt. Die thermische Entfaltung verschiebt das Gleichgewicht in Richtung der ungeordneten Struktur, 79

90 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik die im Amid I -Bereich eine Bande um ν = 1650 cm 1 aufweist. Das Differenzspektrum zeigt nur die temperaturabhängigen spektralen Änderungen in Bezug auf das Ausgangsspektrum bei T = 6 C. ier lässt sich die Bande für den Zerfall der β Struktur mit dem Maximum bei ca. ν β = 1630 cm 1 und für das Entstehen der ungeordneten Struktur bei ungefähr 1670 cm 1 beobachten, wobei diese Absorptionsbande von der TFA-Bande überlagert ist. Die Identifizierung dieser Banden ist für die Messung von Relaxationskinetiken in Temperatursprungexperimenten notwendig. ier ist die Änderung des Signals pro Temperatursprung ( A/ T) am größten, was für die Beobachtung von Kinetiken von Vorteil ist. Eine weitere Auswertung der FTIR-Daten soll die Übergangstemperatur T m des Peptids liefern. Legt man der thermischen Entfaltungsreaktion von Trpzip2 -TG ein Zwei-Zustandsmodell ohne beobachtbare Zwischenzustände zugrunde, so lässt sich die thermische Denaturierung mit folgender Funktion beschreiben [Cra00]: S obs (T ) = (y F + m F T ) + (y U + m U T ) K 1 + K (5.1) Die Entfaltungskurve S obs (T) beschreibt den Verlauf der Absorbanz bei einer bestimmten Wellenzahl in Abhängigkeit von der Temperatur. Dabei repräsentieren die beiden linearen Basislinien g F = y F + m F T und g U = y U + m U T den Verlauf der Funktion S obs (T), wenn sich das Peptid im gefalteten (F) bzw. entfalten (U) Zustand befindet. Für das Trpzip2 -TG wurde die Wellenzahl ν = 1635 cm 1 ausgewertet. K steht für die Gleichgewichtskonstante im Zwei-Zustandsmodell (vgl. Gl. 2.10): K = exp ( G(T ) ) RT (5.2) Die Gibbs-elmholtz-Gleichung beschreibt die Temperaturabhängigkeit der freien Enthalpie G U während der Entfaltung: G U = m (1 T ) ) + C p (T T m T ln TTm T m (5.3) Die Übergangstemperatur ist hier mit T m, mit m die Enthalpieänderung an der Temperatur T m und die Änderung der Wärmekapazität mit C p zwischen dem gefalteten (F) und entfalteten (U) Zustand bezeichnet [D01]. Wird K in Gleichung 5.2 mithilfe der Gleichung 5.3 ausgedrückt und in Gleichung 5.1 eingesetzt, kann der resultierende Ausdruck für S obs (T) an die experimentellen Daten angepasst werden. 80

91 5.1. Turn Stabilität: Trpzip2 -TG Es können weitere Annahmen getroffen werden, um die Fit-Prozedur zu vereinfachen und damit die Fehleranfälligkeit der Anpassung zu reduzieren. Für die Probe Trpzip2 -TG wurde die Änderung der Wärmekapazität C p 0 gesetzt, eine lineare Basislinie im gefalteten Temperaturbereich angenommen (g F = y F + m F T) und zusätzlich eine flache Basislinie für den denaturierten Zustand gesetzt (d.h. mit Steigung m U =0, sodass y U = const. ist) [ua09]. Damit können Fehler im Fit für die Größen T m, m relativ gering gehalten werden und folglich verlässliche Resultate ermittelt werden. [ ] exp (1 T RT T m ) S obs (T ) = (y F + m F T ) + y U [ ] (5.4) 1 + exp (1 T RT T m ) wobei y F und y U rdinatenachsen-abschnitte der jeweiligen Basislinie sind. Mit m F ist die Steigung der Basislinie im gefalteten Zustand bezeichnet, R = 8, kj mol K ist die allgemeine Gaskonstante. Als freie Fitparameter dienen die Übergangstemperatur T m und die Änderung der Enthalpie m [Swi93]. Die Abbildung 5.3 zeigt die experimentellen Daten und die erhaltene Fitkurve für Trpzip2 -TG. Absorbtion / D Trpzip2-TG 1635 cm -1 Fit T m = (328 1) K Temperatur/ K Abbildung 5.3.: Übergangstemperatur von Trpzip2 -TG. 81

92 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Als Resultat bekommt man für die Übergangstemperatur T TG m = 328 K( = 55 C), wobei Trpzip2 -TG in D 2 bei pd 2,8 gemessen wurde. In der Publikation von [Wu11] wird für Trpzip2 -TG eine Übergangstemperatur mit T m = 318 K angegeben. Die Probe wurde hier jedoch in Phosphatpuffer bei neutralem p gemessen. Im Vergleich zum Trpzip2, das T m = 340 K bei saurem p zeigt [Wu09], ist die Sekundärstruktur von Trpzip2 -TG aufgrund des flexiblen TG Turns destabilisiert. PEPTID T m (K) Trpzip2 340 [Wu09] p sauer Trpzip2 -TG 328 pd 2,8 Tabelle 5.1.: Übergangstemperatur T m von Trpzip2 -TG. Die Aminosäure Tyrosin hat eine destabilisierende Wirkung auf die Sekundärstruktur von Trpzip2 -TG. Der T m -Wert wurde aus den statischen FTIR-Spektren bestimmt Zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen an Trpzip2 -TG Zeitaufgelöste Experimente am Trpzip2 -TG-Peptid wurden mit dem Temperatursprung-IR- Spektrometeraufbau am Institut für Biophysik in Frankfurt vor Umzug und euaufbau der Apparatur durchgeführt. Der wesentliche Unterschied zum Aufbau in Konstanz besteht in der Infrarot-Abtastlichtquelle. Zuvor wurden Bleisalz-Laserdioden verwendet, um CW-Laserstrahlung zu erzeugen. Der genaue Aufbau lässt sich in [Kre08] nachlesen. Die IR-Dioden konnten nur bestimmte Moden an einzelnen Wellenlängen erzeugen, womit der Amid I- Bereich nicht lückenfrei abgetastet werden konnte. Zudem hatte die relativ geringe Intensität der Bleisalz-Laserdioden das Signal-Rausch (S/R) Verhältnis verschlechtert. Dennoch konnten Daten an den Wellenzahlen ν 1 = 1641 cm 1 und ν 2 = 1663 cm 1 in einem weiten Temperaturbereich aufgenommen werden, wobei die Messungen an ν 1 = 1641 cm 1 bei niedrigen Temperaturen (T start < 23 C) aufgrund des schlechten S/R-Verhältnisses nicht ausgewertet werden konnten. Eine bi-exponentielle Fitfunktion wurde an die Messdaten in einem Zeitintervall von 0, 5 µs und 200 µs angepasst und Relaxationskonstanten für das Peptid und das Lösungsmittel D 2 bestimmt (vgl. Unterabschnitt Aufnahme und Auswertung der Messdaten ). Die Temperatursprunggröße lag im Bereich von T = 7 12 C. Die Tabelle 5.2 fasst die gemessenen Relaxationszeitkonstanten für das Trpzip2 -TG zusammen. Die entsprechenden End-Temperaturen und der jeweilige Temperatursprung sind ebenfalls angegeben. Für die Interpretation der Relaxationszeiten ist nämlich nicht die Start- 82

93 5.1. Turn Stabilität: Trpzip2 -TG sondern die End-Temperatur T end von Bedeutung. Die öhe des Temperatursprungs und die Start-Temperatur ist lediglich für Systeme wichtig, die während des Faltungsprozesses keine freie Enthalpiebarriere zu überwinden haben (downhill folding) [Eat99; Lin13]. Repräsentative Peptidtransienten mit dazugehörigen Fits sind für den Zerfall der β airpin- Struktur in der Abbildung 5.4 und für das Entstehen der ungeordneten Struktur in der Abbildung 5.5 gezeigt. Die D 2 Dynamik ist nach dem bi-exponentiellen Fit rechnerisch subtrahiert worden, sodass nur die reine Trpzip2 -TG Dynamik auf der logarithmischen Skala bis 200 µs zu sehen ist. TRPZIP2 -TG T Temperatur Sprung T end ( C) T end (K) RELAXATISZEIT τ obs (µs ) 11, ,1 ± 1, cm 1 11, ,8 ± 0,2 (β airpin-bande) 10, ,3 ± 0, ,3 ± 14, ,6 ± 0, cm 1 9, ,1 ± 0,5 (random coil -Bande) 7, ,5 ± 0,4 7, ,8 ± 0,7 Tabelle 5.2.: Relaxationszeiten von Trpzip2 -TG. An beiden Wellenzahlen zeigt die Entfaltungsdynamik entsprechend dem Arrheniusmodell ein temperaturabhängiges Verhalten. Die Größe des Temperatursprungs lag zwischen 7 und 12 C. Wie bereits für andere Trpzip2 Varianten sowie helikale Peptide beobachtet, wird die Relaxationszeit τ obs mit steigender Temperatur schneller. Das Arrhenius-Verhalten wird für die beiden Wellenzahlen, welche die β airpin-dynamik und das Entstehen der ungeordneten Struktur repräsentieren, beobachtet. Es lassen sich jedoch Zeitkonstanten erst ab einer Temperatur von T = 30 C vergleichen, da das Signal an der Wellenzahl für die β airpin- Bande ν =1641 cm 1 bei niedrigen Temperaturen sehr schwach war und folglich die Auswertung unmöglich machte. Im och-temperaturbereich (T > 30 C) zeigen die Konstanten τ obs an beiden Wellenzahlen keine Abweichungen voneinander. Für den Tief-Temperaturbereich (T < 30 C) lässt sich dagegen aufgrund der fehlenden Daten kein Vergleich ziehen. Trpzip2 - Varianten mit einem G-Turn zeigen einen ähnlichen Verlauf der Zeitkonstanten im och- Temperaturbereich, aufgrund höherer Übergangstemperatur jedoch erst bei Temperaturen über T = 52 C. Zudem besitzt Trpzip2 mit dem G-Turn insgesamt schnellere Relaxationszeiten als Trpzip2 -TG [au10]. Die Auswertung der Arrhenius-Plots zeigt dementsprechend eine 83

94 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik 0 Trpzip2-TG, 35 C Fit 17,1 µs A / md Trpzip2-TG, 43 C Fit 6,8 µs A / md Trpzip2-TG, 50 C Fit 3,3 µs A / md Zeit / µs Abbildung 5.4.: Absorptionstransienten von Trpzip2 -TG bei 1641 cm 1. Die Daten zeigen die reine Peptidkinetik nach Abzug des Lösungsmittelbeitrags. Die rote Linie zeigt einen monoexponentiellen Verlauf des Zerfalls der β airpin-struktur. 84

95 5.1. Turn Stabilität: Trpzip2 -TG 10 Trpzip2-TG, 17 C Fit 47,3 µs Trpzip2-TG, 24 C Fit 21,6 µs 8 A / md Trpzip2-TG, 33 C Fit 16,1 µs Trpzip2-TG, 39 C Fit 11,5 µs A / md Trpzip2-TG, 47 C Fit 2,8 µs Zeit / µs A / md Zeit / µs Abbildung 5.5.: Absorptionstransienten von Trpzip2 -TG bei 1663 cm 1. Die Daten zeigen die reine Peptidkinetik. Die transienten Absorptionen des Trpzip2 -TG zeigen eine mono-exponentielle Zunahme der ungeordneten Struktur. 85

96 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Zeitkonstanten obs / µs 50 Trpzip2-TG 1641 cm cm ln ( k (s -1 )) Trpzip2-TG 1641 cm cm Temperatur / C /T x 10-3 (1/K) Abbildung 5.6.: Übersicht der Relaxationszeiten und Arrheniusplot zu Trpzip2 -TG. Links: Die Relaxationszeiten zeigen eine Temperaturabhängigkeit. Die gestrichelte Linie zeigt den Trend für den kompletten Datensatz bei ν =1663 cm 1. Die durchgezogene Linie berücksichtigt nur den och-temperaturbereich (T > 30 C). Rechts: Die durchgezogenen Linien zeigen die Anpassung der Daten an die Arrhenius-Gleichung in logarithmischer Form ln(k) = E a /(RT) ln(a). Die Fitergebnisse sind in der Tabelle 5.3 zu finden. Zum besseren Vergleich wurde der Fitintervall für beide Wellenzahlen auf dengleichen och- Temperaturbereich (T > 30 C) beschränkt, der für die Bestimmung und den Vergleich von E a -Werten benutzt wurde. deutlich höhere Energiebarriere für die Trpzip2 -TG-Variante, diese ist um einen Faktor ~3 höher im Vergleich zum Referenzpeptid WWWW (Abb. 5.6). Viele Turnsequenzen beinhalten die Aminosäure Asparagin (). In Kombination mit der Aminosäure Glycin (G), die alleine für die Ausbildung eines Turns jedoch nicht ausreicht, ist die Turnregion in Verbindung mit Wasserstoffbrücken zwischen den β Strängen ziemlich stabil. Eine Destabilisierung des Turns durch Einbringen von Threonin (T) würde im Falle des Zwei-Zustands-Modells die Gleichgewichtskonstante der Faltung K eq,f = k F /k U reduzieren. Unter der Annahme, dass die Ratenkonstante der Entfaltung k U konstant bleibt, muss k F einen kleineren Wert annehmen. Dies wiederum verringert die gemessene Ratenkonstante k obs = k F + k U, die gleich der inversen Relaxationszeitkonstanten k obs = 1/τ obs ist. Im niedrigen Temperaturbereich T < 30 C ist zu erwarten, dass sich die Relaxationszeitkonstanten für die Wellenzahlen der ungeordneten Struktur (1663 cm 1 ) und des β airpins TRPZIP2 -TG 1641 cm cm 1 E a ( kj/mol) 90,8 ± 1,6 103,7 ± 28,9 Tabelle 5.3.: Aktivierungsenergie von Trpzip2 -TG. Die experimentell bestimmten Aktivierungsenergien stimmen innerhalb der Fehlergrenzen überein. 86

97 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten (1641 cm 1 ) unterscheiden und somit den multi state-faltungsmechanismus, der die Existenz von Zwischenzustände voraussetzt, widerspiegeln (vgl. Abb. 5.6). Die langsameren Relaxationskinetiken deuten auf eine höhere Energiebarriere im Vergleich zum Trpzip2-Peptid, wobei die Steigung der Raten im Arrhenius-Plot an beiden Wellenzahlen ähnlich sind und einen 2 bis 3 mal höheren Wert aufweisen wie die von Trpzip2. Dagegen äußert sich die destabilisierende Wirkung von Threonin (T) im Turn in einer tieferen Übergangstemperatur T m. Daran ist festzustellen, dass die Modifikation der Turnresiduen sich in einer komplexen Weise auf den Faltungsvorgang des gesamten Peptids auswirkt und beim Design neuer Modellpeptide berücksichtigt werden muss ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valinund Tyrosinvarianten Absorbance Time (s) T F U 2 Ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zur gefalteten Struktur liegt in der ydrophobizität der Aminosäureseitenketten in der Proteinsequenz. Sie stabilisieren nicht nur die gefaltete Struktur, sie erleichtern und steuern die Ausformung der Sekundärstrukturelemente. Zur genaueren Untersuchung dieses Effektes eignen sich kleine Modellpeptide, die eine definierte Sekundärstruktur annehmen. Das Trpzip2-Peptid wird durch Tryptophan-Paare, die sich auf gegenüberliegenden β airpin-strängen befinden, stabilisiert, wobei hier die hydrophoben und aromatischen Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle spielen. Der Einfluss des hydrophoben Effektes kann genauer erforscht werden, indem seine Stärke reduziert wird, nämlich durch den Austausch von Tryptophanen mit anderen Aminosäuren (Valin, Tyrosin), die sich in ihrer ydrophobizität unterscheiden. Es soll die Frage geklärt werden, wie die 87

98 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik thermische Stabilität und die Kinetik durch gezielte Variation der hydrophoben Wechselwirkungen modifiziert werden. Damit können Aussagen über die Faltungspfade der untersuchten Trpzip2 -Varianten gemacht werden Valinvarianten: Trp Val 3 + Ser Thr Glu Val Trp Val Trp Lys Thr Lys Asn 3 + Ser Thr Glu Trp Val Trp Val Lys Thr Lys Asn TrpZip2-VWWV SVTWEGKWTVK TrpZip2-WVVW SWTVEGKVTWK Abbildung 5.7.: Strukturschema der Trpzip2 -Valinvarianten. Die in die Sequenz mutierten Residuen und die veränderte Strangregion sind farbig hervorgehoben. Bei diesen Peptidvarianten sind die gegenüberliegenden Tryptophane paarweise durch Valine ersetzt. Tryptophan besitzt aromatische, hydrophobe Eigenschaften, wohingegen aliphatisches Valin hydrophob und nicht-aromatisch ist. Auf der ydrophobizitätsskala werden den beiden Aminosäuren unterschiedlich hohe Werte zugeordnet [Kyt82], wobei Valin deutlich hydrophober ist als Tyrosin und Tryptophan. Wie bereits im Kapitel 4.2 detailliert erklärt, ist das Tryptophanpaar an den Enden der Aminosäurekette (VWWV) oder in der Turnnähe ersetzt (WVVW) (vgl. Abb. 5.7). Die Variante, bei der zwei Tryptophane an Positionen 2 und 9, die versetzt zueinander stehen, durch Valine ausgetauscht wurden, nimmt keine β airpin-konformation ein, da die Valin-Tryptophan Wechselwirkungen alleine nicht stark genug sind, um die β Struktur zu stabilisieren. ier deuten die MR-Spektren auf das Vorliegen der ungeordneten Struktur hin [Wu09]. Die statischen FTIR-Studien an den Valinvarianten WVVW und VWWV wurden von Mitarbeitern der Kooperationsgruppe von Prof. Keiderling durchgeführt. Aus den temperaturabhängigen Absorptionsspektren konnten die thermodynamischen Parameter T m, und S bestimmt werden. Die Übergangstemperatur T m liegt mit 311 K für VWWV und 317 K für WVVW mehr als 20 K unterhalb von T m des Referenzpeptids WWWW. Das ist ein direkter inweis auf eine strukturelle Destabilisierung der Valinvarianten aufgrund der Mutation des hydrophoben Kerns. Die MR-Daten bestätigten eine wohldefinierte β airpin-struktur, in der sich die Varianten VWWV und WVVW befinden [Wu09]. 88

99 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten Zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen an Valinvarianten Zeitaufgelöste Messungen an Trpzip2 Valin-und Tyrosinvarianten wurden am neu aufgebauten Temperatursprung-Spektrometer in Konstanz durchgeführt (siehe Kap ). Der gefittete Zeitbereich lag zwischen 0, 5 µs und 200 µs, wobei die Größe des Temperatursprungs in der ersten Messreihe bei etwa T = 1 2 C und in den nachfolgenden Messungen bei T = 4 6 C lag. Die Größe des Temperatursprungs hat sich nicht auf die aus dem Fit bestimmten Werte für τ obs ausgewirkt, entscheidend war lediglich die Endtemperatur T end der Probe. Die Abbildung 5.8 zeigt ausgewählte transiente Absorptionsänderungen für die beiden Valinvarianten nach der Lösungsmittelkorrektur. Entsprechend der gemessenen Wellenzahl ν ist eine zeitabhängige Ab- oder Zunahme der Absorption zu beobachten und wird jeweils dem Zerfall der β airpin-struktur ( ν =1628 cm 1 ) oder dem Entstehen der ungeordneten Struktur ( ν =1663 cm 1 ) zugeschrieben. Zu beobachten ist eine Temperaturabhängigkeit der Transienten für beide Wellenzahlen, die entsprechend dem Arrhenius-Modell mit steigender Temperatur kürzere Relaxationszeiten zeigen (Tab. 5.4). Die VWWV-Variante zeigt keine Abweichungen in den Relaxationszeiten für den Zerfall der β airpin-bande und für die Entstehung der random coil Bande (vgl. Abb. 5.9 und 5.10 links). Sie besitzt nicht nur die niedrigste Übergangstemperatur T m aller Valin- und Tyrosinvarianten, sondern auch die schnellsten Relaxationszeiten (siehe Tabelle 5.4). Bei der WVVW-Variante zeigt sich dagegen ein Unterschied der Dynamiken für tiefere Temperaturen unterhalb von ~25 C (Abb rechts). Ähnlich zum Referenzpeptid WWWW ist der Zerfall des β airpins schneller als die Zunahme der ungeordneten Struktur. Die temperaturabhängigen Verläufe von WWWW- Relaxationszeiten bei 1625 cm 1 und 1661 cm 1 ist in Abbildung 5.9 zum Vergleich gezeigt [au08]. Bei hohen Temperaturen jedoch stimmen die Zeiten zum großen Teil überein. Zudem gleichen die Zeiten für den WVVW-airpinzerfall denen von WWWW, verglichen mit VWWV sind sie jedoch etwas langsamer. Die Dynamik der ungeordneten Struktur für WVVW ist ebenfalls gegenüber VWWV verlangsamt, ähnelt allerdings der Dynamik der Tyrosinvarianten (Kapitel 5.2.2). Aus den Arrhenius-Plots lassen sich Werte für die Aktivierungsenergie E a bestimmen (Abb. 5.10). Je steiler die Steigung der Fitgeraden ist, desto höher ist die zu überwindende Energiebarriere einer Reaktion (Tab. 5.8). Für die VWWV-Variante werden vergleichbare Werte gefunden, für WVVW allerdings sind sie deutlich verschieden. 89

100 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Absorbance (md) cm cm C 24.8 C 26.3 C 31.1 C Absorbance (md) cm cm C 9.9 C 11.1 C 26.4 C Time (s) Time (s) (a) VWWV (b) WVVW Abbildung 5.8.: Repräsentative Relaxationskinetiken von VWWV und WVVW. Für jede Valinvariante sind vier transiente Absorptionsänderungen mit der dazugehörigen Endtemperatur dargestellt. Die Datenanpassung erfolgte durch einen bi-exponentiellen Fit (Peptid+Lösungsmittel). Abgebildet sind Relaxationsdynamiken des Peptids nach Abzug der Lösungsmittelkomponente. Relaxation Time ( s) VWWV 1628 cm -1 VWWV 1663 cm -1 WWWW 1625 cm -1 WWWW 1661 cm -1 Relaxation Time ( s) 12 WVVW 1628 cm -1 WVVW 1663 cm WWWW 1625 cm -1 8 WWWW 1661 cm Temperature ( C) Temperature ( C) Abbildung 5.9.: Übersicht der Relaxationszeiten der Valinvarianten. Die Abbildung zeigt die Temperaturabhängigkeit der Relaxationszeitkonstanten. Die durchgezogenen Linien stellen das Vergleichspeptid WWWW dar VWWV 1628 cm -1 VWWV 1663 cm WVVW 1628 cm -1 WVVW 1663 cm -1 ln ( k (s -1 )) ln ( k (s -1 )) /T x 10-3 (1/K) /T x 10-3 (1/K) Abbildung 5.10.: Arrhenius-Plots der Valinvarianten. Die experimentellen Daten für den Zerfall der β airpin-struktur (1628 cm 1 ) und die Entstehung der ungeordneten Form (1663 cm 1 ) wurden durch die Fitfunktion ln(k) = E a /(RT) + ln(a) angepasst. 90

101 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten 1628 cm 1 VWWV WVVW T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) 2,5 6,38 4,8 4,88 5,4 4,63 7,7 4,09 7,7 4,30 10,7 3,48 11,1 3,91 11,1 3,55 15,3 3,81 15,8 2,53 15,7 3,35 20,4 1,81 20,2 3,02 26,3 1,32 24,9 2,97 27,1 1,33 26,4 2,82 31,1 0,92 26,6 3,21 36,0 0,55 31,3 2, cm 1 VWWV WVVW T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) 2,5 7,89 4,6 4,99 5,1 6,67 7,5 4,02 7,6 6,03 9,6 3,71 9,9 6,47 11,1 3,31 15,0 4,88 15,2 2,66 15,1 4,83 19,1 2,00 19,1 3,74 24,8 1,53 24,6 2,67 29,6 1,24 25,3 2,71 34,7 0,87 29,4 2,21 39,3 0,79 34,5 1,82 35,1 1,80 39,3 1,44 44,8 1,22 45,0 1,36 49,5 0,99 54,6 0,68 54,9 0,87 Tabelle 5.4.: Übersicht von Relaxationszeiten der Valinmutanten VWWV und WVVW. Angegeben sind jeweils Endtemperaturen, die sich nach dem Temperatursprung einstellen. Die Peptidrelaxationszeiten wurden mittels bi-exponentiellem Fit bestimmt. Einige repräsentative Transienten sind in der Abbildung 5.8 zu finden. 91

102 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Tyrosinvarianten: Trp Tyr Ser Thr Glu Tyr Trp Tyr Trp Lys Thr Lys Asn Ser Thr Glu Trp Tyr Trp Tyr Lys Thr Lys Asn TrpZip2-YWWY SYTWEGKWTYK- 2 TrpZip2-WYYW SWTYEGKYTWK Ser Thr Glu Trp Tyr Tyr Trp Lys Thr Lys Asn TrpZip2-WYWY SWTYEGKWTYK- 2 Abbildung 5.11.: Strukturschema der Trpzip2 -Tyrosinvarianten. Die mutierten Residuen und die veränderten Peptidbereiche sind farbig markiert. In den neuen Varianten sind jeweils zwei Tryptophane am Turn, an den Peptidenden und in diagonaler Stellung durch Tyrosine ersetzt. Ähnlich wie Tryptophan (W) besitzt Tyrosin (Y) ebenfalls eine aromatische und hydrophobe Seitenkette. Beide Aminosäuren sind ähnlich stark hydrophob [Ros93]. Bei den Tyrosinvarianten wurden die Tryptophanpaare an dem Carboxyl- und dem Aminoende, am Turn und in der Diagonalstellung durch Tyrosinpaare ausgetauscht (Abb. 5.11), um den stabilen hydrophoben Kern bestehend aus vier Tryptophanen 2 zu modifizieren. Es zeigt sich, dass auch die aromatischen Tyrosinseitenketten ähnliche π π-wechselwirkungen, die im Trpzip2 bzw. Trpzip2-C (WWWW) zwischen den Tryptophanseitenketten bestehen, untereinander sowie mit anderen aromatischen Seitenketten (Tryptophan) ausbilden. Diese anziehenden Kräfte tragen entscheidend zur Stabilität der β Struktur bei. Alle drei Varianten, YWWY, WYWY und WYWY, nehmen eine wohldefinierte β airpin-form ein, wie MR-Daten zeigen [Wu10]. 2 Bei dem Referenzpeptid WWWW nehmen vier Tryptophane in der AS-Sequenz die Positionen 2, 4, 9 und 11 ein. 92

103 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten Statische FTIR-Spektren der Tyrosinvarianten Die statischen FTIR-Spektren im thermischen Gleichgewicht zeigen temperaturabhängige Absorptionsänderungen der untersuchten Tyrosinvarianten. Von besonderem Interesse ist der Spektralbereich der Amid I -Bande zwischen 1750 cm 1 und 1550 cm 1. ier lassen sich Änderungen der Sekundärstruktur eines Proteins am einfachsten verfolgen. Die FTIR-Spektren wurden zwischen T = 5 99 C mit einer Schrittweite T = 5 C aufgezeichnet. Für Messungen an WYWY wurde eine Standard-100 µm-dünnschichtküvette verwendet. Da ein geringes Probenvolumen zur Verfügung stand, wurden die Spektren für YWWY und WYYW in einer 10 µm Dünnschichtküvette aufgenommen. Die Konzentration der gelösten Peptide lag bei c 20 mg/ml. In der Abbildung 5.12 sind die Absorptions- und Differenzspektren der Tyrosinvarianten zusammengefasst. Alle Absorptionsspektren zeigen bei tiefen Temperaturen eine charakteristische Form für antiparalleles β Faltblatt mit einer schwachen hochfrequenten Bande bei ~1675 cm 1 und einer intensiven niederfrequenten Bande bei ~1636 cm 1. ach der thermischen Entfaltung ist ein einziges, breites Maximum bei ~1652 cm 1 zu sehen, welches der ungeordneten Struktur zugeordnet werden kann. In den Differenzspektren lassen sich die größten Änderungen im Spektrum genauer identifizieren. Als Referenzspektrum wurde dasjenige Spektrum genommen, welches bei der tiefsten Temperatur gemessen wurde. Die Temperaturverläufe der thermischen Peptidentfaltung sind für alle Tyrosinvarianten ähnlich. Der Zerfall der β Faltblatt-Bande und die Entstehung der random coil Bande sind an folgenden Positionen zu beobachten: YWWY 1632 cm 1 bzw cm 1, WYYW 1630 cm 1 bzw cm 1, WYWY 1631 cm 1 bzw cm 1. Ausgehend von diesem spektralen Datensatz ist für jede Variante eine Übergangstemperatur T m bestimmt worden 3 (Tab. 5.5). Die ausgewerteten Daten und die dazugehörigen Fitkurven sind in der Abbildung 5.13 dargestellt. Zur Berechnung der Übergangstemperatur T m wurde der Intensitätsverlauf im Absorptionsmaximum der intensitätsstarken, niederfrequenten β Faltblatt- Bande herangezogen. Für die YWWY und WYWY Mutanten sinkt T m deutlich, wohingegen der Wert für WYYW keine große Abweichung zum Referenzpeptid zeigt. Der Vergleich zwischen den Tyrosin- und Valinvarianten zeigt, dass die Valinvarianten die niedrigsten Übergangstemperaturen besitzen. 3 Genauere Beschreibung der Fitfunktion und der Auswertung wird im Unterkapitel gegeben. 93

104 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik A / D Trpzip2 YWWY 5 C 10 C 15 C 20 C 25 C 30 C 35 C 40 C 45 C 50 C 54 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C 84 C 89 C 94 C 99 C A / md Trpzip2 YWWY 5 C 10 C 15 C 20 C 25 C 30 C 35 C 40 C 45 C 50 C 54 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C 84 C 89 C 94 C 99 C Wellenzahl / cm Wellenzahl / cm A / D Trpzip2 WYYW Wellenzahl / cm C 10 C 15 C 20 C 25 C 30 C 35 C 40 C 45 C 50 C 55 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C 1550 A / md Trpzip2 WYYW Wellenzahl / cm C 10 C 15 C 20 C 25 C 30 C 35 C 40 C 45 C 50 C 55 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C 1550 A / D Trpzip2 WYWY 8 C 11 C 16 C 20 C 25 C 30 C 35 C 39 C 44 C 49 C 54 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C 84 C A / md Trpzip2 WYWY 8 C 11 C 16 C 20 C 25 C 30 C 35 C 39 C 44 C 49 C 54 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C 84 C Wellenzahl / cm Wellenzahl / cm Abbildung 5.12.: FTIR-Gleichgewichtsspektren von YWWY, WYYW und WYWY. Links: temperaturabhängige Absorptionsspektren. Die Varianten YWWY und WYYW wurden in einer 10 µm-küvette, die Variante WYWY in einer 100 µm-küvette gemessen. Rechts: temperaturabhängige Differenzspektren. Die Spektren zeigen temperaturinduzierte Änderungen bezüglich des Referenzspektrums bei 5 C bzw. 8 C. 94

105 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten 26.0m Trpzip2-YWWY 1637 cm -1 Fit 24.0m Absorbtion / D 22.0m 20.0m 18.0m 16.0m T m = (322 1) K 14.0m 12.0m Temperatur/ K Absorbtion / D 20.0m Trpzip2-WYYW 1637 cm -1 Fit 18.0m 16.0m 14.0m 12.0m 10.0m T m = (320 1) K Abbildung 5.13.: Übergangstemperaturen der Tyrosinmutanten. Zur Bestimmung der T m -Werte wurde Gleichung 5.4 verwendet. Den größten Wert aller Mutanten besitzt die WYWY- Variante mit T m = 341 K Temperatur/ K 0.36 Trpzip2-WYWY 1635 cm -1 Fit 0.34 Absorbtion / D T m = (341 1) K Temperatur/ K 95

106 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik PEPTID VWWV WVVW T m (K) 311 ± 4 [Wu09] 317 ± 4 [Wu09] YWWY 322 ± 1 WYYW 320 ± 1 WYWY 341 ± 1 Tabelle 5.5: Übersicht der Übergangstemperaturen T m aller untersuchten Valin- und Tyrosinmutanten. Alle angegebenen Temperaturen wurden bei einem sauren pd-wert gemessen. Insgesamt betrachtet destabilisieren die Mutationen des hydrophoben Kerns die β Struktur. WWWW 337 ± 5 [au10] Zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen an Tyrosinvarianten Ausgewählte zeitaufgelöste Relaxationskinetiken sind in der Abbildung 5.14 für die Tyrosinvarianten nach Abzug der Lösungsmittelbeiträge dargestellt. Die aus der bi-exponentiellen Fitfunktion im Zeitintervall 0, 5 µs 200 µs extrahierten Zeitkonstanten für die Peptidkinetik, τ obs, sind für alle gemessenen Temperaturen nach einem Temperatursprung von T 7 12 C in den Tabellen 5.6 und 5.7 zusammengefasst. Wie bereits bei den Valinmutanten beobachtet, werden die Relaxationszeiten entsprechend der Arrhenius-Gleichung mit steigender Temperatur kleiner. Die Gegenüberstellung von Relaxationszeiten der Tyrosinmutanten und dem WWWW- Peptid zeigen mehrere Unterschiede (vgl. Abb. 5.15). Zum einen lässt sich bei allen Tyrosinvarianten im Gegensatz zu WWWW keine Aufsplittung zwischen den beiden untersuchten Wellenzahlen beobachten. Zum anderen sind im temperaturabhängigen Verlauf der Relaxationszeiten keine signifikanten Differenzen zwischen den einzelnen Mutanten feststellbar. Mithilfe der Arrhenius-Plots können die Aktivierungsenergien berechnet werden (siehe Tabelle 5.8). bwohl der Arrhenius-Fit unterschiedliche Werte für den prä-exponentiellen Faktor A liefert, weisen die Tyrosinmutanten an beiden Wellenzahlen ähnlich hohe Aktivierungsenergien auf. Somit zeigen die Peptide ein Zwei-Zustands-Verhalten, das zunächst im Gegensatz zur multi state-faltung des Referenzpeptids WWWW zu stehen scheint. WWWW verhält sich lediglich bei hohen Temperaturen wie ein Zwei-Zustandsfalter. 96

107 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten C Absorbance (md) C 7.5 C cm cm C C 40.6 C Time (s) (a) YWWY C Absorbance (md) C C cm cm -1 Abbildung 5.14.: Repräsentative Relaxationskinetiken der Tyrosinmutanten. Für jede Tyrosinmutanten sind mehrere transiente Absorptionsänderungen mit der dazugehörigen Endtemperatur dargestellt. Die Relaxationszeitkonstanten wurden (a) für die Variante YWWY an den Wellenzahlen ν =1628 cm 1 und 1663 cm 1, 11.6 C C C -4 (b) für WYYW an den Wellenzahlen ν =1628 cm 1 und 1663 cm 1 sowie (c) für WYWY an den Wellenzahlen ν =1628 cm 1 und 1663 cm 1 gemessen. -4 Time (s) (b) WYYW C Absorbance (md) C Die Daten zeigen reine Peptidkinetiken nach Abzug der Lösungsmittelbeiträge mit einem mono-exponentiellen Verlauf C cm cm C C C Time (s) (c) WYWY 97

108 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik 1628 cm 1 YWWY WYYW WYWY T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) 7,0 7,50 4,8 9,16 10,1 6,01 8,9 7,50 12,5 6,68 12,6 5,28 11,6 5,53 13,6 5,71 14,2 4,47 13,0 5,56 17,8 5,31 19,0 3,93 16,6 4,03 19,4 4,46 22,2 3,15 20,5 4,17 22,9 4,07 23,4 2,79 21,4 3,13 24,3 3,53 25,2 2,56 26,5 2,98 28,3 3,2 29,6 2,06 27,8 2,36 30,3 2,71 30,5 1,92 31,6 2,19 33,7 2,39 34,2 1,62 32,9 1,84 35,4 2,13 36,5 1,42 38,0 1,68 38,9 1,84 39,7 1,19 38,4 1,35 41,0 1,64 40,6 0,97 43,0 1,20 46,5 1,28 45,2 0,88 44,0 1,01 49,9 1,11 46,8 0,65 49,5 0,87 51,4 0,99 50,6 0,67 49,6 0,76 56,9 0,74 51,2 0,39 53,5 0,57 60,6 0,66 55,8 0,31 54,6 0,59 62,7 0,57 57,0 0,15 62,1 0,09 Tabelle 5.6.: Übersicht der Relaxationszeiten der Tyrosin-Mutanten bei 1628 cm 1. Die repräsentativen Transienten zum Zerfall der β airpin-bande sind in der Abbildung 5.14 blau dargestellt. 98

109 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten 1663 cm 1 YWWY WYYW WYWY T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) 5,8 11,15 9,4 5,98 10,1 6,74 9,1 7,34 10,1 6,39 11,6 5,77 14,1 5,29 15,4 4,80 14,2 4,56 16,2 4,88 20,0 3,43 16,3 4,43 18,7 4,66 20,1 3,57 21,5 3,35 20,9 3,68 25,1 2,56 21,8 3,33 24,7 3,11 31,1 1,89 26,8 2,45 26,9 2,80 31,8 1,94 27,5 2,49 30,6 2,55 34,4 1,56 28,8 2,03 31,5 2,22 36,7 1,28 32,6 1,91 35,7 2,05 39,4 1,20 37,8 1,46 36,3 1,71 42,2 1,06 41,3 1,44 39,7 1,70 44,7 0,84 43,1 1,12 45,7 1,36 47,3 0,82 47,0 1,08 46,6 1,01 49,8 0,67 48,8 0,88 50,8 1,12 52,8 0,67 52,5 0,59 55,2 0,92 54,2 0,51 53,0 0,80 56,3 0,61 57,9 0,57 53,5 0,70 60,8 0,75 59,3 0,43 55,0 0,52 63,0 0,54 58,5 0,59 Tabelle 5.7.: Übersicht der Relaxationszeiten der Tyrosin-Mutanten bei 1663 cm 1. Die repräsentativen Transienten zur Entstehung der ungeordneten Struktur sind in der Abbildung 5.14 rot dargestellt. 99

110 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Relaxation Time ( s) 12 WYYW 1628 cm -1 WYYW 1663 cm YWWY 1628 cm -1 YWWY 1663 cm WYWY 1628 cm -1 WYWY 1663 cm -1 WWWW 1625 cm -1 WWWW 1661 cm -1 ln ( k (s -1 )) YWWY 1628 cm -1 YWWY 1663 cm Temperature ( C) /T x 10-3 (1/K) (a) (b) WYYW 1663 cm -1 WYYW 1628 cm WYWY 1628 cm -1 WYWY 1663 cm -1 ln ( k (s -1 )) ln ( k (s -1 )) /T x 10-3 (1/K) /T x 10-3 (1/K) (c) (d) Abbildung 5.15.: Temperaturabhängige Relaxationszeiten (a) und Arrhenius-Plots (b-d) der Tyrosinvarianten. (a) In der Übersicht der Relaxationszeiten sind alle Tyrosinvarianten dargestellt. Die Werte zeigen im gesamten Messbereich eine Temperaturabhängigkeit. Die durchgezogenen Linien stellen das Vergleichspeptid WWWW dar. (b-d) In der für jede Variante separaten Arrhenius-Darstellung ist zur Ermittlung der Aktivierungsenergie E a die Fitfunktion ln(k) = E a /(RT) + ln(a) an die Daten angepasst. Diskussion der Ergebnisse der untersuchten Valin- und Tyrosinvarianten Bisherige Experimente am Referenzpeptid WWWW unterstützen die ypothese einer multi state-faltung. Die gemessenen Relaxationszeiten für Temperaturen unterhalb von 40 C an den Wellenlängen für den Zerfall der β airpin-struktur und die Zunahme der ungeordneten Struktur unterscheiden sich voneinander (Abb (a)), was auf die Existenz von Zwischenzuständen hindeutet [au08]. 100

111 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten PEPTID Abtastwellenlänge ν E a (kj/mol) VWWV 1628 cm 1 46,9 ± 1, cm 1 43,2 ± 2,3 WVVW 1628 cm 1 12,8 ± 1, cm 1 33,8 ± 1,0 Tabelle 5.8: Aktivierungsenergien der Valin- und Tyrosinvarianten. Die für den Zerfall der β Struktur (1628 cm 1 ) und die Entstehung der ungeordneten Struktur (1663 cm 1 ) experimentell bestimmten Aktivierungsenergien E a der gemessenen Valin- und Tyrosinmutanten sind zusammengefasst. Als Vergleichswert dient das WWWW Peptid. YWWY 1628 cm 1 42,7 ± 1, cm 1 40,5 ± 1,1 WYWY 1628 cm 1 43,4 ± 1, cm 1 40,5 ± 1,2 WYYW 1628 cm 1 38,2 ± 0, cm 1 39,2 ± 0,5 WWWW 1625 cm 1 27,8 ± 2,3 [au10] 1661 cm 1 33,2 ± 1,4 Die eingebrachten Aminosäuren Valin und Tyrosin haben Seitenketten mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften. Valins aliphatische Seitenkette hat keine Möglichkeit zur Bildung von Wasserstoffbrücken oder zur Ausbildung dipolarer Wechselwirkungen. Die aromatischen Seitenketten von Tyrosin und Tryptophan können dagegen -Brücken ausbilden, da sie eteroatome beinhalten. Viel wichtiger für die Stabilisierung einer Struktur ist jedoch die π π Interaktion der Ringsysteme, die sich in allen untersuchten Trpzip2 -Varianten in einer edgeto-face-stellung befinden [Guv05]. Dabei richtet sich ein aromatisches Ringsystem hochkant über der Fläche des anderen Ringsystems aus (Abb. 4.2). Im Gegensatz zu einer parallelen Anordnung der π Systeme stehen die Ebenen der beiden aromatischen Ringe beinahe senkrecht zueinander. Von den alternierenden Peptiden WVWV und WYWY ist nur die Tyrosinvariante stabil. Die Valinvariante kann kein β airpin bilden und verbleibt im ungeordneten Zustand. Ein Tryptophanpaar ist ausreichend (VWWV, WVVW), um die β Struktur zu stabilisieren. Die mit Abstand höchste Übergangstemperatur T m von allen Varianten, die ein Maß für die Stabilität darstellt, besitzt die alternierende Tyrosinvariante WYWY (Tab. 5.5). Die experimentell bestimmten Werte für die Aktivierungsenergie sind, mit Ausnahme von WVVW, für den Zerfall der β Struktur und die Entstehung der ungeordneten Struktur vergleichbar groß (vgl. Tab. 5.8). Die WVVW -Variante hat hier unterschiedlich große Energiebarrieren (12, 8 kj/mol und 33, 8 kj/mol), wie das auch für WWWW der Fall ist (27, 8 kj/mol und 33, 2 kj/mol). Auch die Konformationsdynamik des Peptids WVVW zeichnet sich ge- 101

112 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik genüber allen anderen Mutanten aus. Unterhalb von T = 20 C ist eine Aufspaltung des Relaxationszeitverlaufs für die β und die ungeordnete Struktur festzustellen (Abb. 5.9). Das Vergleichspeptid WWWW zeigt für die Temperaturen unter 40 C ein ähnliches Verhalten [au08]. Die VWWV-Variante ist die schnellste unter allen hier betrachteten Varianten und verhält sich im gemessenen Temperaturbereich entsprechend dem Zwei-Zustandsmodell (Abb. 5.9). Ebenso verhalten sich alle untersuchten Tyrosinmutanten (Abb. 5.15). Aufgrund verschieden starker hydrophober Wechselwirkungen (Valin Valin) und aromatischer Wechselwirkungen (Tryptophan Tryptophan bzw. Tryptophan Tyrosin) deuten die experimentellen Daten auf unterschiedliche Faltungsmechanismen der Mutanten. Das Referenzpeptid WWWW durchläuft mehrere Intermediatszustände, in denen zuerst die Wasserstoffbrücken am Turn und an den Peptidtermini gelöst werden, anschließend das erste Tryptophanpaar und schließlich das zweite Paar die aromatischen Wechselwirkungen nicht mehr ausbildet. Bei der schnellsten Variante VWWV ist die β Struktur durch Wasserstoffbrücken, aromatische Tryptophan-Tryptophan Interaktion und schwache van der Waals Kräfte zwischen den Valinen stabilisiert. Die Turnregion ist im Vergleich zu den Enden des Peptids aufgrund des Tryptophanpaares zusätzlich stabilisiert. Demzufolge ist der Bereich an den Peptidenden bei höheren Temperaturen in hohem Maße destabilisiert. Diejenigen Zwischenzustände, die einige wenige Wasserstoffbrücken in der Turnregion besitzen, jedoch stark ungeordnet sind, können möglicherweise während des Entfaltungsvorgangs bevorzugt besetzt werden. Die ausschließlich hydrophoben Valin-Valin sowie die fehlenden aromatischen Wechselwirkungen an den Peptidenden führen zu einer destabilisierten Struktur und einer schnellen Dynamik. Die WVVW-Variante hat bei hohen Temperaturen ähnliche Relaxationszeiten wie die ebenfalls am Turn mutierte Tyrosinvariante WYYW (vgl. Tab. 5.4, Tab. 5.6 und Tab. 5.7). Bei tiefen Temperaturen hingegen zeigt sie einen schnelleren Zerfall der β Struktur als die Zunahme der ungeordneten Struktur (Abb. 5.9). Diese Aufspaltung in den Zeitkonstanten lässt sich dadurch erklären, dass der Verlust des β airpins durch Lösen der Wasserstoffbrücken am Turn seinen Lauf nimmt, während dessen das Tryptophanpaar das Amino- und Carboxylende stabilisiert. Sobald die aromatische Wechselwirkung verloren geht, wird die ungeordnete Knäuelstruktur detektiert. Dies ist ein Anzeichen auf einen Mechanismus mit Beteiligung von Intermediaten, was Ähnlichkeiten zum Faltungsverhalten des WWWW zeigt. Bei YWWY ist die edge-to-face -Anziehung zwischen den aromatischen Seitenketten schwächer ausgeprägt als bei WWWW. Die dominierende Rolle in der Strukturstabilisierung übernimmt das Tryptophanpaar. Während das Tyrosinpaar in Verbindung mit Tryptophanen die β Struktur erhält, kann es, sobald die Tryptophan-Tryptophan Wechselwirkung gelöst wird, 102

113 5.2. ydrophobe Wechselwirkungen: Trpzip2 Valin- und Tyrosinvarianten die airpinstruktur aus eigener Kraft nicht mehr stabilisieren. Sobald der Kontakt zwischen den Tryptophanen verloren geht, entfaltet das Peptid. Möglich wäre ein Zwischenzustand mit interagierenden Tryptophanen, der jedoch eine sehr schwache Besetzung aufweisen würde. Lediglich ein schwach besetzter Zwischenzustand mit interagierenden Tryptophanen ist möglich. Im Experiment weisen die β airpin- und random coil -Kinetiken beim Entfaltungsvorgang die gleichen Zeitkonstanten auf (Abb. 5.15). Befinden sich die Tryptophane an den Enden des Peptids WYYW, verändert sich der Vorgang der Entfaltung. Ab dem Punkt, an dem die Tryptophan-Tryptophan Wechselwirkungen überwunden sind, werden alle Wasserstoffbrücken zwischen den β Strängen gelöst. Die im Vergleich zum Tryptophanpaar schwächer stabilisierenden Tyrosine können dem Peptid alleine keine β Struktur verleihen. Die Tyrosinvariante mit der alternierenden Tryptophan-Tyrosin Stellung WYWY verhält sich ebenfalls als ein Zwei-Zustandsfalter. Der Prozess der Entfaltung wird von den zwei Tryptophan-Tyrosin Paaren bestimmt. Da sie keine dominante Rolle bei der Stabilisierung im Gegensatz zu den Tryptophan-Tryptophan Wechselwirkungen spielen und symmetrisch innerhalb des airpins angeordnet sind, können die aromatischen Interaktionen gleichzeitig getrennt werden. Es sind schwach besetzte Zwischenzustände wie im Falle des Referenzpeptids WWWW möglich, die jedoch mit der vorhandenen Messempfindlichkeit nicht aufgelöst werden können. Die Abbildungen 5.9 und 5.15(a) vergleichen die Relaxationszeitkonstanten der Valin- bzw. Tyrosinpeptide mit denen des Referenzpeptids WWWW. Der Vergleich zeigt, dass die gemessenen Kinetiken der Varianten systematisch schneller sind. Die Aktivierungsenergien aller Mutanten, mit Ausnahme von WVVW bei 1628 cm 1, haben dagegen höhere Werte. Dies lässt sich mithilfe der Theorie des Übergangszustands erklären (Abschnitt 2.2). Die Inverse der gemessenen Relaxationszeitkonstante τ obs, die Relaxationsrate k, lässt sich als Summe der enthalpischen ( # = E a RT) und entropischen ( S # ) Beiträge darstellen: k = k 0 e ( S# /R) e ( # /RT) (5.5) Steigt die Aktivierungsenergie E a und damit der enthalpische Anteil # bei gleichzeitig steigender Relaxationsrate k an, muss die Aktivierungsentropie des geschwindigkeitsbestimmenden Reaktionsschritts zunehmen. Durch die Mutation des hydrophoben Kerns ist das Peptid destabilisiert, da die Tryptophanpaare durch schwächer interagierende Aminosäurepaare ersetzt werden. Demzufolge ist der zugängliche Konformationsraum des Übergangszustandes stark vergrößert und der Übergangszustand ist teilweise ungeordnet. Das Peptid VWWV mit schwach stabilisierten Enden fügt sich gut in das Bild des relativ stark ungeordneten Übergangszustandes ein. Die Änderung des entropischen Anteils S # scheint für die untersuch- 103

114 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Potential Energy E a (WWWW) F E a (Mutant) I I I I - WWWW - Mutant Abbildung 5.16: Mechanismus des Entfaltungsvorgangs für Valin- und Tyrosin-Mutanten. Das Referenzpeptid WWWW (blau) besitzt eine niedrigere Energiebarriere E a und einen kompakteren ratenlimitierenden Intermediatzustand. In rot ist das Entfaltungsschema eines im hydrophoben Kern mutierten Variante mit einem im Vergleich zu WWWW ungeordneteren Zwischenzustand und einem höheren Wert für E a dargestellt. F U U Reaction Coordinate ten Valin- und Tyrosinvarianten unabhängig von der Stelle der Mutation vergleichbar groß zu sein. Das WWWW entfaltet sich in einer mehr geordneten Weise mit einem deutlich geringeren S #. bwohl die Tyrosinvarianten im Vergleich zu WWWW ähnliche aromatischaromatische Wechselwirkungen haben, führen sie aufgrund ihrer schwächer stabilisierenden Wechselwirkung zu einem flexibleren Übergangszustand. Die Abbildung 5.16 stellt den Entfaltungsprozess des WWWW und der Valin- bzw. Tyrosinvarianten schematisch gegenüber. Für WWWW ist ein sequenzieller Vorgang naheliegend. Im ersten Schritt werden die Wasserstoffbrücken an den Peptidtermini und am Turn gelöst (I), danach wird ein Tryptophanpaar auseinander gebracht (I ). Zum Schluss wird der Kontakt des zweiten Paares (I ) sowie die restlichen -Brücken gelöst, sodass das Peptid in den entfalteten Zustand übergeht. Der Teilschritt der Entfaltung bis zu dem ersten Zwischenzustand, bei dem Wasserstoffbrücken am Turn und an den Enden von WWWW gelöst werden, ist geschwindigkeitsbestimmend. Da der hydrophobe Kern mit seinen aromatischen Tryptophan-Tryptophan Interaktionen sowie die restlichen Wasserstoffbrücken in der airpinmitte weiterhin bestehen bleiben, hat die scheinbare Energiebarriere eine relativ geringe öhe. Das erklärt die im Vergleich zu den Trpzip2 -Mutanten reduzierte Aktivierungsenergie. Bei den Varianten hingegen sind zwei von vier verbliebenen Tryptophanen nicht ausreichend, um wie bei WWWW den zentralen wasserstoffverbrückten Abschnitt während der Entfaltung zu stabilisieren. Die β Struktur geht entweder direkt in den ungeordneten Zustand oder zerfällt zunächst zu einem mehr unstrukturierten Intermediat, welches sich bei einer höheren 104

115 5.3. β airpin-variante WVYY-pG (B2pG) Energie befindet und nur durch das verbliebene Tryptophanpaar stabilisiert wird. Die messbare Aktivierungsenergie E a hat wegen der größeren Anzahl der gelösten Wechselwirkungen in einem einzigen Schritt einen höheren Betrag. Anschließend durchläuft das Peptid auf dem Weg in den stabilen entfalteten Zustand mehrere kurzlebige, ungeordnete Konformationen. Faltungsvorgänge und -pfade können auf vielfältige Art und Weise beeinflusst werden. Die beschriebenen Experimente zeigen, dass die einzelnen hydrophoben bzw. aromatischen Aminosäuren sowohl die Enthalpie als auch die Entropie einer Faltung und damit den Faltungsmechanismus auf eine komplexe Weise kontrollieren. Die spezifischen Wechselwirkungen der Seitenketten haben einen großen Einfluss auf die Form der Potentiallandschaft, welche die Faltung und Entfaltung des Proteins beschreibt. Somit können durch gezielte Modifikationen der Primärstruktur von Modellpeptiden Aussagen über Faktoren, die eine Proteinfaltung in die native oder aber in die fehlgefaltete Form steuern, getroffen werden β airpin-variante WVYY-pG (B2pG) Ser Thr Glu Trp Tyr Val Tyr Lys Thr Lys Abbildung 5.17.: Schematische Darstellung von WVYY-pG. Die Sequenz enthält 12 Aminosäuren mit Turnresiduen D Prolin 4 -Glycin (pg): SWTVEpGKYTYK- 2. Das Design des Peptids ist an Trpzip2 angelehnt. Durch die Sequenz entsteht eine amphiphile Struktur mit einem hydrophoben Kern. Das Peptid WVYY-pG besteht aus 12 Residuen mit einer C-terminalen Amidierung. Im Turn befinden sich die Aminosäuren D Prolin (p) und Glycin (G), welche die Faltung von WVYY-pG in die anti-parallele Form begünstigen [aq97]. Der pg-kombination wird Bildung eines Turns des Typs II zugeschrieben [RR98] (vgl. Kap ). Die hydrophoben und hydrophilen Seitenketten ordnen sich oberhalb bzw. unterhalb der Peptidebene, die durch die zwei Stränge und den Turn gebildet wird, an. Aufgrund dieser Positionierung der Seitenketten entsteht eine amphiphile Struktur. Wasserstoffbrücken, aromatische und hydrophobe Wechselwirkungen sowie der pg-turn tragen zur Stabilisierung der Struktur bei. Die Bedeutung der Turnresiduen in der Faltungsdynamik einer β Struktur soll am Beispiel dieser Trpzip2 -Variante mit 105

116 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik destabilisierten β Strängen und kompaktem Typ II -Turn näher untersucht werden Statische FTIR-Spektren WVYY-pG A / D B2 pg 7 C 11 C 16 C 20 C 25 C 30 C 35 C 39 C 44 C 49 C 54 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C A / md B2pG 7 C 11 C 16 C 20 C 25 C 30 C 35 C 39 C 44 C 49 C 54 C 59 C 64 C 69 C 74 C 79 C Wellenzahl / cm Wellenzahl / cm Abbildung 5.18.: FTIR-Gleichgewichtsspektren von WVYY-pG. Links: Temperaturabhängige Absorptionsspektren. Die kontinuierlichen Veränderungen in den Spektren lassen auf strukturelle Änderungen zurückschließen. Rechts: Temperaturabhängige Differenzspektren. Positive Bande ( ν = 1659 cm 1 ) zeigt eine Zunahme der ungeordneten Struktur, die breite negative Bande bei ν = 1632 cm 1, die durch einen Beitrag des pg-turns bei ν = 1612 cm 1 überlagert ist, weist jeweils auf die Abnahme der β Struktur und auf die Veränderung in der Turnumgebung hin. Die Spektrenaufnahme erfolgte analog zu den anderen in dieser Arbeit untersuchten Trpzip2 - Varianten (vgl. Abschnitt 5.1.1). Das Peptid wurde in deuteriertem atriumphosphatpuffer (20 mm) gelöst, sodass die Konzentration bei 20 mg/ml lag und der pd-wert ~7 betrug. Davor wurde die Probe, wie in Kap. 3.4 beschrieben, lyophilisiert, um die störende TFA- Absorptionsbande aus dem Amid I -Bereich zu entfernen. Die Abbildung 5.18 zeigt die FTIR- Absorptions- und Differenzspektren von WVYY-pG. In den Absorptionsspektren lassen sich bei niedrigen Temperaturen die β Faltblatt-Banden bei ν = 1636 cm 1 und 1673 cm 1 gut erkennen. Zudem ist eine Schulter bei ν = 1612 cm 1 zu sehen, welche auf die Glutaminsäure- D Prolin Tertiärkopplung zurückzuführen ist [il03]. Diese entsteht dadurch, dass das Stickstoffatom innerhalb der Glutaminsäure- D Prolin-Peptidgruppe nicht als sekundäres sondern als tertiäres Amid vorliegt und die Schwingungsfrequenz des Carbonyls C = Glu zu niedrigeren Wellenzahlen verschiebt [Xie95] (rot markiert in Abb. 5.17). Bei hohen Temperaturen wird das Absorptionsspektrum durch eine breite Bande mit dem Maximum bei ν = 1646 cm 1, die eine ungeordnete Struktur repräsentiert, dominiert. Zusätzlich ist eine in ihrer Intensität reduzierte Glutaminsäure- D Prolin-Schulter erkennbar. Der spektrale Übergang zwischen der β und der ungeordneten Konformation verläuft gleichmäßig. Die Differenzspektren zeigen hingegen nur Änderungen der temperaturabhängigen Absorp- 106

117 5.3. β airpin-variante WVYY-pG (B2pG) 0.30 B2pG 1631 cm cm -1 Absorption / D Temperatur / K Abbildung 5.19.: Absorptionsverlauf an den Wellenzahlen ν = 1632 cm 1 und ν = 1659 cm 1. Die Übergangskurven zeigen keine sigmoidale Form, was auf einen nicht-kooperativen Entfaltungsvorgang hindeutet. tionsspektren in Bezug auf das Referenzspektrum bei T = 7 C. Die Absorptionsabnahme ist aus zwei auptkomponenten zusammengesetzt. ier lassen sich zwei Banden für den Zerfall der β Struktur mit dem Minimum bei ca. ν = 1632 cm 1 sowie der Glutaminsäure- D Prolin- Schulter bei ca. ν = 1612 cm 1 beobachten. Das Entstehen der ungeordneten Struktur zeigt sich bei ungefähr ν = 1659 cm 1, die zudem vom Zerfall der schwachen hochfrequenten β airpin-bande bei ν = 1679 cm 1 überlagert ist. Die Messung von Relaxationskinetiken der β Struktur wurden an den Wellenzahlen ν = 1612 cm 1, ν = 1632 cm 1 und die der ungeordneten Struktur an der Wellenzahl ν = 1659 cm 1 durchgeführt. Die zeitaufgelösten Messungen an der Wellenzahl ν = 1612 cm 1 konnten aufgrund der schlechten Messdatenqualität (Signal-Rausch-Verhältnis, Cavitation) jedoch nicht ausgewertet werden. Die Auftragung der Absorption gegen die Temperatur zur Bestimmung der Übergangstemperatur T m weist keinen sigmoidalen Verlauf auf, der auf eine kooperative Entfaltung deuten würde. Die Abbildung 5.19 zeigt eine beinahe lineare Abnahme ( ν = 1632 cm 1 ) beziehungsweise Zunahme ( ν = 1659 cm 1 ) der Absorption in Abhängigkeit von der Temperatur. Die Bestimmung der Übergangstemperatur T m aus den Absorptionsspektren nach der im Unterkapitel beschriebenen Methode brachte keine vertrauenswürdigen Resultate, da die Fitprozedur einen großen Fitfehler zeigte sowie abhängig von der Eingabe der Startfitparameter unterschiedliche Werte für T m lieferte. Zur Diskussion werden die Infrarotmessungen von C. eng aus der Kooperationsgruppe von Prof. Keiderling zitiert, die einen Wert von T m = 33 C angeben, wobei die Auswertung der Daten nach der SVD 5 - Methode 5 Single Value Decomposition. 107

118 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik A / md cm -1 B2pG 9,5 C Fit 1,22 µs B2pG 14,9 Ct (s) Fit 0,97 µs A / md cm -1 B2pG 8,9 C Fit 3,8 µs B2pG 13,8 C Fit 2,6 µs B2pG 20,3 C Fit 0,55 µs B2pG 19 C Fit 2,3 µs Zeit / s Zeit / s Abbildung 5.20.: Transiente Absorptionsspektren von WVYY-pG (B2pG). Die Daten sind nach Abzug der Lösungsmittelkinetik durch eine mono-exponentielle Fitfunktion angepasst. Die Abnahme bzw. Zunahme der zeitabhängigen Verläufe entspricht der negativen ( ν = 1632 cm 1 ) bzw. der positiven ( ν = 1659 cm 1 ) Bande in den Differenzspektren. erfolgte [en13] Zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen an WVYY-pG Die Abbildung 5.20 zeigt für die gemessenen Wellenzahlen ν = 1632 cm 1 und ν = 1659 cm 1 jeweils drei ausgewählte transiente Absorptionsänderungen nach einem Temperatursprung. Die Lösungsmittelbeiträge sind von den dargestellten Daten subtrahiert worden, wobei die Lösungsmitteldynamik durch die aus dem Fit bestimmte Relaxationskonstante für das Lösungsmittel τ 2 und seine Amplitude A 2 nach Gl beschrieben wird. Wie in den Differenzspektren bereits gesehen, ist in den Daten je nach der untersuchten Wellenzahl ν eine Ab- bzw. Zunahme des zeitabhängigen Signals zu sehen. Festzustellen ist eine Temperaturabhängigkeit der Relaxationszeiten τ obs. Eine Übersicht und Darstellung über die expe- 108

119 5.3. β airpin-variante WVYY-pG (B2pG) WVYY-pG 1632 cm cm 1 T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) 8,2 4,08 8,9 3,82 9,5 1,22 9,0 3,51 10,1 1,12 13,8 2,56 10,2 1,86 14,3 2,90 11,8 1,08 15,3 2,33 14,9 0,97 19,0 2,32 15,3 0,70 19,5 2,83 20,3 0,55 24,4 1,60 21,1 0,41 29,6 2,16 21,4 0,12 34,1 1,54 23,2 0,48 34,9 2,06 25,6 0,11 43,4 1,71 33,3 0,04 44,9 1,87 38,6 0,02 49,4 1,66 53,8 1,29 55,3 1,27 57,1 1,36 Tabelle 5.9.: Übersicht über die Relaxationszeiten von WVYY-pG an gemessenen Wellenzahlen ν. Der Zerfall der β airpin-struktur, gemessen an der Wellenzahl ν = 1632 cm 1, und die Zunahme der ungeordneten Struktur, gemessen an der Wellenzahl ν = 1659 cm 1, zeigen temperaturabhängige Dynamik. rimentell bestimmten Werte für τ obs ist in der Tabelle 5.9 und in der Abbildung 5.21 zu finden. Wie der Relaxationszeiten-Temperatur Plot zeigt, unterscheiden sich die Werte an den beiden Wellenzahlen ν = 1632 cm 1 und ν = 1659 cm 1 über den gesamten Temperaturbereich voneinander. Die Streuung von τ obs bei ν = 1632 cm 1 ist größer als bei ν = 1659 cm 1, der Gesamttrend ist allerdings deutlich erkennbar. Jedoch konnten die Dynamiken für ν = 1632 cm 1 aufgrund der Cavitation und des schlechten Signal/Rausch- Verhältnisses lediglich bis zu T 40 C gemessen werden. Der Arrhenius-Plot macht durch die Steigung der Fitgeraden den Unterschied in der scheinbaren Aktivierungsenergie sichtbar, dabei weist die Relaxationsrate für die Wellenzahl ν = 1632 cm 1 eine stärkere Temperaturabhängigkeit auf, der Verlauf der Rate bei ν = 1659 cm 1 ist deutlich flacher. In der Abbil- 109

120 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik dung 5.21 und Tabelle 5.11 sind der dazugehörige Verlauf und die Fitergebnisse dargestellt. Sie zeugen von einer deutlichen Diskrepanz zwischen den Relaxationsdynamiken für den Zerfall der β Bande und für die Entstehung der ungeordneten Struktur. Der zur Anpassung verwendete Zeitbereich lag dabei zwischen 0, 3 µs und 200 µs und der Temperatursprung betrug je nach Messreihe T = 3 6 C bzw. T = 7 11 C. Es wurden für beide Wellenzahlen ν = 1632 cm 1 und ν = 1659 cm 1 mehrere Messungen durchgeführt, bei denen der Temperatursprung unterschiedlich groß war ( T = 3 6 C bzw. T = 7 11 C). Entscheidend für die Relaxationsdynamik von WVYY-pG ist jedoch die erreichte Endtemperatur T end und nicht die Temperatursprunggröße. Die Faltungsdynamiken des untersuchten Peptids unterscheiden sich an den beiden gemessenen Wellenzahlen im gesamten experimentell untersuchten Bereich. Dabei liegen die Relaxationszeiten für das Verschwinden der β airpin-struktur systematisch unter den Werten für die Zunahme der ungeordneten Struktur. Ähnliches Verhalten lässt sich bei dem Referenzpeptid WWWW und einer der Trpzip2 -Varianten mit einem Tryptophanpaar am Peptidende, WVVW, feststellen. Im Gegensatz zu WWWW und WVVW laufen die Relaxationszeiten für den Zerfall des β airpins und die Entstehung der ungeordneten Struktur von WVYY-pG, zumindest in dem hier gemessenen Temperaturbereich, bei hohen Temperaturen T > 40 C jedoch nicht zusammen. Insgesamt betrachtet verläuft die Relaxationsdynamik schneller als die der Trpzip2 -Valin- bzw. -Tyrosinmutanten, wie in Tabelle 5.10 zu sehen ist. β airpin ungeordnete Struktur Peptid µs (T end ) µs (T end ) WVYY-pG 0,11 (25,6 C) 1,60 (24,4 C) WWWW [Kre07] 2,39 (25,0 C) 4,53 (25,0 C) VWWV 1,32 (26,3 C) 1,53 (24,8 C) WVVW 2,97 (24,9 C) 2,67 (24,6 C) YWWY 2,56 (25,2 C) 2,56 (25,1 C) WYYW 2,98 (26,5 C) 2,45 (26,8 C) WYWY 3,53 (24,3 C) 3,11 (24,7 C) Tabelle 5.10.: Vergleich der Relaxationszeiten zwischen WVYY-pG und Trpzip2 -Valin- und Tyrosinvarianten. Anhand der ausgewählten Relaxationszeiten bei T end ~25 C ist die schnelle Reaktionsdynamik von WVYY-pG festzustellen. ier spielen die fehlenden Tryptophanpaare, die den hydrophoben Kern stabilisieren, eine große Rolle. Trotz des gleichen Ursprungs hat das einzige aromatische Aminosäurepaar 110

121 5.3. β airpin-variante WVYY-pG (B2pG) am Carboxyl- und Aminoende, Tryptophan-Tyrosin (W-Y), einen geringeren stabilisierenden Effekt als ein Tryptophan-Tryptophanpaar (W-W). Die durch Temperatursprungexperimente bestimmte Aktivierungsenergie für den Zerfall der β airpin-bande hat verglichen mit anderen in dieser Arbeit untersuchten Peptiden einen relativ hohen Wert. Relaxationszeiten obs /µs B2pG 1632 cm cm Temperatur / C ln ( k (s -1 )) 20 B2pG cm cm /T x 10-3 (1/K) Abbildung 5.21.: Relaxationszeitenübersicht und der Arrhenius Plot von B2pG. links: Darstellung der temperaturabhängigen Relaxationszeiten zu den Wellenzahlen ν = 1632 cm 1 und ν = 1659 cm 1. Die Linien zeigen den Gesamttrend an den gemessenen Wellenzahlen. rechts: Arrhenius-Darstellung der Relaxationsraten. Mittels linearer Anpassung kann die scheinbare Aktivierungsenergie E a bestimmt werden. Diskussion der Ergebnisse für WVYY-pG Statische Untersuchungen zum Einfluss des Turns auf die Stabilität des Trpzip2 Peptids zeigen einen ungewöhnlich großen Wert = 90, 4 kj/mol für eine Trpzip2 -Turnmutante mit einem pg-turn. Dabei wurde für das Peptid Trpzip2, das einen G-Turn besitzt, lediglich = 63, 2 kcal/mol bestimmt [Wu11]. Einerseits ist bei WVYY-pG die Flexibilität des Turns durch D Prolin konformationell eingeschränkt, was zur Bildung einer engen und stabilen Turnregion führt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Sequenzen, welche die Ausbildung eines Turns begünstigen, die Faltungsrate erhöhen [Du04]. Andererseits sind die β Stränge aufgrund fehlender W-W Paare weniger stabil und besitzen im Vergleich zu Trpzip2 einen größeren Konformationsraum, was zu einem höheren entropischen Beitrag Abtastwellenlänge ν E a (kj/mol) WVYY-pG 1632 cm 1 106,0 ± 9, cm 1 12,0 ± 4,7 Tabelle 5.11: Aktivierungsenergien von WVYY-pG. Die experimentell bestimmten Aktivierungsenergien unterscheiden sich erheblich voneinander. 111

122 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik der Seitenketten S # Seitenkette führt (vgl. Unterkapitel 5.2.2). Damit kann die Relaxationsrate k obs = k F + k U trotz einer hohen enthalpischen Barriere zunehmen. Die experimentellen Ergebnisse können durch einen Zwei-Zustandsprozess, bei dem die Relaxationsraten für die Zunahme der ungeordneten Struktur und den Zerfall des β airpins übereinstimmen würden, nicht vollständig gedeutet werden. Die aus dem Arrheniusplot bestimmten Aktivierungsenergien haben unterschiedliche Werte, was bei den meisten hier untersuchten Peptiden ebenso der Fall ist. Augenfällig ist hierbei der Unterschied in den Energien E a, die aus den Arrhenius-Plots für die Wellenzahlen ν = 1632 cm 1 und ν = 1659 cm 1 bestimmt wurden, wobei der Wert E a für den Zerfall der β airpin-struktur fast um eine Größenordnung über dem für die Entstehung der ungeordneten Struktur E a liegt (siehe Tab. 5.11). ier zeigen die Relaxationszeiten für ν = 1632 cm 1 eine viel stärkere Temperaturabhängigkeit als für ν = 1659 cm 1 ( Abb. 5.21). Vielmehr müssen auf dem Weg zur gefalteten Struktur ein oder mehrere Zwischenzustände besetzt werden. Die zeitaufgelösten Experimente an isotopenmarkierten Trpzip2 -Mutanten unterstützen die Annahme, dass kurzlebige Intermediate, welche durch W-W Paare am Peptidturn bzw. an den Termini stabilisiert sind, entstehen [au08]. Beim thermischen Entfaltungsvorgang von WVYY-pG kann das W-Y Paar eine ähnlich stabilisierende Rolle übernehmen. Die folgende qualitative Beschreibung schlägt einen möglichen Entfaltungsvorgang von WVYY-pG mit mehreren Zwischenzuständen vor und ist in Abbildung 5.22 illustriert. Zunächst werden die Wasserstoffbrücken 6 r.2 und r.3 zwischen dem Turn und dem stabilisierenden W-Y Paar sowie die r.5 an den Termini gelöst. Zu diesem Zeitpunkt ist das Peptid destabilisiert und besitzt teilweise ungeordneten Charakter, die β airpin-struktur bleibt jedoch weiterhin bestehen. Im nächsten Schritt verlieren die aromatischen Seitenketten des Tryptophans und Tyrosins den Kontakt, gleichzeitig wird die Wasserstoffbrückenbindung r.4 zerstört. ier liegt zum großen Teil eine ungeordnete Struktur vor, die sich allerdings nicht in der Turnregion vorfindet. Aufgrund seiner starren Struktur behält der Turn eine quasi-gefaltete Form mit eventuell bestehenden -Brücken in Turnnähe (r.1) zunächst bei, löst sie aber im Verlauf der Entfaltung auf, welches sich in einer hohen Energiebarriere für ν = 1632 cm 1 widerspiegelt. Die Energielandschaft sowie der Prozess der Entfaltung würde in diesem Fall hauptsächlich von der Turnsequenz pg und nicht durch den hydrophoben Kern mit aromatischen Tryptophan-Tryptophan Wechselwirkungen bestimmt. Zusätzliche zeitaufgelöste Messungen an der Wellenzahl 1612 cm 1, die den Turnbereich repräsentiert, sind nötig um Aufschluss exklusiv über die Turnstabilität und -dynamik zu geben. Dabei sind Vergleiche zwischen der lokalen Dynamik in der Turnregion mit der Dynamik der gesam- 6 Die ummerierung der 5 vorhandenen Wasserstoffbrücken in Abb beginnt am Turn und wird in Richtung der Peptidtermini fortgesetzt. 112

123 5.3. β airpin-variante WVYY-pG (B2pG) Trp Tyr F Val Tyr Trp Tyr I Val Tyr Trp Tyr I Val Tyr 3 + Trp Tyr Val Tyr U 2 Abbildung 5.22.: Vorgeschlagenes Entfaltungsschema von WVYY-pG. Die thermisch induzierte Entfaltung durchläuft einen oder mehrere Zwischenzustände (I, I ). ten β airpin-struktur möglich. Die bisher dazu aufgenommenen Daten konnten aufgrund des schlechten Signal-Rausch-Verhältnisses nicht verlässlich ausgewertet werden. Im Gegensatz dazu können Studien zur Dynamik eines G-Turns nur mit aufwendigeren Methoden der Isotopenmarkierung gelingen. Für das Szenario einer downhill-faltung, das von Munoz et al. vorgeschlagen wurde [Mun02], würde die fehlende Kooperativität, welche die FTIR-Daten zeigen, sprechen. Dabei ist ein Peptid nicht entweder gefaltet oder entfaltet. Vielmehr besitzt es bei jeder Temperatur ein Ensemble aus allen möglichen Konformationen und weist keine bzw. eine sehr niedrige energetische Barriere zwischen dem gefalteten und entfalteten Zustand auf. Der Prozess der Faltung erfolgt auf einer rauen trichterförmigen Potentialfläche. Trotz eines kleinen Wertes E a = 12 kj/mol für die Entstehung der entfalteten Struktur zeigt WVYY-pG einen relativ hohen Wert E a = 106 kj/mol an der Wellenzahl ν = 1632 cm 1 (vgl. Tab. 5.11), was dem downhill-faltungsmodell widerspricht. Interessanterweise ergeben Messungen der downhill Faltungsdynamik wie auch im Falle eines Zwei-Zustandsvorgangs mono-exponentielle Relaxationsprofile [gu05]. 113

124 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik 5.4. D P D P-Drei-strängiges β Faltblatt Peptid Val rn Val Ile Ser Phe Thr Thr Thr Glu Tyr Lys Lys Ile Leu Gln 2 Abbildung 5.23.: Schematische Struktur von D P D P. 20 Residuen (Ac-VFITSpGKTYTEVpGKILQ- 2 ) sind in einem anti-parallelen β Faltblatt angeordnet, dessen drei Stränge durch jeweils einen pg-turn verknüpft sind. Das drei-strängige Peptid D P D P besteht aus 20 Aminosäuren mit einer C-terminalen Amidierung sowie einer -terminalen Acetylierung der Aminosäuresequenz. D P D P ist ein stabiles Peptid, das sich in wässriger Lösung in eine anti-parallele, drei-strängige monomere β Faltblatt-Form faltet (Abb. 5.23). Die beiden Turns bestehen aus den Aminosäuren D Prolin (p) und Glycin (G). Dieser Aminosäurekombination wird eine hohe Tendenz zur Ausbildung von engen Turns des Typs II zugeschrieben [RR98]. Im Gegensatz zu Trpzip2 - Varianten, die in dieser Arbeit untersucht wurden, sind keine stabilisierenden Tryptophan- (W-W) oder Tyrosin (Y-Y) bzw. Tryptophan-Tyrosinpaare (W-Y) vorhanden. Die basische, nicht-proteinogene Aminosäure rnithin trägt zur Gesamtladung des Peptids bei. Sie hat eine um eine C 2 -Gruppe kürzere Seitenkette im Vergleich zu Lysin (vgl. Abb. 5.24). Die β Faltblatt-Struktur wird hauptsächlich durch die zwei pg-turns mit begünstigt. Die MR- Daten bestätigen die Ausbildung eines β Faltblatts, dessen Enden allerdings zum Teil im ungeordneten Zustand vorliegen [Sch98]. Am D P D P soll die Faltungsdynamik von dreisträngigen β Faltblatt-Strukturen studiert werden. Unter anderem soll der Einfluss des pg- Turns, der eine wichtige Rolle für die Stabilität des β Faltblatts spielt, diskutiert werden Untersuchungen von D P D P im thermischen Gleichgewicht mittels statischer FTIR-Spektroskopie Die D P D P Probe wurde zunächst, wie im Abschnitt 3.4 beschrieben, lyophilisiert und in deuteriertem Phosphatpuffer gelöst. Der resultierende pd Wert lag im sauren Bereich bei pd

125 5.4. D P D P-Drei-strängiges β Faltblatt Peptid 2 C C C 2 C 2 C 2 2 rnithin rn Abbildung 5.24.: Struktur von rnithin. rnithin (rn) ist eine basische Aminosäure, die nicht zu den proteinogenen Aminosäuren gehört. Ihre Seitenkette hat eine C 2 -Gruppe weniger als die Seitenkette von Lysin und hat einen ähnlichen pk S -Wert von 10, 7 [Lor96]. Bei einem neutralen p neigt das Peptid zur Aggregation. Deswegen wurde beim Design von D P D P besonderes Augenmerk auf eine ettoladung der Sequenz bei sauren p Werten (q +2 bei p 4) gelegt, die eine Abstoßung der einzelnen Peptidmoleküle bewirkt und somit ein Vorliegen der monomeren Form unterstützt [Sch98]. ach einer Messung der temperaturabhängigen Absorptionsspektrenreihe bei pd=7,8 wurde eine zusätzliche Aggregationsbande bei ν =1618 cm 1 festgestellt (siehe Anhang A). Die Reversibilität des Faltungsund Entfaltungsprozesses ist jedoch für die Temperatursprungexperimente von grundlegender Wichtigkeit, da in der Probe während der Messungen mehrere tausend Mal ein Temperatursprung induziert wird und eine irreversible Aggregatbildung die Beobachtung der Ent- und Rückfaltungsdynamiken des monomeren Peptids unmöglich macht. Aus diesem Grund wurden alle weiteren Messungen bei sauren pd-werten durchgeführt. Die Absorptionsspektren wurden in einer Küvette mit einer Schichtdicke von d = 100 µm in 5 C Schritten aufgenommen. Der Lösungsmittelbeitrag wurde von den Rohdaten abgezogen. Die Absorptionsspektren zeigen bei tiefen Temperaturen eine eindeutige β Faltblatt-Form (Abb. 5.25(a)). Beide β Faltblatt-Banden, die intensive niederfrequente bei ν =1636 cm 1 und die schwache hochfrequente bei ν =1675 cm 1, lassen sich gut identifizieren. Außerdem ist eine Schulter bei ν =1610 cm 1 zu erkennen, welche vom tertiären Amid in dem Serin- D Prolin bzw. Valin- D Prolin Sequenzabschnitt stammt (vgl. Abb. 5.23) [il03; Kuz03]. Die Intensitätsabnahme dieser spektralen Komponenten lassen sich in den Differenzspektren, die ausschließlich spektrale Änderungen in Bezug auf das Spektrum bei der niedrigsten Temperatur (hier bei T = 7 C) zeigen, nachverfolgen. Außerdem ist in den Differenzspektren eine Frequenzverschiebung des Maximums der jeweiligen Bande zu beobachten (Abb. 5.25(b)). Die temperaturbedingte Änderung der Absorptionsspektren erfolgt gleichmäßig. Bei höheren Temperaturen nimmt die β Faltblatt-Struktur ab, dementsprechend verändert sich das Absorptionsspektrum. Es ist lediglich eine breite Bande bei ν =1643 cm 1 mit einer überlagerten D Prolin-Komponente bei ν ~1610 cm 1 vorhanden. Demzufolge ist die Zunahme der Intensität als positive Bande in den Differenzspektren zu sehen. Da die C = szillatoren als 115

126 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik (a) A / D D P D P 7 C 12 C 16 C 21 C 26 C 31 C 36 C 40 C 45 C 50 C 55 C 60 C 65 C 70 C 75 C 80 C 85 C Wellenzahl / cm Abbildung 5.25.: FTIR- Gleichgewichtsspektren und Übergangstemperaturbestimmung von D P D P. (a) Temperaturabhängige Absorptionsspektren zeigen einen kontinuierlichen temperaturinduzierten Übergang von der β Faltblattstruktur in den ungeordneten Zustand. Die zum gefalteten D P D P gehörenden Bandenkomponenten ν =1636 cm 1 und ν =1675 cm repräsentieren die β Struktur, die Komponente bei ν =1610 cm 1 ist auf das tertiäre Amid zwischen dem D Prolin und der benachbarten Aminosäure zurückzuführen. Bei hohen Temperaturen ist eine breite Bande bei ν =1643 cm 1 mit einem geringen Beitrag der D Prolin- Kopplung vorhanden. (b) A / md C 12 C 16 C D P D P 21 C 26 C 31 C 36 C 40 C 45 C 50 C 55 C 60 C 65 C 70 C 75 C 80 C 85 C Wellenzahl / cm (b) Die größten spektralen Änderungen sind in den Differenzspektren an den Wellenzahlen ν =1630 cm 1 (β Faltblatt) und ν =1663 cm 1 (random coil) sichtbar. Zudem sind zwei kleinere Anteile bei ν =1612 cm 1 und ν =1678 cm 1 zu beobachten, die entsprechend auf den Zerfall der D Prolin-Schulter und den Zerfall der hochfrequenten β Faltblatt-Bande hinweisen. Absorption / D 0.24 D P D P 1636 cm -1 Fit T m = 328 K (c) D P D P besitzt keine sigmoidale Entfaltungskurve. Die durch den Fit bestimmte Übergangstemperatur von 328 K ist deswegen mit einem großen Fehler behaftet Temperatur/ K (c) 116

127 5.4. D P D P-Drei-strängiges β Faltblatt Peptid Bestandteile des Rückgrats auf die gegenseitige Kopplung empfindlich reagieren, führt ein Übergang der Peptidkonformation in einen anderen Zustand zu einer Veränderung im Vibrationsverhalten der Amidcarbonylgruppen. Damit ist ein Amid I -Spektrum ein geeigneter Indikator der vorliegenden Sekundärstruktur und deren Veränderungen. Zur Ermittlung der Übergangstemperatur für D P D P wurde die Intensität der Absorptionsspektren an der Wellenzahl ν =1636 cm 1 gegen die Temperatur aufgetragen (Abb. 5.25(c)). Der Vorgang der thermischen Entfaltung von D P D P zeigt keine sigmoidale Form und zeigt für den Temperaturbereich T > 300 K einen linearen Verlauf. Die Anpassung der Fitfunktion des Zwei-Zustandsmodells (Gl. 5.1) an die Daten liefert einen Wert von T m = 328 K ( =55 C). Dieses Ergebnis ist jedoch stark fehlerbehaftet und eher als Schätzwert zu betrachten. Dennoch kann dieser Wert zur Diskussion verwendet werden. Xu et al. haben für ein vergleichbares drei-strängiges Peptid 7 mit zwei pg-turnsequenzen eine Übergangstemperatur von T m 326 K ( =53 C) bestimmt [Xu06], die ziemlich nah an T m = 328 K von D P D P liegt. Die Temperatursprungexperimente wurden an den in Differenzspektren identifizierten Wellenzahlen größter spektraler Veränderungen durchgeführt, die verschiedenen Strukturelementen (β Faltblatt ν = 1630 cm 1, Turn ν = 1612 cm 1, ungeordnete Struktur ν = 1663 cm 1 ) zugeordnet werden können Zeitaufgelöste Temperatursprungmessungen am D P D P Peptid Die Abbildungen 5.26 und 5.27 zeigen repräsentative Relaxationskinetiken des D P D P -Peptids ohne Solventbeiträge. Die transienten Absorptionsänderungen an ν = 1663 cm 1 charakterisieren die Entstehung der ungeordneten Struktur, wobei die Absorption an dieser Wellenzahl zunimmt. Die Wellenzahlen ν = 1630 cm 1 und ν = 1612 cm 1 beschreiben jeweils den Zerfall des β Faltblatts bzw. den Zerfall der mit dem Turn assoziierten Bande, was sich in einer Abnahme des Signals zeigt. Für den Lösungsmittelabzug wurde das Lösungsmittel ohne Peptid an denselben Wellenzahlen und Temperaturen separat in der Durchflussküvette gemessen (siehe Kap. 3.4). Die Rohdaten wurden nach dem Abzug der Lösungsmitteldynamik logarithmisch gemittelt. 8 Da sich die Datenpunkte bei der Datenaufnahme auf der linearen Zeitskala nicht gleichmäßig auf jede Zeitdekade verteilen, ist für den bearbeiteten Datensatz eine verlässlichere mathematische Anpassung möglich. Alle Relaxationskinetiken konnten mit einer mono-exponentiellen Funktion in einem Zeitintervall zwischen 0, 16 µs und 1000 µs für die Wellenzahlen ν = 1630 cm 1 und ν = 1612 cm 1 bzw. zwischen 0, 5 µs und 1000 µs für 7 Die Aminosäuresequenz von D P D P-II: RFIEVpGKKFITSpGKTYTE [Syu01] Punkte/Dekade. 117

128 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik ν = 1663 cm 1 gut beschrieben werden. Der Fitintervall musste dabei aufgrund von Störsignalen an der Wellenzahl ν = 1663 cm 1 stärker eingeschränkt werden. Der Temperatursprung lag im Bereich von 1 4 C. Für vergleichbare drei-strängige Peptide mit zwei pg-turns wurde für den Zerfall des β Faltblatts ebenfalls ein mono-exponentielles Verhalten festgestellt. So betrug die Relaxationszeit bei T = 35 C τ obs = 140 ns [Xu06], was mit den Zeiten für D P D P gut übereinstimmt, die in Tabelle 5.12 zusammengefasst sind. Es konnte eine Temperaturabhängigkeit der Fitergebnisse im Bereich zwischen 6 C und 50 C festgestellt werden. Insgesamt betrachtet hat die Abnahme der β Faltblatt-Struktur bei ν = 1630 cm 1 und des Signals des tertiären Amids von D Prolin bei ν = 1612 cm 1 im gesamten Temperaturbereich schnellere Relaxationszeiten als die Zunahme der ungeordneten Struktur bei ν = 1663 cm 1 (Tab. 5.12). Auch bei WVYY-pG, welches im Turn die Aminosäuren p und G hat, wird ein ähnliches Verhalten für den Zerfall des β airpin-bande im Vergleich zur Entstehung der ungeordneten Struktur beobachtet, wobei der Zerfall des β airpin-signals ebenfalls sub-µs Relaxationsdynamiken zeigt. In der Abbildung 5.28 sind die erhaltenen Ergebnisse gegen die Temperatur aufgetragen sowie in einem Arrhenius-Plot dargestellt. Die Relaxationszeitkonstanten stimmen für die Wellenzahlen ν = 1630 cm 1 und ν = 1612 cm 1 innerhalb des Messfehlers gut überein, die Zeiten an der Wellenzahl ν = 1663 cm 1 sind im Vergleich dazu langsamer. Ein weiterer Unterschied besteht in einer schwächer ausgeprägten Temperaturabhängigkeit der ungeordneten Struktur als diejenige der Relaxationszeiten bei ν = 1630 cm 1 und ν = 1612 cm 1. Mithilfe des Arrhenius-Plots (Abb. 5.28) lassen sich die scheinbaren Aktivierungsenergien nach dem Zwei-Zustandsmodell bestimmen (siehe Tab. 5.13). Die Werte für den Zerfall der β Faltblatt- und der D Prolin-Bande gleichen sich innerhalb der Fehler, die Aktivierungsenergie der ungeordneten Struktur ist um den Faktor ~2 geringer. 118

129 5.4. D P D P-Drei-strängiges β Faltblatt Peptid D P D P 1630cm A / md ( C) Fit 18.6 ( C) Fit 28.7 ( C) Fit 39 ( C) Fit 49.2 ( C) Fit Zeit / µs D P D P 1612 cm -1 A / md ( C) Fit 17.2 ( C) Fit 28.7 ( C) Fit 38.6 ( C) Fit 48.9 ( C) Fit Zeit / µs Abbildung 5.26.: Transiente Absorptionsspektren von D P D P bei ν = 1630 cm 1 (β Faltblatt) und ν = 1612 cm 1 ( D Prolin-Bande). Dargestellt sind lösungsmittelkorrigierte transiente Spektren. Die Peptidkinetiken lassen sich durch einen mono-exponentiellen Zerfall gut beschreiben. 119

130 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik D P D P 1663 cm -1 A / md Zeit / µs 46.8 ( C) Fit 36.3 ( C) Fit 26.2 ( C) Fit 15.7 ( C) Fit 6.2 ( C) Fit Abbildung 5.27.: Transiente Absorptionsspektren von D P D P bei ν = 1663 cm 1 (random coil). Die Lösungsmittelsignalbeiträge wurden vor dem Fit von den Rohdaten abgezogen. Dargestellt ist die reine Peptidkinetik, die einen mono-exponentiellen Verlauf zeigt. 120

131 5.4. D P D P-Drei-strängiges β Faltblatt Peptid D P D P 1630 cm cm cm 1 T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) T end ( C) τ obs (µs ) 6,2 1,64 6,2 1,38 6,3 1,26 7,8 1,07 7,8 1,25 7,8 1,53 15,7 0,36 18,6 0,70 15,8 0,44 18,6 0,48 17,2 0,42 22,3 0,40 28,7 0,56 26,4 0,32 26,2 0,27 39,0 0,56 28,7 0,27 28,7 0,34 49,2 0,36 36,3 0,26 36,3 0,16 38,6 0,17 39,0 0,22 46,7 0,18 46,8 0,10 48,9 0,13 49,2 0,14 Tabelle 5.12.: Relaxationszeitenübersicht zu D P D P. Mit ν =1630 cm 1, ν =1663 cm 1 und ν =1612 cm 1 wurden jeweils der Zerfall der β Faltblattstruktur, die Entstehung der ungeordneten Bande und die Abnahme der D Prolin-Komponente untersucht. Relaxationszeiten obs /µs D P D P 1612 cm cm cm -1 ln ( k(s -1 )) D P D P 1612 cm cm cm Temperatur / C /T x 10-3 (1/K) Abbildung 5.28.: Übersicht der Relaxationszeiten von D P D P und Arrhenius Plot. Links: Darstellung der temperaturabhängigen Relaxationszeiten. Die Linien sollen den Gesamttrend an den gemessenen Wellenzahlen andeuten. Rechts: Arrhenius-Darstellung der Relaxationsraten. Aus der linearen Anpassungsfunktion lässt sich der Wert für die scheinbare Aktivierungsenergie E a bestimmen. 121

132 5. Statische und zeitaufgelöste Experimente zur Peptidstabilität und Peptiddynamik Abtastwellenlänge ν E a (kj/mol) 1630 cm 1 40,6 ± 4,7 D P D P 1663 cm 1 21,5 ± 2,9 Tabelle 5.13: Aktivierungsenergien von D P D P. Die Aktivierungsenergien E a wurden mithilfe der Arrhenius-Gleichung ln(k) = E a /(RT) + ln(a) bestimmt cm 1 37,8 ± 4,5 Diskussion der Temperatursprungergebnisse für D P D P Das drei-strängige Peptid D P D P besitzt durch die zwei starren pg-turnsequenzen eine relativ große Einschränkung in der Beweglichkeit der Turns. FRET-Experimente zweier Forschungsgruppen an D P D P und an einem ähnlichen β Faltblatt-Peptid offenbarten eine relativ kompakte Struktur sogar unter hohen Temperaturen (~90 C) [Kuz03; Xu06]. Jedoch weisen die temperaturabhängigen FTIR-Spektren einen eindeutigen Entfaltungsverlauf mit dem Lösen der β Struktur beim Erhitzen der Probe auf 90 C auf. Der breite, nicht-sigmoidale Verlauf der Entfaltungskurve ist ein inweis für eine nicht kooperative Trennung der Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den einzelnen Strängen (Abb. 5.25). Die mono-exponentiellen Verläufe der Relaxationsdynamiken würden die Zwei-Zustandshypothese unterstützen. Diese steht jedoch im Gegensatz zu den Unterschieden in den Relaxationszeiten an den Wellenzahlen ν = 1630 cm 1 und ν = 1663 cm 1. Da die beiden Sekundärstrukturelemente, das β Faltblatt und die ungeordnete Struktur, verschiedene Zeitskalen aufweisen, spricht das für die Existenz von Zwischenzuständen und somit für das multistate folding-modell. Für die Untersuchung von lokalen Strukturänderungen am Turn könnte die Schwingungsbande des tertiären Amids in der Serin- D Prolin bzw. Valin- D Prolin Sequenz bei ν = 1612 cm 1 ausgenutzt werden. Jedoch sind eventuell vorhandene Unterschiede in der Dynamik des Turns und der β Faltblattstruktur mit der derzeitig erreichbaren Messgenauigkeit nicht detektierbar. Die Konformationsdynamik von D P D P ist im Vergleich zu einfacheren Systemen wie die hier untersuchten Trpzip2 -Varianten viel schneller, sie liegt eher im Zeitbereich von α-helikalen Peptiden [Kub04; Goo05]. Zieht man die Starrheit des Turns sowie Ergebnisse aus den FRET-Experimenten von Kuznetsov et al. [Kuz03] in Betracht, so sind keine großen Konformationsänderungen in der Turnregion möglich. Der schnelle Übergang in das neue Gleichgewicht nach einem Temperatursprung ist die Folge. Auch das Peptid WVYY-pG, welches D Prolin und Glycin im Turn hat, zeigt sehr schnelle Dynamiken. Für die Faltung von D P D P kommt dem Turn eine besondere Bedeutung zu, da dessen Primärstruktur im Gegensatz zu den untersuchten Trpzip2 -Varianten keine stabilisierenden aromatischen Seitenkettenpaare enthält. ierbei gewinnt der entropische Beitrag zur Faltung infolge von eingeschränktem 122

133 5.4. D P D P-Drei-strängiges β Faltblatt Peptid Konformationsraum des Turns an Wichtigkeit. Die hydrophoben Wechselwirkungen sowie die zwischensträngigen Wasserstoffbrückenbindungen verlieren dabei an Signifikanz. Zur genaueren und umfassenden Untersuchung der Relevanz des Turns für den Faltungsmechanismus würden sich isotopenmarkierte Carbonylgruppen 13 C = in der Turnregion anbieten. Durch die Verschiebung der Vibrationsfrequenz kann die 13 C = -Mode mit Aminosäure-spezifischen Auflösung studiert werden. Ferner können ortsspezifische Mutationen in der Sequenz von D P D P neue Einsichten in die Ausbildung des hydrophoben Kerns liefern. Auch der Einfluss des Lösungsmittels auf den Faltungsvorgang sollte bestimmt werden. Mithilfe von drei-strängigen Modellpeptiden kann eine systematische Erforschung der Faktoren, die für die Stabilität und Dynamik eines β Faltblatts verantwortlich sind, dazu beitragen, biologisch relevante Vorgänge der Faltung besser zu verstehen, beispielsweise die Suche einer Polypeptidkette nach der nativen Struktur oder die Bildung von krankhaften Amyloidstrukturen. Zahlreiche Fragen über die Form der Faltungslandschaften, auf denen sich Proteine in Richtung der nativen Struktur bewegen, konnten bis zum heutigen Tage nicht vollständig geklärt werden. ier können kinetische Studien mit Infrarot-Techniken tiefere Einsichten in die Faltungsmechanismen gewähren. 123

134 124

135 6. Weitere Temperatursprung- und p-sprung-experimente Zwei weitere Experimente zur Erforschung der Proteindynamik wurden am aktuellen Temperatursprung- bzw. p-sprung-messaufbau durchgeführt. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Prof. Zinth vom Institut für BioMolekulare ptik an der Ludwig-Maximilians-Universität München wurde eine temperaturinduzierte Entfaltungsdynamik eines photoschaltbaren Modellpeptids untersucht, welches auf Trpzip2-Aminosäuresequenz mit einem modifizierten Turn basiert. Die Ergebnisse des Temperatursprungexperimentes sind Teil einer wissenschaftlichen Publikation[Dee14]. Das zweite Experiment in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. amm vom Institut für Chemie an der Universität Zürich beschäftigte sich mit einem Leuzin-Zipper-Peptid, welches eine p-induzierte Faltungsdynamik zeigt. Mit der im Rahmen dieser Arbeit aufgebauten p-sprung-apparatur war es möglich, den p-wert der Probe auf der ns-zeitskala sprunghaft zu ändern und auf diese Weise Konformationsänderungen des p-sensitiven Leucin-Zippers auszulösen. Die durchgeführten Messungen und die gewonnen Daten wurden in [Don13] publiziert Azo-Trpzip2 -Ser-Trp-Thr-Trp-Glu--C 2 2 -Lys-Trp-Thr-Trp-Lys C 2 Das Azo-Trpzip2 -Peptid wurde basierend auf der Trpzip2-Aminosäuresequenz entworfen und synthetisiert [Don06]. Die Turnresiduen Asparagin und Glycin wurden dabei durch den Photoschalter Azobenzol ersetzt. Der Azobenzol-Chromophor AMPP 1 innerhalb der Primärstruktur -Ser-Trp-Thr-Trp-Glu-AMPP-Lys-Trp-Thr-Trp-Lys- 2 erlaubt 1 [3-(3-aminomethyl)phenylazo] phenylacetic acid (AMPP) 125

136 6. Weitere Temperatursprung- und p-sprung-experimente dem Peptidturn zwei Isomerisierungszustände anzunehmen, einen cis- und einen trans- Zustand [Don06]. Der Isomerisierungsvorgang trans cis kann durch Belichtung mit UV- Licht erfolgen und somit die Faltung von Azo-Trpzip2 initiieren. In den Temperatursprungexperimenten wurden dagegen die strukturellen Änderungen des cis-isomers von Azo-Trpzip2 studiert. Um weitere Erkenntnisse über den Prozess der Faltung, die auf unterschiedliche Weise ausgelöst wird, sowie über die eventuell vorhandenen Abweichungen zwischen den einzelnen Faltungspfaden gewinnen zu können, die einerseits durch die trans cis Photoisomerisierung des Chromophors, andererseits durch den Temperatursprung von Azo-Trpzip2 in der cis-stellung in Gang gesetzt werden, wurden die experimentellen Daten analysiert und miteinander verglichen. Das Peptid wurde in einem deuterierten Lösungsmittel Methanol-d4 gelöst, in dem ebenfalls ein Temperatursprung mittels eines Anregepulses bei λ = 1909 nm erzeugt werden kann, und in einer CaF 2 Küvette mit einer Schichtdicke von 200 µm gemessen. Zur Vermeidung einer Anreicherung von trans-isomeren von Azo-Trpzip2 aufgrund der lichtinduzierten cistrans-isomerisierung wurden mehrere Farbfilter zum Abblocken von UV-Streulichtanteilen, die durch die Raman-Streuung im Raman-Shifter entstehen, in den Strahlengang platziert. Zusätzlich wurde während der Messung eine UV-Lampe zur erstellung eines photostationären Gleichgewichts in der Messprobe, bei dem sich der Azobenzol-Photoschalter zu ca. 80% in der cis-stellung vorliegt, verwendet. Die Auswertung der Daten erfolgte nach Abzug der Lösungsmittelbeiträge, die separat aufgenommen wurden, sowie einer logarithmischen Mittelung. Dabei lag die Temperatursprunggröße bei ca. 2 3 C. Die über einen breiten Temperaturbereich (2 30 C) aufgenommenen transienten Absorptionsänderungen konnten mono-exponentiell in einem Fitintervall zwischen 1, 5 µs und 1200 µs angepasst werden. Der Vergleich der experimentellen Ergebnisse aus den Temperatursprung- und den Photoisomerisierungs-Experimenten zeigte eine gute Übereinstimmung der Zeitkonstanten für die beiden Vorgänge der Entfaltung sowie der Faltung. bwohl die Prozesse, der Temperatursprung und die lichtinduzierte trans-cis-isomerisierung, welche die strukturellen Änderungen auslösen, grundsätzlich verschieden sind, deuten die Resultate auf einen ähnlichen, von der Reaktionsrichtung unabhängigen Mechanismus. Der entfaltete und gefaltete Zustand sind demzufolge durch eine energetische Barriere voneinander getrennt. Beide Formen liegen beim ratenlimitierenden Schritt als cis-isomere vor, da die Reaktion der lichtinduzierten trans-cis-umwandlung nach wenigen ns abgeschlossen ist. Das Modell der downhill-faltung konnte hier ausgeschlossen werden, bei dem der Reaktionspfad von entscheidender Bedeutung ist, was sich sowohl auf die Relaxationszeiten als auch auf die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsraten auswirkt. Der gleiche Verlauf der Raten aus den zwei verschieden Experimenten, der sich im Arrhenius-Plot zeigt, spricht für das Übergangszustandsmodell. 126

137 6.2. Leucin-Zipper 6.2. Leucin-Zipper Mithilfe des aufgebauten p-sprung-experimentes (Kap ) wurde eine Leucin-Zipper- Variante bestehend aus acht Glutaminsäuren und folgender Aminosäuresequenz Ac-E-YQALEKE-VAQLEAE-QALEKE-VAQLEE-GGCG- 2 untersucht [Dür99]. Im gefalteten Zustand besteht ein Leucin-Zipper aus zwei einzelnen aliphatischen, parallel ausgerichteten α elices, die durch hydrophobe und elektrostatische Wechselwirkungen in der Tertiärstruktur stabilisiert werden [Alb92; Kry98]. Im ungefalteten Zustand liegen die einzelnen monomeren Polypeptidketten ungeordnet vor. Werden die geladenen Seitenketten der acht Glutaminsäuren durch Protonen neutralisiert und wird somit die elektrostatische Abstoßung beseitigt, kann der Faltungsprozess beginnen. Erst durch Diffusionsprozesse finden die einzelnen gefalteten Ketten zueinander. Im hier vorgestellten Faltungsexperiment wurde die kovalent zu einem Dimer verbundene Variante mit der ungebundenen Variante verglichen. Das Ziel des Experimentes war es den Faltungsmechanismus des Leucin-Zippers genauer aufzuklären, wobei die durch Diffusion monomerer Polypeptidketten bedingte Dynamiken als ratenlimitierende Schritte berücksichtigt wurden. Dazu wurden zwei Proben des Leucin-Zippers vorbereitet, wobei die eine aus zwei kovalent verbundenen Ketten als Dimer und die andere aus monomeren Polypeptidketten bestand. Für die Erzeugung des p-sprungs wurde die Probe in eine mit oba 2 gesättigte D 2 Lösung gegeben. oba ist eine caged-verbindung, die bei Bestrahlung mit UV-Lichtpulsen der Wellenlänge λ = 266 nm Protonen freisetzten. Diese erniedrigen den p-wert der Lösung und neutralisieren die Seitenketten der Glutaminsäuren. Wie aus vorausgegangenen Experimenten bereits bekannt, ist der Vorgang der Protonenfreisetzung nach ~20 ns abgeschlossen und die Seitenketten werden zwischen ~100 ns und 1 µs neutralisiert [Don13]. Die im Amid I -Bereich aufgenommenen Transienten bei ν = 1629 cm 1 zeigten unabhängig vom p-anfangswert ein bi-exponentielles Verhalten 2 o-itrobenzaldehyd. 127

15. Aminosäuren, Peptide und Proteine

15. Aminosäuren, Peptide und Proteine 15. Aminosäuren, Peptide und Proteine 1 Proteine (Polypeptide) erfüllen in biologischen ystemen die unterschiedlichsten Funktionen. o wirken sie z.b. bei vielen chemischen eaktionen in der atur als Katalysatoren

Mehr

MM Biopolymere. Michael Meyer. Vorlesung XV

MM Biopolymere. Michael Meyer. Vorlesung XV Biopolymere Vorlesung XV Simulation von Biomolekülen Modellierung von Proteinen Identifizierung und/oder Verwandtschaft mit anderen Proteinen Funktion eines Proteins oder Sequenzfragmentes Modellierung

Mehr

Nanotechnologie der Biomoleküle. Aminosäuren und Proteine: Bausteine der Biologie und der Bionanotechnologie. Aufbau Struktur Funktion

Nanotechnologie der Biomoleküle. Aminosäuren und Proteine: Bausteine der Biologie und der Bionanotechnologie. Aufbau Struktur Funktion anotechnologie der Biomoleküle Aminosäuren und Proteine: Bausteine der Biologie und der Bionanotechnologie Aufbau Struktur Funktion Zentrum für Mikro- und anotechnologien Das Miller-Urey-Experiment (auch

Mehr

Aufbau und Konformation von Polypeptiden

Aufbau und Konformation von Polypeptiden 1 Aufbau und Konformation von Polypeptiden Peter Güntert, Sommersemester 2009 Hierarchie von Proteinstrukturen Primärstruktur: Aminosäuresequenz Sekundärstruktur: Helices, Faltblätter, Turns, Loops Tertiärstruktur:

Mehr

Proteinogene Aminosäuren. Unpolare, aliphatische Seitenketten Monoaminomonocarbonsäuren

Proteinogene Aminosäuren. Unpolare, aliphatische Seitenketten Monoaminomonocarbonsäuren Proteinogene Aminosäuren Unpolare, aliphatische Seitenketten Monoaminomonocarbonsäuren Proteinogene Aminosäuren Unpolare, heterozyklische Seitenkette Monoaminomonocarbonsäuren Proteinogene Aminosäuren

Mehr

Aminosäuren - Proteine

Aminosäuren - Proteine Aminosäuren - Proteine ÜBERBLICK D.Pflumm KSR / MSE Aminosäuren Überblick Allgemeine Formel für das Grundgerüst einer Aminosäure Carboxylgruppe: R-COOH O Aminogruppe: R-NH 2 einzelnes C-Atom (α-c-atom)

Mehr

Aufgabe 4 (Sekundärstruktur)

Aufgabe 4 (Sekundärstruktur) Aufgabe 4 (Sekundärstruktur) Fragestellung - Durch welche Eigenschaften zeichnen sich α-helices und β-faltblätter aus? Belegen Sie Ihre Antwort mit den entsprechenden Daten. (phi/psi-winkel). - Wodurch

Mehr

Peptide Proteine. 1. Aminosäuren. Alle optisch aktiven proteinogenen Aminosäuren gehören der L-Reihe an: 1.1 Struktur der Aminosäuren

Peptide Proteine. 1. Aminosäuren. Alle optisch aktiven proteinogenen Aminosäuren gehören der L-Reihe an: 1.1 Struktur der Aminosäuren 1. Aminosäuren Aminosäuren Peptide Proteine Vortragender: Dr. W. Helliger 1.1 Struktur 1.2 Säure-Basen-Eigenschaften 1.2.1 Neutral- und Zwitterion-Form 1.2.2 Molekülform in Abhängigkeit vom ph-wert 1.3

Mehr

Aufgabe 2: (Aminosäuren)

Aufgabe 2: (Aminosäuren) Aufgabe 2: (Aminosäuren) Aufgabenstellung Die 20 Aminosäuren (voller Name, 1- und 3-Buchstaben-Code) sollen identifiziert und mit RasMol grafisch dargestellt werden. Dann sollen die AS sinnvoll nach ihren

Mehr

1. Sekundärstruktur 2. Faserproteine 3. Globuläre Proteine 4. Protein Stabilisierung 5. Quartärstruktur

1. Sekundärstruktur 2. Faserproteine 3. Globuläre Proteine 4. Protein Stabilisierung 5. Quartärstruktur Dreidimensionale Struktur von Proteinen (Voet Kapitel 7) 1. Sekundärstruktur 2. Faserproteine 3. Globuläre Proteine 4. Protein Stabilisierung 5. Quartärstruktur - Eigenschaften eines Proteins werden durch

Mehr

Vorlesung Biophysik I - Molekulare Biophysik Kalbitzer/Kremer/Ziegler

Vorlesung Biophysik I - Molekulare Biophysik Kalbitzer/Kremer/Ziegler Vorlesung Biophysik I - Molekulare Biophysik Kalbitzer/Kremer/Ziegler 23.10. Zelle 30.10. Biologische Makromoleküle I 06.11. Biologische Makromoleküle II 13.11. Nukleinsäuren-Origami (DNA, RNA) 20.11.

Mehr

Referat : Aufbau v. Proteinen u. ihre Raumstruktur

Referat : Aufbau v. Proteinen u. ihre Raumstruktur Referat : Aufbau v. Proteinen u. ihre Raumstruktur 1. Einleitung Unsere Körperzellen enthalten einige Tausend verschiedene Proteine wobei man schätzt, das insgesamt über 50 000 verschiedene Eiweißstoffe

Mehr

Enzyme (Teil 1) Aminosäuren, Aufbau, Eigenschaften & Funktion. Mag. Gerald Trutschl

Enzyme (Teil 1) Aminosäuren, Aufbau, Eigenschaften & Funktion. Mag. Gerald Trutschl Enzyme (Teil 1) Aminosäuren, Aufbau, Eigenschaften & Funktion Mag. Gerald Trutschl 1 Inhalt 1. Einführung 2. Aufbau: - Aminosäuren - Peptidbindung - Primärstruktur - Sekundärstruktur - Tertiär- und Quatärstrukturen

Mehr

Aminosäuren 1. Aufbau der Aminosäuren

Aminosäuren 1. Aufbau der Aminosäuren Aminosäuren 1 Aufbau der Aminosäuren Aminosäuren bestehen aus einer Carbonsäuregruppe und einer Aminogruppe. Die einfachste Aminosäure ist das Glycin mit 2 Kohlenstoffatomen. Das Kohlenstoffatom nach der

Mehr

Lösungsblatt zu Aufbau von Aminosäuren

Lösungsblatt zu Aufbau von Aminosäuren Lösungsblatt zu Aufbau von Aminosäuren 1. Zeichnen Sie die allgemeine Formel einer α-aminosäure, welche am α-c- Atom eine Seitenkette R trägt. 2. Welche der zwanzig natürlich vorkommenden L-α-Aminosäuren

Mehr

Die Persistenzlänge ist sequenzabhängig, für Poly-Serin etwa 5 AS. Der entfaltete Zustand ist Gegenstand intensiver Untersuchungen

Die Persistenzlänge ist sequenzabhängig, für Poly-Serin etwa 5 AS. Der entfaltete Zustand ist Gegenstand intensiver Untersuchungen Die Bildung von Quartärstruktur ermöglicht den Bau großer, aber auch multifunktionaler Proteine 9.2 Proteinfaltung Proteine können unter bestimmten Bedingungen denaturiert (entfaltet) werden, das heißt,

Mehr

1. Peptide und Proteine

1. Peptide und Proteine 1. Peptide und Proteine 1.1 Einleitung Peptide und Proteine sind ubiquitär in allen Organismen vorhanden. Sie sind die Moleküle des Lebens. Sie sind die Funktionsreagenzien in den Zellen und verantwortlich

Mehr

und Reinstruktur Die Sekundärstruktur ist die Anordnung der Aminosäurenkette, wobei man in zwei Arten unterscheidet: o Faltblatt- oder β- Struktur

und Reinstruktur Die Sekundärstruktur ist die Anordnung der Aminosäurenkette, wobei man in zwei Arten unterscheidet: o Faltblatt- oder β- Struktur Aufbau von Proteinen insbesondere unter Betrachtung der Primär-,, Sekundär-,, Tertiär-,, Quartär-,, Supersekundär- und Reinstruktur Primärstruktur Unter Primärstruktur versteht man in der Biochemie die

Mehr

Zusammensetzung und Struktur der Proteine. Stryer (6. Auflage) Kapitel 2

Zusammensetzung und Struktur der Proteine. Stryer (6. Auflage) Kapitel 2 Zusammensetzung und Struktur der Proteine Stryer (6. Auflage) Kapitel 2 Vielfalt der Proteine Wie kommt diese Vielfalt an Proteinen zustande? 1. Peptide und Polypeptide sind Ketten aus 20 verschiedenen

Mehr

Strukturbildende Kräfte in Proteinen

Strukturbildende Kräfte in Proteinen Strukturbildende Kräfte in roteinen The physical nature of the noncovalent interactions betweeen atoms are understood fairly well for individual molecules in a vacuum and a regular solid, but not in liquids

Mehr

Die hierarchische Organisation biologischer Strukturen

Die hierarchische Organisation biologischer Strukturen Das Lehrbuch Die hierarchische Organisation biologischer Strukturen Die drei Etappen der Evolution von Leben Was ist Biochemie? Untersuchung des Lebens auf molekularer Ebene Leben, wie wir es kennen, ist

Mehr

Aminosäure Seitenkette pks. 20 Aminosäuren im genetischen Code verankert. α -Aminosäuren R. Fischer-projektion. COOH H 2 N H R D-Aminosäuren

Aminosäure Seitenkette pks. 20 Aminosäuren im genetischen Code verankert. α -Aminosäuren R. Fischer-projektion. COOH H 2 N H R D-Aminosäuren 20 Aminosäuren im genetischen ode verankert. Gruppe aure Aminosäuren und ihre Amide Aminosäure eitenkette pks Asparaginsäure (D) - 2-3.9 Glutaminsäure (E) -( 2 ) 2-4.2 α -Aminosäuren 2 3 Zwitterion Fischer-projektion

Mehr

Nach Terpenen und Kohlenhydraten nun eine weitere große Klasse an Naturstoffen

Nach Terpenen und Kohlenhydraten nun eine weitere große Klasse an Naturstoffen 260 17. Aminosäuren, Peptide ach Terpenen und Kohlenhydraten nun eine weitere große Klasse an aturstoffen 17.1 Übersicht Analog zu ydroxycarbonsäuren α-, β-, γ- Aminocarbonsäuren möglich: 2 3 2 2 α-amino-essigsäure

Mehr

Biologie für Mediziner

Biologie für Mediziner Biologie für Mediziner - Zellbiologie 1 - Prof. Dr. Reiner Peters Institut für Medizinische Physik und Biophysik/ CeNTech Robert-Koch-Strasse 31 Tel. 0251-835 6933, petersr@uni-muenster.de Dr. Martin Kahms

Mehr

Aminosäuren und Peptide

Aminosäuren und Peptide Aminosäuren und Peptide Dr. Katja Arndt Institut für Biologie III http://www.molbiotech.uni-freiburg.de/ka Genetischer Code Basentriplets codieren für Aminosäuren Aminosäuren Definition: Aminosäuren (Aminocarbonsäuren)

Mehr

Aufgabe 5 (Supersekundärstruktur)

Aufgabe 5 (Supersekundärstruktur) Aufgabe 5 (Supersekundärstruktur) Fragestellung Bei der Untereinheit des Arthropodenhämocyanins aus Limulus polyphemus werden folgende Fragestellungen untersucht: - Welche Supersekundärstrukturen gibt

Mehr

1. Sekundärstruktur 2. Faserproteine 3. Globuläre Proteine 4. Protein Stabilisierung 5. Quartärstruktur

1. Sekundärstruktur 2. Faserproteine 3. Globuläre Proteine 4. Protein Stabilisierung 5. Quartärstruktur Dreidimensionale Struktur von Proteinen (Voet Kapitel 7) 1. Sekundärstruktur 2. Faserproteine 3. Globuläre Proteine 4. Protein Stabilisierung 5. Quartärstruktur 4. Protein-Stabilisierung Proteine sind

Mehr

Aminosäuren. Seitenkette. -Kohlenstoffatom. Karboxilgruppe. Aminogruppe

Aminosäuren. Seitenkette. -Kohlenstoffatom. Karboxilgruppe. Aminogruppe Proteine Aminosäuren 16 Seitenkette -Kohlenstoffatom Aminogruppe Karboxilgruppe Die Gruppen der Aminosäuren 17 Bildung der Peptidbindung Die strukturellen Ebenen der Proteine 18 Primär Struktur Aminosäuer

Mehr

Pharmazeutische Biologie Grundlagen der Biochemie

Pharmazeutische Biologie Grundlagen der Biochemie Pharmazeutische Biologie Grundlagen der Biochemie Prof. Dr. Theo Dingermann Institut für Pharmazeutische Biologie Goethe-Universität Frankfurt Dingermann@em.uni-frankfurt.de Aminosäure... chirale Moleküle

Mehr

Aliphatische Aminosäuren. Aromatische Aminosäuren

Aliphatische Aminosäuren. Aromatische Aminosäuren Prof. Dr..-U. eißig rganische Chemie I 17.1 Aliphatische Aminosäuren systematischer ame (Trivialname) truktur Vorkommen, Bedeutung 2-Aminoethansäure (α-aminoessigsäure, Glycin) 3 C 2 C 2 α Proteine, Peptide

Mehr

Übung zum chemischen Praktikum für Studierende der Biologie und Medizin Übung Nr. 1, /

Übung zum chemischen Praktikum für Studierende der Biologie und Medizin Übung Nr. 1, / Übung zum chemischen Praktikum für Studierende der Biologie und Medizin Übung Nr. 1, 18.04.11 / 19.04.11 Lösung 1. Proteine sind Biopolymere, welche aus langen Ketten von Aminosäuren bestehen. a) Zeichnen

Mehr

Versuch: Denaturierung von Eiweiß

Versuch: Denaturierung von Eiweiß Philipps-Universität Marburg 29.01.2008 rganisches Grundpraktikum (LA) Katrin Hohmann Assistent: Ralph Wieneke Leitung: Dr. Ph. Reiß WS 2007/08 Gruppe 10, Amine, Aminosäuren, Peptide Versuch: Denaturierung

Mehr

8. Aminosäuren - (Proteine) Eiweiß

8. Aminosäuren - (Proteine) Eiweiß 8. Aminosäuren - (Proteine) Eiweiß Proteine sind aus Aminosäuren aufgebaut. Aminosäuren bilden die Grundlage der belebten Welt. 8.1 Struktur der Aminosäuren Aminosäuren sind organische Moleküle, die mindestens

Mehr

Falschfaltung von Proteinen

Falschfaltung von Proteinen Falschfaltung von Proteinen - Aggregation - domain swapping - amyloidogene Strukturen Was determiniert die Faltung von Proteinen? Einfachstes System: Zwei-Zustandsmodell N U Energie U dg ÜS dg* N Molekulare

Mehr

15. Aminosäuren, Peptide und Proteine

15. Aminosäuren, Peptide und Proteine Inhalt Index 15. Aminosäuren, Peptide und Proteine Proteine (Polypeptide) erfüllen in biologischen Systemen die unterschiedlichsten Funktionen. So wirken sie z.b. bei vielen chemischen Reaktionen in der

Mehr

Mathematik und Naturwissenschaften, Biologie, Biochemie. Biochemie II - Tutorium

Mathematik und Naturwissenschaften, Biologie, Biochemie. Biochemie II - Tutorium Mathematik und Naturwissenschaften, Biologie, Biochemie Biochemie II - Tutorium Dresden, 20.10.2016 Alexander Götze 3.Semester Molekulare Biotechnologie a.goetze2207@googlemail.com Mi. 2DS DRU. 68 H Michel

Mehr

Kohlenhydrate Aminosäuren Peptide

Kohlenhydrate Aminosäuren Peptide Kohlenhydrate Aminosäuren Peptide Kohlenhydrate Kohlenhydrate = Saccharide Sie stellen zusammen mit Fetten und Proteinen den quantitativ größten verwertbaren (z.b. Stärke) und nicht-verwertbaren (Ballaststoffe)

Mehr

COOH. Die Aminosäuren tragen laborübliche Abkürzungen, so stehen z. B. Gly für Glycin oder Phe für Phenylalanin.

COOH. Die Aminosäuren tragen laborübliche Abkürzungen, so stehen z. B. Gly für Glycin oder Phe für Phenylalanin. Aminosäuren 1. Textentwurf Allgemeine Formel der Aminosäuren Aminosäuren sind die Grundbestandteile der Proteine. Neben der -Gruppe 1 enthalten sie als charakteristisches Merkmal die Aminogruppe N. Zwei

Mehr

Foliensatz; Arbeitsblatt; Internet. Je nach chemischem Wissen können die Proteine noch detaillierter besprochen werden.

Foliensatz; Arbeitsblatt; Internet. Je nach chemischem Wissen können die Proteine noch detaillierter besprochen werden. 03 Arbeitsauftrag Arbeitsauftrag Ziel: Anhand des Foliensatzes soll die Bildung und der Aufbau des Proteinhormons Insulin erklärt werden. Danach soll kurz erklärt werden, wie man künstlich Insulin herstellt.

Mehr

10 BIOGENE-AMINE 4 NICHT-PROTEINOGENE- AS. 20 PROTEINOGENE AS glucoplastisch/ketoplastisch 8 ESSENTIELLE AS

10 BIOGENE-AMINE 4 NICHT-PROTEINOGENE- AS. 20 PROTEINOGENE AS glucoplastisch/ketoplastisch 8 ESSENTIELLE AS Für uns! - es gibt 20 AS Diese sind wiederum aufgeteilt in: Neutrale AS Saure AS Basische AS Schwefelhaltige AS Aromatische AS Heterocyklische AS - es gibt 20 AS - davon sind 8 essentiell d.h.: der Körper

Mehr

4. Stereochemie. Das wichtigste Kriterium für Chiralität ist, dass sich Objekt und Spiegelbild nicht zur Deckung bringen lassen.

4. Stereochemie. Das wichtigste Kriterium für Chiralität ist, dass sich Objekt und Spiegelbild nicht zur Deckung bringen lassen. 4. Stereochemie Auch die cis-trans-isomerie zählt zur Stereoisomerie: 4.1 Chirale Moleküle Chirale Moleküle besitzen ein asymmetrisches C- Atom = Chiralitätszentrum. Das wichtigste Kriterium für Chiralität

Mehr

Die elektrophile Addition

Die elektrophile Addition Die elektrophile Addition Roland Heynkes 3.10.2005, Aachen Die elektrophile Addition als typische Reaktion der Doppelbindung in Alkenen bietet einen Einstieg in die Welt der organisch-chemischen Reaktionsmechanismen.

Mehr

Übungen zu den Vorlesungen Aminosäuren und Peptide Proteine

Übungen zu den Vorlesungen Aminosäuren und Peptide Proteine Übungen zu den Vorlesungen Aminosäuren und Peptide Proteine Dr. Katja Arndt Institut für Biologie III http://www.molbiotech.uni-freiburg.de/ka Übungen zur Vorlesung Aminosäuren, Peptide, Proteine Dr. Katja

Mehr

Aufgabe 6 (Quartärstruktur)

Aufgabe 6 (Quartärstruktur) Aufgabe 6 (Quartärstruktur) Fragestellung Folgende Fragestellungen sollen beim Hämocyanin-Hexamer von Limulus polyphemus (1lla_Hexamer.pdb) untersucht werden: - Welche Symmetrien sind erkennbar? - Wenn

Mehr

Erratum zur Diplomarbeit von Andreas Bender. Korrekturverzeichnis: Kapitel 3.2.2, Seiten 39-46

Erratum zur Diplomarbeit von Andreas Bender. Korrekturverzeichnis: Kapitel 3.2.2, Seiten 39-46 Erratum zur Diplomarbeit von Andreas Bender Korrekturverzeichnis: Kapitel 3.2.2, Seiten 39-46 3.2.2. Einzelne Aminosäuren in N-terminalen Abschnitten In den Abbildungen 16-22 sind die relativen Aminosäurehäufigkeiten

Mehr

Grundlagen zum Verständnis chemischer Reaktionen = Handwerkszeug

Grundlagen zum Verständnis chemischer Reaktionen = Handwerkszeug Grundlagen zum Verständnis chemischer Reaktionen = andwerkszeug chemische Bindung: ionische, kovalente, Dipolmomente, Bindungsstärke, Atom- und Molekülorbitale, ybridisierung Substanzklassen, funktionelle

Mehr

C R H H O H H O. Peptide

C R H H O H H O. Peptide Peptide Peptide: Ketten aus Aminosäuren Enzymatische Prozesse vermögen Aminosäuren im rganismus zu größeren Molekülen, den Peptiden, zu verknüpfen 1. Diese erfüllen vielfältige physiologische Aufgaben,

Mehr

Auswahlverfahren Medizin Prüfungsgebiet Chemie. 6.Termin Organische Chemie Naturstoffe

Auswahlverfahren Medizin Prüfungsgebiet Chemie. 6.Termin Organische Chemie Naturstoffe Auswahlverfahren Medizin Prüfungsgebiet Chemie 6.Termin Organische Chemie Naturstoffe Kursleiter Mag. Wolfgang Mittergradnegger IFS Kurs 2009 Organische Chemie Naturstoffe Fette Kohlenhydrate Proteine

Mehr

Aromatische Diazoniumionen

Aromatische Diazoniumionen Aromatische Diazoniumionen Wichtige Reaktive Zwischenstufe Aromatische Diazoniumionen Aromatische Diazoniumionen Azofarbstoffe Organische Chemie für MST 7 Lienkamp/ Prucker/ Rühe 7 Inhalt Amine Nomenklatur,

Mehr

Proteinstrukturklassen α-helikale Proteine

Proteinstrukturklassen α-helikale Proteine Proteinstrukturklassen α-helikale Proteine Wintersemester 2011/12 Peter Güntert Domäne Modul Faltung Domäne (domain): Polypeptidkette (oder Teil davon), die unabhängig in eine stabile, kompakte Tertiärstruktur

Mehr

ORGANISCHE CHEMIE. Aminosäuren und Proteine

ORGANISCHE CHEMIE. Aminosäuren und Proteine RGAISE EMIE Aminosäuren und Proteine Aminosäuren (AS) R 2 arbonsäuren mit einer Aminogruppe Die (etwa) 20 proteinogenen Aminosäuren sind alle α-aminosäuren (Aminogruppe an -2), unterscheiden sich durch

Mehr

Inhalt und Einsatz im Unterricht

Inhalt und Einsatz im Unterricht Inhalt und Einsatz im Unterricht "Aminosäuren, Peptide & Proteine" (Chemie Sek. I-II, Kl. 9-12) Diese DVD behandelt das Unterrichtsthema Aminosäuren, Peptide & Proteine für die Klassen 9-12 der Sekundarstufe

Mehr

Übungsaufgaben. Aufbau und Konformation von Polypeptiden. Einführung in die räumliche Struktur von Proteinen

Übungsaufgaben. Aufbau und Konformation von Polypeptiden. Einführung in die räumliche Struktur von Proteinen Computergestützte Strukturbiologie (Strukturelle Bioinformatik) SS09 P. Güntert Übungsaufgaben Aufbau und Konformation von Polypeptiden 1. Warum haben Proteine im Unterschied zu DNA komplizierte und vielfältige

Mehr

Fragen zum Thema funktionelle Gruppen Alkohol und Phenol

Fragen zum Thema funktionelle Gruppen Alkohol und Phenol 1. Was sind Derivate? 2. Was sind Substituenten? 3. Wann werden neu angehängte Atome oder Gruppen als Substituent bezeichnet? 4. Warum sind Substituenten so wichtig für organische Verbindungen? Alkohol

Mehr

Proteine. Claudia Schierbaum WS 04/05 Löffler / Petrides: Biochemie & Pathobiochemie, 7.Auflage, Springer-Verlag Berlin Kapitel 3.4 und 3.

Proteine. Claudia Schierbaum WS 04/05 Löffler / Petrides: Biochemie & Pathobiochemie, 7.Auflage, Springer-Verlag Berlin Kapitel 3.4 und 3. Proteine Claudia Schierbaum WS 04/05 Löffler / Petrides: Biochemie & Pathobiochemie, 7.Auflage, Springer-Verlag Berlin Kapitel 3.4 und 3.5 Faltung, Fehlfaltung und Denaturierung von Proteinen Denaturierung

Mehr

n Pentan 2- Methylbutan 2,2, dimethylpropan ( Wasserstoffatome sind nicht berücksichtigt )

n Pentan 2- Methylbutan 2,2, dimethylpropan ( Wasserstoffatome sind nicht berücksichtigt ) Grundwissen : 10 Klasse G8 Kohlenwasserstoffe Alkane Einfachbindung (σ -Bindung, kovalente Bindung ) : Zwischen Kohlenstoffatomen überlappen halbbesetzte p- Orbitale oder zwischen Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen

Mehr

Übungsaufgaben zu Aminosäuren, Peptiden und Proteinen

Übungsaufgaben zu Aminosäuren, Peptiden und Proteinen Übungsaufgaben zu Aminosäuren, Peptiden und Proteinen Techniker, Wahlpflichtfach ilfsmittel: Blatt mit den Strukturformeln aller proteinogenen AS (außer bei den Aufgaben, bei denen die Strukturformel einer

Mehr

Protein-NMR. Vertiefungsfach Analytische Chemie (WS2015/16) Dr. Peter Bellstedt NMR Plattform IAAC & IOMC

Protein-NMR. Vertiefungsfach Analytische Chemie (WS2015/16) Dr. Peter Bellstedt NMR Plattform IAAC & IOMC Protein-NMR Vertiefungsfach Analytische Chemie (WS2015/16) Dr. Peter Bellstedt NMR Plattform IAAC & IOMC Peter.Bellstedt@uni-jena.de Themenübersicht Termin 1 am 30.11.15: Biochemie von Proteinen (Aufbau,

Mehr

Vorlesung 47. Aminosäuren, Peptide und Proteine

Vorlesung 47. Aminosäuren, Peptide und Proteine Vorlesung 47. Aminosäuren, Peptide und Proteine Bedeutung der Proteine in der atur: Vollhardt, 3. Aufl., S. 1285/1286, 4. Aufl., S. 1371; art S. 608-609; Buddrus, S. 753. Etwa 18% des menschlichen Körpers

Mehr

Proteine: Dreidimensionale Struktur

Proteine: Dreidimensionale Struktur Proteine: Dreidimensionale Struktur 1. Sekundärstruktur A. Die Peptidgruppe B. Reguläre Sekundärstrukktur: α-helix und β-faltblatt C. Faserproteine D. Nichtrepetitive Proteinstruktur 2. Tertiärstruktur

Mehr

Orbital. Atombindung, Bindung. Elektronegativität. Dipol

Orbital. Atombindung, Bindung. Elektronegativität. Dipol GW Chemie 10. SG GA rbital aum, in dem sich Elektronen mit 99%iger Wahrscheinlichkeit aufhalten; in einem rbital halten sich maximal 2 Elektronen auf; man unterscheidet Atom- und Molekülorbitale Atombindung,

Mehr

Modul 8: Bioinformatik A. Von der DNA zum Protein Proteinsynthese in silicio

Modul 8: Bioinformatik A. Von der DNA zum Protein Proteinsynthese in silicio Modul 8: Bioinformatik A. Von der DNA zum Protein Proteinsynthese in silicio Ein Wissenschaftler erhält nach einer Sequenzierung folgenden Ausschnitt aus einer DNA-Sequenz: 5 ctaccatcaa tccggtaggt tttccggctg

Mehr

1 Der Elektronentransfer: Theorie nach Marcus und Hush

1 Der Elektronentransfer: Theorie nach Marcus und Hush 1 Der Elektronentransfer: Theorie nach Marcus und Hush Betrachtet wird der Elektronentransfer zwischen zwei solvatisierten Spezies in einer Lösung. Es gibt zwei Arten von Elektronentransfer, Reaktionen

Mehr

Bioorganische Chemie Enzymatische Katalyse 2011

Bioorganische Chemie Enzymatische Katalyse 2011 Ringvorlesung Chemie B - Studiengang Molekulare Biotechnologie Bioorganische Chemie Enzymatische Katalyse 2011 Prof. Dr. A. Jäschke INF 364, Zi. 308, Tel. 54 48 51 jaeschke@uni-hd.de Lehrziele I Kenntnis

Mehr

16. Aminosäuren, Peptide und Proteine

16. Aminosäuren, Peptide und Proteine Friday, February 2, 2001 Allgemeine Chemie B II Page: 1 Inhalt Index 16. Aminosäuren, Peptide und Proteine Proteine (Polypeptide) erfüllen in biologischen Systemen die unterschiedlichsten Funktionen. So

Mehr

Chiralität und Leben

Chiralität und Leben Chiralität und Leben Symmetrie: Ebenmaß Geometrie: Bestimmte Operationen bilden Objekt auf sich selbst ab (dabei bleibt es quasi unverändert) Rotationssymmetrie Achsensymmetrie - Spiegelsymmetrie Punktsymmetrie

Mehr

t-rna Ribosom (adapted from the handouts of Prof. Beck-Sickinger, Universität Leipzig)

t-rna Ribosom (adapted from the handouts of Prof. Beck-Sickinger, Universität Leipzig) ukleinsäuren speichern die Erbinformation. Das menschliche Genom ist in jeder Zelle aus 3900 Millionen Basenpaare (Mbp) aufgebaut und hat eine Gesamtlänge von 99 cm. t-ra Ribosom (adapted from the handouts

Mehr

SPEKTROSKOPISCHE STRUKTURANALYTIK SYNTHETISCHER POLYPEPTIDE

SPEKTROSKOPISCHE STRUKTURANALYTIK SYNTHETISCHER POLYPEPTIDE SPEKTROSKOPISCHE STRUKTURANALYTIK SYNTHETISCHER POLYPEPTIDE Dissertation zur Erlangung des naturwissenschaftlichen Doktorgrades der Bayerischen Julius Maximilians Universität Würzburg vorgelegt von Renate

Mehr

Chemie des Haares HAARE. a-helix-struktur der Haarproteine. Protein-Helix. Wasserstoffbrücke. b-ketten- oder Faltblatt-Struktur der Haarproteine

Chemie des Haares HAARE. a-helix-struktur der Haarproteine. Protein-Helix. Wasserstoffbrücke. b-ketten- oder Faltblatt-Struktur der Haarproteine Chemie des Haares Das Haar besteht zu 90 % aus dicht aneinander gereihten Zellen, die Keratin ein Eiweiß enthalten. Keratin wiederum besteht aus Aminosäuren, die zu langen Ketten (= Polypeptidketten) aneinander

Mehr

MM Proteinmodelling. Michael Meyer. Vorlesung XVII

MM Proteinmodelling. Michael Meyer. Vorlesung XVII Proteinmodelling Vorlesung XVII Proteinstrukturen Es besteht ein sehr großer Bedarf an Proteinstrukturen: Die Kenntnis der 3D-Struktur hat große Vorteile für das Design neuer Wirkstoffe. Experimentelle

Mehr

Probeklausur zur Vorlesung. Name:... Vorname:... Matr.-Nr... Datum:

Probeklausur zur Vorlesung. Name:... Vorname:... Matr.-Nr... Datum: 1 Probeklausur zur Vorlesung "Organische Chemie für Mediziner im Sommersemester 2016 Name:... Vorname:... Matr.-Nr.... Datum: 11.07.2016 Studienfach: Medizin Biomedizin Zahnmedizin Technol. d. Funktionswerkstoffe

Mehr

Allgemeine Chemie I Herbstsemester 2012

Allgemeine Chemie I Herbstsemester 2012 Lösung 4 Allgemeine Chemie I Herbstsemester 2012 1. Aufgabe Im Vorlesungsskript sind für Xenon die Werte σ(xe) = 406 pm und ε = 236 kjmol 1 tabelliert. ( ) 12 ( ) 6 σ σ E i j = 4ε (1) r i j r i j r i j

Mehr

Moleküle mit mehr als einem Chiralitätselement

Moleküle mit mehr als einem Chiralitätselement Moleküle mit mehr als einem hiralitätselement Natürlich kommt es häufig vor, dass Moleküle mehr als ein hiralitätselement enthalten. ierbei ist eine neue Art der Isomerie zu finden. Im Folgenden sind zunächst

Mehr

Einführung in die Biochemie, Aminosäuren. Prof. Dr. Albert Duschl

Einführung in die Biochemie, Aminosäuren. Prof. Dr. Albert Duschl Einführung in die Biochemie, Aminosäuren Prof. Dr. Albert Duschl Themen der Vorlesung Einführung in die Biochemie; Aminosäuren Peptide und Proteine Enzyme Proteinfunktionen Kohlenhydrate Lipide Nukleotide

Mehr

Vorlesung Mehrdimensionale NMR-Spektroskopie- Grundlagen und Anwendungen in der Strukturaufklärung Teil VI. Peter Schmieder AG NMR

Vorlesung Mehrdimensionale NMR-Spektroskopie- Grundlagen und Anwendungen in der Strukturaufklärung Teil VI. Peter Schmieder AG NMR Vorlesung Mehrdimensionale NMR-Spektroskopie- Grundlagen und Anwendungen in der Strukturaufklärung Teil VI Das Programm 2/105 Beim letztes Mal Heteronukleare NMR Ein Beispiel Das Programm 3/105 Heute Peptide

Mehr

Bovine Spongiforme Enzephalopathie

Bovine Spongiforme Enzephalopathie Bovine Spongiforme Enzephalopathie Biophysikalisches Seminar WS 06/07 von Bernhard Pfirrmann 1 Themen TSE allgemein BSE und nvcfk Die Suche nach dem BSE- Erreger PrP C und PrP Sc Folgen der Aggregation

Mehr

2.3 Intermolekulare Anziehungskräfte und Molekülkristalle

2.3 Intermolekulare Anziehungskräfte und Molekülkristalle 2.3 Intermolekulare Anziehungskräfte und Molekülkristalle Kinetische Energie der Moleküle / Aggregatzustand Bau und Struktur der Moleküle Intermolekulare Anziehungskräfte Kräfte zwischen Molekülen Van-der-Waals-Kräfte

Mehr

Alexander Garvin Klenner

Alexander Garvin Klenner 9RUKHUVDJHXQG9LVXDOLVLHUXQJYRQ3URWHLQIDOWXQJ Alexander Garvin Klenner Abb. 1: menschliches Insulin [ Grafik erstellt mit RasMol by Sayle ] $EVWUDFW Diese Arbeit befasst sich mit der Vorhersage und Visualisierung

Mehr

Basiswissen Chemie. Vorkurs des MINTroduce-Projekts

Basiswissen Chemie. Vorkurs des MINTroduce-Projekts Basiswissen Chemie Vorkurs des MINTroduce-Projekts Christoph Wölper christoph.woelper@uni-due.de Sprechzeiten (Raum: S07 S00 C24 oder S07 S00 D27) Was bisher geschah Redox-Reaktion Oxidation Reduktion

Mehr

Vorlesung PC-7 Biophysikalische Chemie 2. Vorlesung. Norbert Hampp

Vorlesung PC-7 Biophysikalische Chemie 2. Vorlesung. Norbert Hampp Vorlesung PC-7 Biophysikalische Chemie 2. Vorlesung Norbert Hampp 1 Rückblick Summary 1. Vorlesung Die gesamte Biomasse verwendet etwa 2% der solaren Einstrahlung für die Aufrechterhaltung und Vermehrung

Mehr

Einführung in die Biochemie Antworten zu den Übungsaufgaben

Einführung in die Biochemie Antworten zu den Übungsaufgaben Einführung in die Biochemie Antworten zu den Übungsaufgaben Dank Die vorliegenden Antworten zu den Übungsaufgaben für das Seminar zum Modul Einführung in die Biochemie wurden im Wintersemester 2014/2015

Mehr

Chemiepraktikum für Biologen. Versuchsprotokoll. Dünnschichtchromatographie (von Farbstoffen, Aminosäuren und Monosacchariden)

Chemiepraktikum für Biologen. Versuchsprotokoll. Dünnschichtchromatographie (von Farbstoffen, Aminosäuren und Monosacchariden) Johannes Gutenberg Universität Fachbereich Biologie Chemiepraktikum für Biologen SS 2002 Versuchsprotokoll zum Thema Dünnschichtchromatographie (von Farbstoffen, Aminosäuren und Monosacchariden) von 1)

Mehr

1. Struktur biologisch relevanter Moleküle

1. Struktur biologisch relevanter Moleküle 1. Struktur biologisch relevanter Moleküle ukleinsäuren (RS, DS): - Speicherung genetischer Information Proteine: - Regulative Funktionen (Enzyme) - Bausteine von Biomembranen Lipide und Lipoide: - Bausteine

Mehr

2. Prinzipien der Pflanzenstärkung durch Blattanwendung von L Aminosäuren

2. Prinzipien der Pflanzenstärkung durch Blattanwendung von L Aminosäuren Aminosäuren und Peptide für die Pflanzenstärkung von Dr. Helmut Wolf, Protan AG 1. Einführung 2. Prinzipien der Pflanzenstärkung durch Blattanwendung von L Aminosäuren 3. Wirtschaftlichkeit der Blattanwendung

Mehr

Skript zum Workshop Molekular Genetik für die Jahrgangsstufe 12

Skript zum Workshop Molekular Genetik für die Jahrgangsstufe 12 Skript zum Workshop Molekular Genetik für die Jahrgangsstufe 12 Erstellt von: Michael Müller Erstellungsdatum: 23.01.2004 e-mail: michael.mueller@rwth-aachen.de Molekular Genetik Seite 2 von 16 Molekular

Mehr

Stabilisierung von Kolloiden durch Polymere

Stabilisierung von Kolloiden durch Polymere Stabilisierung von Kolloiden durch Polymere Saarbrücken, den 02.07.2013 Nanostrukturphysik 2 Marc-Dominik Kraß Stabilisierung von Kolloiden Sterische Stabilisation Enthalpische Stabilisation Elektrostatische

Mehr

Proteinbestimmung. Diese Lerneinheit befasst sich mit der Beschreibung von verschiedenen Methoden der Proteinbestimmung mit den folgenden Lehrzielen:

Proteinbestimmung. Diese Lerneinheit befasst sich mit der Beschreibung von verschiedenen Methoden der Proteinbestimmung mit den folgenden Lehrzielen: Diese Lerneinheit befasst sich mit der Beschreibung von verschiedenen Methoden der mit den folgenden Lehrzielen: Verständnis der Prinzipien der sowie deren praktischer Durchführung Unterscheidung zwischen

Mehr

Circulardichroismus (CD) und Fluoreszenz - Anwendungen in der Proteinchemie -

Circulardichroismus (CD) und Fluoreszenz - Anwendungen in der Proteinchemie - Circulardichroismus (CD) und Fluoreszenz - Anwendungen in der Proteinchemie - Circulardichroismus (CD) - Einführung Circulardichroismus (CD) - Prinzip Circulardichroismus (CD) - Formel Meßsignal beruht

Mehr

BACHELORARBEIT. Frau Jenny Bleeck. Biologische Interpretation und Evaluierung von Motiven in transmembranen Bereichen

BACHELORARBEIT. Frau Jenny Bleeck. Biologische Interpretation und Evaluierung von Motiven in transmembranen Bereichen BACHELORARBEIT Frau Jenny Bleeck Biologische Interpretation und Evaluierung von Motiven in transmembranen Bereichen Mittweida, 22.08.2012 Fakultät Mathematik/Naturwissenschaften/Informatik BACHELORARBEIT

Mehr

Aminosäuren. Die Mischung macht's. Die Proteinfabrik. ANKUBERO GmbH. Verschiedene Aminosäuren und Proteine

Aminosäuren. Die Mischung macht's. Die Proteinfabrik. ANKUBERO GmbH. Verschiedene Aminosäuren und Proteine Aminosäuren ANKUBERO GmbH Lieber Kunde, lieber Interessent, Die Mischung macht's Verschiedene Aminosäuren und Proteine Aufgeteilt in drei Hauptgruppen unterscheidet man essenzielle, semi-essenzielle oder

Mehr

Aminosäuren besitzen eine saure und eine basische Gruppe. Sie enthalten mindestens eine Carboxylgruppe und mindestens eine Aminogruppe.

Aminosäuren besitzen eine saure und eine basische Gruppe. Sie enthalten mindestens eine Carboxylgruppe und mindestens eine Aminogruppe. Aufbau von Aminosäuren Aufgabenstellung Lesen Sie den nachfolgenden Text aufmerksam durch und bearbeiten Sie die Fragen schriftlich. Versuchen Sie die Fragen alle zu beantworten. Arbeitsform Arbeiten Sie

Mehr

Nucleoside. Adenosin Triphosphat (AMP, ADP ATP) Adenosin Cytidin Guanosin Thymidin

Nucleoside. Adenosin Triphosphat (AMP, ADP ATP) Adenosin Cytidin Guanosin Thymidin ucleoside Klassische strukturelle Definition: ucleosid = Pyrimidin o. Purin- -glycosid von: D-Ribofuranose oder 2-Deoxy-D-Ribofuranose. Ausweitung der Def. auf Purine oder Pyrimidin--glycoside von fast

Mehr

Übung zum chemischen Praktikum für Studierende mit Chemie als Nebenfach Übung Nr. 4, 09./

Übung zum chemischen Praktikum für Studierende mit Chemie als Nebenfach Übung Nr. 4, 09./ Übung zum chemischen Praktikum für Studierende mit Chemie als Nebenfach Übung Nr. 4, 09./10.05.11 Nucleophile Substitution 1. Beschreiben Sie den Reaktionsmechanismus von a) S N 1 X = beliebige Abgangsgruppe

Mehr

Weitere Übungsfragen

Weitere Übungsfragen 1 Strategie bei multiple choice Fragen Wie unterscheidet sich Glucose von Fructose? (2 Punkte) Glucose hat 6 C Atome, Fructose hat nur 5 C Atome. In der Ringform gibt es bei Glucose α und β Anomere, bei

Mehr

Kohlenwasserstoffe. Alkane. Kohlenwasserstoffe sind brennbare und unpolare Verbindungen, die aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen aufgebaut sind.

Kohlenwasserstoffe. Alkane. Kohlenwasserstoffe sind brennbare und unpolare Verbindungen, die aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen aufgebaut sind. 2 2 Kohlenwasserstoffe Kohlenwasserstoffe sind brennbare und unpolare Verbindungen, die aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen aufgebaut sind. 4 4 Alkane Alkane sind gesättigte Kohlenwasserstoffverbindungen

Mehr

Klausur zum chemischen Praktikum für Studierende mit Chemie als Nebenfach (SS2011)

Klausur zum chemischen Praktikum für Studierende mit Chemie als Nebenfach (SS2011) Klausur zum chemischen Praktikum für Studierende mit Chemie als Nebenfach (SS2011) Musterlösung 1. (10P) Was ist richtig (mehrere Richtige sind möglich)? a) Amylose und Amylopektin bestehen nur aus D-Glucose

Mehr

IV. Übungsaufgaben für die Jahrgangstufe 9 & 10

IV. Übungsaufgaben für die Jahrgangstufe 9 & 10 IV. Übungsaufgaben für die Jahrgangstufe 9 & 10 Von der Erbanlage zum Erbmerkmal: 34) Welche Aufgaben haben Chromosomen? 35) Zeichne und benenne die Teile eines Chromosoms, wie sie im Lichtmikroskop während

Mehr

Das Tetraeder-Bällchen/Oktaeder-Bällchen

Das Tetraeder-Bällchen/Oktaeder-Bällchen H-Atome: klein, weiß Edelgas-Atome: He, Ne, Ar, Kr, Xe, Rn: verschiedene Lila-Töne Metalle: Natrium, Calcium: eher Dunkelblau-Töne Nichtmetalle: C N O F P S Cl grau (kopiert) hellblau rot hellgelb orange

Mehr

Stabilität von Proteinen

Stabilität von Proteinen Stabilität von Proteinen Physiologische Stressbedingungen - extreme Temperaturen (-5-115 C) - hydrostatischer Druck (> 1200 bar) - hohe Salzkonzentrationen (> 4 M NaCl) - extreme ph Werte (-1 < ph < 12)

Mehr