Revision 2. Unterabschnitt. Ermittlungsverfahren. Einleitung des Strafverfahrens 397 Einleitung des Strafverfahrens
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1 6. Verdacht als Einleitungsvoraussetzung Revision 2. Unterabschnitt. Ermittlungsverfahren 1 I. Allgemeines Einleitung des Strafverfahrens 397 Einleitung des Strafverfahrens (1) Das Strafverfahren ist eingeleitet, sobald die Finanzbehörde, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, eine ihrer Ermittlungspersonen oder der Strafrichter eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen. (2) Die Maßnahme ist unter Angabe des Zeitpunkts unverzüglich in den Akten zu vermerken. (3) Die Einleitung des Strafverfahrens ist dem Beschuldigten spätestens mitzuteilen, wenn er dazu aufgefordert wird, Tatsachen darzulegen oder Unterlagen vorzulegen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er verdächtig ist. Vgl. 78 c I Nr. 1 StGB, 33 I Nr. 1 OWiG; 17 I BDG, 93 WDO, 3 V u. 6 I Nr. 1 BÄrzteO, 4 V u. 8 I Nr. 1 BApothO, 4 V u. 8 I Nr. 1 BTierärzteO; vgl. ferner 10 BpO (St) und Nr. 24 bis 30 ASB 2004 (BStBl. I 2003, 655) Verdacht als Einleitungsvoraussetzung 6. Verdacht als Voraussetzung der Einleitung des Strafverfahrens Schrifttum: Lüttger, Der genügende Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, GA 1957, 193; Willms, Offenkundigkeit und Legalitätsprinzip, JZ 1957, 465; Geerds, Strafrechtspflege und Prozessuale Gerechtigkeit, SchlHA 1964, 57; Geerds, Der Tatverdacht, GA 1965, 321; Sarstedt, Gebundene Staatsanwaltschaft?, NJW 1964, 1752; Kaiser, Tatverdacht und Verantwortung des Staatsanwalts, NJW 1965, 2380; Richter, Der Verdacht strafbarer Handlungen bei der Betriebsprüfung, DB 1967, 697; Steffen, Haftung für Amtspflichtverletzungen des Staatsanwalts, DRiZ 1972, 154; Sailer, Anklageerhebung und Gleichheitsprinzip, NJW 1977, 1438; Geerds, Kenntnisnahme vom Tatverdacht und Verfolgungspflicht, Schröder-Gedächtnisschr. 1978, 379; Kühne, Die Definition des Verdachts als Voraussetzung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen, NJW 1979, 617; Bottke, Zur Anklagepflicht der Staatsanwaltschaft, GA 1980, 298; Arndt, Vorfeldermittlungen, Gruppenverdacht und Sammelauskunftsersuchen, Felix-Festgabe 1989, 1; Carl/Klos, Schwarzgeldtransfer nach Luxemburg: Zur Rechtmäßigkeit der Durchsuchung von Kreditinstituten durch die Steuerfahndung, wistra 1994, 211; Hellmann, Das Neben-Strafverfahrensrecht der Abgabenordnung, 1995; Papier/Dengler, Verfassungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Steuerfahndungsmaßnahmen bei Banken, BB 1996, 2541, 2593; Burkhard, Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Belegverkäufe über ebay, PStR 2004, 164; Schulenburg, Legalitäts- und Opportunitätsprinzip im Strafverfahren, JuS 2004, 765. Nach dem Legalitätsprinzip müssen die in 397 I AO genannten Stellen wegen aller verfolgbaren Steuerstraftaten einschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen ( 152 II StPO), und zur Aufklärung des Verdachts den Sachverhalt erforschen ( 160 I StPO). Das Legalitätsprinzip erfordert sogar ein unverzügliches Tätigwerden, damit der Schwebezustand zwischen Verdacht und Gewissheit über die Berechtigung des Schuldvorwurfs möglichst bald beendet wird (vgl. Art. 6 I 1 MRK sowie Nr. 5 Jäger
2 , 40 Einleitung des Strafverfahrens RiStBV; Nr. 6 ASB). Andererseits sind strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen noch nicht zulässig, solange die tatsächlichen Anhaltspunkte noch nicht ausreichen, um einen Tatverdacht zu begründen (Hellmann aao S. 250). Zwischen den Geboten des unverzüglichen Zugriffs und der Zurückhaltung mit voreiligen Maßnahmen bildet das Vorhandensein eines Verdachts eine allgemeine Voraussetzung für die erste strafrechtliche Maßnahme, der 397 I AO verfahrenseinleitende Wirkung zuspricht. Wann ein Verdacht vorliegt, lässt sich allgemein kaum definieren. Nach 152 II StPO ist die StA, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Das soll der Fall sein, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt (BGH v , NJW 1989, 96). Diese Möglichkeit besteht bereits dann, wenn auch nur entfernte Indizien vorliegen (OLG Frankfurt v , NStZ 1996, 196). Kriminalistische Erfahrungen, die einen Anfangsverdacht begründen, können uu auch aus Selbstanzeigen in vergleichbaren Fällen gewonnen werden (FG Münster v , wistra 2000, 196). Bloße Vermutungen rechtfertigen es nicht, jemandem eine Tat zur Last zu legen (Schulenburg JuS 2004, 765; Meyer-Goßner 4 zu 152 StPO mwn). Auch nach der Definition des Verdachts durch Nr. 24 II ASB reicht die bloße Möglichkeit einer schuldhaften Steuerverkürzung nicht aus, einen Verdacht zu begründen (vgl. aber Nr. 113 III ASB), wohl aber, um Ermittlungen nach 208 I Nr. 3 AO vorzunehmen (Rdnr. 31 zu 404 AO). Aus tatsächlichen Anhaltspunkten muss also nicht nur die Möglichkeit, sondern eine gewisse, wenn auch zweifelhafte Wahrscheinlichkeit einer begangenen Straftat zu folgern sein (Kohlmann 5 zu 397 AO). Unklar bleibt allerdings, wie Hellmann zu Recht bemerkt (aao S. 251), wie die Möglichkeit von der gewissen Wahrscheinlichkeit abzugrenzen ist. Jedenfalls steht der StA und den sonstigen zur Einleitung eines Strafverfahrens berufenen Stellen (Rdnr. 12 ff.) bei der Prüfung zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für einen Verdacht ein Beurteilungsspielraum zu (BVerfG v , NJW 1984, 1451 u. v , wistra 221; BGH v , NJW 1989, 96). Unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung ist dieser Beurteilungsspielraum erst dann überschritten, wenn die Entscheidung nicht mehr vertretbar ist. Die Vertretbarkeit ist zu verneinen, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege (dazu BVerfG v , NJW 2355) die Einleitung der Ermittlungen gegen den Beschuldigten nicht mehr vertretbar ist (BGH v , NJW 1989, 96). Das dürfte mit Rücksicht auf die Schutzfunktion des 397 AO (Rdnr. 6) nur selten der Fall sein, zb aber dann, wenn eine Maßnahme mit der Behauptung begründet würde, alle Prostituierten seien der Steuerhinterziehung verdächtig. Kontrollmitteilungen als solche begründen regelmäßig noch keinen Anfangsverdacht (aa Blesinger wistra 1994, 48, 52; vgl. ferner Rdnr. 40). Schon der Anfangsverdacht muss sich aus konkreten Tatsachen ergeben (Lüttger GA 1957, 193; Geerds SchlHA 1964, 60 u. GA 1965, 327; Blesinger 912 Jäger
3 6. Verdacht als Einleitungsvoraussetzung wistra 1994, 48; Walder ZStW 95, 867 ff.; KK-Schoreit 28 u. 31 sowie Meyer- Goßner 4 zu 152 StPO). Eine allgemeine Erfahrungstatsache wie etwa die, dass die Heuer deutscher Seeleute auf Schiffen, die unter billigen Flaggen wie Panama oder Liberia fahren, häufig nicht versteuert wird, genügt für sich allein nicht, um von vornherein den Verdacht einer Steuerhinterziehung dieser Seeleute anzunehmen und mit strafrechtlichen Maßnahmen vorzugehen. Die Tatsache, dass ein Rechtsanwalt ein Sonderhonorar nicht versteuert hat, kann für sich allein nicht den Verdacht begründen, der Zahlungsempfänger habe auch in anderen Zeiträumen Sonderhonorare erhalten und nicht versteuert (LG Köln v , StV 275); ohne weiteren Anhaltspunkt kann hier nur eine Vermutung vorliegen. Das Anbieten von Barzahlungs- Tankquittungen, aus denen der Bezahlende nicht hervorgeht, über ebay, kann für einen Anfangsverdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung genügen (gla Burkhard PStR 2004, 167 f.). Ein sog. Betriebsverdacht begründet keinen Anfangsverdacht (BVerfG v , NJW 1489 u. v , NJW 1995, 2839 betr. Suchtberatungsstellen sowie v , wistra 219 betr. Verstoß gegen das FAG). Die bloße Möglichkeit, dass ein gesetzlich zulässiger Betrieb von Straftätern missbraucht wird, reicht nicht aus; es müssen vielmehr Verdachtsmomente für einen konkreten Missbrauch vorliegen (BVerfG v , NJW 1995, 2839). Ebenso wenig begründet der Besitz von Tafelpapieren für sich allein einen Anfangsverdacht (ebenso BFH v , NJW 3157). Anders verhält es sich jedoch, wenn konkrete Hinweise auf eine gezielte Anonymisierung vorliegen. So rechtfertigt die Abwicklung von Tafelgeschäften mittels Barein- und -auszahlungen den Anfangsverdacht einer Steuerstraftat, wenn der Bankkunde solche Geschäfte bei einem Kreditinstitut tätigt, bei dem er auch seinen Konten und/oder Depots führt (BFH v , NJW 2997, bestätigt durch BVerfG v , NStZ 371; LG Itzehoe v , wistra 432; LG Detmold v , wistra 434; vgl. auch Nr. 3 AEAO zu 154 AO). Dasselbe gilt, wenn ein Depot auf den Geburtsnamen geführt wird, für steuerliche Zwecke aber der Ehename verwendet wird (BVerfG PStR 2004, 176). Ein hinreichend konkreter Verdacht dürfte auch gegeben sein, wenn fingierte oder gefälschte Belege aufgefunden werden, wenn Vermögenszuwächse mit Spielgewinnen erklärt werden (ferner HHSp-Schick 169 zu 208 AO) oder wenn der Stpfl keine Steuererklärung abgegeben hat, ohne dass Anhaltspunkte für die Aufgabe seiner steuerpflichtigen Tätigkeit vorliegen (Blesinger wistra 1994, 48, 52). Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat können zb auch sein verschwiegene Bankkonten, nicht gebuchte Wareneingänge sowie Scheingeschäfte oder Scheinverträge. Anonymisierte Einzahlungsbelege (Identifizierungsbögen) rechtfertigen einen Anfangsverdacht bezüglich Steuerhinterziehung und Geldwäsche (LG Lübeck v , wistra 2000, 196). In jedem Fall bedarf es aber der zusätzlichen Feststellung von Anhaltspunkten für die subjektive Tatseite. Es müssen greifbare Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass der objektive und subjektive Tatbestand einer Straftat erfüllt ist und die Tat auch verfolgt werden kann (vgl. RG v , RStBl f.), zb weil der Jäger 913
4 , 42 Einleitung des Strafverfahrens Stpfl die in der Kontrollmitteilung bescheinigten Beträge in seiner bereits vorliegenden Steuererklärung nicht erfasst hat. Ein steuerliches Mehrergebnis, das auf einer von der Steuererklärung abweichenden Veranlagung oder auf einer Änderung der Steuerbescheide aufgrund von Feststellungen der Betriebsprüfung beruht, begründet für sich allein noch keinen Verdacht (dazu Assmann StBp 1993, 53). Ein Mehrergebnis ist in jedem Falle straf- oder bußgeldrechtlich insoweit irrelevant, als es nicht aus unrichtigen, unvollständigen oder fehlenden Tatsachenangaben des Stpfl erwachsen ist, sondern aus einer abweichenden rechtlichen Würdigung der richtig, vollständig und rechtzeitig erklärten Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt. Hinsichtlich der Mehrbeträge, die auf unzutreffende Angaben des Stpfl zurückgehen, müssen tatsächliche Anhaltspunkte für ein vorsätzliches oder leichtfertiges Verhalten des Stpfl oder eines an der Gewinnermittlung oder an den Steuererklärungen mitwirkenden Dritten vorliegen. Solche Anhaltspunkte können bereits vorliegen, wenn der Stpfl Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist, gerade deswegen nicht angegeben hat, weil er eine von Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweichende Rechtsansicht vertritt (vgl. BGH v , wistra 2000, 137 sowie Rdnr. 126 ff. zu 370 AO). Die subjektiven Erfordernisse einer gem. 370 AO mit Strafe oder gem. 378 AO mit Geldbuße bedrohten Steuerverkürzung sind zb regelmäßig nicht erfüllt, wenn der Stpfl den Bilanzwert von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens oder das Ausfallrisiko bei ausstehenden Forderungen schätzen muss und sich nachträglich erweist, dass die tatsächliche Nutzungsdauer länger oder der tatsächliche Forderungsausfall geringer gewesen ist. Das gleiche gilt für die Bildung von Rückstellungen für Bürgschaften, Gewährleistungsverpflichtungen usw. Andererseits ist der Verdacht einer schuldhaften Steuerverkürzung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Veranlagung oder Betriebsprüfung zu keinem Mehrergebnis geführt hat, da sich Erhöhungen und Minderungen der Besteuerungsgrundlagen zwar steuerlich, regelmäßig aber nicht strafrechtlich ausgleichen können ( 370 IV 3 AO). Im Hinblick auf die Person des Verdächtigen erfordert ein konkreter Verdacht nicht, dass die tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat bereits einen (oder mehrere) bestimmte(n), der Strafverfolgungsbehörde bekannte(n) Täter erkennen lassen (gla LR-Beulke 23 zu 152 StPO). Es genügt, dass anstelle einer unbestimmten Vielzahl eine begrenzte Mehrzahl möglicher Täter in Betracht kommt und die Ermittlungen gegen Unbekannt nicht ins Blaue greifen. Wenn auch bei Besitz- und Verkehrsteuerstraftaten der Täter anders als bei Schmuggel und bei nichtsteuerlichen Straftaten nur beim Stpfl und in dem Kreis der Personen ermittelt zu werden braucht, die an der Buchführung, Gewinnermittlung und Steuererklärung mitgewirkt haben, kann bei Beginn strafrechtlicher Ermittlungen, namentlich bei Großbetrieben, durchaus noch undurchsichtig sein, bei wem die Täterschaft liegt, zumal erfahrungsgemäß der Stpfl bestrebt ist, die Verantwortung von sich auf Angestellte und steuerliche Berater abzuwälzen. 914 Jäger
5 6. Verdacht als Einleitungsvoraussetzung Für den Verdacht, der ein Einschreiten mit strafrechtlichen Mitteln erfordert, genügt eine gewisse, wenn auch noch so geringe Wahrscheinlichkeit, bei der der Zweifel an der Richtigkeit des Verdachts noch überwiegen darf (LR-Beulke 23 zu 152 StPO; ferner Rdnr. 39). Sie muss über die theoretische Möglichkeit des Vorliegens von Straftaten hinausgehen (LR-Beulke aao). In keinem Fall braucht der Verdacht dringend (vgl. 111 a I, 112 I StPO) oder hinreichend (vgl. 203 StPO) zu sein (KMR-Plöd 18 sowie KK-Schoreit 30 zu 152 StPO; Bender Tz. 113, 1; Kohlmann 5 und Cratz in Rolletschke/Kemper 34 f. zu 397 AO; Richter DB 1967, 697; Henneberg BB 1970, 1128; Möllinger StBp 1979, 193; Brenner StBp 1977, 280 und Pfaff DStZ 1977, 445), denn hinreichender Verdacht bedeutet die Feststellung von Tatsachen, die nach praktischer Erfahrung zu einer Verurteilung mit vollgültigen Beweisen führen werden (BGH v , NJW 1543). Ein über einfachen Verdacht hinausreichender höherer Grad von Wahrscheinlichkeit, dass eine Straftat begangen ist, muss vorliegen, wenn das Ermittlungsverfahren mit einer besonders einschneidenden Maßnahme begonnen werden soll. UHaft darf nach 112 I 1 StPO gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist. Darüber hinaus verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einen nach dem Gewicht der Maßnahme abgestuften, stärker konkretisierten Verdacht, wenn als erste Ermittlungsmaßnahme eine Beschlagnahme ( 94 StPO; BGH 9, 351, 355 v ), eine Durchsuchung ( 105 StPO), insbes. bei anderen Personen ( 103 StPO) oder zur Nachtzeit ( 104 StPO), oder sogar eine Postbeschlagnahme ( 99 StPO) oder eine körperliche Untersuchung ( 81 a StPO) angeordnet werden soll (vgl. KK-Nack 8 zu 94 StPO). Die für solche Maßnahmen erhöhten Anforderungen an die Konkretisierung des Verdachts betreffen jedoch nicht den Entschluss, ob überhaupt Ermittlungen gegen einen Verdächtigen aufgenommen werden müssen, sondern welches Mittel zur Aufklärung des Verdachts und zur Sicherung der Beweise gewählt werden kann und darf (Rdnr. 80). Auf welche Weise die zur Strafverfolgung berufenen Stellen Kenntnis erlangen von den tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat, ist grundsätzlich gleichgültig. In Betracht kommen vor allem Anzeigen (Rdnr. 46 f.) einschl. Selbstanzeigen (Rdnr. 48) und eigene dienstliche Wahrnehmungen. Die im Hinblick auf die Strafdrohung des 258 a StGB bedeutsame Frage, ob außerdienstliche Kenntnis einen StA oder anderen Strafverfolgungsbeamten zum Einschreiten verpflichtet oder nur berechtigt, ist umstritten. Die noch hm erachtet bei privater Kenntniserlangung ein Einschreiten in eigener Zuständigkeit oder eine Mitteilung an die zuständige Stelle für geboten, wenn sich der Verdacht auf Straftaten bezieht, die nach Art und Umfang die Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesundheit in besonderem Maße berühren (so grundsätzlich RG 70, 251 f. v ; zust. BGH 5, 225, 229 v ; 12, 277, 281 v ; OLG Köln v , NJW 1794; Kohlmann 12 zu 397 AO; einschränkend unter Verneinung einer Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt Krause GA 1964, 110 und JZ 1984, 548; gänzlich abl. Anterist Anzeigepflicht und Pri- Jäger
6 Einleitung des Strafverfahrens vatsphäre des Staatsanwalts, 1968, 63 ff.; Geerds Schröder-Gedächtnisschr., 389 ff.; für eine Verfolgungspflicht nur bei Verbrechen Artkämper Kriminalistik 2001, 433). Nach der neueren höchstrichterlichen Rspr (BGH 38, 388, 392 v u. v , NStZ 2000, 147) kommt bei außerdienstlich erlangtem Wissen eine Garantenstellung in Betracht, wenn der Strafverfolgungsbeamte von schweren Straftaten Kenntnis erlangt, die während seiner Dienstausübung fortwirken. Dabei bedarf es der Abwägung im Einzelfall, ob durch die Straftaten Rechtsgüter der Allgemeinheit oder des einzelnen betroffen sind, denen jeweils ein besonderes Gewicht zukommt. Dies kann auch außerhalb des Kataloges des 138 StGB bei schweren Straftaten (zb schwere Drogendelikte, Organisierte Kriminalität), auch bei Vermögensstraftaten mit hohem wirtschaftlichem Schaden oder besonderem Unrechtsgehalt, der Fall sein (BGH aao). Jedenfalls wegen der beamtenrechtlichen Treuepflicht ist bei außerdienstlich erlangtem Wissen von schweren Straftaten eine Anzeigepflicht zu bejahen (ebenso KK-Schoreit 29 zu 152 StPO; KK-Wache 29 u. KMR-Plöd 15 zu 158 sowie Meyer-Goßner 10 zu 160 StPO). Ob eine Strafanzeige ohne weiteres den Verdacht einer Straftat vermittelt, hängt vom Inhalt der Anzeige und von der Person des Anzeigeerstatters ab. Ein Verdacht ist um so eher begründet, je genauer die tatsächlichen Angaben sind. Andererseits kann eine Anzeige uu sofort weggelegt werden, wenn sie einen verworrenen Inhalt hat oder der Anzeigeerstatter der Behörde bereits aus anderen Anlässen als unglaubwürdig oder geistesgestört bekannt ist und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen falscher Verdächtigung nach 164 StGB nicht in Betracht kommt. Haltlose Angaben eines Querulanten sind keine zureichenden Anhaltspunkte (Kaiser NJW 1965, 2380; ebenso Franzheim GA 1978, 142; KK-Wache 7, 13 u. KMR-Plöd 7 zu 158 StPO; LR-Beulke 24 zu 152 StPO). Bei anonymen Anzeigen ist Vorsicht geboten (vgl. Nr. 8 RiStBV), da der Anzeigeerstatter sich durch das Verheimlichen seiner Identität der Verantwortung nach 164 StGB entzieht. Andererseits ist es weder zulässig noch gerechtfertigt, anonyme Anzeigen grundsätzlich unbeachtet zu lassen (ebenso Blesinger wistra 1994, 48). Oft enthalten sie besonders detaillierte Angaben, die nur Insider kennen können, und gelegentlich sind sie sogar aus einer gewissen Zwangslage diktiert, zb wenn der Anzeigende als Arbeitnehmer des Angezeigten zur Mitwirkung an Steuerstraftaten angehalten wird, oder bei einem unlauteren Wettbewerbsverhalten des Angezeigten. Andererseits lehrt die Praxis, dass anonyme Anzeigen auf Rachegelüsten, verletzter Eitelkeit oder vermeintlicher Ungleichbehandlung beruhen können. Ein Ermittlungsverfahren sollte daher erst eingeleitet werden, wenn der durch die anonyme Anzeige ausgelöste Anfangsverdacht durch weitere Nachforschungen eine gewisse Bestätigung gefunden hat (KK-Wache 6 zu 158 StPO). Eine Selbstanzeige ( 371, 378 III AO) begründet regelmäßig den Verdacht, dass die angezeigte Tat wirklich begangen worden ist. Fraglich bleibt häufig, ob die angezeigten Tatsachen vollständig sind oder ob nicht eine sog. dolose Teilselbstanzeige vorliegt (Rdnr. 213 ff. zu 371 AO). Nicht selten 916 Jäger
7 6. Verdacht als Einleitungsvoraussetzung 48 a 45 a, muss auch wegen der unterschiedlichen Anforderungen des 371 II AO und des 378 III AO aufgeklärt werden, ob die selbst angezeigte Steuerverkürzung in subjektiver Hinsicht die Merkmale einer Steuerstraftat nach 370 AO oder einer Steuerordnungswidrigkeit nach 378 I AO erfüllt. Schließlich können beweissichernde Maßnahmen für den Fall ergriffen werden, dass der Anzeigeerstatter die vorsätzlich oder leichtfertig verkürzten Steuern nicht fristgerecht nachzahlt ( 371 III, 378 III 2 AO). Eine Selbstanzeige macht daher Ermittlungsmaßnahmen nicht von selbst entbehrlich. Erscheinen sie erforderlich und werden sie veranlasst, so bewirken sie nach 397 I AO auch die Einleitung des Strafverfahrens (am Koch/Scholtz/Scheuermann-Kettner 7 u. Kohlmann 31 Beispiel 15 zu 397 AO unter Berufung auf OLG Celle v , NJW 1964, 989), denn das Abzielen auf strafrechtliches Vorgehen steht stets unter dem Vorbehalt, dass der Verdacht sich wieder auflöst oder dass die Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes vollständig festgestellt werden (ebenso Blesinger wistra 1994, 48, 52; vgl. auch BayObLG v , wistra 1990, 159). Der Inhalt einer strafbefreienden Erklärung unterliegt nach 13 I 1 StraBEG einem Verwendungsverbot. Die strafbefreiende Erklärung darf daher nicht zum Anlass genommen werden, einen Anfangsverdacht zu schöpfen und ein Strafverfahren einzuleiten (Rdnr. 11 zu 13 StraBEG). Nach Ansicht des BMF (Schreiben v , DStR 1387) soll dies aber nicht für Angaben gelten, die nicht mehr als Bestandteil der Spezifizierung des Lebenssachverhaltes für die im Vordruck der strafbefreienden Erklärung als Bemessungsgrundlage erklärten Einnahmen angesehen werden können. Der Wortlaut des 13 I 1 StraBEG spricht jedoch dafür, das Verwendungsverbot auf alle Angaben anzuwenden, die unter Berufung auf das StraBEG übermittelt werden. Zur Frage, ob auch eine unwirksame strafbefreiende Erklärung dem Verwendungsverbot unterliegt s. Rdnr. 12 ff. zu 1 StraBEG und Rdnr. 5 ff. zu 13 StraBEG. Jäger 48 a Jäger 917
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