14. November 2013: VZK-Tagung «Gesundheitsversorgung» Spitalfinanzierung: Wer bestimmt? Referat von Gesundheitsdirektor Dr.
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- Gitta Böhm
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1 Kanton Zürich Gesundheitsdirektion Kommunikation 14. November 2013: VZK-Tagung «Gesundheitsversorgung» Spitalfinanzierung: Wer bestimmt? Referat von Gesundheitsdirektor Dr. Thomas Heiniger Sehr geehrte Damen und Herren Die heutige Tagung steht unter dem Titel «DRG-Finanzierung: Bestimmen die Verhandlungspartner oder der Staat?» Gerne greife ich diese Frage auf und stelle die Tarife bzw. die Tarifverhandlungen, Tarifgenehmigung und -festsetzung ins Zentrum meiner Ausführungen. Vorweg will ich dazu ganz grundsätzlich festhalten: Wir sprechen heute über die Tarife für die Akutversorgung. Die Frage «Wer bestimmt die Tarife?» liesse sich aber auch für andere stationäre Bereiche stellen etwa für die Alterspflege. Da wird die Sache noch komplexer als sie uns heute hier schon scheint. Das Gesundheitssystem ist geprägt von einem Gesetz, das sich etappenweise entwickelt; es gibt verworrene Finanzierungswege und vor allem zahlreiche Akteure mit komplexen, teils überlappenden Kompetenzen, Verantwortungen und Interessen. All das führt dazu, dass wir es nicht mit einem geordneten Gesundheits-System zu tun haben, sondern mit einem Gesundheits-Wesen. Um nicht von einem Ungeheuer zu sprechen. Vor diesem Hintergrund wird klar: Es gibt auf Fragen wie «Wer bestimmt?» keine einfachen Antworten. Es gibt vielmehr verschiedene Betrachtungsweisen und Interpretationsmöglichkeiten, es gibt verschiedene Perspektiven. Ich werde die heutige Frage heute aus drei verschiedenen Blickwinkeln betrachten und eine Antwort daraus ableiten. Gesetzesgrundlage: Ich werfe zuerst einen Blick auf das Gesetz. Was geben das KVG und seine Verordnungen zu den Tarifverhandlungen vor? Verhandlungsrealität: Der zweite Blick ist derjenige auf die Verhandlungsrealität. Wer hat was und wie mit wem 2012 verhandelt? Kantonsverantwortung: Der dritte Blickwinkel ist derjenige des Kantons. Er hat eine verfassungsmässige Versorgungsverantwortung und ebenso eine Verantwortung für die wirtschaftliche Verwendung der Steuermittel. Er muss deshalb auch an den Tarifen bzw. der Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens interessiert sein. Ich beginne bei der Gesetzesgrundlage. Was sagt das KVG zu den Tarifverträgen bzw. den Tarifpartnern?
2 2/6 Das KVG definiert die Tarifpartner Leistungserbringer und Versicherer. Sie sollen Verträge abschliessen; sie sollen diese auch aushandeln. Man kann sagen, das Gesetz gebe zumindest zeitlich ein Verhandlungsprimat vor. Denn: Im gleichen Artikel, in dem das KVG die Parteien definiert, hält es auch fest, dass die Tarifverträge einer Genehmigung bedürfen: durch die jeweilige Kantonsregierung. Meine Damen und Herren, allein aus diesem ersten Blickwinkel heraus zeigt sich: Die Frage «Wer bestimmt?» ist nicht einfach mit X oder Y zu beantworten. Es gilt eine zeitlich vorgelagerte Verhandlungspflicht es gilt aber ebenso, dass die verhandelten Verträge genehmigt werden müssen. Und wir alle wissen: Wo sich die Verhandlungspartner nicht einigen, gibt es auch nichts zu genehmigen, sondern stattdessen festzusetzen. Wiederum durch den Kanton. Der Einfluss der Kantone als Genehmigungsinstanz ist aber nicht der alleinige. Bereits in ihrer ebenfalls gesetzlich vorgegebenen Rolle als Planungsbehörde steuern die Kantone mit ihrem Wirtschaftlichkeitsprüfungsauftrag. KVG und KVV verlangen von den Kantonen eine bedarfsgerechte Spitalversorgung. Für die Beurteilung und Auswahl der Listenspitäler ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung orientiert an der Effizienz der Leistungserbringer gefordert. Diese Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen der kantonalen Spitalplanung ist gewissermassen eine Vorselektion für die Tarifverhandlungen: Besonders unwirtschaftliche und nicht dem Versorgungsbedarf entsprechende Leistungserbringer können als Nicht- Listenspitäler nur noch als sogenannte Vertragsspitäler in Tarifverhandlungen mit den Krankenversicherern treten. Sie bleiben als solche von den Kantonen unbeachtet. Meine Damen und Herren, der Einflussbereich der Kantone ist allein durch seine verschiedenen Rollen also ein mehrfacher. Wir könnten hier nun natürlich die Diskussion über genau diese Problematik beginnen: die Rollenkonflikte der Kantone. Lassen Sie mich dazu nur Folgendes festhalten: Es ist nicht realistisch, dass der Kanton seine derzeitigen Hüte als Planungs- und Genehmigungsbehörde, als Finanzierer und Eigentümer in naher Zukunft alle bis auf einen ablegt. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, mit diesen Rollenkonflikten bestmöglich umzugehen und ich bin überzeugt, der Kanton Zürich macht seine Sache bereits sehr gut. Ich denke an das transparente Vorgehen bei der Spitalplanung oder die seriöse und sorgfältige Wirtschaftlichkeitsprüfung. Auch bei der
3 3/6 Festsetzung der provisorischen Tarife haben wir unser Vorgehen offengelegt und begründet. Und: Dabei wurden wir auch vom BVG gestützt. Die Festsetzung der provisorischen Tarife bringt mich zum nächsten Blickwinkel: zur Verhandlungsrealität. Die gesetzliche Grundlage dazu haben wir soeben betrachtet und diese sieht zumindest zeitlich quasi ein Verhandlungsprimat vor. Dass dieses gilt, ist nicht nur im Interesse der Tarifpartner. Auch der Staat begrüsst Tarifverhandlungen, die im Sinne der Patienten und Steuerzahler zu Wettbewerb im System führen. Nur: Dieses System ist jung, die Tarifpartner sind noch am Üben. Und vor allem: Sie sind von unterschiedlichen Interessen geleitet. Die einen wollen möglichst viel bekommen die anderen möglichst wenig bezahlen. Wie sehr die Tarifvorstellungen in der Verhandlungsrealität voneinander abweichen, macht die folgende Folie deutlich. Diese Tabelle ist ein Auszug aus dem Regierungsratsbeschluss vom März 2013 zur Genehmigung von Tarifverträgen und Festsetzung der Tarife ab Sie zeigt eine Übersicht zu den Fallpauschalen, wo sich die Tarifpartner nicht auf Verträge einigen konnten und wie sie von ihnen zur hoheitlichen Festsetzung beantragt wurden. Die teils weit auseinander liegenden Beträge in den beiden Spalten machen deutlich: Die Vorstellungen der Leistungserbringer und der Versicherer klaffen weit auseinander: Grösste Differenz: Kinderspital: Aber auch beim KSW, wo es gering scheint, sind es: Im Mittelfeld: GZO mit Differenz. Meine Damen und Herren, diese Zahlen zeigen: Die Tarifpartner haben sehr unterschiedliche Vorstellungen. Wenn manche von Ihnen nun sagen: Es lagen ja durchaus verhandelte Verträge zur Genehmigung vor dann stimmt das. Nur: Wenn wir da genau hinschauen, wird deutlich, welch unterschiedliche Vorstellungen allein die Versicherer haben.
4 4/6 Die mittlere Spalte zeigt die zur Genehmigung vorgelegten Tarifverträge zwischen HSK und einzelnen Leistungserbringern. Zum Vergleich die rechte Spalte: Die zur Festsetzung beantragten Tarife von tarifsuisse. Auch diese Zahlen klaffen auseinander. Wenn also nicht einmal die eine Verhandlungsseite hier die Versicherer annähernd gleiche Vorstellungen hat: Worauf soll man sich da verlassen können? Diese Differenzen machen doch deutlich: Es kann kein absolutes Verhandlungsprimat gelten. Es braucht eine dritte Instanz, die sorgfältig hinschaut. Eine Instanz, die ohne Eigeninteresse, sondern mit Blick auf die Bevölkerung die Tarife sorgfältig prüft und nötigenfalls festsetzt. Diese dritte Instanz ist der Kanton, der sich aus einer doppelten Verantwortung heraus für angemessene Tarife einsetzen muss. Ich komme zum dritten Blickwinkel, zur Kantonsverantwortung. Diese Kantonsverantwortung ergibt sich im Wesentlichen aus zwei verschiedenen Verantwortungen heraus: Einerseits hat der Kanton eine verfassungsmässige Versorgungsverantwortung. Das heisst: Er ist nicht nur kurzfristig an angemessenen Tarifen interessiert, sondern muss die langfristige Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens, hier der Akutversorgung, im Auge behalten respektive gewährleisten können. Aus diesem Grund genehmigt der Kanton nicht einfach Tarife selbst wenn sich die Partner einig sind sondern er prüft diese auch sorgfältig. Mit anderen Worten: Der Kanton hat im Rahmen der Tarifüberprüfung eine übergeordnete gesellschaftliche Funktion. Er muss die langfristige Erneuerungsfähigkeit der Versorgungsstrukturen berücksichtigen und zum Beispiel zum Erhalt der Infrastruktur auf einen angemessenen Investitionskostenanteil achten. Oder an einen Finanzierungsanteil für nichtakademische Ausbildung denken also an das Humankapital der Zukunft. Das war die eine Seite: die Versorgungsverantwortung. Die andere Seite ist die finanzielle Verantwortung, die der Kanton für die Steuergelder hat. Mit einem Finanzierungsanteil von über 50 Prozent an den Fallpauschalen gibt der Kanton sehr viel Geld aus für die Spitalfinanzierung. Entsprechend genau achtet der Kanton auch darauf, dass die Tarife nicht in astronomische Höhen steigen.
5 5/6 Erinnern wir uns kurz an die unterschiedlichen Vorstellungen der Tarifpartner: Beispiel KSW: Der Leistungserbringer forderte einen Tarif von Franken tarifsuisse hingegen Franken. Das ist eine Differenz von 985 Franken. Für den Kanton Zürich macht allein eine um 100 Franken höhere Baserate insgesamt sehr viel aus: Denn 100 Fr. mehr entsprechen gerundet 1% des Totalbetrags für die stationäre Spitalversorgung. Oder mit einer absoluten Zahl gesprochen: 10 Mio. Fr. Mehrausgaben für den Kanton. Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, dass wir da nicht einfach zuschauen, sondern sorgfältig prüfen. Wer bezahlt, will auch bestimmen. Der Kanton bezahlt viel. Die neue Spitalfinanzierung führt von 2011 auf 2017 rund zu einer Verdoppelung der Staatsausgaben in unserer Leistungsgruppe Diese wird damit zur grössten Leistungsgruppe des Kantons Zürich. Diese Entwicklung macht augenfällig, weshalb der Kanton Zürich sich für eine Preisbildung interessiert, die auch wirtschaftlich die richtigen Anreize setzt. Der Kanton wird immer sorgfältig prüfen, wie die Tarife zustande kommen. Denn er bekommt diese im Finanzhaushalt ganz direkt zu spüren. Und er trägt eine Verantwortung gegenüber der Steuerzahler, deren Gelder der Kanton für die Spitalfinanzierung einsetzt. Deshalb macht der Kanton Zürich auch von allem Anfang an klar, was er bei seiner Genehmigungspflicht bei verhandelten Tarifen unter «Wirtschaftlichkeit» und «Billigkeit» i.s. von Art. 46 Abs. 4 KVG versteht. Der Kanton Zürich gibt einen Benchmark vor und lässt einen Spielraum offen. Abweichungen zum Benchmark müssen aber begründet sein. Das fasst die nächste Folie zusammen: Meine Damen und Herren, damit wird deutlich: Der Kanton Zürich nimmt seine Genehmigungspflicht sorgfältig wahr, er lässt aber den Tarifpartnern durchaus deren Verantwortungsbereich mit dem nötigen Spielraum.
6 6/6 Erlauben Sie mir nun noch einen anderen, letzten Gedanken: Ich habe bisher von der Spitalfinanzierung und dabei lediglich von den Tarifen gesprochen. Der Kanton bezahlt aber auch noch auf anderen Wegen als mit dem Fallpauschalenanteil an die Spitäler. Ich denke an die gemeinwirtschaftlichen Leistungen oder an Eigentümerbeiträge. Wenn wir heute also fragen: Wer bestimmt? So sind die Tarife nur das Eine. Denn ich habe es bereits am Anfang gesagt: Wir haben es hier eben nicht nur mit einem Tarifsystem oder weiter gefasst mit einem Gesundheitssystem zu tun, sondern mit einem facettenreichen Gesundheits-Wesen. Meine Damen und Herren, gerne fasse ich meine Ausführungen zum Schluss kurz zusammen. Die Betrachtung unter den drei Blickwinkeln Gesetz, Verhandlungsrealität und Kantonsverantwortung hat gezeigt: Der Staat bestimmt mit. Von Gesetzes wegen. Als notwendige Drittinstanz, weil die Vorstellungen der Tarifpartner und sogar die Versicherer untereinander im noch jungen System stark auseinanderklaffen. Und aus einer doppelten Verantwortung heraus: Für die langfristige Versorgungsverantwortung und mit Blick auf das Kantonsbudget, sprich die ihm anvertrauten Steuergelder. Vorgelagert und das ist wichtig liegt die Verantwortung aber bei den Tarifpartnern. Sie sind gefordert, rechtzeitig Tarife auszuhandeln, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dass diese Verhandlungen geführt werden, ist Teil des neuen Finanzierungssystems; sie sind Teil des Wettbewerbs unter Spitälern und Versicherern. Das begrüsst auch der Kanton. Denn: Die Tarifverhandlungen sollen für die Patienten einen Mehrwert bringen. Sie sollen zu neuen Lösungen im Sinne einer langfristigen, wirtschaftlichen und qualitativ hochstehenden Versorgung beitragen. Meine Damen und Herren, die Frage zur neuen Spitalfinanzierung muss also gar nicht in erster Linie diejenige sein, wer bestimmt. Vielmehr sollten wir alle uns davon leiten lassen, wer welche Verantwortung trägt. Mit welcher Wirkung im gesamten System, im gesamten Gesundheitswesen. Das ist ein hoher Anspruch. Die heutige Auseinandersetzung mit dem Thema ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich danke Ihnen.
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