Notfallmedizin 22/1/2013 Dr. Thomas Malinka, Prof. Dr. Beat Gloor Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Bereich Viszeral- und Transplantationschirurgie, Inselspital Bern Das akute Abdomen aus viszeralchirurgischer Sicht Stellenwert der diagnostischen Laparoskopie Viszeralchirurgischer Nachtdienst um 03.14 Uhr. Der Sucher klingelt. Der Notfall berichtet über eine junge Patientin mit akutem Abdomen und partieller Kreislaufdekompensation. Weitere Angaben fehlen. Wir machen uns sofort auf den Weg, denn eins ist klar: Jetzt braucht es schnelle Diagnostik und nicht allein den Viszeralchirurgen. Das akute Abdomen beschreibt einen interdisziplinären Arbeitsbegriff, mit welchem der Kliniker einen unmittelbar erforderlichen diagnostischen wie auch therapeutischen Handlungsbedarf zum Ausdruck bringt. Es kann somit nicht als eigene Krankheitsentität verstanden werden, sondern beschreibt vielmehr ein klinisches Zustandsbild mit Fragestellung. Durch den speditiven Einsatz von Diagnostik, soll die Ätiologie der Beschwerden, welche sich meist in Form akut auftretender, heftiger Abdominalschmerzen mit Abwehrspannung präsentieren, abgeklärt werden. An erster Stelle steht unverändert die anamnestische sowie klinische Einschätzung des Patienten. Die Evaluation des akuten Abdomens basiert auf einer detaillierten Beurteilung von Schmerzintensität, Schmerzcharakter, Schmerzlokalisation, wie auch der generellen Analyse des Allgemeinzustandes des Patienten mit besonderem Augenmerk auf die hämodynamische Situation und die Organfunktionen. Richtungsweisend kann hierbei die Tab. 1. Extraabdominelle Differentialdiagnosen des akuten Abdomens Lungenembolie Myokardinfarkt / Perikarditis Pneumothorax / Pleuritis /Pneumonie Bandscheibenprolaps Frakturen von Rippen, Wirbelkörper, Becken Bauchwandhämatome Berücksichtigung des Alters der Patienten sein, da die Häufigkeiten der Erkrankungen eine unterschiedliche Ausprägung in den einzelnen Lebensdekaden aufzeigen. Differentialdiagnostisch muss grundsätzlich zwischen extraabdominellen und intraabdominellen Ursachen unterschieden werden. Tabelle 1 zeigt mögliche extraabdominelle Erkrankungen, welche sich in Form eines akuten Abdomens manifestieren können und bei jeder Beurteilung der Patienten mitberücksichtigt werden sollten. Eine vereinfachte Auflistung möglicher Differentialdiagnosen in Abhängigkeit zur Abdominalregion, in welcher sich die Beschwerden präsentieren, wird durch Abbildung 1 illustriert. Ergänzend kommen laborchemische Bestimmungen von Serumparametern wie auch eine orientierende Urinanalyse routinemässig zum Einsatz. Die sonografische Beurteilung des Abdomens, welche als nicht invasiver Schritt schnell und kostengünstig zur Diagnosestellung beitragen kann, besitzt unumstritten einen hohen Stellenwert. Fachübergreifend erzielt sie insbesondere in der Hand des geübten Untersuchers eine hohe Sensitivität, kann bei meteoristischem Abdomen aber deutlich limitiert sein. Da durch die flächendeckende Verfügbarkeit sowie technische Weiterentwicklung der Computertomografie wesentliche diagnostische Fortschritte erzielt werden konnten, wird die konventionelle Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage aufgrund ihrer geringen Sensitivität sowie Spezifität in der Notfalldiagnostik mit immer grösserer Zurückhaltung eingesetzt. Dank hoher Auflösungen konnte die Sensitivität der Computertomographie auf über 95 % verbessert werden und kann in der Mehrzahl der Fälle ein detailliert nachweisbares organisches Korrelat präsentieren. Ein direkter Einfluss auf den Rückgang von operativen Massnahmen zur Diagnosesicherung konnte in den letzten Jahren als Folge objektiviert werden. Auch wenn die Liste der Differentialdiagnosen lang ist, so lässt sich 44
22/1/2013 Notfallmedizin Tab. 2. Häufigste Ursachen des akuten Abdomens Akute Appendizitis Akute Cholezystitis / Cholezyto-/Choledocholithiasis Darmobstuktion (Ileus) Perforiertes Magen-/Duodenalulcus Inkarzeration Akute Pankreatitis Sigmadivertikulitis Uretero-/Nephrolithiasis Gastroenteritis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen Trotz der Weiterentwicklung aller zur Verfügung stehenden nicht invasiven diagnostischen Mittel nimmt die Laparoskopie unverändert ihren festen Stellenwert im Management des akuten Abdomens ein. Entsprechend unterschiedlicher Literaturangaben wird ihre Sensitivität zur Sicherung der Diagnose mit über 90 % angegeben. Ein direkter Übergang in therapeutische Massnahmen kann in 75 % aller Fälle erzielt werden. Kann durch die vorausgegangene klinische, laborchemische sowie bildgebende Diagnostik die Ätiologie des aktuellen Zustandsbildes nicht hinreichend genug geklärt werden, sollte die Indikation zur Laparoskopie zwingend diskutiert werden. Abbildung 2 zeigt einen möglichen Algorithmus zur Abklärung und Therapie des akuten Abdomens wie er beispielsweise in der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals etabliert ist und umgesetzt wird. Abb. 1. Differentialdiagnosen in Abhängigkeit zur Abdominalregion die zugrundeliegende Ursache doch in über 90 % der Fälle durch die in Tabelle 2 aufgeführten Diagnosen erklären. Die erste Laparoskopie wurde im Jahre 1909 durch G. Ott erfolgreich am Menschen durchgeführt und konnte im Verlauf kontinuierlich weiterentwickelt werden. Erst in den 1970iger Jahren wurde sie jedoch mehrheitlich als diagnostisches Mittel beschrieben und fortan eingesetzt. Bei diagnostischer Unsicherheit hat sich ein primär umbilikaler Zugang nach unseren Erfahrungen zum Erreichen 45
Notfallmedizin 22/1/2013 Abb. 2. Algorithmus zur Abklärung und Therapie des akuten Abdomens der Universitätsklinik für Viszerale und Transplantationschirurgie, Inselspital Bern 46
22/1/2013 Notfallmedizin Abb. 3. Laparoskopische Diagnosestellung und Versorgung einer ventral gelegenen Magenperforation Komplexere Perforationen an Duodenum oder Magenhinterwand verlangen oft eine Hilfestellung durch Kollegen mit grosser Expertise in der Laparoskopie um eine Koneiner guten Übersicht bewährt, kann aber im Einzelfall auch durch einen anderweitige Platzierung abgelöst werden. Das Einbringen der weiteren Trokare hat anschliessend unter laparoskopischer Sicht zu erfolgen. Das gewählte Zugangsverfahren wie auch die Platzierung der Trokare liegt in der Entscheidungsfindung des operierenden Teams, welches sich an die jeweilige Situation flexibel anpasst. Die Inzidenz der postoperativen Trokarhernien wird durch einen Faszienverschluss im Bereich von allen 10-mm-Trokaren minimiert. Hämodynamische Instabilität (falls keine EUG vorliegt) wie auch der dringende Verdacht auf eine Zwerchfellverletzungen gelten als absolute Kontraindikation für ein laparoskopisches Vorgehen und zwingen zur Durchführung einer explorativen Laparotomie. Um eine komplette Exploration der Abdominalhöhle zu ermöglichen, hat sich in unserer Klinik eine Steinschnitt- lagerung (French Position) des Patienten bewährt. Dies erleichtert auch die Durchführung rektaler Massnahmen, sofern sie im Zuge der Operation erforderlich werden. Eine optimale Lagerung, unterstützt durch Schulter- und Seitenstützen, kann beispielsweise durch den Einsatz einer Vakuummatratze ergänzt werden, um eine sichere Inspektion aller vier Quadranten sowie des kleine Beckens zu gewährleisten. Die akute Appendizitis, akute Cholezystitis, oder auch Perforationen am Sigma oder der Magenvorderwand lassen sich sehr gut laparoskopisch versorgen. Abbildung 3 zeigt die laparoskopische Diagnosestellung sowie Therapie einer ventral gelegenen Magenperforation. 47
Notfallmedizin 22/1/2013 Abb. 4. Bild einer akuten Appendizitis vor und nach erfolgter Stapler-Resektion version zur Laparotomie vermeiden zu können. Unumstrittenes Ziel muss eine definitive Diagnosestellung bei jeder Laparoskopie sein. Zeigt sich eine fehlende Übersicht, so ist die Konversion zugunsten eines offenen Verfahrens indiziert. Eine bestehende Schwangerschaft wurde in den Vorjahren noch oftmals als Kontraindikation für die Laparoskopie formuliert. Dies kann heutzutage jedoch als obsolet erachtet werden. Hier ermöglicht die Laparoskopie ebenfalls hervorragende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten bei geringer Morbidität. Die akute Appendizitis zählt auch hier zur häufigsten Ätiologie des akuten Abdomens (Abb. 4). Eine durch die Uterusvergrösserung oftmals bedingte atypische Befunddemonstration sowie erschwerte klinische Untersuchung muss bei der Beurteilung der Patientinnen jedoch berücksichtigt werden. Beim Trauma-assoziierten akuten Abdomen gibt es keine Indikation für die diagnostische Laparoskopie, da die Sensitivität für das Erkennen einer intraabdominalen Läsion zu gering ist. Patienten mit Trauma-bedingtem akuten Abdomen werden auf die in Tabelle 3 aufgeführten Tab. 3. Beurteilungskriterien beim Trauma assoziierten akuten Abdomen Anamnese indikativ für intraabdominale Verletzung Peritonitis in der klinischen Untersuchung Schockindex >1 >3 Einstichstellen Freie Flüssigkeit intraabdominal (nachgewiesen mittels Sonographie) Kriterien geprüft. Sofern keines der Kriterien erfüllt ist, wird konservativ weiterbetreut. Andernfalls ist die Indikation zur Laparotomie gegeben. Fazit für die Praxis Das akute Abdomen ist ein Arbeitsbegriff, welcher durch eine gezielte körperliche, laborchemische und apparative Diagnostik speditiv weiterführend abgeklärt werden muss. Die diagnostische Laparoskopie nimmt in diesem Zusammenhang beim nicht Trauma-assoziierten akuten 48
FRAUENGESUNDHEIT 22/1/2013 Abdomen einen festen Bestanteil im Behandlungskonzept ein und ermöglicht neben einer schnellen und weiterführenden Diagnostik auch gezielte Therapieoptionen. Bei diagnostischer und therapeutischer Unsicherheit ist die Indikationsstellung zur Laparoskopie stets zu erwägen, um die Häufigkeit unnötiger Laparotomien zu vermindern und das outcome der Patienten zu verbessern. Befreiung von zu starken Monatsblutungen Literatur 1. Decadt, B., et al., Randomized clinical trial of early laparoscopy in the management of acute non-specific abdominal pain. Br J Surg, 1999; 86:1383 1386. 2. Golash, V. and P.D. Willson, Early laparoscopy as a routine procedure in the management of acute abdominal pain: a review of 1,320 patients. Surg Endosc, 2005; 19:882 885. 3. Grundmann, R.T., et al., [The acute (surgical) abdomen epidemiology, diagnosis and general principles of management]. Z Gastroenterol, 2010; 48:696 706. 4. Kirshtein, B., et al., The use of laparoscopy in abdominal emergencies. Surg Endosc, 2003; 17:1118 1124. 5. MacKersie, A.B., et al., Nontraumatic acute abdominal pain: unenhanced helical CT compared with three-view acute abdominal series. Radiology, 2005; 237:114 122. 6. Poulin, E.C., C.M. Schlachta, and J. Mamazza, Early laparoscopy to help diagnose acute non-specific abdominal pain. Lancet, 2000; 355:861 863. 7. Schildberg, C.W., et al., [Rational diagnostics of acute abdomen]. Chirurg, 2010; 81:1013 1019. 8. Stefanidis, D., et al., The role of diagnostic laparoscopy for acute abdominal conditions: an evidence-based review. Surg Endosc, 2009; 23:16 23. n NovaSure Endometriumablation Erfolgreich 98% Erfolgsquote 1 und 75% Amenorrhoe-Rate 1 Einfach zyklusunabhängig und ohne GnRH-Vorbehandlung durchführbar Sicher durch Perforationstest und Gewebewiderstandsmessung Schnell durchschnittliche Ablationsdauer 90 Sekunden* Für mehr Informationen wenden Sie sich bitte an: HOLOGIC Suisse S.A. Avenue de Gratta-Paille 2 CH-1018 Lausanne Kontakt: Alex Schorn Tel. +41 (0) 792948939 Web: www.hologic.de 2009 Hologic, Inc. DEU-09-135-DE-C 1. Adolf Gallinat, M.D., J.Reprod.Med.2007; 52:467-472 * Die durchschnittliche Dauer der Ablation beträgt ca. 90 Sekunden und die komplette NovaSure -Operation dauert üblicherweise weniger als 15 Minuten.