SiSy, Fourier-Reihen / Fourier-Reihe und -Spektrum Fourier-Darstellung periodischer Funktionen. Einleitung In vielen technischen Anwendungen sind die zeitlichen Verläufe von Signalen wie z.b. Spannung und Strom zwar periodisch, aber nicht harmonisch (cf. Figur). Spule mit Kernmaterial aus Elektroblech (Simulation) 5 5 5 4 4 --- Spannung in V - - Stromstärke in A -4 5 5 5 Zeit in ms -4 Figur Wird eine Spule mit einer sinusförmigen Spannung betrieben, so ist der entsprechende Stromverlauf wegen der (nichtlinearen) Magnetisierungskurve des Kernmaterials verzerrt. Es stellt sich allgemein die Frage, ob, und falls ja, wie die Methoden der Wechselstromlehre zur Beschreibung des Verhaltens linearer Systeme bei harmonischen Signalen unter diesen Umständen dennoch verwendet werden können. Gemäss der Fourier-Analyse, besteht nämlich jedes periodische Signal aus einer Summe von harmonischen Schwingungen. Die Wirkung eines periodischen Signals auf ein lineares System im eingeschwungenen (stationären) Zustand kann nun aus der Überlagerung der Wirkungen der einzelnen Teilschwingungen des Signals bestimmt werden. So kann z. B. eine das Verhalten eines elektrischen Netzwerks auf ein verzerrtes aber periodisches Signal dennoch mit den Methoden der Wechselstromlehre berechnet werden.. Fourier-Reihe und Spektrum.. Definitionen und Grundlagen Für eine periodische Zeitfunktion x(t) mit Periodendauer gilt für alle Zeitpunkte t: x(t ± k ) = x(t) mit k =,,, Eine beliebige periodische Funktion kann durch eine Summe von trigonometrischen Funktionen 3, die sogenannte Fourier-Reihe, angenähert oder exakt dargestellt werden. Mit der verallgemeinerten Cosinusfunktion 4 ergibt sich mit ω = πf = π/ folgende Reihe Mit harmonisch, werden Signale bezeichnet die rein cosinus- oder sinusförmig sind. Die Periodizität der Funktion verlangt eine unendliche Fortsetzung des Signals. 3 Zur Darstellung periodischer Signale sind auch andere Funktionen als trigonometrische denkbar. 4 Man könnte die Reihe grundsätzlich auch mit der verallgemeinerten Sinusfunktion A sin(ωt+ϕ) bilden. 5. September 5, M. Schlup
SiSy, Fourier-Reihen / x(t) = A + A cos(ω t + ϕ ) + A cos(ω t + ϕ ) + + A n cos(nω t + ϕ n ) + x(t) = A + A k cos(kω t + ϕ k ) Abgesehen von A, sind die Koeffizienten A k Amplituden. Sie sind also immer positiv. Um das Signal exakt darzustellen, muss die Reihe im Allgemeinen unendlich viele Terme aufweisen. Für die Praxis genügt immer eine Näherung und demzufolge eine endliche Anzahl Terme. Die einzelnen sinusförmigen Terme der Fourierreihe (Teilschwingungen) heissen harmonische Schwingungen. Die Frequenz f = / der Grundschwingung ist die Grundfrequenz. Frequenzen der Oberschwingungen die ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz sind, heissen Oberfrequenzen. Die Teilschwingung mit der Ordnungszahl k (mit der Kreisfrequenz ω k = k ω ) ist die k-te Harmonische. Die Menge der Koeffizienten A k heisst das Amplitudenspektrum 5 und die Menge der Nullphasenwinkel ϕ k das Phasenspektrum des Signals x(t). Die k-te Teilschwingung lässt sich in ein Cosinus- und ein Sinusglied wie folgt zerlegen: A k cos(kω t + ϕ k ) = a k cos(kω t) + b k sin(kω t) dabei sind a k = A k cos(ϕ k ) und b k = A k sin(ϕ k ) Damit kann für x(t) auch geschrieben werden x(t) = a / + a cos(ω t) + a cos(ω t) + + a n cos(nω t) + + b sin(ω t) + b sin(ω t) + + b n sin(nω t) + Die Koeffizienten a k, b k heissen Fourier-Koeffizienten und lassen sich wie folgt berechnen (harmonische Analyse): a k = b k = x( t) x( t) cos( kω t)dt für k =,,, sin( kω t)dt für k =,, Das Integral ist dabei über die ganze Periodendauer zu bilden. Tabellen mit Fourier- Koeffizienten für diverse technisch häufig auftretende Signalformen findet man in jedem Fachoder Formelbuch. Die Menge der Fourier-Koeffizienten wird auch mit Fourier-Spektrum des Signals x(t) bezeichnet. Aus diesen Koeffizienten können das Amplituden- und das Phasenspektrum wie folgt berechnet werden A k = a für k = a k + b k k =,, ( ) für a k, b k atan b k a k ϕ k = atan( b k a k ) ± π a k < a k =, b k = 5 Damit werden Scheitelwerte gemeint und nicht Effektivwerte, auch wenn A k anstelle von  k steht. Achtung: vor allem in der Elektrizitätstechnik werden Amplitudenspektren häufig als Effektivwerte angegeben. 5. September 5, M. Schlup
SiSy, Fourier-Reihen 3/ Symmetrie-Eigenschaften x(t) gerade : x( t) = x(t) > b k = für k =,, x(t) ungerade : x( t) = x(t) > a k = für k =,,, x(t) alternierend : x(t+ /) = x(t) > a k = und b k = für k =,, 4, 6, Beispiel: Spektrum eines Rechtecksignals Rechteck -.5 - > t/t Amplitudenspektrum (Ak) -.5 Phasenspektrum (ϕk in Rad).5 5 > f/f Bemerkungen - -.5-5 > f/f Spektren von periodischen Signalen sind diskret: sie bestehen aus "scharfen" Spektrallinien. Je länger die Periodendauer ist, bzw. je tiefer die Grundfrequenz f, desto dichter gepackt sind die Spektrallinien. Im Allgemeinen nehmen die Koeffizienten A k eines periodischen Signals mit zunehmenden Frequenzen mit /k gegen Null ab, so dass in der Praxis mit einer endlichen Anzahl Harmonischen Schwingungen das Signal wieder rekonstruiert werden kann. Enthält das Signal Sprungstellen, so nehmen die Koeffizienten allerdings nur mit /k ab, wie im Beispiel oben. Rekonstruiertes Signal mit 6 Teilschw. - - > t/t Die Rekonstruktion des Rechtecksignals mit nur 6 Teilschwingungen ergibt kein besonders gutes Ergebnis. 5. September 5, M. Schlup
.. Mittelwerte und "Signalleistung" SiSy, Fourier-Reihen 4/ Parseval-Theorem Aus den Fourier-Koeffizienten lassen sich der lineare und der quadratische Mittelwert des Signals unmittelbar bestimmen: X lin = a = A = x(t)dt (das Integral wird über eine Periodendauer gebildet) X eff = a + a k + b k X eff = A + A k = x (t)dt Parseval-Theorem Verwendet man die Effektivwerte anstelle der Scheitelwerte der Fourier-Koeffizienten, ergibt sich: X eff = a + a keff + b keff = A keff k= Das Quadrat des quadratischen Mittelwertes eines periodischen Signals wird auch als normierte Leistung oder Signalleistung bezeichnet. Bei periodischen Signalen entspricht dies auch dem Effektivwert hoch Zwei. Bei der Signalleistung handelt es sich aber nicht um eine wirkliche Leistung. Dies ist schon aus einer Einheitenbetrachtung ersichtlich. Die Signalleistung einer Spannung (oder eines Stroms) würde der tatsächlich umgesetzten Leistung entsprechen, wenn das Signal an einem Widerstand von Ω anliegen würde. Parseval-Theorem für periodische Signale (Leistungssignale) Die normierte Leistung oder Signalleistung eines periodischen Signals entspricht der Summe der Signalleistungen der einzelnen sinusförmigen Teilschwingungen der Fourierreihe. Wirk-, Blind- und Scheinleistung An einem Zweipol (Eintor) sollen die Spannung u(t) und der Strom i(t) periodisch, aber zeitlich beliebig verlaufen. Dann können u(t) und i(t) durch Spektren mit einer gemeinsamen Grundfrequenz beschrieben werden. Die beiden Spektren müssen dabei nicht die Selben Teilschwingungen enthalten. Die an diesem Tor aufgenommene Wirkleistung lässt sich wie folgt berechnen (ohne Herleitung): P = U I + U ˆ ˆ k I k ( ) cos ϕ u k ϕ ik Mit den Effektivwerten U k = ˆ U k und I k = ˆ I k, sowie den Phasenwinkeln ϕ k = ϕ uk ϕ ik ergibt sich: P = U I + U k I k cosϕ k Zur Wirkleistung tragen nur Teilschwingungen von Strom und Spannung mit gleicher Kreisfrequenz bei! 5. September 5, M. Schlup
SiSy, Fourier-Reihen 5/ Die Wirkleistung an einem Tor ist die Summe der Wirkleistungen derjenigen Teilschwingungen, die sowohl in der Spannung als auch im Strom enthalten sind. Die Wirkleistung der ersten Harmonischen P = U I cosϕ wird Grundschwingungsleistung genannt. Der aus sämtlichen Oberschwingungen gelieferten Leistungsanteil ist die Oberschwingungsleistung. Die Scheinleistung wird definiert als das Produkt der Effektivwerte von Spannung und Strom: S = U I Diese Effektivwerte können direkt aus den Spektren ermittelt werden (Parceval-Theorem). In diesen Effektivwerten können Gleichanteile enthalten sein. Der Leistungsfaktor wird mit λ = P S mit: Q = S P definiert, und die Blindleistung für nicht-sinusförmige Grössen Das Vorzeichen der Blindleistung ist nicht definiert! Klirrfaktor Die Abweichung eines periodischen, mittelwertfreien Signals von der "reinen", "harmonischen" Sinusform wird als Verzerrung bezeichnet. Als Mass für diese Verzerrung wird der Klirrfaktor k angegeben: k = Effektivwert der Oberschwingungen Effektivwert des Signals % = A k A k % Der Klirrfaktor wird üblicherweise in % angegeben. Das menschliche Ohr kann Klirrfaktoren bis zu % noch wahrnehmen. k= 5. September 5, M. Schlup
SiSy, Fourier-Reihen 6/.3 Komplexe Fourier-Reihe.3. Definitionen und Grundlagen Mit der Beziehung 6 cosα = ( e jα + e jα ) kann folgende Umformung durchgeführt werden: A k cos( kω t + ϕ k ) = A k ( ) + e j ( k ω t +ϕ k ) ( ) = A k e j k ω t +ϕ k Mit den komplexen Koeffizienten = A k e jϕ k k > A für k = A k e jϕ k k < e jϕ k e jk ω t + A k e jϕ k e jk ω t wird A k cos( kω t + ϕ k ) = e jk ω t + c k e jk ω t. Graphisch kann diese Beziehung wie folgt interpretiert werden: ω k ϕ k A k cosϕ k = + c -k -ϕ k ω -k =-ω k c -k Die reelle Grösse A k cos( kω t + ϕ k ) kann als Summe zweier gegenläufig drehenden komplexen Zeiger betrachtet werden 7. Die Summe dieser Drehzeiger ist zu jedem Zeitpunkt reell. Die Grösse ω k = kω wird für negative k Werte eine negative Kreisfrequenz. Das Vorzeichen der Frequenz ist somit als Drehrichtung zu interpretieren: positiv bedeutet Gegenuhrzeigersinn und negativ bedeutet Uhrzeigersinn. Die Menge der Koeffizienten wird komplexes Fourier-Spektrum genannt. Die Menge der Beträge Amplitudenspektrum und diejenige der arg( ) = ϕ k Phasenspektrum. Für reelle Funktionen x(t) gilt c k = c * k, d. h. das Amplitudenspektrum ist gerade ( c k Phasenspektrum ungerade ( arg( c k ) = arg( )). = ) und das Die Fourier-Reihe kann somit als komplexe Reihe geschrieben werden: x(t) = e jk ω t = e j π k= k= k t 6 Diese kann aus der Eulerschen Beziehung e jα = cosα + jsinα hergeleitet werden. 7 Die komplexen Fourier-Koeffizienten entsprechen nicht den Drehzeigern (rotating phasor) wie sie in der Wechselstromlehre für sinusförmige Signale eingeführt worden sind! 5. September 5, M. Schlup
SiSy, Fourier-Reihen 7/ Die komplexen Fourier-Koeffizienten (für k =, ±, ±, ) eines periodischen Signals können mit folgendem Integral direkt ermittelt werden (ohne Herleitung): = x( t)e jk ω t dt = x( t)e j π k t T dt Bemerkungen: Das komplexe Fourier-Spektrum wird als zweiseitiges Fourier-Spektrum bezeichnet, da es auch für negative Frequenzen existiert. Im Gegensatz dazu, wird das reelle Spektrum auch einseitiges Spektrum genannt. Der Betrag der komplexen Ampitude ist halb so gross wie die entsprechende Grösse A k der reellen Fourier-Reihe. Ausnahme: c = A Anstelle der polaren Darstellung mit Betrag und Argument, wird gelegentlich auch kartesich mit Realund Imaginärteil angegeben (z. B. bei Matlab). Vorteile der komplexen gegenüber der reellen Fourierreihe:. Die Drehzeigerinterpretation ist eleganter: Die Summe zweier gegenläufigen konjugiert-komplexen Zeiger bildet zu jedem Zeitpunkt ein reelles zeitliches Signal. Beim einseitigen Spektrum wird das Zeitsignal durch Projektion des Drehzeigers auf eine Bezugsrichtung gebildet.. Anstelle zweier reellen Fourierkoeffizienten pro Teilwelle (a k, b k, bzw, A k, ϕ k ) gibt es nur noch einen ( ) dieser ist allerdings komplex. Dieser kann durch Lösen eines einzigen Integrals bestimmt werden. 3. Die komplexen Fourierkoeffizienten können numerisch mit der diskreten Fouriertransformation (DFT) berechnet werden. Dies ist nur möglich für ein zweiseitiges Spektrum, da die DFT grundsätzlich ein periodisches Spektrum liefert. Symmetrie-Eigenschaften x(t) gerade : x( t) = x(t) x(t) ungerade : x( t) = x(t) x(t) alternierend : x(t+ /) = x(t) > reell > imaginär > = für gerade Werte von k 5. September 5, M. Schlup
SiSy, Fourier-Reihen 8/ Beispiel: Fourier-Spektrum einer periodischen Pulsfolge Rechteckpulsfolge: t kt τ τ mit Pulsabstand T > τ k= Pulsdauer = τ, Pulshöhe = /τ > Fläche unter dem Puls = /τ Figur -5 5 > To/τ Rechteckpulsfolge mit T = 5τ Die periodische Pulsfolge weist ein diskretes Spektrum auf. Für die Fourierkoeffizienten c n ergibt sich: ( ) = T c nf τ τ ( ) τ e jn πf t dt = τ jnπf πn e τ e jnπf τ j = τ πn sin( nπf τ) = f sin c( nf τ) = T sin c n τ T Die Koeffizienten sind erwartungsgemäss reell, da die Pulsfolge eine gerade Funktion ist. /To Figur - - > f τ Amplitudenspektrum (zweiseitig) der Rechteckpulsfolge mit T = 5τ Der Linienabstand beträgt f = /T, die Nulldurchgänge der Hüllkurve (sinc) befinden sich bei f = ±k/τ. Bemerkungen: Bei zunehmendem T wird das Spektrum flacher und der Spektrallinienabstand nimmt ab (Spektralliniendichte nimmt zu). Mit abnehmendem τ werden die Nuldurchgänge der Hüllkurve weiter vom Ursprung weg verchoben, das Spektrum wird breiter. Bei einem festen und endlichen Wert für T, geht das Spektrum in eine Dirac-Pulsfolge (Dirac-Kamm) über, wenn τ gegen Null strebt. > Das Fourier-Spektrum einer Dirac-Stossfolge ist eine Dirac-Stossfolge. Für T = τ liegen die Rechteckpulse lückenlos aneinander (konstantes Signal) und alle Spektrallinien fallen in die Nullduchgänge der Hüllkurve. Im Spektrum bleibt der Dirac-Stoss bei f = übrig. > Das Fourier-Spektrum eines konstanten Signals ist ein Dirac-Stoss. 5. September 5, M. Schlup
SiSy, Fourier-Reihen 9/.3. Mittelwerte und "Signalleistung" Parseval-Theorem Satz von Parceval (für periodische Signale, bzw. für Leistungssignale): x( t) dt = = c + k=.3.3 Verschiebungssatz Es sollen die Fourierkoeffizienten ' für eine um τ verschobene Funktion aus den Koeffizienten von x(t) bestimmt werden: x' ( t) = x( t τ) ' = x( t τ)e jk ω t dt = x( s)e jk ω ( s+τ) T ds = e jk ω τ x( s)e jk ω s ds = e jk ω τ ' = e jk ω τ Die Zeitverschiebung eines Signals beeinflusst nur des Phasenspektrum. Die einzelnen Nullphasenwinkel werden dabei proportional zu der Frequenz ihrer Oberwellen verschoben. 5. September 5, M. Schlup
SiSy, Fourier-Reihen / Anhang Spezielle Funktionen t Rechteckpuls x(t) = = für τ τ t τ sonst Rechteckpuls τ/ τ/ Verschobener Puls x(t) = t t τ Rechteckpuls zentriert um t t τ/ t t +τ/ sinc-puls sinc(τf ) = sin(πτf) πτf sinc-puls.5-5 5 Frequenz (normiert) f τ 5. September 5, M. Schlup