Befristung von Arbeitsverhältnissen und einzelnen Arbeitsbedingungen 8. Juni 2011 Larissa Wocken Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Mönckebergstraße 19, 20095 Hamburg Tel: 040 30 96 51 14, Wocken@msbh.de
A. Differenzierung zwischen Arbeitsvertrag und Arbeitsbedingung Arbeitsvertrag als Gesamtheit der Arbeitsbedingungen Arbeitsbedingung als Bestandteil des Arbeitsvertrags 2
B. Bedeutung der Befristung Befristung des Arbeitsvertrages wirkt sich auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aus Befristung einzelner Arbeitsbedingungen lässt Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unberührt 3
C. Rechtsgrundlagen und Prüfungsmaßstäbe der Befristung Arbeitsvertrag: Teilzeit- und Befristungsgesetz, insbesondere 14 TzBfG Sachgrund-/ Zweckbefristung, 14 I kalendermäßige Befristung, 14 II, IIa, III insbesondere : sachliche Gründe in 14 I TzBfG nicht abschließend geregelt Befristung erfolgt auf Wunsch des Arbeitnehmers (ggf. weiter ausführen) 4
Arbeitsbedingungen: Die Vorschriften des TzBfG sind auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar, BAG, NZA 2008, 229. Zur Wirksamkeit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung bedarf es seit dem 01.01.2002 keines sachlichen Grundes mehr im Sinne der bisherigen Rechtsprechung, BAG, NZA 2006, 40. 5
Arbeitsbedingungen: Die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung unterliegt der Inhaltskontrolle nach 307 BGB in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung, BAG, NZA 2008, 229. Beim Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag ist 307 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anzuwenden, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte, BAG, NZA 2008, 229. 6
gerichtliche Kontrolle einer befristeten Arbeitsbedingung daher nur, wenn Befristung als AGB vereinbart und Befristungsabrede gemäß 307 III 1 BGB kontrollfähig ist - setzt voraus: Bestimmung weicht von Rechtsvorschriften ab oder ergänzt diese, hier: pacta sunt servanda 7
D. Befristete Arbeitsbedingungen als AGB Aufhebung der Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht vorformulierte Vertragsbedingungen für Vielzahl von Verträgen von Verwender bei Vertragsabschluss gestellt, Ausnahme: Vertragsbedingungen sind im Einzelfall ausgehandelt Einordnung des Arbeitsvertrags als Verbrauchervertrag, Folge: Vermutungsregel des Stellens durch Arbeitgeber sowie Einmalverwendung ausreichend bei fehlender inhaltlicher Einflußnahmemöglichkeit des Arbeitnehmers 8
Aushandeln der Vertragsbedingungen: Aushandeln bedeutet mehr als Verhandeln. ( ) Ausgehandelt ist eine Vertragsbedingung nur, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Das setzt voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt, BAG, NZA 2006, 44. 9
Praxisanforderungen des Aushandelns befristeter Arbeitsbedingungen: zeitlicher Vorlauf/ frühzeitige Kommunikation Dokumentation des Verhandlungsverlaufs und gemeinsame Protokollierung Entwicklung unterschiedlicher Regelungsmöglichkeiten Vermeidung der Vorformulierung erst Verhandlungsergebnis als vertraglich aufzunehmende Arbeitsbedingung formulieren Folge: AGB-Regelungen als Prüfungsmaßstab entfallen, TzBfG wie ausgeführt nicht anwendbar, größtmögliche Prozesssicherheit bei Angriff der Regelung 10
E. Kontrollgegenstand Gegenstand der Inhaltskontrolle ist bei der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung nicht - wie bei der Arbeit auf Abruf die einseitige Festlegung des Umfangs der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, sondern ausschließlich die Befristung des vertraglich vereinbarten zusätzlichen (oder reduzierten) Arbeitsumfangs. Die unangemessene Benachteiligung muss sich gerade aus der vertraglich vereinbarten Befristung ergeben. Der Umfang der Erhöhung oder Reduzierung ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, BAG, NZA 2008, 230. 11
Der gerichtlichen Kontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Demgegenüber sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren. ( ) Jedenfalls die befristete Änderung der synallagmatischen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis stellt eine Änderung des Hauptleistungsversprechens dar, die einer Kontrolle nach den 305 ff. BGB unterliegt, BAG, NZA 2006, 45 12
F. Die Inhaltskontrolle gemäß 307 BGB 307 I 1: Bestimmung unwirksam, wenn Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird, BAG, NZA 2008, 230. 13
Ermittlung der Unangemessenheit durch Interessenabwägung: wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts sind zu berücksichtigen abschließende Beurteilung der Unangemessenheit durch generellen, typisierenden, vom Einzelfall losgelösten Maßstab 14
307 II: Zweifelsregelung, konkretisiert 307 I Nr.1: Unvereinbarkeit der Befristung der Arbeitsbedingung mit der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird. Gesetzliche Regelungen über die Befristung einzelner Vertragsbedingungen, von denen die Befristungsabrede abweichen könnte, bestehen nicht, BAG, NZA 2008, 230. 15
Nr. 2: Befristung der Vertragsbedingung schränkt Rechte oder Pflichten soweit ein, dass Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Durch die Befristung der Arbeitszeiterhöhung wird die Erreichung des Vertragszwecks nicht gefährdet. Der somit ausschließlich nach 307 I BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle hält die Befristungsabrede stand, BAG, NZA 2008, 230. gilt entsprechend für Arbeitszeitreduzierung Grenze des Willkürverbots/ der Sittenwidrigkeit 16
zudem: bei der Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung i. S. d. 307 BGB sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, 310 III Nr. 3 BGB Während die Befristung des gesamten Arbeitsvertrags ( ) ausschließlich daraufhin zu überprüfen ist, ob sie durch einen sachlichen Grund gemäß 14 I TzBfG gerechtfertigt ist, unterliegt die Befristung einzelner Vertragsbedingungen nach 307 I BGB einer Angemessenheitskontrolle, die anhand einer umfassenden Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragsparteien vorzunehmen ist. Eine derartige Interessenabwägung findet bei der Befristungskontrolle nach 14 I TzBfG nicht statt, BAG, NZA 2008, 230 17
G. Ausstrahlung des TzBfG auf die AGB-Normen Trotz des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs sind bei der nach 307 I BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle der Befristung einzelner Vertragsbedingungen Umstände, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt nach 14 I TzBfG rechtfertigen könnten, nicht ohne Bedeutung. ( ) Liegt der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung ein Sachverhalt zu Grunde, der die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt ( ) rechtfertigen könnte, überwiegt in aller Regel das Interesse des Arbeitgebers an der nur befristeten Erhöhung der Arbeitszeit das Interesse des Arbeitnehmers an der unbefristeten Vereinbarung des Umfangs seiner Arbeitszeit, BAG, NZA 2008, 231. 18
Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände auf Seiten des Arbeitnehmers kann in Ausnahmefällen eine andere Beurteilung in Betracht kommen, BAG, NZA 2008, 231. Soweit die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit in Frage steht, kommt als Sachgrund der Wunsch des Arbeitnehmers in Betracht, ErfK, 8. Auflage 2008, Preis, TzBfG, 3, Rn. 24. 19
H. Praxisbeispiel befristete Erhöhung der Arbeitszeit zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers: anerkannter Sachgrund für Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses gegeben, 14 I 2 Nr. 3 TzBfG nach BAG ausreichend: unmittelbare, mittelbare oder nur gedankliche Vertretung, Umstände bei Vertragsschluss maßgeblich 20
befristete Erhöhung der Arbeitszeit, da betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht: anerkannter Sachgrund für Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses gegeben, 14 I 2 Nr. 1 TzBfG nach BAG bei TzBfG erforderlich: bloße Ungewissheit über künftigen Arbeitskräftebedarf nicht ausreichend; Prognose anhand konkreter Anhaltspunkte notwendig, dass mit hinreichender Sicherheit Arbeitskräftebedarf wieder entfällt 21
I. Konsequenz der BAG-Rechtsprechung für die Praxis 14 I TzBfG wird doch zum vorrangigen Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit einer Befristung von Arbeitsbedingungen Zweck/ Sachgrund sollte in Befristungsabrede aufgenommen werden nach Möglichkeit ist wunschgemäße Befristung hervorzuheben, insbesondere bei befristeten verbessernden Arbeitsbedingungen Befristung einer Arbeitsbedingung darüber hinaus grundsätzlich zulässig, ein sachlicher Grund ist nicht mehr erforderlich abschließende Prüfung der Angemessenheit der Regelung durch umfassende Interessenabwägung 22
J. Besonderheiten bei Befristung von Arbeitsbedingungen Schriftform für Wirksamkeit nicht erforderlich, da TzBfG insgesamt nicht anwendbar, vgl. dort 14 IV Klagefrist von drei Wochen wie in 17 TzBfG und 4 KSchG gilt nicht, Klagerhebung bis zur Grenze der Verwirkung zulässig 23
K. Kollektivrechtliche Aspekte befristete Arbeitszeiterhöhung kann Begriff der betriebsverfassungsrechtlichen Einstellung erfüllen, sofern nach Dauer und Umfang nicht unerheblich, Folge: Zustimmung des Betriebsrats gemäß 99 BetrVG erforderlich vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit kann Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen, 87 I Nr. 3 BetrVG, Folge: für Eingriffe in Arbeitsverhältnisse ist Betriebsvereinbarung erforderlich, Günstigkeitsprinzip ist zu beachten 24
L. Alternativen zur Befristung von Arbeitsbedingungen Änderungskündigung: hohe Anforderungen, gefährden Arbeitsverhältnis insgesamt, können Vertrauensbasis zerstören Widerrufsvorbehalte: zulässig, sofern nicht über 25 30 % der jeweiligen Regelung hinausgehend und Widerrufsgründe eindeutig benannt Arbeit auf Abruf: zulässig gemäß 12 TzBfG i.v.m. AGB- Kontrolle, bis zu 25 % abrufbarer Anteil an Arbeitszeit zulässig, bei festem Volumen von 30 Stunden mithin weitere 7,5 Stunden 25
M. Fazit Befristung von Arbeitsbedingungen grundsätzlich zulässiges und taugliches Mittel zur Flexibilisierung des Arbeitsvertrags bei ausgehandelter Regelung gerichtlicher AGB-Kontrolle entzogen sachlicher Grund bietet nahezu umfassende Rechtssicherheit, ist aber nicht erforderlich Rechtsprechung des BAG stärkt Position des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis 26