Vorlesung 16 Infinitesimlrechnung, Mengenlehre und logische Verknüpfungen 16.1 Huptstz der Differentil- und Integrlrechnung Wir verknüpfen nun Differentil- mit Integrlrechnung. Definition 16.1.1. Eine differenzierbre Funktion F : I R heißt Stmmfunktion einer Funktion f : I R, flls F f. Der folgende Stz ist grundlegend: Stz 16.1.2. (Huptstz der Differentil- und Integrlrechnung) Teil 1: Sei f : I R eine stetige Funktion und I. Dnn ist für lle x I die Integrlfunktion F(x) : x f(t)dt differenzierbr und eine Stmmfunktion von f. Teil 2: Überdies gilt für lle,b I: f(x)dx F(b) F() Bemerkung. Der Huptstz der Differentil- und Integrlrechnung (HDI) ist eines der Huptresultte der A1-Vorlesung. Ein Beweis würde den Rhmen des Vorkurses sprengen. Teil 1 des HDI bedeutet die Existenz von Stmmfunktionen und stellt den Zusmmenhng zwischen Ableitung und Integrl her. Teil 2 erklärt, wie Integrle berechnet werden können. 94
Beispiele. Für f(x) x n, n N ist F(x) 1 n+1 xn+1 eine Stmmfunktion zu f(x), denn F (x) f(x). Für die trigometrischen Funktionen gilt Demnch gilt sin (x) cos(x) cos (x) sin(x). sin(x)dx cos(x)+c ist eine Stmmfunktion von sin(x) und cos(x)dx sin(x)+c eine Stmmfunktion von cos(x). Hier bezeichnet c eine Konstnte. Stmmfunktionen unterscheiden sich nur in einer Konstnten. Der Beweis folgt in der A1-Vorlesung, benutzt wird dbei die Reihendrstellung der Sinus- und Kosinusfunktion. Es gilt e x dx e x +c. Bemerkung. (Nottion) Es sei f : I R stetig und F die Stmmfunktion von f. Nchdem HDI gilt Wir schreiben hierfür uch f(x)dx F(b) F(). f(x)dx [F(x)] b F(x) b. 16.2 Prtielle Integrtion Vorsicht: f(x)g(x)dx Stttdessen gilt der folgende Stz. f(x)dx g(x)dx. Stz 16.2.1. (Prtielle Integrtion) Es seien f,g : [,b] R stetig differenzierbre Funktionen. Dnn gilt f(x) g (x)dx f(x) g(x) b Kurzschreibweise: f dg f g g df g(x) f (x)dx 95
Beweis. Wir setzen F(x) f(x) g(x). Dnn gilt nch der Produktregel der Differentition F (x) f (x)g(x)+f(x)g (x). Aufgrund der Linerität des Integrls gilt Nch dem HDI gilt F (x)dx f (x)g(x)dx+ f(x)g (x)dx Drus folgt F (x)dx F(x) b f(x)g(x) b f(x)g(x) b und sofort die Behuptung. f (x)g(x)dx+ f(x)g (x)dx Definition 16.2.2. Eine Funktion f : [, b] R heißt stetig differenzierbr, wenn sie differenzierbr ist und ihre Ableitung f stetig ist. Beispiele. Gesucht ist eine Stmmfunktion von x sin(x). Nch dem HDI ist x t sin(t)dt eine Stmmfunktion. Wir wenden prtielle Integrtion n: f(x)g (x)dx f(x)g(x) f (x)g(x)dx x t }{{} :f(t) sin(t) dt }{{} :g (t) prtielle Integrtion t ( cos(t)) x t cos(t) x + x x cos(t)dt 1( cos(t))dt x cos(x)+ cos()+sin(t) x x cos(x)+ cos()+sin(x) sin() Somit ist x cos(x)+sin(x) eine Stmmfunktion von x sin(x). 16.3 Substitutionsregel Zur Bestimmung des Integrls bzw. einer Stmmfunktion von verketteten Funktionen benutzen wir den folgenden Stz. Stz 16.3.1. (Substitutionsregel) Sei f : I R eine stetige Funktion und g : [,b] R eine stetig differenzierbre Funktion mit g([,b]) I. Dnn gilt f(g(t)) g (t)dt g(b) g() f(x)dx 96
Beweis. Sei F : I R eine Stmmfunktion von f. Für F g : [,b] R gilt nch der Kettenregel Mit dem HDI gilt (F g) (t) F (g(t)) g (t) f(g(t)) g (t) f(g(t)) g (t)dt (F g)(t) b F(g(b)) F(g()) g(b) g() f(x)dx. Beispiel. Zu bestimmen ist 2 0 x sin(x2 +1)dx. Wir setzen f(x) sin(x) und g(x) x 2 +1. Drus folgt f(g(x)) sin(x 2 +1) und g (x) 2x. Nun gilt 2 0 x sin(x 2 +1)dx 1 2 Substitution1 2 2 0 g(2) 1 2 g(0) 2 2 +1 2x sin(x 2 +1)dx f(u)du 0 2 +1 1 2 [ cos(u)]5 1 sin(u)du 1 2 (cos(1) cos(5)). 16.4 Exponentil- und Logrithmusfunktion Definition 16.4.1. Sei 1 > 0. Dnn heißt f : R R + 0 mit x x eine Exponentilfunktion mit Bsis. Flls e, wobei e die Eulersche Zhl bezeichnet, so sprechen wir von der Exponentilfunktion. Für e x schreiben wir uch exp(x). Die Exponentilfunktion exp(x) besitzt eine Reihendrstellung exp(x) Diese Reihe konvergiert für jedes x R. Nch einem Stz us der Anlysis dürfen wir gliedweise differenzieren, ds heißt x k k! d d exp(x) dx dx x k k! d x k dx k! (k 1) xk 1 k! k1 k1 x k 1 (k 1)! 97
x k k! exp(x). Dbei bedeutet d dx f(x) f (x). Somit gilt (exp(x)) exp(x), lso ist die Exponentilfunktion ihre eigene Ableitung. Stz 16.4.2 (Funktionlgleichung der Exponentilfunktion). Es gilt exp(x+y) exp(x) exp(y) x,y R. Stz 16.4.3. Die Exponentilfunktion exp : R R ist streng monoton wchsend und bildet R bijektiv uf R + b. (R + bedeutet ohne 0) Die Umkehrfunktion ln : R + R ist stetig und streng monoton wchsend und heißt ntürlicher Logrithmus. Es gilt die Funktionlgleichung ln(x y) ln(x)+ln(y) x,y R +. Es gilt d dx ln(x) 1 x für x R+. 98
16.5 Mengenlehre und logische Verknüpfungen Gegeben sei die nichtleere Menge X. Seien A,B X. Wir schreiben A B für die Vereinigung von A und B. Flls x A B, so bedeutet dies x A oder x B. Wir schreiben kurz x A x B. Wir bechten, ds oder kein usschließendes Oder bedeutet. Wenn x A B, dnn knn x uch in A und B liegen. Wir schreiben A B für den Schnitt von A und B. Flls x A B, so bedeutet dies x A und x B. Wir schreiben kurz x A x B. und sind logische Verknüpfungen. Wir hben folgende logische Verknüpfungen, es seien A und B jeweils Aussgen. logische Verknüpfung Aussge A C oder A A B A B A B A B bedeutet die Negtion von A us A folgt B A und B sind äquivlent A oder B, d.h entweder A oder B oder beide. sowohl A ls uch B Die logischen Verknüpfungen von Aussgen korrespondieren zu Verknüpfungen von Mengen. Es seien A,B X Mengen. Aussgenlogik Mengenopertionen A B A B A B A B A B A B A B A B Beispiele. Behuptung: Es seien A und B zwei Aussgen, dnn gilt (A B) A B Es gibt zwei Möglichkeiten diese Aussge zu beweisen. Mit Hilfe der Aussgenlogik und der logischen Verknüpfungen knn eine Whrheitstbelle ngelegt werden. Die ndere Möglichkeit ist die Teilmengeninklusion. Wir führen den Beweis in beiden Arten durch. Zunächst mit Hilfe einer Whrheitstbelle. 99
Beweis. A B A B (A B) A B A B whr whr whr flsch flsch flsch flsch whr flsch whr flsch flsch whr flsch flsch whr whr flsch whr flsch flsch flsch flsch flsch whr whr whr whr Mn sieht nun nhnd der Whrheitstbelle die Äquivlenz der beiden Aussgen (3. Splte bzw. 7. Splte). Für die Teilmengeninklusion muss die Aussge zunächst in Mengenschreibweise umgeschrieben werden. Wir erhlten die Aussge Illustrtion durch Mengen: (A B) C A C B C Beweis. Wir führen eine Teilmengeninklusion durch und zeigen (i) jedes Element ds in (A B) C enthlten ist, ist uch in A C B C enthlten, d.h. (A B) C A C B C. (ii) jedes Element ds in A C B C enthlten ist, ist uch in (A B) C enthlten, d.h. (A B) C A C B C. Zu (i): Sei x (A B) C. Dnn gilt x / A B. D A B {y y A und y B} folgt x / A oder x / B. Flls x / A, so ist x A C, und dher A C B C. Anlog x / B,soistx B C unddhera C B C.Dxbeliebiggilt(A B) C A C B C. Zu (ii): (durch Widerspruch) Angenommen, es gibt ein x A C B C mit x / (A B) C. Dnn x A B, d.h. x A und x B. Drus folgt x / A C und x / B C. Somit ist x / A C B C. Widerspruch zur Annhme. Es folgt (A B) C A C B C. Insgesmt folgt nun us (i) und (ii) die Behuptung. 100