2.4 Systeme starrer Körper in der Ebene, das Erstarrungsprinzip

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56 2 Statik des starren Körpers 2.4 Systeme starrer Körper in der Ebene, das Erstarrungsprinzip isher haben wir uns lediglich mit dem leichgewicht einzelner starrer Körper befaßt; in diesem Kapitel behandeln wir Systeme, die aus mehreren starren Körpern bestehen. Wir sagen, daß eine gegebene Kräftegruppe an einem System starrer Körper im leichgewicht steht, wenn sich jeder einzelne der Körper im leichgewicht befindet. Will man daher leichgewichtsbedingungen für das System angeben, so schneidet man zunächst die einzelnen starren Körper frei, wobei die Schnittkräfte freigelegt werden. Wir betrachten das System der bb. 2.38(a), das eine Hinterachse eines KW darstellt. Es besteht aus einer nzahl von Körpern, die wir hier als starr voraussetzen, 1 2 (a) System (b) reikörperbild 2.38: Hinterachse eines KW sowie aus je zwei endelstützen, Schraubenfedern und Stoßdämpfern. uch die Räder mit den Reifen werden an dieser Stelle vorläufig als starr angenommen. bb. 2.38(b) zeigt das reikörperbild dazu. Die einzelnen starren Körper sowie die Schraubenfedern sind mit den auf sie wirkenden eingeprägten Kräften und den Schnittkräften dargestellt. Dabei treten die Schnittkräfte zweimal auf und wirken jeweils als actio und reactio auf unterschiedliche Körper (Schnittprinzip). ür jeden der starren Körper der bb. 2.38(b) können nun die drei leichgewichtsbedingungen der Statik formuliert werden und man kann damit im vorliegenden all alle Zwangskräfte ermitteln. Nicht immer ist es jedoch notwendig, ein System in alle seine estandteile zu zerlegen, um leichgewichtsbedingungen rechnerisch zu formulieren. Es gilt nämlich

2.4 Das Erstarrungsprinzip 57 das Erstarrungsprinzip: Damit ein System unter der Wirkung von gegebenen Kräften im leichgewicht ist, ist es notwendig und hinreichend, daß jedes Teilsystem sich im leichgewicht befindet. Das Erstarrungsprinzip gilt nicht nur für Systeme aus starren Körpern, sondern für beliebige, auch für verformbare Körper, ja sogar für lüssigkeiten und ase. Wir erklären es anhand des eispiels der bb. 2.39. 1 2 3 4 1 2 2.39: eispiel eines Dreigelenkbogens 2.40: llgemeine Struktur des Dreigelenkbogens Das System dieser bbildung besteht aus zwei starren Körpern, die über ein (zweiwertiges) elenk miteinander verbunden sind und außerdem jeweils für sich zweiwertig in den uflagerpunkten, gelagert sind. Man bezeichnet ein System dieser rt als Dreigelenkbogen. n bb. 2.40 ist die allgemeine Struktur des Dreigelenkbogens dargestellt, wobei die auf die beiden Körper wirkenden Kräfte schon jeweils zu ihrer Resultierenden zusammengefaßt sind. bb. 2.41 zeigt das reikörperbild des Dreigelenkbogens der bb. 2.39. Es sind sechs Zwangskräfte H, V, H, V, H und V vorhanden und zu ihrer estimmung stehen sechs leichungen zur Verfügung, nämlich jeweils drei unabhängige leichgewichtsbedingungen für jeden der beiden starren Körper. ür den Körper können z.. die leichgewichtsbedingungen ix =0, iy =0, M ( ) i =0, (2.98) und für den Körper die leichungen ix =0, iy =0, M ( ) i =0 (2.99) formuliert werden. Dabei ist der ezugspunkt in den Momentengleichungen beliebig zu wählen und die Summen erstrecken sich jeweils über die auf den Körper bzw. Körper wirkenden Kräfte.

58 2 Statik des starren Körpers Durch ddition der jeweiligen leichungen (2.98) und (2.99) folgt auch ix =0, iy =0, M ( ) i =0, (2.100) + + + wobei in den Summen jetzt alle an dem esamtsystem wirkenden Kräfte berücksichtigt werden. Es gelten also nicht nur die Kräfte und Momentengleichungen für die einzelnen starren Körper, sondern auch vollkommen analoge leichgewichtsbedingungen für das esamtsystem, wobei das Lager in als starr angesehen werden kann. Da die inneren Kräfte H, V dabei zweimal, nämlich als actio und als reactio auftreten, sind sie in (2.100) nicht mehr enthalten. 1 2 V H 3 4 1 2 3 4 V starr H V y x V H H V V H 2.41: reikörperbild zum System der bb. 2.39 2.42: Zum Erstarrungsprinzip ür das System der bb. 2.42 gelten also die drei leichungen (2.100) in den vier Unbekannten H, V, H und V. Diese leichungen reichen nicht zur estimmung dieser uflagerkräfte aus. Dazu ist vielmehr zusätzlich noch eine leichgewichtsbedingung für einen der Einzelkörper notwendig. Will man jedoch alle sechs Zwangskräfte der bb. 2.41 berechnen, so sind zwei weitere leichungen nötig. Ein System wie das der bb. 2.42 bezeichnet man als äußerlich statisch unbestimmt. nsgesamt gesehen ist ein Dreigelenkbogen natürlich immer statisch bestimmt. Wir führen die erechnungen an dem etwas einfacheren Dreigelenkbogen aus zwei alken der bb. 2.43(a) durch. Das reikörperbild zu diesem System ist in bb. 2.43(b) angegeben. ür jeden der beiden Körper und formulieren wir drei leichgewichtsbedingungen. Zunächst schreiben wir für den Körper M () i =0: 2a H 2 a V a =0 = H V = 1. (2.101) 2

2.4 Das Erstarrungsprinzip 59 a a a a (a) System 2a H V V H y H V x (b) reikörperbild V H 2.43: Dreigelenkbogen Wir könnten nun die restlichen leichgewichtsbedingungen in beliebiger Reihenfolge anschreiben. Es ist jedoch zweckmäßig, die leichungen von vornherein im Hinblick auf ihre Lösbarkeit aufzustellen. leichung (2.101) enthält nur die beiden Unbekannten H, V ; eine weitere leichung, die ebenfalls nur diese zwei Unbekannten enthält, kann für den Körper angegeben werden: M () i =0: 2 a H 2 a V + a =0 us (2.101) und (2.102) folgt = H + V = 1. (2.102) 2 V =0, H = 1. 2 (2.103) Weiter gelten für den Körper die beiden Kräftegleichungen ix =0: H H =0 = H = 1, 2 (2.104) iy =0: V V =0 = V =. (2.105) ür den Körper schreiben wir ebenfalls ix =0: H H =0 = H = 1, 2 (2.106) iy =0: V + V =0 = V =0. (2.107) Damit sind die uflagerkräfte in und sowie die elenkkräfte in eindeutig bestimmt.

60 2 Statik des starren Körpers y x H V V H 2.44: Dreigelenkbogen der bb. 2.43(a), esamtsystem freigeschnitten Zur robe stellen wir die leichgewichtsbedingungen für das esamtsystem der bb. 2.44 auf (Erstarrungsprinzip) und erkennen, daß ix =0, iy =0, M () i =0 (2.108) + + + gilt. Der Vollständigkeit halber lösen wir das gleiche roblem auch zeichnerisch. Dabei bemerken wir zunächst, daß alle bisher formulierten leichgewichtsbedingungen linear in den Kräften sind; dies gilt sowohl für die Kräftegleichungen als auch für die Momentengleichungen. us der Linearität folgt eine wichtige Eigenschaft, die wir zuerst formelmäßig untersuchen und dann bei der zeichnerischen Lösung verwenden. n Matrixschreibweise kann ein lineares leichungssystem in der orm x= f (2.109) geschrieben werden. Hierbei ist =(a ij ) (2.110) die n n Matrix der Koeffizienten des leichungssystems, f =(f 1,f 2,...,f n ) T (2.111) die Spaltenmatrix der rechten Seite und x =(x 1,x 2,...,x n ) T (2.112) die Spaltenmatrix der Unbekannten. ei den hier vorliegenden roblemen der Statik beinhaltet f die eingeprägten Kräfte sowie deren Momente und x die zu bestimmenden Zwangskräfte. Es ist leicht zu überprüfen, daß gilt mit x = f, x = f = x= f (2.113) x = x + x, f = f + f. (2.114) Sind also Lösungen x, x von (2.109) für die rechten Seiten f = f und f = f bekannt, so kann man die Lösung für die rechte Seite f = f + f einfach aus der Summe (Überlagerung) dieser beiden Lösungen gewinnen.

2.4 Das Erstarrungsprinzip 61 Diese Eigenschaften (Superposition) kann man sich sowohl bei der rechnerischen, als auch bei der zeichnerischen Lösung von Statikaufgaben zunutze machen. Wir verwenden sie hier zunächst bei der zeichnerischen estimmung der uflager und elenkkräfte des Dreigelenkbogens der bb. 2.43(a). Lastfall 1 Lastfall 2 2.45: estimmung der uflagerkräfte durch Überlagerung n bb. 2.45 ist der Dreigelenkbogen mit zwei verschiedenen elastungen dargestellt, deren Überlagerung gerade wieder dem ursprünglichen roblem entspricht. n jedem dieser beiden älle wirkt nur jeweils auf einen der beiden Körper eine Last. 1 2 2 1 2.46: Lage und Kraftplan, Lastfall 1 2.47: Lage und Kraftplan, Lastfall 2 Der andere starre Körper ist unbelastet und wirkt somit als endelstütze, d.h. er überträgt nur Kräfte längs der Verbindungslinie seiner elenke (wie der alken der bb. 2.29). n jedem der beiden Teilprobleme der bb. 2.45 ist daher eine sehr einfache ufgabe zu lösen: Es sind lediglich die uflagerkräfte eines starren Körpers zu bestimmen, der an einem unkt zweiwertig gelagert ist und noch über eine endelstütze abgestützt wird. Die zeichnerischen Lösungen für die Lastfälle 1 und 2 sind in bb. 2.46 und bb. 2.47 angegeben. Nach dem Superpositionsprinzip, das formelmäßig durch (2.113), (2.114) ausgedrückt wurde, ergeben sich die uflagerkräfte aus der Summe der beiden nteile (s. bb. 2.48). uch die elenkkraft kann so durch Überlagerung leicht bestimmt werden.

62 2 Statik des starren Körpers 2 1 2 1 2.48: Überlagerung der beiden Lastfälle zur estimmung der Lagerkräfte m eispiel des Dreigelenkbogens der bb. 2.43(a) führen wir nun noch den egriff des eingeprägten Momentes ein. Dazu betrachten wir zunächst den Dreigelenkbogen der bb. 2.43(a), aber mit der elastung durch das Kräftepaar der bb. 2.49. n bb. 2.49(a) wird das Kräftepaar durch die Kräfte # und # ge- b 2 b/2 (a) (b) 2 (c) 10 b/10 (d) M E 10 (e) M E 2.49: Durch eingeprägtes Moment (Kräftepaar) belasteter Dreigelenkbogen bildet, die beide auf den starren Körper wirken. Der Hebelarm ist b und das Moment des Kräftepaares b. uch in den beiden Lastfällen der bb. 2.49(b) und bb. 2.49(c) wirken Kräftepaare auf den starren Körper, die das gleiche Moment b erzeugen und demnach zueinander äquivalent sind. n allen Lastfällen ergeben sich die gleichen uflager- und elenkkräfte für das System. Es ist daher üblich, nicht das spezielle Kräftepaar als elastung anzugeben, sondern lediglich dessen Moment. Dementsprechend ist in den bb. 2.49(d) und bb. 2.49(e) ein

2.4 Das Erstarrungsprinzip 63 runder feil eingetragen, der dem eingeprägten Moment M E = b entspricht. Der Ort, an dem das eingeprägte Moment (das wir uns immer durch ein Kräftepaar mit sehr kleinem Hebelarm erzeugt vorstellen können) auf den Körper wirkt, ist bezüglich der Lagerkräfte irrelevant. lso sind alle Lastfälle der bb. 2.49 gleichwertig. b 2.50: Dreigelenkbogen, elastung nicht äquivalent zu bb. 2.49 n bb. 2.50 ist der gleiche Dreigelenkbogen ebenfalls durch ein Kräftepaar mit dem Moment bbelastet, wobei jedoch die beiden Kräfte # und # auf unterschiedliche Körper wirken. n diesem Lastfall ergeben sich andere uflager und elenkkräfte als im all der bb. 2.49: Die Lastfälle der bb. 2.49 und der bb. 2.50 sind nicht zueinander äquivalent! Nur an ein und demselben starren Körper darf ein Kräftepaar durch ein beliebiges anderes gleichen Moments ersetzt werden! V M E a a a a (a) System 2a H V H M E H V y x (b) reikörperbild V H 2.51: Dreigelenkbogen, durch Kräfte und eingeprägtes Moment belastet Wir wollen nun die uflager und elenkkräfte für den durch zwei Kräfte und ein eingeprägtes Moment belasteten Dreigelenkbogen der bb. 2.51(a) berechnen. Das entsprechende reikörperbild ist in bb. 2.51(b) angegeben. Die leichgewichtsbedingungen für den Körper sind so, wie im all der bb. 2.43(b), d.h. (2.101) gilt unverändert. n der Momentengleichung (2.102) für den Körper ist jetzt das eingeprägte Moment zu berücksichtigen, so daß diese leichung

64 2 Statik des starren Körpers durch M () i =0: 2 a H 2 a V + M E + a =0 = H + V = 1 2 + M E 2 a (2.115) zu ersetzen ist. Mit (2.101) folgt daraus H = 1 2 + M E 4 a, V = M E 4 a, und auch die uflagerkräfte H = 1 2 + M E 4 a, V = + M E 4 a, H = 1 2 + M E 4 a, V = M E 4 a sind leicht zu berechnen. m folgenden behandeln wir noch drei weitere eispiele ebener Systeme starrer Körper. m ersten eispiel untersuchen wir den idealisierten Sägebock der bb. 2.52. lle uflagerkräfte sowie die zwischen den einzelnen Körpern auftretenden Zwangs- glatt glatt a b l α α Seil 2.52: Sägebock kräfte sollen berechnet werden. n bb. 2.53 ist das reikörperbild angegeben. Die elenkkraft zwischen den Körpern und ist durch die Komponenten C, D dargestellt. Die lotrechten uflagerkräfte bestimmt man im vorliegenden all am einfachsten durch leichgewichtsbedingungen am esamtsystem (bb. 2.54). Hier gilt M (E) i =0: l sin α l sin α =0 = =, (2.116a) iy =0: + =0, (2.116b)

2.4 Das Erstarrungsprinzip 65 N 1 N 2 y α H S x D α C C α α H D S α E α l 2.53: reikörperbild 2.54: esamtsystem nach außen freigeschnitten und daraus folgt = = /2. (2.117) Dieses Ergebnis hätte man auch unmittelbar anschaulich anhand der Symmetrie des Systems erkennen können. Zur estimmung der restlichen Zwangskräfte werden leichgewichtsbedingungen für die einzelnen Körper benötigt. ür den Körper schreiben wir zunächst ix =0: N 1 cos α N 2 cos α =0 = N 1 = N 2, (2.118a) iy =0: N 1 sin α + N 2 sin α =0, (2.118b) und daraus folgt N 1 = N 2 = 2sinα. (2.119) ezeichnen wir das elenk zwischen den Körpern und mit H, so gilt für den Körper M (H) i =0: N 1 a Sbcos α + l sin α =0, (2.120) woraus mit (2.119) und (2.117) ( a S = b sin 2α + l ) 2 b tan α (2.121)

66 2 Statik des starren Körpers folgt. Ebenso ist ix =0: S + C N 1 cos α =0, (2.122) und daraus ergibt sich mit den schon bestimmten Zwangskräften ( a C = b sin 2α + l 2 b tan α + 1 ) 1. (2.123) 2 tan α Schließlich ist auch iy =0: + D N 1 sin α =0, (2.124) woraus mit den bekannten anderen Kräften D =0 (2.125) folgt. 2 a a a a 2.55: alkensystem lsnächstesbetrachtenwirdasalkensystem der bb. 2.55. ußer dem einwertigen uflager in und dem elenk in tritt in eine neue rt der Lagerung auf, die man als Einspannung bezeichnet. Sie ist in bb. 2.56(a) nochmals skizziert. Dieses Symbol kennzeichnet eine Lagerung, bei der Kräfte beliebiger Richtung sowie auch beliebige Kräftepaare übertragen werden können (s. bb. 2.56(b)). eim reischneiden des Lagers in treten daher die in bb. 2.56(c) eingezeichneten rößen H, V und M auf. Dabei ist M das Moment des an der Einspannung übertragenen Kräftepaares. Natürlich wird in Wirklichkeit das Kräftepaar durch zwei Einzelkräfte wie in bb. 2.56(b) oder, noch realistischer, durch verteilte Kräfte erzeugt. Wir nehmen aber an, daß die alkenhöhe klein ist gegenüber den anderen bmessungen des Tragwerks, so daß wir idealisiert davon ausgehen, daß das Kräftepaar im unkt eingeleitet wird. emäß bb. 2.56(c) bildet die Einspannung in der Ebene ein dreiwertiges uflager. Man kann anschaulich erkennen, daß das System der bb. 2.55 statisch bestimmt ist, da es weder vorspannbar, noch beweglich ist. m folgenden berechnen wir die Zwangskräfte in, und und das Moment M aus den leichgewichtsbedingungen. us der Tatsache, daß diese leichungen

2.4 Das Erstarrungsprinzip 67 H M (a) Symbol (b) Übertragung beliebiger Kräfte und Kräftepaare 2.56: Einspannung V (c) Einspannmoment und uflagerkräfte die gesuchten rößen eindeutig liefern (bei beliebigen Lasten), folgt ebenfalls die statische estimmtheit des Systems. Zunächst ist in bb. 2.57 das reikörperbild dargestellt. Man erkennt, daß es für den Körper vier zu bestimmende Zwangskräfte und ein Zwangsmoment gibt, für Körper jedoch nur drei Zwangskräfte. Es ist daher zweckmäßig, zunächst die leichgewichtsbedingungen für Körper auszuwerten: M () i =0: 2a a 2 =0 = =, (2.126) iy =0 = V =, (2.127) ix =0 = H =0. (2.128) M V H H 2 H V V a a a a y x 2.57: reikörperbild zu bb. 2.55 ür Körper gilt M () i =0: M a +2a V =0 = M =3a, (2.129) iy =0: V + V =0 = V =2, (2.130) ix =0 = H =0, (2.131)

68 2 Statik des starren Körpers wobei bei der uswertung die schon jeweils vorher bestimmten Zwangskräfte verwendet wurden. Zur Kontrolle überprüfen wir die leichgewichtsbedingungen für das esamtsystem: iy =0: V 2 + =0, (2.132) + + M () i =0: M 4 a V +3a + a 2 =0. (2.133) Man beachte, daß in dieser leichung das Moment M unverändert auftritt, obwohl die Momentengleichung um den unkt aufgestellt wurde. Das Einspannmoment M ist ja das Moment eines Kräftepaares (eingeprägtes Moment), das nicht vom ezugspunkt abhängt, wie wir früher schon gezeigt haben. Das eispiel der bb. 2.58 betrifft ein alkensystem aus mehreren gelenkig miteinander verbundenen starren alken. Solche Systeme werden in der austatik als erber 3 Träger bezeichnet. lle Zwangskräfte sollen bestimmt werden. us der Systemskizze in bb. 2.58 ist unmittelbar zu erkennen, daß höchstens in waagerechte Kräfte auftreten können, da ansonsten nur lotrechte Kräfte und ein eingeprägtes Moment auf das System wirken. us einer Kräftegleichung längs der Waagrechten für das esamtsystem folgt daher, daß auch die uflagerkraft in lotrecht sein muß. Diese Tatsache wurde im reikörperbild der bb. 2.59 schon berücksichtigt. Da ix =0automatisch erfüllt ist, verbleiben hier für jeden der starren Körper nur zwei leichgewichtsbedingungen. Es empfiehlt sich, bei der erechnung der Zwangskräfte mit dem rechten alken zu beginnen, da dort nur zwei Unbekannte vorliegen. ür den alken 2 D gilt ( M 2) i =0: ad =0 = D =0, (2.134) iy =0: 2 =0 = 2 =. (2.135) M E 1 C 2 D y a a a a a a x 2.58: erber Träger 3 Nach Johann ottfried erber, österreichischer ngenieur, *1832 in Hof, 1912 in München.

2.4 Das Erstarrungsprinzip 69 2 D M E 1 C 2.59: reikörperbild des erber Trägers der bb. 2.58 Damit ist die elenkkraft 2 bekannt und wir schreiben für den alken 1 2 M ( 1) i =0: ac 2a 2 =0 = C =2 2, (2.136) was auf C =2 (2.137) führt. ußerdem gilt für diesen alken M (C) i =0: a 1 a 2 =0, (2.138) woraus mit (2.135) 1 = (2.139) folgt. ür den alken 1 ist () M i =0: 2a M E 3a 1 =0, (2.140) was mit (2.139) = M E 2a 3 2 (2.141) ergibt. Schließlich ist auch noch () M i =0: 2 a M E a 1 =0 = = M E 2 a + 1, (2.142) 2

70 2 Statik des starren Körpers wobei wieder die vorherigen Ergebnisse verwendet wurden. uch hier empfiehlt sich eine Kontrolle der Ergebnisse am esamtsystem, z.. mittels iy =0: + + C + D =0. (2.143) 2 D L2 R2 1 C 1 C L2 R2 D 2.60: Schnitt am belasteten elenk, lternative 2 2.61: Schnitt am belasteten elenk, lternative 3 Man beachte, daß in diesem eispiel die Last im elenk 2 wirkte. ei obigem Lösungsweg haben wir im reikörperbild (bb. 2.59) gemeinsam mit der elenkkraft 2 am alken 2 D eingetragen. lternativ kann man die Last auch auf den alken 1 2 einwirken lassen, und damit ergibt sich natürlich eine andere elenkkraft 2 (bb. 2.60). Eine dritte lternative ist im reikörperbild der bb. 2.61 angedeutet. Hier unterscheiden wir zwischen der elenkkraft R2,die rechts am elenk wirkt, und der links am elenk wirkenden elenkkraft L2.Das elenk wird als unkt betrachtet, auf das drei Kräfte L2, und R2 wirken. Diese stehen miteinander am elenk im leichgewicht. ür die Zwangskräfte außerhalb dieses elenks spielt es keine Rolle, welche der drei lternativen man bei der Lösung wählt. Da wir uns hier keine edanken darüber machen, wie das elenk im einzelnen konstruktiv realisiert ist, sind für unsere Zwecke alle drei lternativen gleich gut. 2.5 Räumliche Kräftegruppe am starren Körper 2.5.1 Reduktion einer räumlichen Kräftegruppe, leichgewichtsbedingungen ei der Reduktion einer räumlichen Kräftegruppe auf ein möglichst einfaches äquivalentes Kraftsystem machen wir uns die Überlegungen zunutze, die wir bei der Reduktion ebener Kräftegruppen angestellt haben. Dort wurde gezeigt, daß ein Kräftepaar in der Ebene vollkommen durch sein Moment charakterisiert ist. Wir zeigen nun, daß dies auch im Raum gilt. Dazu untersuchen wir zunächst anhand der bb. 2.62 die Verschiebung eines Kräftepaares, #,, # aus der Ebene π nach, in eine zu π parallele Ebene π. Dabei sind wieder nur die beiden nunmehr wohlbekannten Elementaroperationen zugelassen. Zuerst fügen wir in den unkten