Systemanalyse und Modellbildung

Ähnliche Dokumente
Systemanalyse und Modellbildung

Differentialgleichungen

9.4 Lineare gewöhnliche DGL

5 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Kapitel 8: Gewöhnliche Differentialgleichungen 8.1 Definition, Existenz, Eindeutigkeit von Lösungen Motivation: z.b. Newton 2.

Analysis III Gewöhnliche Differentialgleichungen 3. Übungsblatt (mit Lösungshinweisen)

4. Differentialgleichungen

Folgen und Reihen. Folgen. Inhalt. Mathematik für Chemiker Teil 1: Analysis. Folgen und Reihen. Reelle Funktionen. Vorlesung im Wintersemester 2014

y hom (x) = C e p(x) dx

1 Einführung, Terminologie und Einteilung

Kurze Einführung zu Stabilität bei Differentialgleichungen und Einschrittverfahren

Inhaltsverzeichnis. Vorwort Kapitel 1 Einführung, I: Algebra Kapitel 2 Einführung, II: Gleichungen... 57

durch Ratengleichungen der Form t t = F 2 N 1 t, N 2 t d N 1 t

4. Woche: Mehrdimensionale Modelle

Lösung zur Übung 19 SS 2012

GRUNDLEGENDE MODELLE. Caroline Herbek

Differenzengleichungen

(a) Zunächst benötigen wir zwei Richtungsvektoren der Ebene E; diese sind zum Beispiel gegeben durch die Vektoren

6 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Flüsse, Fixpunkte, Stabilität

Dierentialgleichungen 2. Ordnung

1. Übungsblatt Aufgaben mit Lösungen

Eigenwerte. Ein Eigenwert einer quadratischen n n Matrix A ist ein Skalar λ C (eine komplexe Zahl) mit der Eigenschaft Ax = λx (1)

3 Lineare Differentialgleichungen

Lineare Differenzengleichungen und Polynome. Franz Pauer

Mathematik für. Wirtschaftswissenschaftler. Basiswissen mit Praxisbezug. 4., aktualisierte und erweiterte Auflage

Differentialgleichungen 1. Ordnung. Einführung, Lösung and Anwendungen

Übungen Theoretische Physik I (Mechanik) Blatt 5 ( )

Anleitung zu Blatt 4 Differentialgleichungen I für Studierende der Ingenieurwissenschaften

Klausurberatung Differentialgleichungen I für Studierende der Ingenieurwissenschaften

Differentialgleichungen 2. Ordnung

exponentielle Wachstumsphase Abbildung 1: Wachstumskurve einer Bakterienkultur

Iterative Verfahren, Splittingmethoden

Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler

Lineare Differenzengleichungen

u v w v = 1 w u w u v schon in der Mathematik gesehen?

4.7 Lineare Systeme 1. Ordnung

f f(x ɛξ) f(x) 0, d.h. f (x)ξ = 0 für alle ξ B 1 (0). Also f (x) = 0. In Koordinaten bedeutet dies gerade, dass in Extremstellen gilt: f(x) = 0.

18.2 Implizit definierte Funktionen

3. Berechnen Sie auch die Beschleunigung a als Funktion der Zeit t. 4. Erstellen Sie ein SIMULINK Modell, das x(t) numerisch berechnet.

Einführung in einige Teilbereiche der Wirtschaftsmathematik für Studierende des Wirtschaftsingenieurwesens

"wahre Anomalie": (= Winkel bzgl. Fokus) "exzentrische Anomalie": const =

Klausurberatung Differentialgleichungen I für Studierende der Ingenieurwissenschaften

Prüfung zur Vorlesung Mathematik I/II

Nichtlineare Prozesse in der Elektrochemie II

4.3 Anwendungen auf Differentialgleichungen

Lösungsskizzen zur Klausur

Differentialgleichungen. Aufgaben mit Lösungen. Jörg Gayler, Lubov Vassilevskaya

Thema 10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Synergetik. Hermann Haken. Eine Einführung. Nichtgleichgewichts-Phasenübergänge und Selbstorganisation in Physik, Chemie und Biologie

Kursprüfung Methoden der VWL Klausurteil Dynamische Methoden der VWL Sommmersemester Aufgabe Punkte

Mathematik in der Biologie

Dynamische Systeme eine Einführung

Mathematik 2, SS 2015 Prof. F. Brock Zusammenfassung. Permutationen, Inversionen. Explizite Formel für die Determinante einer n n-

Rückblick auf die letzte Vorlesung

4.2 Der Harmonische Oszillator

Rekursionen (Teschl/Teschl )

Markov-Prozesse. Markov-Prozesse. Franziskus Diwo. Literatur: Ronald A. Howard: Dynamic Programming and Markov Processes

14 Lineare Differenzengleichungen

Das wissen Sie: 6. Welche Möglichkeiten zur Darstellung periodischer Funktionen (Signalen) kennen Sie?

5. Vorlesung Wintersemester

16. EINIGE LÖSUNGSMETHODEN

Lösungen zum 9. Übungsblatt zur Vorlesung Höhere Mathematik II für biw/ciw/mach/mage/vt

Lösungen zu Mathematik I/II

In der Praxis werden wir häufig mit relativ komplexen Funktionen konfrontiert. y

Statistische Physik - Theorie der Wärme (PD Dr. M. Falcke) Übungsblatt 12: Ferromagnet

3 Differentialgleichungen

5.1 Determinanten der Ordnung 2 und 3. a 11 a 12 a 21 a 22. det(a) =a 11 a 22 a 12 a 21. a 11 a 21

A2.3 Lineare Gleichungssysteme

Gewöhnliche Dierentialgleichungen

Mathematik 1, Teil B. Inhalt:

Mathematische Methoden für Informatiker

Klausurlösung Einführung in Numerische Methoden und FEM Universität Siegen, Department Maschinenbau,

Eigenwerte und Diagonalisierung

Kleine Formelsammlung zu Mathematik für Ingenieure IIA

Mathematik für Anwender I

20. Partielle Differentialgleichungen Überblick

LEHRPLAN FÜR DAS ERGÄNZUNGSFACH ANWENDUNGEN DER MATHEMATIK

Kurs über Lineare Gleichungssysteme. PD Dr. Karin Halupczok

( ) Lineare Gleichungssysteme

Adolf Riede. Mathematik für Biologen. Eine Grundvorlesung. Mit 120 Abbildungen und zahlreichen durchgerechneten Beispielen.

6. Wachstumsformen. Definitionen: durchschnittliche Wachstumsrate im y Zeitintervall t: t geometrisch. Sekantensteigung, abhängig von t

Folgerungen aus dem Auflösungsatz

Bestimmen Sie die Lösung des Anfangswertproblems. y (x) 4y (x) 5y(x) = 6e x. y(0) = y (0) = 0.

$Id: linabb.tex,v /01/09 13:27:34 hk Exp hk $

Allgemeines Gleichungssystem mit zwei Gleichungen und zwei Variablen. Der erste Index bezeichnet die Nummer der Zeile, der zweite die der Spalte.

Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler

Charakteristikenmethode im Beispiel

Mathematik anschaulich dargestellt

Rückblick auf die letzte Vorlesung. Bemerkung

e-funktionen Aufgaben

Mathematische Methoden der Physik I

Funktionen mehrerer Variabler

Prüfungsvorbereitungskurs Höhere Mathematik 3

Tutorium Mathematik II, M Lösungen

2. Freie gedämpfte Schwingungen

Gewöhnliche Differentialgleichungen Aufgaben, Teil 1

Differentialgleichungen sind überall!

Das Lösen linearer Gleichungssysteme

Vorwissen Lineare Modelle zweier Bevölkerungen

Transkript:

Systemanalyse und Modellbildung Universität Koblenz-Landau Fachbereich 7: Natur- und Umweltwissenschaften Institut für Umweltwissenschaften Dr. Horst Niemes(Lehrbeauftragter)

10.1 Systemdefinition Eine Menge von Objekten, die miteinander in Beziehung stehen Die Festlegung, welche Objekte innerhalb und welche außerhalb des Systems sind, ergibt die Systemgrenzen 10.2 Schritte der Modellentwicklung 1. Formulierung der Fragestellung 2. Festlegen der Systemgrenzen 3. Formulieren der Bilanz- und Reaktionsgleichungen 4. Formales Lösen der Gleichungen und Analyse des Verhaltens der Lösungen 5. Einsetzen der Zahlenwerte 6. Kritisches Beurteilen der Ergebnisse 10.3 Mathematische Modelltypen Statische, dynamische, zeitlich diskrete, räumlich kontinuierliche und stochastische Modelle

10.3.1 Statische Modelle Die Variable folgt ohne zeitliche Verzögerung dem Verlauf der äußeren Relation: = 10.3.2 Lineare dynamische Modelle mit einer Variablen und konstanten Koeffizienten Das System wird durch folgende Differentialgleichung erster Ordnung zwischen der Systemvariablen, der äußeren Relation ()und dem Modellparameter beschrieben: () = +() Die genauen Formulierungen als Massenbilanz-bzw. Konzentrationsgleichung lauten: () = = + = + ()

() () = + + = + () = + + = + Bei autonomen Systemen gibt es über die Anfangsbedingungen hinaus keine Wirkung der äußere Relation auf den dynamischen Anpassungsprozess 10.3.3 Lineare dynamische Modelle mit einer Variablen und zeitabhängiger äußeren Relation Die Bilanz-bzw. Konzentrationsgleichung ist dann eine inhomogene Differentialgleichung 1. Ordnung mit variablen inhomogenen Term: () = ( + ) dem nun zeitabhängigen stationären Zustand: = + () und der zeitabhängigen Lösung:

= + k w C in (t) vorherige Einträge davon noch übrig geblieben C(t) k r C(t) k w C(t) Untersuchte Fälle: Exponentiell wachsende oder fallende Einträge Auswirkung einer periodisch schwingenden Störung

10.3.4 Lineare dynamische Modelle mit mehreren Variablen und zeitunabhängiger äußeren Relation Zwischen den Variablen gibt es Wechselwirkungen. Die Massenbilanzgleichungen lauten: () = +, +, () = +, +, Durch Division mit dem Volumen erhalten wir hierfür die Konzentrationsgleichungen: () = +, +, () () = +, +, () In Matrixschreibweise gilt dann allgemein: () () =+, =+()

Systeme mit zwei Systemvariablen Lösungsverfahren aus der linearen Algebra für die Differentialgleichungen linearer Systeme mit zwei Systemvariablen Für die Matrix P in den Differentialgleichungen für den linearen Durchflussreaktor werden folgende charakteristische Größen eingeführt: 1. Die Determinante von P det(p) = p 1,1 p 2,2 p 1,2 p 2,1 2. Die Spur von P Sp (P) = p 1,1 + p 2,2 3. Die Diskriminante von P (P) = ( SP(P) ) 2 4 det(p) = (p 1,1 + p 2,2 ) 2 (p 1,1 p 2,2 ) 2 + 4p 1,2 4. Die beiden Eigenwerte von P 1 λ i = Sp(P) ± (P) 2 4p 1,1 p 2,2 p 2,1 + 4p 1,2 p 2,1 = Die beiden Eigenwerte sind die Lösungen der charakteristischen Gleichung: λ2 λ(p 1,1 + p 2,2 ) + p 1,1 p 2,2 p 1,2 p 2,1 = λ2 λ(sp(p) + det(p) = 0 Falls die Koeffizientenmatrix zwei verschiedene Eigenwerte hat, d.h. die Diskriminante P 0 ist, hat das Differentialgleichungssystem mit konstanten t Koeffizienten R i p i, j Lösungen von der Form: t t V ~ λ λ 1 2 1 (t) = a 1,0 + a 1,1 e + a 1,2 e = t t V ~ λ λ (t) a a e 1 a e 2 2 = 2,0 + 2,1 + 2,2

10.3.5 Nichtlineare dynamische Modelle mit einer Variablen Die allgemeine Form der Differentialgleichung für nichtlineare Modelle ist: () =(,) Lassen sich die äußere und innere Relation trennen, dann erhalten wir die spezielle Form: () = +( ) Gesucht werden zunächst die Fixpunkte. Für Autonome nichtlineare Modelle mit einer Variablen wird die äußere Relation, die konstant ist, implizit in eine vereinfachte Veränderungsfunktion aufgenommen: () =, Für die gilt: =0bzw. () =0,=1,,beim Erreichen des Fixpunktes.

~ dv dt ~ V i ~ ~ dv dv < 0 stabiler Zustand > 0instabiler Zustand, = 0höhere Ableitung sind zu betrachten dt ~ V dt ~ V i i

Nichtautonome nichtlineare Modelle mit einer Variablen Wenn die externe Relation sich explizit von der internen Relation trennen lässt, d.h. () = +,erfüllen die stationären Zustände des Systems die Bedingung beim Erreichen eines Fixpunktes: = (). () =0,=1,, Beispiele: Logistisches Wachstum und Abfischen in einem Fischteich bzw. das nichtlineares Phosphormodell. Besonders interessant beim nichtlinearen Phosphormodell sind die Ergebnisse: 1. Das Modell hat kritische Zustände, in denen kleinste Veränderungen des Inputs (äußere Relation) zu großen Veränderungen der Systemvariablen führen. 2. Es gibt einen Bereich der Inputgröße, in dem das Verhalten des Systems von der Vorgeschichte abhängt (Hysterese). 3. Bei nichtlinearen Modellen treten Synergismen auf, d.h. die Wirkung von Einzelereignissen auf die Systemvariable ist nicht gleich deren Summenwirkung.

Hysterese Verhalten beim nichtautonomen nichtlinearen Phosphormodell mit einer Variablen

Nichtlineare Boxmodelle mit mehreren Systemvariablen Die Jacobi Matrix Ausgang ist dabei das folgende System von n dimensionale Differentialgleichungen: =,,, = 1,, Fixpunkte oder Stationäre Zustände sind q Lösungen des n-dimensionalen gewöhnlichen, aber nichtlinearen Gleichungssystems: 0=,,,, = 1,, Das System befindet sich in der Nähe eines Fixpunktes k, bedeutet formal bzw. als Vektor geschrieben folgendes: = +, = 1,,. = + Da am Fixpunkt selbst alle Veränderungsfunktionen g i null sind, können diese in der Umgebung von durch folgende Taylorreihe approximiert werden, wobei nach dem ersten Term abgebrochen wird. = + = =,,

Da konstant ist gilt =, wird die allgemeine Gleichung näherungsweise zu einem n-dimensionalen linearen System mit der Abweichungsvariablen : =,, = 1,,,, = Letzteres kann auch als Matrix geschrieben werden: = Wir erhalten in Matrixform geschrieben: =( ) Die Stabilisierungsuntersuchung erfolgt über die Eigenwerte. Anwendungsbeispiele sind die Räuber/Beute Modelle von Lotka-Volterra und von Holling-Tanner. Selbst bei zwei Variablen können dabei schon chaotische Zustände auftreten.

10.3.7 Zeitdiskrete Modelle Iterative Gleichungen sind scheinbar leichter als Differentialgleichungen zu lösen, was in der Regel aber nicht zutrifft. Zum Beispiel beruht der primitivste Integrationsalgorithmus auf der Idee, den kontinuierlichen Gang der Zeit durch endliche Intervallsprüngen der Größe Δt zu approximieren, indem man definiert = + Und eine sogenannte Differenzengleichung einführt: =() () = () Aufgelöst nach () ergibt: () = 1+ (). () = 1+ () Wenn mehrmals vom Ausgangswert aus hintereinander ausgeführt. Im Grenzfall ist 0 und wir erhalten: = lim 1+ (). = (), weil lim 1+ =

Die inhomogene, lineare, zeitdiskrete Gleichung erster Ordnung mit konstanten Koeffizienten hat die Form: () =+ Treten mehrere Terme auf, dann spricht von Gleichungen zweiter, dritter, usw. Ordnung. Wie sieht die lineare Differentialgleichung aus, die mit der zeitdiskreten linearen Differenzengleichung verwandt ist? Aus () =+ 1+ erhalten wir durch Division mit : () () =+ () =, = 1 Bekanntlich hat die Differentialgleichung den stationären Zustand = falls <0. Die Differenzengleichung hat den stationären Zustand = lim () = 1< <1 1, Anwendungsbeispiel: Diskretes logistisches Wachstumsmodell

10.4 Thermodynamik und Informationstheorie in der Systemanalyse Zur Beschreibung irreversible Prozesse wurde der wie folgt definierte Entropiebegriff eingeführt: 2 (1) >. (2)>(1) Der Entropiebegriff wurde durch Boltzmann als Wahrscheinlichkeiten von Mikrozuständen des Systems durch die Formel erklärt, welche äquivalent ist zu dem Entropiebegriff in der Informationstheorie: = ln = Über eine Reihe von Zwischenschritten wurde der Zusammenhang zwischen der freien Energie, nutzbaren Arbeit (Exergie) und entropiebelastete nicht nutzbare Arbeit (Anergie) eingeführt:

=+ Das wichtigste Ergebnis aus den thermodynamischen und informatorischen Grundlagen ist der folgende Zusammenhang zwischen der Exergie und der Konzentrationen für einzelne Partikel in einem System: =, () = Die Exergie kann in mehrere Terme zerlegt werden, so zum Beispiel in einen informatorischen und materiellen Term: = + =, 0 = 0

10.5 Gekoppelte Systeme: Optimierung und Systemanalyse Mit den thermodynamischen und informatorischen Grundlagen wird für gekoppelte Systeme ein disziplinübergreifende Terminologie für gekoppelte Systeme eingeführt. Insbesondere für die Umwelt-und Ressourcenökonomie liefern diese Grundlagen, um naturwissenschaftlich konsistente Modelle zu entwickeln. Diese Anforderungen werden jedoch nicht immer erfüllt. Welche Systemelemente anspruchsvolle Modelle haben müssen, wurde kurz skizziert. Das Forster-Modell wurde als Beispiel ausgewählt, um zu zeigen, wie die ökonomische Optimierungsprinzipen mit der Systemanalyse verknüpft sind. Die Systemanalyse liefert die dynamischen Nebenbedingungen für die Optimierung.