Karlsruher Institut für Technologie Institut für Theorie der Kondensierten Materie Theoretische Physik B - Lösungen SS 1 Prof Dr Alexander Shnirman Blatt 7 Dr Boris Narozhny, Dr Holger Schmi 25521 1 Die Wirkung (i) Die Bewegungsgleichung eines freien Teilchens lautet (6 Punkte) mẍ = Integration dieser Gleichung von bis t mit der Definition ẋ( ) = v ergibt ẋ = v (t ) Weitere Integration von bis t mit x( ) = x 1 ergibt x(t) = x 1 + v (t ) Um v zu bestimmen benutzen wir nun x(t 2 ) = x 2, womit v = x 2 x 1 t 2 folgt Damit ist die Lösung mit der Randbedingungen x 1 = x( ), x 2 = x(t 2 ) also gegeben durch x(t) = x 1 + x 2 x 1 t 2 (t ) Die Lagrange-Funktion auf dieser Bahnkurve lautet L = m 2 ẋ2 (t) = m 2 (t 2 ) 2 Die Wirkung ist damit S = L = m 2 t 2 Die Ableitungen sind gegeben durch: = m x 2 x 1 t 2 = mv, = m 2 (t 2 ) 2 = mv2 2 (ii) Die Bewegungsgleichung eines Teilchens im Schwerefeld der Erde ist mẍ = mg = F
Analoges Vorgehen (Integration) zu (i) liefert als Lösung mit der Randbedingungen x 1 = x( ), x 2 = x(t 2 ) wobei x(t) = x 1 + v (t ) + F (t ) 2 2m, v = x 2 x 1 t 2 F t 2 2m Die Lagrange-Funktion auf dieser Bahnkurve (U = Fx) lautet somit L = m 2 ẋ2 (t) + Fx(t) = mv2 2 + Fx 1 + 2v F(t ) + F 2 m (t ) 2 Die Wirkung ist somit S = m 2 Die Ableitungen sind hier gegeben durch: = m 2 t 2 + 1 2 F(x 1 + x 2 )(t 2 ) F 2 = m x 2 x 1 t 2 + 1 2 F(t 2 ) = mẋ(t 2 ), (t 2 ) 2 + 1 2 F(x 1 + x 2 ) F 2 24m (t 2 ) 3 8m (t 2 ) 2 = mv2 2 + Fx 1 (iii) Die Bewegungsgleichung des harmonischen Oszillators (U = mω 2 x 2 /2) lautet mẍ = mω 2 x Die Lösung mit der Randbedingungen x 1 = x( ), x 2 = x(t 2 ) ist x(t) = x 1 cosω(t ) + A sin ω(t ), mit Die Wirkung ist damit A = x 2 x 1 cosω(t 2 ) sin ω(t 2 ) S = 1 [(x 2 mω 2 x 1 cosω(t 2 )) 2 cotω(t 2 ) + x 2 1 sin ω(t 2 ) cosω(t 2 ) 2x 1 x 2 sin ω(t 2 ) Die Ableitungen sind gegeben durch: = mω [(x 2 x 1 cos ω(t 2 )) cotω(t 2 ) x 1 sin ω(t 2 ) = mẋ(t 2 ), = m 2 ẋ2 (t 2 ) m 2 ω2 x 2 (t 2 ) Zu den physikalische Bedeutungen der Ableitungen: Die Ableitung nach der Zeit t 2 ergibt = E,
wo E ist die Energie ist Die Ableitung nach dem Ort x 2 ergibt = p(t 2 ), wobei p(t 2 ) = mv(t 2 ) der Impuls im Punkt x 2 ist Dies lässt sich auch ganz allgemein zeigen Die Wirkungen hängen hier nur von der Differenz t 2 ab, da die jeweiligen Potentiale zeitunabhängig sind ( Homogenität der Zeit ) Zu den Abhängigkeiten der Orte: Nur im Falle (i) hängt die Wirkung allein von der Differenz x 2 x 1 ab: S = (x 2 x 1 ) Dies ist eine Folge der Translationsinvarianz ( Homogenität des Raumes ), der Impuls ist entsprechend erhalten Bei den Fällen (ii) und (iii) sind die Potentiale ja ortsabhängig, was die Translationsinsvarianz zerstört und somit eine Abhängigkeit von beiden Koordinaten mit sich zieht: S = S(x 1, x 2 ) 2 Prinzip der kleinsten Wirkung I (6 Punkte) (a) Für Fall (i) ergibt sich S = S(x + x) S(x) = m [ẋ(t) + ẋ(t) 2 [ẋ(t) 2 2 t 1 = m [ ẋ(t) 2 + 2 [ẋ(t) ẋ(t) 2 = m 2 [ ẋ(t) 2 + [mẋ(t) x(t) t2 [mẍ(t) x(t) = m 2 [ ẋ(t) 2, wobei ẋ(t) = d x(t), und partielle Integration benutzt wurde Weiter gilt x( ) = x(t 2 ) = und die Bewegungsgleichung lautet mẍ = Es ist somit klar, dass die Wirkung auf der wahren Bahnkurve ein absolute Minimum besitzt, da für beliebiges x(t) die Differenz S positiv ist
Für den Fall (ii) hat man entsprechend S = [ m 2 (ẋ(t) + ẋ(t))2 + mg(x(t) + x(t)) [ m 2 (ẋ(t))2 + mgx(t) = mẋ(t) ẋ(t) + = [mẋ x t 2 + = m 2 ( ẋ(t)) 2 > mg x(t) + (mg mẍ) x + m 2 ( ẋ(t))2 m 2 ( ẋ(t))2 wobei wieder partielle Integration benutzt wurde, x( ) = x(t 2 ) = und die Bewegungsgleichung mẍ = mg (b) Für den Fall (iii), den Oszillator ergibt sich analog S = m 2 [ ( ẋ(t)) 2 ω 2 ( x(t)) 2 Man sieht, dass es hier zwei positive (wegen der Quadrate) Ausdrücke gibt mit verschiedenem Vorzeichen Um eine genauer Aussage machen können entwickeln wir nun x(t) in einer orthogonalen Basis auf dem Raum V = {f C 1 ([, t 2, R) f( ) = f(t 2 ) = } (dh der Raum der stetig differenzierbaren Funktionen, die an den Rändern Null sind, denn in eben diesem Raum liegen die Variationen x(t)) Eine orthogonale Basis dieses Raumes bilden die Funktionen ( ) nπ f n (t) = sin (t ), n N t 2 Damit kann man also jede beliebige Variation mittels dieser Basisfunktionen entwickeln (mit x( ) = x(t 2 ) = ): Man hat zudem x(t) = n=1 ẋ(t) = π t 2 a n sin πn t t 2 n=1 a n n cosπn t t 2 Einsetzen der Ausdrücke und Variablensubstitution x = S = m 2 t 2 π π dx n,m Verwendet man nun die Orthogonalität, dh π π t 2 (t ) führt auf a n a m [ (πn)(πm) (t 2 ) 2 cos(nx) cos(mx) ω2 sin(nx) sin(mx) dx cos(nx) cos(mx) = π dx sin(nx) sin(mx) = π 2 δ nm
so ergibt sich schließlich S = m 4 (t 2 ) n=1 a 2 n ( ) π 2 n 2 (t 2 ) 2 ω2 Wann hat nun S ein absolutes Minimum (dh ist S > )? Dazu muss der Klammerausruck strickt positiv sein Das ist der Fall, wenn Damit dies stets erfüllt ist muss also πn (t 2 ) > ω (t 2 ) < πn ω (t 2 ) < π ω gelten Man sieht daran, dass die Wirkung auf der genaue Bahnkurven nur für kurze Zeit t 2 < T/2 (für die Periodendauer gilt ω = 2π ) ein absolutes Minimum T hat Für Zeiten t 2 > T/2 lassen sich sowohl Variationen finden, die S > herbeiführen als auch Variationen, für die S < gilt und man hat es somit mit einem Sattelpunkt zu tun Dieses Beispiel verdeutlicht nochmals den Sachverhalt, dass das Prinzip der kleinsten Wirkung nur lokal (in der Zeit) gilt und eigentlich Prinzip der stationären Wirkung heißen sollte Zitat aus Landau, Band 1 (Mechanik) Fußnote Kapitel 2: Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass das Prinzip der kleinsten Wirkung nicht immer für die Bahn im Ganzes gilt, sondern nur für jeden genügend kleinen Abschnitt; für die gesamte Bahn kann es sich zeigen, dass die Wirkung lediglich einen extremalen, aber nicht einen minimalen Wert annimmt Dieser Umstand ist jedoch ganz unwesentlich bei der Ableitung der Bewegungsgleichungen, welche nur die Extremalbedingung benutzt 3 Prinzip der kleinsten Wirkung II (6 Punkte) (a) Kugel im Schwerefeld in x-z-ebene: Lagrange: L = 1 2 m(ẋ2 + ż 2 ) mgz Ansatz für die zu variierende Bahn in der Wirkung: x(t) = x + v x t + at 2 z(t) = z + v z t + bt 2 ẋ = v x + 2at ż = v z + 2bt Das in die Lagrangefunktion einsetzen ergibt L = 1 [ 2 m (vx 2 + v2 z }{{ 2gz ) + (4v } x a + 4v z b 2gv z ) t + (4a 2 + 4b 2 2 2gb) t }{{}}{{} A A 1 Die Wirkung ist dann billigerweise: S = T L(x, ẋ, z, ż) = 1 2 m [ A T + A 1 T 2 2 + A 2 A 2 T 3 3
(b) Endpunkte als Randbedingungen: x() = z() =, x(t) = x m, z(t) =, daraus folgt für den Ansatz von oben: x = z =, v x = x m T at, v z = bt Jetzt sind nur noch a, b unbestimmt Die Bahn in S wird also durch a, b festgelegt, und die Bahn in S zu variieren heißt jetzt, a und b zu variieren S ist extremal, wenn diese Variation verschwindet, also a =, = Man muß beim Ableiten b beachten, daß v x und v z von a, b abhängen, dh, erst v x, v z einsetzen, dann nach a oder b ableiten Etwas eleganter: Kettenregel benutzen: (a, b) = 1 [ a 2 m v x (2v x a ) T + (4v x + 4a v x 2 3 a )T 2 + (8a)T 3 (a, b) b = 1 [ 2 m v z (2v z b ) T + (4v z + 4b v z b 2g v z 2 3 b )T + (8b 2g)T 2 3 Einsetzen von v x a = T, v z = T und alles ausmultiplizieren und -addieren b liefert a = 1 3 mt 3 a, b = 1 3 mt 3 (b + 1 2 g) Nullsetzen liefert a =, b = g/2 und die physikalische Bahn der Kugel lautet, mit v x = x m /T, v z = gt/2, x(t) = v x t = x m T t z(t) = v z t g 2 t2 = g 2 (tt t2 ) Das so etwas herauskommt, war natürlich schon vorher klar: in x-richtung: gleichförmige Bewegung, in z-richtung: freier Fall, kennen wir schon aus Theorie A (c) Zum Vergleich der konventionelle Weg: Die Bahn, die die Wirkung extremalisiert, wird ja durch die Lagrangegleichungen bestimmt, also: d L L = mẍ = q α q α m z = mg x(t) = x + v x t z(t) = z + v z t g 2 t2 Die Randbedingungen (Endpunkte für t = und t = T) legen die Integrationskonstanten x, z, v x, v z fest, wie in b) Normalerweise hat man als Randbedingungen nicht die Endpunkte der Bahn, sondern die Anfangspunkte x() =, z() = und die Anfangsgeschwindigkeiten ẋ() = v x, ż() = v z Das ist natürlich äquivalent und läßt sich umrechenen in die Wurfzeit T und -weite x m : ẋ() = v x = x m /T ż() = v z = gt/2 T = 2v z g, x m = 2 g v xv z