7 Vektorräume und Körperweiterungen
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1 $Id: vektor.tex,v /05/28 16:37:16 hk Exp $ 7 Vektorräume und Körperweiterungen Bisher haben wir zwar die Existenz und Eindeutigkeit von Tensorprodukten bewiesen, und auch einige ihrer Eigenschaften hergeleitet, aber alles auf einer recht abstrakten Ebene. Wie ein Tensorprodukt konkret aussieht wissen wir bisher nicht. Der Schlüssel zur konkreten Beschreibung von Tensorprodukten liegt nun in der sogenannten Distributivität des Tensorprdoukts, die besagt das ein Tensorprodukt mit einer direkten Summe einfach die direkte Summe der Tensorprodukte mit den einzelnen Summanden ist. Lemma 7.3 (Distributivität des Tensorprodukts) Seien K ein Körper, (V i ) eine Familie von Vektorräumen über K und W ein weiterer Vektorraum über K. Dann existiert ein eindeutiger Isomorphismus ( ) ϕ : V i W (V i W ) mit ϕ(v w) = (v i w) für alle v V i, v W. Beweis: Schreibe V := V i und T := (V i W ). Dann ist die Abbildung t : V W T ; (v, w) (v i w) offenbar bilinear, und wir wollen zeigen, dass sie die universelle Eigenschaft eines Tensorprodukts besitzt. Seien also U ein Vektorraum über K und f : V W U eine bilineare Abbildung. Sei i I. Dann ist auch f V i W : V i W U bilinear, und wir erhalten eine eindeutige lineare Abbildung F i : V i W U mit F i (v w) = f(v, w) für alle v V i, w W. Damit ist auch F : T U; x F i (x i ) eine lineare Abbildung. Für v V, w W gilt dabei F (t(v, w)) = F ((v i w) ) = F i (v i w) = ( ) f(v i, w) = f v i, w = f(v, w). Dies zeigt F t = f. Da t(v W ) den Vektorraum T erzeugt, ist F hierdurch auch eindeutig festgelegt. Somit ist (T, t) ein Tensorprodukt von V und W. Die Eindeutigkeit des Tensorprodukts liefert jetzt die Behauptung. 13-1
2 Eine entsprechende Aussage gilt auch für direkte Summen auf der rechten Seite des Tensorprodukts. Dies kann man entweder durch einen analogen Beweis einsehen oder mittels der Kommutativität des Tensorprodukts auf die Aussage des Lemmas zurückführen. Letzteres Argument wollen wir hier kurz vorführen. Gegeben seien also ein Vektorraum V sowie eine Familie (W i ) von Vektorräumen über dem Körper K. Mit dem Lemma und der Kommutativität des Tensorproduktes haben wir dann eine Kette von Isomorphismen V ( W ) ( i W ) i V (W i V ) (V W i) v w w v (w i v) (v w i ). Alternativ kann man das Lemma auch als eine Aussage über Zerlegungen in Teilräume lesen, ist V = V i in eine direkte Summe von Teilräumen zerlegt, so ist auch V W die direkte Summe der Teilräume V i W (i I). Lemma 7.4: Seien K ein Körper, V, W zwei Vektorräume über K und sei (v i ) eine Basis von V. Dann hat jedes x V W eine eindeutige Darstellung x = v i w i mit w i W für i I und w i 0 nur für endlich viele i I. Beweis: Es ist V = (Kv i) und somit nach Lemma 3 auch V W = (Kv i ) W. Für jedes i I ist Kv i K bezüglich des Isomorphismus cv i c (c K), und tensorieren wir diesen Isomorphismus mit id W, so haben wir auch einen Isomorphismus (Kv i ) W K W, der (cv i ) w für c K, w W auf c w abbildet. Andererseits ist nach einer Übungsaufgabe auch K W W bezüglich eines Isomorphismus der c w für c K, w W auf cw abbildet. Damit ist (Kv i ) W W wobei (cv i ) w für c K, w W gerade dem Element cw entspricht. Insbesondere läst sich jedes Element x (Kv i ) W eindeutig in der Form v i w = (1 v i ) w mit einem w W schreiben. Dies ergibt die Behauptung. Mit diesem Lemma kann man vielen Tensorprodukten eine sehr konkrete Form geben. Nehmen wir einmal ein Tensorprodukt K 2 V mit einem Vektorraum V über K und bezeichne e 1, e 2 die kanonische Basis des K 2. Nach dem Lemma kann man die Elemente von K 2 V in der Form x = e 1 v 1 + e 2 v 2 schreiben, also K 2 V mit V V identifizieren. Die zum Tensorprodukt gehörende Bilinearform ist dann (x, y) v = (xe 1 + ye 2 ) v = e 1 (xv) + e 2 (yv) = (xv, yv). 13-2
3 Haben wir eine bilineare Abbildung f : K 2 V W, so ist die zugehörige lineare Abbildung F : V V W gegeben als F (v, w) = F (e 1 v + e 2 w) = F (e 1 v) + F (e 2 w) = f(e 1, v) + f(e 2, w). Wir wollen noch ein weiteres Beispiel behandeln. Der Polynomring K[t] hat die Basis (t n ) n N0, und damit hat jedes x K[t] V eine eindeutige Darstellung x = t n v n n=0 mit v n V und v n 0 nur für endlich viele n N 0. In anderen Worten ist K[t] V so etwas wie der Polynomring mit Koeffizienten aus dem Vektorraum V. Als ein letztes Beispiel betrachten wir eine Teilmenge X R d und den Vektorraum C(X) der stetigen Funktionen auf X. Jedes x R n C(X) kann dann eindeutig als x = e 1 f e n f n mit stetigen Funktionen f 1,..., f n : X R geschrieben werden, und da ein solches Tupel von Funktionen gerade einer stetigen Abbildung f : X R n entspricht können wir R n C(X) = C(X, R n ) als den Vektorraum der vektorwertigen stetigen Funktionen auf X mit Werten im R n auffassen. Statt einer Teilmenge des R d kann man für X natürlich auch einen beliebigen metrischen (oder auch topologischen, wenn Sie wissen was das ist) Raum nehmen. Mit unendlichdimensionalen Vektorräumen funktioniert das so nicht mehr, die Theorie kann man aber auch auf diese Situation erweitern. Dies ist aber keine Algebra mehr, sondern ein Thema der Funktionalanalysis. Kombinieren wir Distributivität und Kommutativität des Tensorprodukts, so ergibt sich: Lemma 7.5: Seien K ein Körper und (V i ), (W j ) zwei Familien von Vektorräumen über K. Dann existiert ein eindeutiger Isomorphismus ( ) ( ) ϕ : V i W j (V i W j ) mit ϕ(v w) = (v i w j ), für alle v V i, w W j. Beweis: Dies ergibt sich durch Kombination der Isomorphismen ( ) ( ) V i W j ( ) V i W j ( ) V i W j V i W j. 13-3
4 Wenden wir dies wieder auf eindimensionale Teilräume an, so ergibt sich das Lemma über Basen von Tensorprodukten. Lemma 7.6 (Basen von Tensorprodukten) Seien V, W zwei Vektorräume über einem Körper K, (v i ) eine Basis von V und (w j ) eine Basis von W. Dann ist (v i w j ), eine Basis von V W. Insbesondere gilt dim V W = (dim V ) (dim W ). Beweis: Nach Lemma 5 gilt U V = (Kv i ) (Kw j ) = Kv i w j, und wie im Beweis von Lemma 3 ergibt sich für alle i I, j J stets (Kv i ) (Kw j ) K unter einem Isomorphismus bei dem (av i ) (bw j ) für a, b K gerade ab K entspricht. Insbesondere sind v i w j 0 und (Kv i ) (Kw j ) = K(v i w j ), d.h. (v i w j ), ist eine Basis von V W. Insbesondere folgt dim V W = I J = I J = dim(v ) dim(w ). Betrachten wir als ein konkretes Beispiel einmal die Vektorräume V = K n und W = K m jeweils mit den kanonischen Basen e 1,..., e n und e 1,..., e m ausgestattet. Dann hat das Tensorprodukt K n K m die Basis e 1 e 1,..., e 1 e m,..., e n e 1,..., e n e m, und wir können K n K m = K nm identifizieren. Für x K n, y K m ist dabei ( n ) ( m ) x i e i y j e j = x i y j e i y j, i=1 also in Koordinatenschreibweise j=1 1 i n 1 j m (x 1,..., x n ) (y 1,..., y m ) = (x 1 y 1,..., x 1 y m,..., x n y 1,..., x n y m ). Man könnte dies überhaupt als Definition des Tensorprodukts endlichdimensionaler Vektorräume verwenden. Das sieht zwar auf den ersten Blick verführerisch einfach aus, hat aber den Nachteil von der Wahl der jeweiligen Basen abhängig zu sein. Dann muss man sich auf einmal um Koordinatentransformationen und all diese Dinge sorgen, was diesen Standpunkt eher unbequem werden läßt. 13-4
5 Wir wollen noch eine kurze Bemerkung zum Zusammenhang mit dem Tensorbegriff etwa in der Physik machen. Dort betrachtet man einen endlichdimensionalen Vektorraum V, meist über R oder C, sowie seinen Dualraum V, und bildet Tensorprodukte V } {{ V } V } {{ V }. p mal q mal Die Elemente dieses Produkts werden dann p-fach covariante und q-fach kontravariante Tensoren genannt. Weiter ist auf V eine nicht ausgeartete, symmetrische Bilinearform g gegeben. Haben wir dann eine Basis e 1,..., e n von V, so gehört zu dieser eine bezüglich g duale Basis e 1,..., e n von V, und bezüglich dieser Basen haben die Elemente des obigen Tensorprodukts eine Basisdarstellung 1 i 1,...,i p n 1 j 1,...,j q n a j 1...j q i 1...i p e i1 e ip e j 1 e j q. Bei einem Basiswechsel kann man dann die zugehörige Transformation der obigen Koeffizienten eines Tensors berechnen. Dann vergisst man die e i1 e j q und betrachtet nur noch das Zahlenschema (a j 1...j q i 1...i p ). Der eben erwähnte Basiswechsel definiert dann eine Transformation dieser Zahlenschemata, und man sagt das sie sich wie ein Tensor transformieren. Die Details will ich hier nicht ausführen, da all dies für uns keine Rolle spielen wird. Das Urbeispiel eines Tensors war ein solches Zahlenschema, der sogenante Spannungstensor in der Elastizitätstheorie, dem die Tensoren ihren Namen verdanken. Das reicht nun an allgemeiner Theorie, zumindest für unsere Zwecke. Wir betrachten jetzt einen Vektorraum V über einem Körper K und einen Erweiterungskörper L von K. Wir wollen den Vektorraum V zu einem Vektorraum V L über L erweitern. Hierzu fassen wir L als einen Vektorraum über K auf, und bilden das Tensorprodukt V L := L V. Dies ist zunächst nur ein Vektorraum über K, aber wir können dies leicht als Vektorraum über L auffassen. Beachte hierzu, dass die Multiplikation L L L des Körpers L über K bilinear ist, wir erhalten also eine über K lineare Abbildung µ : L L L mit µ(a b) = ab für alle a, b L. Mit Lemma 2 erhalten wir damit eine über K lineare Abbildung µ V : L V L = L (L V ) Konkret gilt für v V, a, b L dann ϕ (L L) V µ id V L V = V L. µ V (a (b v)) = µ id V (ϕ(a (b v))) = µ id V ((a b) v) = µ(a b) v = (ab) v. 13-5
6 Damit erhalten wir eine über K bilineare Abbildung : L V L V L ; (λ, x) µ V (λ x). Auf Elementartensoren ist die Multiplikation λ a v = (λa) v für alle λ, a L, v V, die Multiplikation findet sozusagen in der ersten Komponente statt. Wir behaupten, dass V L durch die Multiplikation zu einem Vektorraum über dem Körper L wird. Die additiven Eigenschaften und die beiden Distributivgesetze sind dabei klar, da V L ein Vektorraum über K ist, und über K bilinear ist. Da jedes Element von V L eine Summe von Elementartensoren ist, reicht es die beiden anderen Vektorraumaxiome auf Elementartensoren nachzurechnen. Für λ, µ, a L, v V haben wir nun 1 (a v) = (1 a) v = a v und λ (µ (a v)) = λ ((µa) v) = (λ(µa)) v = ((λµ)a) v = (λµ) (a v). Damit ist V L tatsächlich ein Vektorraum über L. Beachte das die vom L-Vektorraum V L induzierte K-Vektorraumstruktur gerade die von vornherein gegebene Struktur von V L als K-Vektorraum ist, denn für alle x V L, λ K gilt ja λ x = µ V (λ x) = µ V (λ 1 x) = µ V (1 (λx)) = 1 (λx) = λx. Die Konstruktion von V L ist in dem Sinne natürlich, dass wir auch alle linearen Abbildungen zwischen Vektorräumen über K zu linearen Abbildungen zwischen den entsprechenden Vektorräumen über L machen können. Seien nämlich V, W zwei Vektorräume über K und T : V W eine lineare Abbildung. Dann ist das Tensorprodukt T L := id L V : V L = L V L W = W L eine über K lineare Abbildung, und wir behaupten das T L auch über L linear ist. Hierzu ist nur noch T L (λ x) = λ T L x für λ L, x V L, wobei wir uns für x wieder auf Elementartensoren beschränken können. Für λ, a L, v V gilt jetzt T L (λ (a v)) = T L ((λa) v) = (λa) (T v) = λ (a (T v)) = λ T L (a v), und damit ist T L auch über L linear. Diese Konstruktion verträgt sich mit Hintereinanderausführungen, d.h. sind T : V V, S : V V zwei lineare Abbildungen, so haben wir S L T L = (id L S) (id L T ) = id L (ST ) = (ST ) L. Da für jeden Vektorraum V über K auch (id V ) L = id L id V = id L V = id VL gilt, ist insbesondere für jeden Isomorphismus T : V W auch T L : V L W L ein Isomorphismus mit T 1 L = (T 1 ) L. Dies folgt wie üblich durch die Rechnung T L (T 1 ) L = (T T 1 ) L = (id W ) L = id WL und ebenso (T 1 ) L T L = id VL. 13-6
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