Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2017 Prof. Dr. phil. habil.
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- Elmar Richter
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1 Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2017 Prof. Dr. phil. habil. Udo Thiedeke 1) Neue mediale Kommunikation 2) Virtualisierung als mediales Phänomen 3) Zusammenfassung
2 1) Neue mediale Kommunikation Folie 1 Will man eine Soziologie der Medien betreiben, die fragt, wie Sozialität durch mediale Kommunikation möglich ist, dann genügt es nicht Epiphänomene oder die isolierte Praxis einzelner Nutzer oder Nutzergruppen zu beobachten. Man muss vielmehr konkrete Veränderungen der medialen Kommunikation der Gesellschaft in den Blick nehmen. Sie können auf die Spur der Rahmenbedingungen der veränderte Phänomene, Nutzungen und kulturellen Bewertungen führen, in denen sich eine medial geprägte Sozialität konkretisiert.
3 1) Neue mediale Kommunikation Folie 2 In den letzten Dekaden fällt auf, dass die Diskussion über die mediale Kommunikation von Wirklichkeit zu einem gesellschaftlichen und damit zu einem alltäglichen Thema geworden ist.
4 1) Neue mediale Kommunikation Folie 3 Der Medienphilosoph Villém Flusser hat das Phänomen, dass wir uns mehr und mehr bewusst werden, dass wir in der Regel nicht über 'die' Welt kommunizieren, sondern nur über 'eine' Welt, die wir heute vorrangig medial beobachten, so zusammengefasst, dass wir es statt mit einer Welt der Daten (des Gegebenen), mit einer Welt der Fakten (des Gemachten) zu tun haben.
5 1) Neue mediale Kommunikation Folie 4 Unser Eindruck davon, was die Wirklichkeit der Welt da draußen sein soll, hängt demzufolge in hohem Maße vom Blickwinkel und den Vermittlungsmöglichkeiten von Kommunikationsmedien ab.
6 1) Neue mediale Kommunikation Folie 5 Diese Beobachterabhängigkeit der Weltwahrnehmung gilt nicht nur für das, was die Massenmedien drucken oder senden, d.h. für uns auswählen, dramatisieren und inszenieren. Es gilt bereits für Medien wie die Sprache oder die (Hand )Schrift, in denen wir auch nur das kommunizieren, was gesagt und geschrieben werden kann. Besonders scheint es aber für die sog. neuen Medien, wie Computer und Internet zu gelten.
7 1) Neue mediale Kommunikation Folie 6 Die neuen Medien können können nicht als Übertragungskanäle betrachtet werden. Aufgrund ihrer Computerbasierung zerlegen sie (heute durch Digitalisierung) alle Wirklichkeitsbeobachtungen in berechenbare Einheiten und erzeugen die Wirklichkeitsbeschreibungen als computierbare, d.h. mittels algorithmischen Berechnungen manipulierbare, Konstruktionen, die nach Belieben gestaltet und gesteuert werden können.
8 1) Neue mediale Kommunikation Folie 7 Kennzeichen der neuen medialen Kommunikation ist also nicht mehr nur die Möglichkeit Gedanken präzise zu kommunizieren, wie etwa mit Sprache und (Hand )Schrift oder Wirklichkeitsbeobachtungen massenhaft und gleichförmig an viele Unbekannte zu kommunizieren, wie mit den Massenmedien. Mit den neuen Medien wird die kommunizierbare Wirklichkeit erkennbar zum Gestaltungsmaterial, die Weltsicht wird zu einer Frage des Designs.
9 1) Neue mediale Kommunikation Folie 8 Diese selbst verursachte Erweiterung von Orientierungs und Handlungsmöglichkeiten ins Potenzielle, wird auch als Virtualisierung oder Vermöglichung bezeichnet. Deshalb wollen wir als konkretes Problem dieser Einführung in die Mediensoziologie die Beobachtung der Virtualisierung infolge der Kommunikation mit neuen Medien zu Grunde legen.
10 2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 9 Irrtümer zur Virtualisierung und Virtualität: 1) Virtualität ist ein neues Phänomen. Wir dürfen wohl annehmen, dass das der Möglichkeit nach Vorhandene, den Menschen zumindest, seit er bewusst sich selbst, seine sozialen Beziehungen und seine Umwelt unterscheiden kann begleitet. Über das aktuell Gegebene hinaus, erscheint immer etwas, das auch möglich wäre, das man vielleicht haben möchte oder von dem man nicht will, dass es eintritt und das kommuniziert werden kann.
11 2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 10 Irrtümer zur Virtualisierung und Virtualität: 2) Virtualität wird durch Computer und Internet erzeugt Entfaltete Virtualität, z.b. das Imaginieren, Darstellen oder gar künstlerische Verfertigen und Aufbauen virtueller Welten, bleibt nicht der Computertechnik mit ihren Visualisierungen und Steuerungsmöglichkeiten vorbehalten. Virtuelle Welten begegnen uns bereits in Mythen und Erzählungen, aber auch in Werken der Kunst und der Architektur.
12 2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 11 Irrtümer zur Virtualisierung und Virtualität: 3) Virtualität ist die perfekte Simulation einer irrealen oder Pseudowirklichkeit Wäre es tatsächlich möglich, mit Virtualisierungstechniken eine künstliche Wirklichkeit als vollständige Simulation zu erzeugen, so wäre kein Unterschied zwischen einem Leben in dieser simulierten Wirklichkeit im Vergleich zu derjenigen festzustellen, in der wir alltäglich leben. Insofern wäre eine solche Wirklichkeitssimulation für uns, die wir uns in ihrem Innern befänden, real und nicht irreal oder pseudoreal und somit ununterscheidbar.
13 2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 12 Wir halten also fest: Virtualisierung erzeugt eine eigene, entgrenzte Realitätserwartung. Die Vermöglichung, die mit Virtualisierung eintritt, ist ein Teil unserer Realität. Das Gegenteil von virtuell ist daher nicht real, sondern aktuell gegeben oder kurz: aktuell.
14 2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 13 Medial an der Virtualisierung ist dabei zunächst die Vermittlung der Vermöglichung. Indem man z.b. gestikulieren, sprechen und schreiben kann, kann man aus sich heraustreten und seine Gedankenwelt den anderen als neue Möglichkeit der Weltsicht vermitteln.
15 2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 14 Bei massenmedialer Kommunikation wird noch weitergehend eine Weltsicht entfernter, vorher nicht zugänglicher Welten konstruiert und z.b. als Inszenierungen oder Imaginationen öffentlich gemacht.
16 2) Virtualisierung als mediales Phänomen Folie 15 Mit den neuen Medien kann Virtualisierung jetzt zielgerichtet gesteuert werden, indem diese Medien ein Interface, eine Wirklichkeitsschnittstelle erzeugen, mit der alle Teilnehmer der medialen Kommunikation individuell interagieren können. Vermöglichung wird hier zum Alltagsphänomen bewusster Wirklichkeitsmanipulation und so zum gesellschaftlichen Thema.
17 3) Zusammenfassung Folie 16 Zusammenfassung - In den letzten Dekaden ist die Diskussion der medialen Kommunikation von Wirklichkeit zu einem gesellschaftlichen und damit zu einem alltäglichen Thema geworden. Unser Eindruck davon, was die Wirklichkeit sein soll, hängt offenkundig in hohem Maße von den Vermittlungsmöglichkeiten von Kommunikationsmedien ab. Besonders mit den computerbasierten neuen Medien wird die kommunizierbare Wirklichkeit erkennbar zum Gestaltungsmaterial; die Sicht der Welt wird zu einer Frage des Designs. Damit stellt sich das Problem der Virtualisierung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Virtualisierung meint einen Zustand von Erwartungen der Vermöglichung von Wirklichkeit. Hier werden Erwartungen möglich, dass die aktuell gegebenen Begrenzungen der Wirklichkeit durch eigene Eingriffe ins faktisch Mögliche entgrenzt werden Der Virtualisierung liegen dabei medial individuelle Gestaltungsmöglichkeiten von Wirklichkeitsbeschreibungen zu Grunde, deren Erzeugung und Kommunikation durch Computer und I Net begünstigt werden.
Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil.
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