Brückenkurs Mathematik 2018
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- Jasper Kolbe
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1 Mathematik Vorlesung Logik, Mengen und Funktionen Prof. Dr. 24. September 2018 Ich behaupte aber, dass in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist. Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe d. Naturwissenschaft (1786) aufbauend auf Material von Dr. Norbert Koksch und Dr. Sebastian Franz
2 1 Grundbegriffe der Logik 1.1 Aussagen und Aussageformen Eine Aussage p ist ein sinnvolles sprachliches Gebilde, das die Eigenschaft hat, entweder wahr oder falsch zu sein. Man nennt wahr bzw. falsch den Wahrheitswert der Aussage p. Die Wahrheitswerte werden mit W (wahr) bzw. F (falsch) bezeichnet. Beispiel ist eine Primzahl. (Aussage, wahr) 2 3 ist Teiler von 7. (Aussage, falsch) 3 Hallo, wie geht s? (keine Aussage, was ist Wahrheitswert?) 4 Daniel ist krank. (keine Aussage, Daniel nicht festgelegt.) 5 a 2 + b 2 = c 2 (keine Aussage, was sind a, b, c?)
3 Die letzten beiden Beispiele sind keine Aussagen, aber Aussageformen, die einen Wahrheitswert erhalten durch Belegung der Aussagevariablen Daniel, a, b, c. Eine Aussageform lässt sich in Prädikat (geforderte Eigenschaft) und ein oder mehrere Objekte zerlegen. In Beispiel 4 ist... ist krank das Prädikat und Daniel das Objekt. Ein Prädikat, das sich auf ein Objekt bezieht, heißt einstufig, eines, das sich auf drei bezieht, dreistufig, etc.
4 Wenn p und q Aussagen sind, dann lassen sich durch sprachliche Verbindung neue Aussagen gewinnen: Neue Aussage Symbol Name nicht p p, p Negation p und q p q Konjunktion p oder q p q Disjunktion wenn p, dann q, p impliziert q, p q Implikation p genau dann, wenn q, p ist äquivalent zu q p q Äquivalenz
5 Die Wahrheitswerte sind wie folgt definiert: p p W F F W und p q p q p q p q p q W W W W W W W F F W F F F W F W W F F F F F W W
6 Beispiel 1.2 Für Allergiker können folgende Eigenschaften eines Nahrungsmittels x relevant sein: p(x) = x enthält Nüsse q(x) = x enthält Milcheiweiß Wir vervollständigen folgende Wahrheitswerttafel: p(x) q(x) p(x) q(x) p(x) x = Haselnusseis W W F x = Vanillepudding F W W x = Currywurst F F W
7 1.2 Wichtigste logische Regeln Zwei Ausdrücke (Aussageformen) p, q heißen äquivalent (in Zeichen p = q), wenn für jede Belegung der Variablen sich jeweils die gleichen Wahrheitswerte ergeben. Kommutativgesetze: p q = q p, p q = q p, Assoziativgesetze: (p q) r = p (q r), (p q) r = p (q r), Distributivgesetze: (p q) r = (p r) (q r), (p q) r = (p r) (q r).
8 Ersetzung der Implikation und Äquivalenz: p q = p q, p q = (p q) (q p). de Morgansche Regeln: p q = p q, p q = p q. Beispiel 1.3 Wir überprüfen die Ersetzung der Implikation durch Erstellen einer Wahrheitswerttafel: p q p p q p q W W F W W W F F F F F W W W W F F W W W
9 1.3 Quantoren und Schlussregeln Die meisten mathematischen Aussagen lassen sich als All- oder Existenzaussagen formulieren. Beispiel 1.4 Sei [a, b] ein abgeschlossenes Intervall. Die Aussage Jede stetige Funktion von [a, b] nach R ist die Ableitung ihrer Stammfunktion ist eine Allaussage ( Jede ). Sie lässt sich zerlegen in: Grundmenge M: Menge der stetigen Funktionen auf [a, b] Prädikat P: ist die Ableitung ihrer Stammfunktion Objekt: Funktion in M Zur abstrakten Formulierung solcher Aussagen dienen die Quantoren,.
10 Für einstellige Prädikate P und Mengen M wird definiert: Existenzquantor: x : P(x) := Es gibt ein x mit P(x). x M : P(x) := Es gibt ein x in der Menge M mit P(x). Allquantor: x : P(x) := Für jedes x gilt P(x). x M : P(x) := Für jedes x in der Menge M gilt P(x). Auch gebräuchlich ist!x : P(x), welches die Existenz genau eines x mit P(x) beschreibt.
11 Häufig muss man Negationen von Quantoren bilden. Es gelten folgende Äquivalenzen: x M : P(x) = x M : P(x), x M : P(x) = x M : P(x) Beispiel 1.4 (Fortsetzung) Die Negation der Aussage zu Beginn des Beispiels ist also: Es existiert eine stetige Funktion von [a, b] nach R, welche nicht die Ableitung ihrer Stammfunktion ist. (Bemerkung: Dies ist natürlich eine falsche Aussage.)
12 Beispiel 1.5 Die Aussage Es gibt keine reelle Zahl, deren Quadrat 1 ist. können wir schreiben als x R: x 2 = 1 Wir können sie aber auch schreiben als x R: x 2 1 Also Für alle reellen Zahlen gilt, dass deren Quadrat ungleich 1 ist.
13 Zwei wichtige, schon in der Antike bekannte Schlussregeln sind: modus ponendo ponens (direkter Schluss) A B ist wahr und A ist wahr Schluss: B ist wahr. modus tollendo tollens (indirekter Schluss) A B ist wahr und B ist falsch Schluss: A ist falsch. Ein Fehlschluss ist hingegen: A B ist wahr und A ist falsch Schluss: B ist falsch. In diesem Zusammenhang bezeichnet man A als hinreichende Bedingung für B und B als notwendige Bedingung für A.
14 Beispiel 1.6 Sei f eine stetig differenzierbare Funktion von R nach R. Wir betrachten die Aussagen: A := Punkt x R ist Minimalstelle der Funktion f B := f (x) = 0 Die Implikation A B ist eine wahre Aussage. Daraus ergibt sich: Indirekter Schluss: Wenn f (x) 0 gilt, dann ist x keine Minimalstelle von f (korrekt) Fehlschluss: Wenn f (x) = 0 gilt, dann ist x eine Minimalstelle von f (falsch, x könnte z.b. auch Maximalstelle oder Wendepunkt sein)
15 2 Naive Mengenlehre 2.1 Mengen und Elemente Definition 2.1 Unter einer Menge versteht man (naiv!) die Zusammenfassung gewisser, wohlunterscheidbarer Dinge zu einem neuen Ganzen. Die dabei zusammengefassten Dinge heißen die Elemente der betroffenen Menge. Wenn a ein Element der Menge M ist, dann schreibt man a M. Wenn a nicht Element von M ist, dann schreibt man a M. Zwei Mengen A und B heißen gleich, wenn sie dieselben Elemente enthalten: A = B ( x : x A x B). Die Menge ohne Elemente heißt leere Menge und wird mit bezeichnet.
16 Mengen können definiert werden durch Aufzählen der Elemente: M = {Tetraeder, Würfel, Oktaeder, Dodekaeder, Ikosaeder} Aufzählen mit Auslassung, wenn keine Gefahr von Mißverständnissen besteht M = {1,..., 30} Intervallschreibweise, wenn es sich um Teilmengen von R handelt: M = (1, 2], M = [π, 100] Angabe von Prädikaten welche sich auf eine Grundgesamtheit beziehen. Die Menge der geraden natürlichen Zahlen kann also beschrieben werden durch {x N: 2 ist Teiler von x} oder {x N: y N: x = 2y}.
17 2.2 Teilmengen Definition 2.2 Die Menge A heißt Teilmenge der Menge B, geschrieben A B, wenn jedes Element von A auch Element von B ist, A B : x : x A x B. Gilt neben A B auch A B, dann heißt A echte Teilmenge von B und man schreibt A B. Bemerkung 2.3 Man unterscheide zwischen enthalten (als Element) in und enthalten (als Teilmenge) in und verwende daher besser ist Element von bzw. ist Teilmenge von.
18 Beispiel 2.4 Es seien A = {1, 2, 3, 4, C}, B = {1, 2}, C = {, 2, 5}. Dann gilt Bemerkung 2.5 B A, C A, C A, A C, A, A, C, C. Statt und wird manchmal auch und verwendet. Man beachte stets, mit welcher Bedeutung Symbole verwendet werden. Die Relationszeichen, und kann man auch mit der entsprechenden Bedeutung umkehren.
19 Für Mengen A, B, C gelten: Reflexivität: A A, Antisymmetrie: Transitivität: (A B) (B A) A = B, (A B) (B C) A C, (A B) (B C) A C
20 Beispiel 2.6 (Intervalle als Teilmengen der reellen Zahlen) Die Menge aller Zahlen x zwischen 1 und 5 ohne die Randzahlen, also alle x mit 1 < x < 5, hat das Symbol (1, 5) := {x R: 1 < x < 5}. Lassen wir einen Rand zu, so wird aus der runden Klammer eine eckige, z.b. [1, 5) := {x R: 1 x < 5} falls die 1 enthalten ist. Demnach gilt also ( 1, 1) = {x R: 1 < x < 1}, [0, 2] = {x R: 0 x 2}, {x R: 3 < x 2} = ( 3, 2].
21 2.3 Operationen mit Mengen Definition 2.7 Die Vereinigung A B von A und B ist die Menge, die aus allen Elementen von A und allen Elementen von B besteht: A B := {x : x A x B}. Definition 2.8 Der Durchschnitt A B von A und B ist die Menge, die aus allen Elementen besteht, die sowohl zu A als auch zu B gehören: A B A B := {x : x A x B}. A B Definition 2.9 Zwei Mengen heißen disjunkt oder durchschnittsfremd, wenn ihr Durchschnitt die leere Menge ist.
22 Definition 2.10 Die Differenz A\ B von A und B ist die Menge, die aus allen Elementen von A besteht, die nicht Element von B sind: A\ B := {x : x A x B}. A B Definition 2.11 Für Mengen Ω und A mit A Ω heißt A := Ω \ A Komplement von A bezüglich Ω.
23 Beispiel 2.12 Es seien A = {1, 2, 3}, B = {3, 4, 5}. Dann gilt A B = {1, 2, 3, 4, 5}, A B = {3}, A\ B = {1, 2}. Beispiel 2.13 Es seien A = ( 1, 1), B = [0, 2]. Dann gilt A B = ( 1, 2], A B = [0, 1), A\ B = ( 1, 0).
24 Für die mengentheoretischen Operationen (,, ) gelten die selben Rechenregeln wie für die logischen Operationen (,, ). Für Mengen A, B, C, Ω gelten: Kommutativgesetze: A B = B A, A B = B A Assoziativgesetze: (A B) C = A (B C), (A B) C = A (B C) Distributivgesetze: A (B C) = (A B) (A C), A (B C) = (A B) (A C), de Morgansche Regeln: A B = A B, A B = A B
25 Weitere Rechenregeln: A = A, A = A A = A A = A A B A A B Distributivgesetz der Differenz: A\ (B C) = (A\ B) (A\ C) A\ (B C) = (A\ B) (A\ C)
26 Beispiel 2.14 Die folgende Grafik beschreibt die Beziehungen verschiedener europäischer Organisationen: Quelle: Wikmedia Commons
27 Beispiel 2.14 (Fortsetzung) Aus dieser Darstellung können wir u. a. folgende mengentheoretischen Schlüsse ziehen: Eurozone EU Deutschland EU Schengen \ EEA = {Schweiz} NordicCouncil Eurozone = {Finnland} Eurozone EFTA = ( disjunkte Mengen )
28 Definition 2.15 Für Mengen X und Y ist das kartesische Produkt X Y definiert durch X Y = {(x, y): x X y Y } als Menge der (geordneten) Paare, deren erstes Element aus X und deren zweites Element aus Y ist. Beispiel Für X = {1, 2, 3} und Y = {a, b} gilt X Y = {(1, a), (1, b), (2, a), (2, b), (3, a), (3, b)}. 2 Das kartesische Produkt R 2 := R R ist die reelle Zahlenebene, deren Punkte sich mit kartesischen Koordinaten (x, y) R 2 ausdrücken lassen.
29 3 Abbildungen und Funktionen 3.1 Definitionen Definition 3.1 Es seien D und Z Mengen. Eine Abbildung oder Funktion f von D nach Z ist eine Vorschrift, welche jedem Element x D ein eindeutiges Element f (x) Z zuordnet. Die Menge D heißt Definitionsbereich von f und Z heißt Zielmenge. Kurzschreibweise: f : D Z, x f (x).
30 Beispiel f (x) = x 2 ist eine Funktion von D = R nach Z = R, oder auch nach Z = R 0. 2 f (x) = 1/x ist keine Funktion von D = R nach Z = R, aber von D = (0, ) nach Z = R. 3 Sei S die Menge aller Studierenden der TU Dresden. Dann ist eine Funktion. f mat : S N, s Matrikelnummer von s 4 Sei D = {1, 2, 3} und Z = {2, 3}. Die Vorschrift ordne x D alle Zahlen z Z mit z > x zu definiert keine Funktion. (Warum?)
31 Definition 3.3 Es sei f eine Abbildung von D nach Z. Die Menge f (D) := {f (x) : x D} ist Teilmenge von Z und heißt Bildbereich von f. Die Menge graph(f ) = {(x, y): x D, y = f (x)} ist Teilmenge von D Z und heißt Graph von f. Bemerkung 3.4 Eine Abbildung muss ihre Zielmenge Z nicht ausschöpfen. Der Bildbereich f (D) kann also eine echte Teilmenge von Z sein. Beim Zeichnen einer Funktionen f : R R wird genau genommen graph(f ) als Teilmenge von R 2 gezeichnet.
32 Definition 3.5 Eine Funktion f : D Z heißt: surjektiv, wenn sie ihre Zielmenge ausschöpft, d.h. wenn gilt Z = f (D). injektiv, wenn sie verschiedenen Elementen in D stets verschiedene Elemente in Z zuordnet, d.h. wenn gilt x 1, x 2 D : x 1 x 2 f (x 1 ) f (x 2 ). bijektiv, wenn sie injektiv und surjektiv ist.
33 Beispiel Die Matrikelnummerfunktion f mat : S N aus dem letzten Beispiel ist injektiv, aber nicht surjektiv. (Warum?) 2 Die Funktion f : R R mit f (x) = x 2 ist weder surjektiv noch injektiv, da 1 kein Funktionswert ist und f ( 1) = f (1) = 1 gilt. 3 Die Funktion g : R R 0 mit g(x) = x 2 ist surjektiv aber nicht injektiv, da alle Zahlen in R 0 Funktionswerte sind aber immer noch g( 1) = g(1) = 1 gilt 4 Die Funktion h : R 0 R 0 mit h(x) = x 2 ist injektiv und surjektiv, und damit bijektiv, da R 0 = h(r 0 ) und für jedes y R 0 genau ein x R 0 existiert mit x 2 = y.
34 3.2 Umkehrfunktion Definition 3.7 Sei f : D Z eine Funktion. Die Funktion g : f (D) D heißt Umkehrfunktion oder inverse Funktion zu f, wenn für alle x D gilt. g(f (x)) = x Sie wird mit f 1 bezeichnet. Beachte: Es gilt f 1 1/f!
35 Eine Funktion f : D Z besitzt genau dann eine Umkehrfunktion, wenn sie injektiv ist. In diesem Fall gelten f 1 (f (x)) = x für alle x D und f (f 1 (y)) = y für alle y f (D). Bemerkung 3.8 Für eine Funktion f : D R R erhält man graph(f 1 ) durch Spiegelung von graph(f ) an der Geraden/Winkelhalbierenden x = y. Ist f : D Z bijektiv, dann vertauscht f 1 die Rollen Definitions- und Zielbereich, d.h. f 1 bildet Z nach D ab und ist ebenfalls bijektiv.
36 Beispiel Die Matrikelnummerfunktion f mat ist injektiv und besitzt daher eine Umkehrfunktion f 1 mat. 2 f : R R mit f (x) = x 2 für x R. nicht injektiv (und nicht surjektiv), also existiert keine Umkehrfunktion. 3 h : R 0 R 0 mit h(x) = x 2 für x R 0. bijektiv mit Umkehrfunktion h 1 : R 0 R 0 und es gilt h 1 (y) = y für y R 0.
37 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Online-Vorbereitungskurs Mathematik: Dieser Online-Vorbereitungskurs Mathematik behandelt die ersten Themen des es Mathematik in einem Skriptteil etwas ausführlicher unter anderem mit mehr Beispielen und verbindet dies mit E-Learning-Übungsaufgaben aus dem Online- Mathematik der TU Dresden und weiteren E-Learning-Übungsaufgaben.
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