LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME. Wir besprechen hier, wie MathematikerInnen an das Lösen linearer Gleichungssysteme wie. x + y + z = 1
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- Frank Krämer
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1 LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME 1. Ein kurzes Vorwort Wir besprechen hier, wie MathematikerInnen an das Lösen linearer Gleichungssysteme wie 2 x x 2 = 3 6 a + 4 b = 3 (a) (b) 4 x x 2 = 8 3 a + 2 b = 2 2 x x 3 = 3 x + y + z = 1 (c) 3 x x x 3 = 19/2 (d) 17 x + y 7z = 9 5 x 1 4 x 2 + x 3 = 15/2 4x + 2 y + z = 6 2 x x 2 x x 4 = 2 2 t 4 u 2 v = 4 3 x 2 2 x 3 + x 4 = 3 (e) 3 t 8 u + v = 2 (f) 6 x 1 6 x 2 + x x 4 = 3 t + 4 u 3 v = 6 2 x 1 x 3 x 4 = 1 x + 3 y + z = 1 2 x + y + 2 z = 5 3 ζ + 4 η 12 θ 2 ι = 4 (g) (h) ζ 6 η + 2 θ + 4 ι = 20 3 x + y + z = 3 ζ + 4 θ + 15 ι = 33 2 x 2 y 3 z = 2 professionell herangehen. Solche Gleichungssysteme tauchen in der mathematischen Praxis laufend auf. Es ist wichtig, gut mit ihnen umgehen zu lernen und nicht mit ad hoc Argumentationen herum zu wurschteln. Die Methode der Gauß-Eliminiation, die wir hier besprechen, wirst du dein ganzes Studium lang sehr gut gebrauchen können. Sie eröffnet viele der wichtigen Fragen, die du später in der Linearen Algebra beantworten lernst. 2. Die Methode der Gauß-Elimination Seien a ji und b j mit i {1,..., n} und j {1,..., m} vorgegebene reelle Zahlen. Der Gauß sche Algorithmus liefert eine systematische Darstellung aller Tupel reeller Zahlen (x 1,..., x n ) R n, die Date: 4. Oktober
2 die m Gleichungen a 11 x 1 + a 12 x a 1n x n = b 1 a 21 x 1 + a 22 x a 2n x n = b 2 ( ) a m1 x 1 + a m2 x a mn x m = b m gleichzeitig lösen. Wir bezeichnen mit L = {(x 1,..., x n ) R n : ( ) ist erfüllt} den Lösungsraum von ( ). Im Abschnitt 3 findest du Beispiele linearer Gleichungssysteme. Beachte, dass wir in der Praxis oft lieber 3 x 2 2 x 3 + x 4 = 3 anstelle von 0 x x 2 + ( 2) x x 4 = 3 schreiben. Die Variablen müssen auch nicht zwingend mit x 1, x 2,... bezeichnet sein. Wichtig in der Beschreibung des Gauß-Algorithmus ist aber, dass wir für uns festlegen, was nun die erste, was die zweite, was die dritte, etc. Variable ist. Sind die Variablen alle Buchstaben, bietet sich das Alphabet als Schiedsrichter an. Die folgenden Äquivalenz-Umformungen eines Gleichungssystems ( ) ändern den Lösungsraum nicht. (i) Ändern der Reihenfolge der Gleichungen (ii) Multiplizieren einer Gleichung mit einem Faktor ungleich null (iii) Addieren eines Vielfachen einer Gleichung zu einer der anderen Gleichungen Man kann sich das anhand der Beispiele in Abschnitt 3 oder gleich allgemein anhand von ( ) leicht überlegen. Schnell sieht man ein, dass Lösungen des ursprünglichen, alten Gleichungssystems auch Lösungen des neuen, umgeformten Gleichungssystems sind. Um zu verstehen, warum keine neuen Lösungen dazukommen, dass also jede Lösung des neuen Gleichungssystems auch Lösung des alten Gleichungssystems ist, dreht man den Spieß um. Hat man zum Beispiel die alte zweite mit der alten vierten Gleichung vertauscht, so erhält man das alte Gleichungssystem zurück, indem man die neue zweite mit der neuen vierten Gleichung vertauscht. Hat man die alte dritte Gleichung mit 5 multipliziert, dann erhält man das alte Gleichungssystem zurück, indem man die neue dritte Gleichung mit 1/5 multipliziert. Hat man zur alten vierten Gleichung das 2-fache der alten ersten Gleichung addiert, erhält man das alte Gleichungssystem zurück, indem man zur neuen vierten Gleichung das 2-fache der neuen ersten Gleichung addiert. 2
3 Nehmen wir an, dass a ji das ist der Koeffizient von x i in der j-ten Gleichung in ( ) ungleich null ist. Indem wir das a ki /a ji -fache der j-ten Gleichung von der k-ten Gleichung für alle k j abziehen, verändern wir das Gleichungssystem so, dass x i nur noch in der j-ten Gleichung mit einem Koeffizienten ungleich null vorkommt. Der Lösungsraum wird dadurch nicht verändert. Man kann diesen Vorgang wiederholen und so das Gleichungssystem in eine Normalform überführen, in der sich der Lösungsraum (der sich ja nicht verändert hat) bequem ablesen lässt. Das ist der Gauß sche Algorithmus. Um diesen Algorithmus gut zu beschreiben, ist die folgende sprachliche Vereinbarung recht nützlich: Wir sagen, dass x i das Pivot-Element einer linearen Gleichung a 1 x 1 + a 2 x a n x n = b in R n ist, falls a i 0 und entweder i = 1 ist oder i > 1 und a 1 =... = a i 1 = 0 erfüllt ist. (Geht alles geordnet zu, ist das Pivot-Element also die erste Variable, die in der Gleichung schlagend auftritt.) So ist zum Beispiel in der Gleichung 0 x x x 3 1 x 4 = 5 in R 4 das Pivot-Element x 3. Wir beschreiben jetzt den Gauß schen Algorithmus im Detail. Wir starten mit i = 1 (entsprechend der ersten Variable) und verfahren dann iterativ. Im i-ten Schritt gehen wir wie folgt vor: Wenn x i das Pivot-Element der j-ten Gleichung im (jeweils aktuellen) Gleichungssystem ist, dann addieren wir passende Vielfache der j-ten Gleichung zu den anderen Gleichungen, damit die j-te Gleichung die einzige im System ist, in der x i mit nichtverschwindendem Koeffizienten vorkommt. Wenn x i für keine der Gleichungen im System das Pivot-Element ist, dann machen wir im i-ten Schritt nichts. Wir beenden den Algorithmus nun, wenn i = n. Sonst fahren wir mit dem nächsten Schritt, in dem wir uns die Variable x i+1 ansehen, fort. Das ist der Gauß sche Algorithmus. Zu jedem Zeitpunkt vor, während oder nach Ausführung des Gauß schen Algorithmus, können Gleichungen der Form 0 x x n = 0. weggelassen werden. Diese Gleichungen gelten ja immer. Wir beenden den Algorithmus, wenn wir auf eine Gleichung der Form 0 x x n = b 3
4 mit b 0 stoßen. (So eine Gleichung ist nie erfüllt. In diesem Fall ist der Lösungsraum leer.) Weiters dürfen wir die Reihenfolge der Gleichungen ändern oder eine Gleichung mit einem Faktor ungleich null multiplizieren, zum Beispiel weil es das Rechnen bequemer oder das System übersichtlicher gestaltet. Ist nun der Gauß-Algorithmus abgeschlossen, befindet sich das Gleichungssystem in folgender, ganz besonderen Form: Für jede Variable x i gilt, dass x i entweder in keiner der Gleichungen Pivot-Element ist wir sagen dann, die Variable x i ist frei, oder die Variable x i ist Pivot-Element in genau einer der Gleichungen. Man sagt, dass ein Gleichungssystem dieser Gestalt in Gauß scher Normalform ist. Jede Wahl von Werten der freien Variablen legt genau eine Lösung des Gleichungssystems fest. (Jede solche Wahl nagelt dann Werte für die Pivot-Variablen fest.) Unterschiedliche Belegungen der freien Variablen führen auch zu unterschiedlichen Lösungen. (Das ist die Schlüsseleigenschaft dieser Darstellung des Lösungsraumes eines Gleichungssystmes in Gauß scher Normalform. Sie hängt ganz eng mit dem Konzept der linearen Unabhängigkeit in der linearen Algebra zusammen. In der linearen Algebra beweist man auch, dass auf diese Weise tatsächlich alle Lösungen gefunden werden, und man untersucht die allgemeine Struktur solcher Lösungsräume.) Anhand konkreter Beispiele wird schnell klar, was hier geschieht. Erkläre, weshalb die folgenden Gleichungssysteme in Gauß scher Normalform sind. Welche Variablen sind Pivot-Elemente, welche Variablen sind frei? Erkläre, wie man die angebebenen Lösungsräume abliest. 1 x x 2 = 1 ( 1 ) 0 x x 2 = 0 mit Lösungsräumen 1 x x 2 = 1 ( 2 ) 0 x x 2 = 3 1 x x 2 = 1 ( 3 ) 0 x x 2 = 1 L 1 = {(1 2x 2, x 2 ) : x 2 R} L 2 = L 3 = {(1, 1)}. Weiters, 0 x x x 3 = 5 ( 4 ) 0 x x x 3 = 2 1 x x x 3 = 4 1 x 1 2 x x 3 = 5 ( 5 ) 0 x x x 3 = 4 ( 6 ) { 0 x x x 3 = 4 mit Lösungsräumen L 4 = {( 4, 5, 2)} L 5 = {(5 + 2 x 2, x 2, 4) : x 2 R} L 6 = {(x 1, 4 2 x 3, x 3 ) : x 1, x 3 R}. 4
5 In der Praxis wird oft die folgende Kurzschreibweise für das Gleichungssystem ( ) verwendet: a 11 a a 1n b 1 a 21 a a 2n b a m1 a m2... a mn b m Wir schauen uns jetzt den Gauß schen Algorithmus in zwei Beispielen im Detail an. x 1 2 x 2 = 3 3 x 1 + x 2 = 1 Schritt 1 Schritt 2 x 1 2 x 2 = 3 5 x 2 = 10 x 1 = 1 5 x 2 = 10 Im ersten Schritt haben wir das Pivot-Element der ersten Gleichung gewählt; im zweiten jenes der zweiten Gleichung. In der Kurzschreibweise lassen sich die Umformungsschritte so darstellen: Schritt Schritt Im letzten Schritt können wir die zweite Gleichung mit 1/5 multiplizieren, um das System wie folgt zu vereinfachen. vereinfachen mit Lösungsraum L = {(1, 2)} das heißt x 1 = 1 x 2 = 2 5
6 Wir betrachten das lineare Gleichungssystem 2 x + 4 y 5 z 12 w = 15 x + 2 y 4 z 11 w = 9 x 2 y + 2 z + 7 w = 7. In Kurzschreibweise sieht nun der Gauß-Algorithmus so aus: Schritt Schritt 2 Schritt 3 Schritt Die Variablen x 1 und x 3 sind Pivot-Elementen, die Variablen x 2 und x 4 sind frei. Jede Lösung ist von der Form ( 5 2 x x 4, x 2, x 4, x 4 ) wobei x 2, x 4 R beliebig gewählt werden können. Wir halten noch einmal fest, dass unterschiedliche Wahlen von x 2 und x 4 auch zu unterschiedlichen Lösungen führen (weil sie sich ja unmittelbar auf die zweite und die vierte Komponente niederschlagen).. 3. Einige Aufgaben Aufgabe 3.1. Verwende den Gauß-Algorithmus um die linearen Gleichungssysteme auf Seite 1 in Normalform zu bringen. Bestimme die Pivot-Elemente und die freien Variablen der Normalform, und dann die Lösungsmenge. 6
7 Aufgabe 3.2. Wir behalten uns die Wahl des Koeffizienten a R im folgenden linearen Gleichungssystem vorerst vor. 2 x 1 3 x x 3 = 8 ( ) x x 2 x 3 = 3 2 x x 2 + a x 3 = 4 Gib ein Beispiel für eine Wahl des Koeffizienten a R an, sodass ( ) genau eine Lösung besitzt. Finde ein Beispiel für die Wahl von a R, sodass unendlich viele Lösungen existieren. Kann man a R auch so wählen, dass gar keine Lösung existiert? 7
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