Technische Überwachung

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1 April 2014 ISSN Technische Überwachung Anlagensicherheit Arbeits- und Gesundheitsschutz Umweltschutz Anlagensicherheits-Report 2014 der Zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) Technische Sicherheit in der Diskussion Aus der Prüfpraxis Mängelstatistik 2014 Aufzüge Druckgeräte Ex-elh-Anlagen Anlagensicherheits-Report 2014 Adressen der beteiligten ZÜS

2 Am Anlagensicherheits-Report sind folgende Zugelassene Überwachungsstellen beteiligt: DEKRA Automobil GmbH DEKRA EXAM GmbH GTÜ Anlagensicherheit GmbH Lloyd s Register Quality Assurance GmbH SGS-TÜV Saar GmbH TÜV Austria Services GmbH TÜV NORD Systems GmbH & Co. KG TÜV Rheinland Industrie Service GmbH TÜV SÜD Chemie Service GmbH TÜV SÜD Industrie Service GmbH TÜV Technische Überwachung Hessen GmbH TÜV Thüringen e. V.

3 EDITORIAL Verband der TÜV e. V. Liebe Leserinnen und Leser, Deutsche Produkte genießen auf dem Weltmarkt einen hervorragenden Ruf. Erzeugnisse der Automobil- und der chemischen Industrie, aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie innovative IT-Produkte sind weltweit nachgefragt. Das sichert bei uns Wohlstand und Arbeitsplätze. Deutschland ist aber nicht nur als Exportnation gefragt. Einer internationalen Befragung von über 800 Managern zufolge ist Deutschland in Europa der beliebteste Investitionsstandort für ausländische Unternehmen. Weltweit liegt Deutschland auf Rang sechs. Eine hohe und weltweit nachgefragte Qualität der produzierten Waren einerseits und eine beispielhafte Stabilität und Attraktivität andererseits kennzeichnen den Standort Deutschland. Sicherheit für Menschen, Umwelt und Investitionsgüter sowie eine zuverlässige Verfügbarkeit technischer Anlagen tragen maßgeblich dazu bei. Wichtige Elemente der Sicherheitskultur in Deutschland sind die Unabhängigkeit und die hohe Kompetenz einer neutralen technischen Überwachung. Die Aufgabenteilung ist klar geregelt: Wer prüft, darf nicht gleichzeitig die Anlage betreiben oder instand halten. Betreiber einer Anlage tragen dabei eine große Verantwortung: Sie sind für Gefährdungsbeurteilung, Einhaltung der ermittelten Prüffristen und umfangreiche Dokumentationen verantwortlich. Wir stehen mit immer kürzeren Innovationszyklen am Beginn einer neuen industriellen Revolution. Mit Industrie 4.0 werden Menschen und Maschinen über das Internet kommunikationsfähig. In die intelligenten Fabriken halten cyber-physikalische Systeme Einzug. Dadurch werden sich Produkte und Produktionsprozesse weltweit radikal verändern. Das bedeutet auch für die grundlegenden Fragen der Sicherheit neue Herausforderungen: Sicherheitsstandards und Prüfkonzepte müssen entwickelt werden, damit die Akzeptanz für neue Technologien in unserer Gesellschaft erhalten bleibt. Der Anlagensicherheitsreport, den wir jährlich in unserer Verbandszeitschrift Technische Überwachung veröffentlichen, zeigt, dass durch die regelmäßige technische Überwachung in den Anlagen teilweise erhebliche und sicherheitsrelevante Mängel aufgedeckt werden, die danach von den Wartungsunternehmen behoben werden. Die unabhängige Prüfung durch neutrale Überwachungsorganisationen ist in Deutschland ein integraler Stabilitätsfaktor unseres Wirtschaftsstandortes. Versuche der Politik, von diesem System durch die Streichung von Prüfpflichten abzurücken, sehen wir mit Sorge: Letztlich geht dies auf Kosten der Sicherheit von Mensch, Umwelt und Investitionsgütern. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Dr. Klaus Brüggemann Anlagensicherheits-Report

4 Inhalt 03 Editorial Technische Sicherheit in der Diskussion Die Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung Chance oder Risiko? Beispiele für Wechselbeziehungen zwischen Recht, Technik und Problemlösungsverhalten Überwachungsbedürftige Anlagen: Prüfung durch Zugelassene Überwachungsstellen oder durch befähigte Personen? Lücken im LUBW-Anlagenkataster Gesamtkonzept der wiederkehrenden Prüfung von Druckanlagen und deren Anlagenteilen Betriebssicherheitsverordnung: Das Tauziehen um die Prüfung der Aufzugselektrik ist beendet Instandhaltung an Lageranlagen und Tankstellen Anfahrschutz bestehender oberirdischer Flüssiggaslagerbehälter Ausbau der Versorgung und sicherer Betrieb von Wasserstofftankstellen Gasleckagen an Biogasanlagen Wo treten sie auf? Erfahrungen und Maßnahmen Prüfung von Krananlagen: Stehen BG-Vorschriften und Betriebssicherheitsverordnung im Widerspruch zueinander? Neueste Erkenntnisse über Windverhältnisse im komplexen Gelände Forschungsmast in Nordbayern liefert erstaunliche Daten 4 TÜ Bd. 55 (2014)

5 INHALT Aus der Prüfpraxis Einsatz und Prüfung von Gaswarngeräten zum Explosionsschutz Anforderungen an PLT-Schutzeinrichtungen von überwachungsbedürftigen Druckanlagen im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung Instandhaltung an Lageranlagen und Tankstellen Befundbewertung auf der Basis fortgeschrittener bruchmechanischer Methoden DIN 14675: Zertifizierung von Fachfirmen für Brandmelde- und Sprachalarmanlagen BMA + SAA Erfordernis von Wirkprinzip-Prüfungen im Baurecht und im Explosionsschutz Silofahrzeugbehälter Mangelnde Sorgfalt der Betreiber? Beurteilung, Prüfung und Anpassung von Alt -Maschinen nach der Europäischen Richtlinie 2006/42/ EG Fluch oder Segen? Erhöhung der Sicherheit an bestehenden Fahrgeschäften Zur Anwendung der DIN EN (Fliegende Bauten und Anlagen für Veranstaltungsplätze und Vergnügungsparks Sicherheit) Mängelstatistik 2014 Den Aufzügen in Deutschland geht es besser aber noch nicht gut Bilanz für 2013 Prüfungen und Mängel an Druckanlagen im Jahr 2013 Prüfungen und Mängel an Ex-elh-Anlagen im Jahr 2013 Adressen der beteiligten ZÜS / Impressum Anlagensicherheits-Report

6 Technische Sicherheit in der Diskussion Die Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung Chance oder Risiko? Von Klaus Beck und Jochem Graßmuck Seit 2009 betreibt das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) die Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen des betrieblichen Arbeitsschutzes und des Betriebs von überwachungsbedürftigen Anlagen. Am 1. Dezember 2011 trat das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) in Kraft. Es löste unter Berücksichtigung europarechtlicher Änderungen das seit 2004 geltende Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) ab. Unverändert blieb der Katalog der gefährlichen und deshalb überwachungsbedürf- die BMAS-BMWi-Abstimmung, die Ressortabstimmung, der tigen Anlagen (üa) wie Aufzugsanlagen, Druckgeräteanlagen (Druckbehälter, Dampfkessel) und Anlagen in brand- und explosionsgefährdeten Bereichen (Ex-elh-Anlagen). Die Anforderungen an deren sicheren Betrieb durch Arbeitgeber und Betreiber ohne Beschäftige, den Drittschutz sowie die wiederkehrende Prüfung durch unabhängige Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS) wurden fortgeschrieben. Das ProdSG Die ZÜS haben die Entwicklung des derzeitigen Referenten- ist neben dem Arbeitsschutzgesetz Grundlage für die in 2002 in Kraft getretene Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), die den Umgang mit allen Arbeitsmitteln, einschließlich der überwachungsbedürftigen Anlagen, regelt. vorgelegt. In der Anhörung der Verbände und auf Basis eines weiteren Entwurfes in der Anhörung der Länder wurde dem BMAS eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen zur Kenntnis gegeben. Dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) wurde am 18. Januar 2014 ein weiterer, erneut wesentlich geänderter BMAS-Referentenentwurf zur Meinungsäußerung übermittelt, den das BMWi am 30. Januar 2014 mit der beteiligten Industrie erörterte. Nächste Schritte werden Kabinettsbeschluss und das anschließende Bundesratsverfahren sein. Sollten sich die zuständigen Gremien einigen, stünde eventuell im 3. Quartal 2014 eine neue BetrSichV, nach dem Willen des BMAS Arbeitsmittelsicherheitsverordnung (ArbmittSichV) genannt, zur Verfügung. entwurfes durch Stellungnahmen und bei allen Erörterungsterminen mit ihrer Expertise begleitet. Im Mittelpunkt ihrer Stellungnahme steht als Ziel, das bewährte Sicherheitsniveau bei den überwachungsbedürftigen Anlagen zu erhalten. Nachdem zunächst eine Artikelverordnung mit überschaubaren Veränderungen der BetrSichV im Fokus der Bemühungen zur Verordnungs-Aktualisierung stand, wurde in 2012 von Bund und Ländern eine vollständige Novellierung vereinbart. Im Laufe der Zeit stellte das zuständige BMAS-Referat mehr als 36 (!) Arbeitsentwürfe vor, in denen immer wieder neue Vorschläge zur Diskussion vorgelegt wurden. Diese Vorschläge gaben teils die aus der Diskussion gewonnenen Erkenntnisse wieder, teils waren sie aber auch konträr zu diesen. Am 7. Mai 2013 wurde schließlich der erste BMAS-Referentenentwurf den Verbänden und den Ländern zur Stellungnahme Das BMAS verfolgt nach eigenen Aussagen mit der Novellierung der BetrSichV im Wesentlichen folgende Ziele: Schaffung einer einheitlichen Rechtssystematik und Umsetzung von EU-Recht. Konkrete Festlegung der Schnittstelle zum Inverkehrbringen und deren Integration in eine umfassende Gefährdungsbeurteilung als Zentralpunkt des Arbeitsschutzes. Das führt zu einer Stärkung der Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung. 6 TÜ Bd. 55 (2014)

7 Technische Sicherheit in der Diskussion Schaffung einer ganzheitlichen Explosionsschutzprüfung im Sinne der EG-RL 1999/92/EG. Zusammenfassung der materiellen Anforderungen an den Ex-Schutz in der Gefahrstoffverordnung. Aufnahme der Prüfung von Kranen, Flüssiggasanlagen (soweit nicht an anderer Stelle behandelt) und von Maschinentechnischen Arbeitsmitteln der Veranstaltungstechnik. Die Struktur der bestehenden BetrSichV wurde geändert, so dass in einem eigenen Abschnitt die wesentlichen Anforderungen an alle Arbeitsmittel, an die erforderliche Gefährdungsbeurteilung und an die Schutzmaßnahmen aufgeführt sind. Die besonderen Vorschriften für üa sind im Abschnitt 3, die Prüfvorschriften nach den Anlagenarten der üa gegliedert zusammenhängend im Anhang 2 beschrieben. Ebenfalls sind die Anforderungen an ZÜS in diesem Anhang aufgeführt. Neu ist die Aufnahme der Prüfanforderungen an sogenannte bestimmte Arbeitsmittel, wie Krane, Flüssiggasanlagen und Maschinentechnische Arbeitsmittel der Veranstaltungstechnik, welche z. Z. in berufsgenossenschaftlichen Regeln zu finden sind. In Deutschland fordern sowohl die Bevölkerung als auch die Politik unabhängige und sachkompetente Prüfung ein. Darüber hinaus wird präventiv, aber auch als Reaktion auf Unfälle, die Überwachung der handelnden Firmen und Personen verlangt. Deshalb darf keine Erosion der Verordnungen und Konkrete Regelungen für die bekannten Unfallschwer- Regelwerke zu Lasten der Sicherheit erfolgen. Bei dem vorliegenden Entwurf der Verordnung würde es jedoch zu einer punkte: Instandhaltung, besondere Betriebszustände wie An- und Abfahren und Montage. deutlichen Reduzierung der unabhängigen Prüfungen durch Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS) kommen. Anlagen Vermeidung von Doppelregelungen. mit hohem Gefährdungspotenzial wie Aufzüge, Dampfkessel, Aufnahme von neuen gesellschaftlichen Zielen, wie Ergo- Chemieanlagen und Tankläger würden insgesamt seltener geprüft. Die dazu befähigten Personen müssten deutlich weni- nomie-anforderungen gegen zunehmende Muskel-Skelett-Erkrankungen, alters- und alternsgerechte Gestaltung ger an Ausbildung und Kenntnissen vorweisen; sie müssten der Arbeit, sowie Berücksichtigung psychischer Belastunnicht über interdisziplinäres Wissen wie in Organisationen gen am Arbeitsplatz. mit vielen Sachverständigen verfügen und hätten keine Anforderungen an Unabhängigkeit zu erfüllen. Im Hinblick auf den Erhalt und den Ausbau (wo erforderlich) des heute in Deutschland hohen Sicherheitsniveaus und unter Berücksichtigung einer hohen Verfügbarkeit der Anlagen machen die ZÜS schwerpunktmäßig auf folgenden Änderungsbedarf des derzeitigen Referentenentwurfs aufmerksam: Prüfungen an Aufzugsanlagen Die im Regelfall der Öffentlichkeit frei zugänglichen Aufzugsanlagen sind stark frequentiert und unterliegen ho- Anlagensicherheits-Report

8 Technische Sicherheit in der Diskussion hen Beanspruchungen. Obwohl in den letzten Jahren trotz Wartung bei über 50% der Aufzugsprüfungen Mängel festgestellt wurden, soll das bewährte Prüfkonzept mit jährlichem Wechsel von wiederkehrender (Haupt-) und Zwischenprüfung auf eine Prüfung alle zwei Jahre reduziert werden. Dies hätte zur Folge, dass unentdeckte Mängel für die Benutzer der Anlagen zu gefährlichen, ja lebensbedrohlichen Situationen führen können. Zudem sollen bestimmte Prüfaufgaben aus dem Verantwortungsbereich der ZÜS gestrichen werden (Prüfung der elektrischen Sicherheit). Diese konzeptionellen Änderungen führen bei einer vorhersehbaren Reduzierung der Sicherheit, zu einer Belastung von Unternehmen und Betreibern. Entfall der Prüfpflicht durch ZÜS von An- lagen in explosionsgefährdeten Bereichen sowie Anlagen mit elh-flüssigkeiten (Lageranlagen, Füllstellen und Flugfeldbetankungsanlagen) heit (ABS) abgestimmten Erleichterungen wird sicherheitstechnisch für erforderlich gehalten. Der ABS schlug aufgrund bisheriger Erfahrungen ein Prüfkonzept für diese Anlagen vor, dessen wesentlicher Bestandteil die grundsätzliche Prüfung durch die ZÜS ist. Dieses einstimmig verabschiedete Konzept wurde nicht in den Referentenentwurf übernommen. Die bisherige Kompetenz und Zuständigkeit einer ZÜS mit vertiefter Kenntnis der Belange des Explosionsschutzes und von entzündlichen, leichtentzündlichen und hochentzündlichen (elh-) Flüssigkeiten wird de facto abgeschafft. Dies ist umso unverständlicher, als von Anlagen aus diesem Umfeld immer wieder verheerende Unfälle bekannt werden (z. B. Explosion mit nachfolgendem Brand im Tanklager Buncefield/GB im Dezember 2005) und sie für die Versorgung von Öffentlichkeit und Wirtschaft relevant sind. Diese konzeptionellen Änderungen können insbesondere bei den KMU zu einer Belastung der Betreiber durch die notwendige Auswahl geeigneten Prüfpersonals sowie geeigneter Prüfkonzepte und Prüfausrüstung führen. Daneben ist gerade bei diesen besonders gefährlichen Anlagen der Schutz von Beschäftigten und Dritten sicherzustellen. Drittschutz vs. andere Personen Der Begriff Drittschutz ist zu erhalten, da die im Entwurf verwendete Formulierung andere Personen im Zusammenhang mit dem Begriff im ArbSchG abweichend ausgelegt werden kann und der Begriff im ProdSG bereits verankert ist. Es sollte zudem das Ziel sein, keine unnötigen (ein Mehrwert muss ersichtlich sein) bzw. rechtlich nicht erforderlichen Änderungen in den Begrifflichkeiten oder Regelungen gegenüber der bestehenden BetrSichV vorzunehmen, da diese insbesondere bei KMU zu Verwirrungen und Kostensteigerungen führen würden. Wenngleich die Neustrukturierung der BetrSichV möglicherweise für den ungeübten Leser eine gewünschte Transparenz Der Erhalt der Prüfpflicht der o.g. Anlagen durch ZÜS, einschließlich der im UA3 des Ausschusses für Betriebssicher- aller im Zusammenhang stehenden Anforderungen erwirken kann, lehnen nicht nur die ZÜS den Referentenentwurf vom u.a. in den vorgenannten Punkten ab und halten eine Überarbeitung für erforderlich. Die oben genannten Aspekte würden für viele überwachungsbedürftige Anlagen sowohl eine deutliche Reduzierung der Sicherheit bedeuten als auch einen negativen Einfluss auf die Verfügbarkeit dieser Anlagen nach sich ziehen. Dipl.-Ing. Klaus Beck TÜV NORD Systems GmbH & Co. KG Dipl.-Ing. Jochem Graßmuck Verband der TÜV e. V. 8 TÜ Bd. 55 (2014)