Kommunikationstheorie als Theorie menschlichen Verhaltens
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- Frauke Rosenberg
- vor 7 Jahren
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1 1 Bettina Kietzmann Watzlawick, Beavin, Jackson: Kommunikationstheorie als Theorie menschlichen Verhaltens - Watzlawick *1921 Österreich - seit 1976 Prof an der Stanford Universität in USA - Menschliche Kommunikation (Watzlawick, Beavin, Jackson) Das behavioristische Black-Box-Modell - Autoren vom Buch Menschliche Kommunikation untersuchen Kommunikationsprozess und reduzieren Kommunikation auf Verhalten, d.h. auf beobachtbare Eingabe- und Ausgaberelationen - Komplexe kognitive Prozesse und sprachliche Handlungen reduziert auf beobachtbares Verhalten= Kennzeichnend für Behaviorismus - Kommunikation= Verhalten= Eingabe- und Ausgaberelation (Reiz-Reaktion) Black Box = laut Watzlawick ein Kommunizierender (beobachtende behavioristische Wissenschaftler können nicht hineinschauen) - Watzlawick schreibt zum Ursprung des Begriffes Black Box:... wurde im Krieg zunächst auf erbeutetes Feindmaterial angewendet, das wegen der möglicherweise darin enthaltenen Sprengladungen nicht zur Untersuchung geöffnet werden konnte.... S.18 heuristischer(aufdeckender) Vorteil - bzgl. psycholog. und psychiatr. Zusammenhänge: - keine unbeweisbaren innerpsychischen Hypothesen werden herangezogen - stattdessen reine Beobachtung des Verhaltens/Kommunikation Behaviorismus: = alle Forschungsprogramme, die auf Reiz-Reaktions-Verbindungen basieren und experimentelle Methoden (Beobachtung) anwenden - innerpsychische Inhalte = legitime Forschungsgegenstände - alles außerhalb oder zwischen Reiz-Reaktions-Stimuli ist in Black Box verborgen - alles innerhalb der Black Box ist nicht relevant für Untersuchung, ebenso intrapsychische Begrifflichkeiten - Watzlawicks Orientierung (neopositivistisch/behavioristisch) verhindert die Thematisierung wesentlicher Begriffe für pädagogische Konzeption (z.b. Motivation, Bewusstsein, Erfahrung, Bedeutung) - ABER: gerade diese Termini sind elementar für Verständnis von Identitätskonzepten Heranwachsender
2 2 Bettina Kietzmann - pädagogische Konzeptionen setzen bei Möglichkeiten, Fähig- und Fertigkeiten des jungen Menschen an und fragen nach Möglichkeiten der Förderung -Watzlawick (positivistische Orientierung) geht vom Psychotherapeuten aus NICHT vom Patienten; Frage nach Manipulationsmöglichkeiten von Watzlawick technologisch und instrumentell interpretiert (kein Raum für den Patienten und seine Möglichkeiten) - ein Buch von ihm verdeutlicht dies: Zur Technik der therapeutischen Kommunikation. - es liegt auf der Hand, dass seine Theorie der therapeutischen Kommunikation nicht komplett in die pädagogische Konzeption übernommen werden kann Die pragmatischen Axiome der Kommunikation - Axiome in amerikanischem Originalfassung (Schwierigkeiten in Übersetzung): Pragmatics of Human Communication, A Study of Interactional Patterns, Pathologies, and Paradoxes, New York 1967 Deutsche Ausgabe; Vorwort Watzlawicks: Die Übertragung des englischen Originals gestaltet sich in mancher Hinsicht schwierig. Warum? - keine semantische (bedeutungsentsprechende) deutsche Wörter - Watzlawick kann sowohl die deutsche Sprache als auch die Englische hervorragend und sucht nach Entsprechungen bzw. schreibt neu - er schwäche im Deutschen seine neopositivistische und behavioristische Grundorientierung ab neue Angriffspunkte und Probleme entstanden (kritische Sekundärliteratur) - im SB wird primär der amerikanischen Fassung gefolgt
3 3 Bettina Kietzmann - Watzlawick, Beavin, Jackson: 5 Axiome als pragmatisches Kalkül - Kalkül= Art Taktik, Konglomerat an Regeln; intuitiv beachtet ohne bewusst zu sein - berücksichtigt werden sie in gelingender Kommunikation - gebrochen in pathologischer Kommunikation Metapher für Kalkül= Stern - theoretisch klar, dass es ihn gibt und an welcher Stelle, dennoch noch nicht entdeckt Pragmatische Axiome = Regeln der Kommunikation Konkrete und erfolgreiche Kommunikationsprozesse Abbildung S.19 Terminus Pragmatik (nach Watzlawick) - er knüpft an Carnap an (ein Hauptvertreter Neopositivismus Wiener Kreis ) und Semiotik Morris (wegen Freundschaft zu Carnap wird Morris vorgeworfen, er habe Semiotik behavioristisch umgeformt) - Grundbegriffe der Semiotik Morris = Syntax, Semantik, Pragmatik (internationale Gültigkeit) (mittlerweile nicht mehr nur behavioristisch sondern handlungstheoretisch (Dewey) interpretiert) Watzlawick verwendet: Syntax als Informationsübertragung Semantik als Symbolbedeutung Pragmatik als Verhaltensbeeinflussung Semiotik als Theorie der Zeichen nach Morris: Kommunikationsprozesse als zeichenproduzierende Prozesse nach Watzlawick - zeichenproduzierende Prozesse beeinflussen Verhalten und lenken zur Veränderung Relevant für uns: 2 von 5 Axiomen
4 4 Bettina Kietzmann Zusammenfassung: Pragmatische Axiome= Regeln der Kommunikation Regeln der Kommunikation bestimmen Verhalten der Teilnehmer an Kommunikationsprozessen Gesunde Kommunikationsprozesse Regeln werden intuitiv richtig angewandt Pathologische Kommunikationsprozesse Regeln werden gebrochen 1. Axiom: Die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren Mensch- Verhalten= unterschiedlich Behavioristische Definition von Kommunikation: Bezeichnung für bestimmten Typus menschlichen Verhaltens mit charakteristischer Eigenschaft Kommunikationsprozesse= Verhaltensprozesse mit der Eigenschaft etwas mitzuteilen Daraus folgt: Kommunikation= Form zwischenmenschlichen Verhaltens mit Mitteilungscharakter Kommunikation = beschränkt auf Sprache (gesprochene und gehörte) weil: sobald weitere beobachtende Person anwesend, hat auch diese Mitteilungscharakter und beeinflusst die Mitteilung der direkt Kommunizierenden ABER auch in Zweier- Kommunikation muss keine sprachliche Äußerung kommunikativ sein (z.b. Schweigen, Körperhaltung als Zeichen mit Mitteilungscharakter) Resümee: Man kann nicht NICHT kommunizieren. - wird intuitiv, unbewusst richtig beachtet (auch ohne direkte Wortfindung) Ich möchte das Zitat Watzlawicks hinzufügen, weil es mir gut gefällt: Verhalten hat kein Gegenteil, oder um dieselbe Tatsache noch simpler auszudrücken: Man kann sich nicht n i c h t verhalten.... Handeln oder nicht Handeln, Worte oder Schweigen haben alle Mitteilungscharakter: Sie beeinflussen andere, und nicht die anderen können ihrerseits nicht nicht auf diese Kommunikationen reagieren und kommunizieren damit selbst. Es muss betont werden, dass Nichtbeachtung oder Schweigen seitens des anderen dem eben Gesagten nicht widerspricht. Der Mann im überfüllten Wartesaal, der vor sich auf den Boden starrt oder mit geschlossenen Augen dasitzt, teilt den anderen mit, dass er weder sprechen noch angesprochen werden will, und gewöhnlich reagieren seine Nachbarn richtig darauf, indem sie ihn in Ruhe lassen. Dies ist nicht weniger ein Kommunikationsaustausch als ein angeregtes Gespräch. S.20/21
5 5 Bettina Kietzmann Ziel: pathologische Krankheitsbilder vom Gesunden unterscheiden Watzlawick als Psychotherapeut hat vor allem das Verhalten schizophrener Patienten im Kopf, welches er versucht besser zu verstehen. Auch dieses Zitat gehört m.e. dazu: Die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren, ist eine Tatsache von mehr als nur theoretischem Interesse. Sie ist ein wesentlicher Teil des schizophrenen Dilemmas. Wenn schizophrenes Verhalten unabhängig von ätiologischen Überlegungen (Wertgesichtspunkten K.-H. S.) beobachtet wird, so hat es den Anschein, als versuche der Patient, nicht nicht zu kommunizieren. Da aber selbst Unsinn, Schweigen, Absonderung, Regungslosigkeit (Haltungsschweigen postural silence) oder irgendeine andere Form der Verneinung oder Vermeidung von Kommunikation selbst eine Kommunikation ist, steht der Schizophrene vor der fast unmöglichen Aufgabe, jede Mitteilung zu vermeiden und gleichzeitig zu verneinen, dass sein Verneinen selbst eine Mitteilung ist. Das Verständnis dieses grundsätzlichen Dilemmas ist ein Schlüssel zu so manchen Erscheinungsformen schizophrener Kommunikation, die sonst unverständlich bleiben würden. S Axiom Der Inhalts- und der Beziehungsaspekt der Kommunikation - Watzlawick war sehr angetan von Gregory Bateson ( ) - ein sehr interessanter Mensch: Bateson war Gründer systemischen Denkens und Sozial-Biologe ; er forschte auf dem Gebiet der Schizophrenie und arbeitete mit Delphinen Werk: Communication, and The social Matrix of Psychiatry - Watzlawick geht in seinem Buch Pragmatics of Human Communication auf ihn ein: - Bateson erwähnte Kommunikationsprozesse = Informationsprozesse= Veränderungsprozesse (d.h. mittels Kommunikation ist Verhalten zu verändern) Unterteilt in Dimensionen: 1. report aspect = Berichtsfunktion 2. command aspect = soziale Funktion auch Befehlsfunktion, weil: - es geht sowohl um Reiz- Reaktionsmuster (Senden-Empfangen) als auch um die sozialen ROLLEN diese Rollen wiederum sind hierarchisch aufgebaut, haben also unterschiedliche Machtansprüche Bateson: report aspect + command aspect vs. (gegen) Kommunikation
6 6 Bettina Kietzmann Watzlawick: report aspect= Inhaltsaspekt der Kommunikation (content aspect) command aspect= Beziehungsaspekt der Kommunikation (relationship aspect)- Grund: Erweiterung des Begriffes auf jegliche Kommunikation, nicht nur auf Machtanspruch (Befehlsbefugnis) Beziehungsaspekt: - sagt aus: wie sehe ich die Beziehung zu dir und wie siehst du sie zu mir? Wenn Frau A auf Frau B s Halskette deutet und fragt: Sind das echte Perlen?, so ist der Inhalt ihrer Frage ein Ersuchen um Information über ein Objekt. (Inhaltsaspekt Zusatz von K.-H. S.) Gleichzeitig aber definiert sie damit auch und kann es nicht n i c ht tun (1. Axiom Zusatz von K.-H. S.) ihre Beziehung zu Frau B. Die Art, wie sie fragt (der Ton ihrer Stimme, ihr Gesichtsausdruck, der Kontext usw.), wird entweder wohlwollende Freundlichkeit, Neid, Bewunderung oder irgendeine andere Einstellung zu Frau B ausdrücken. B kann ihrerseits nun diese Beziehungsdefinition akzeptieren, ablehnen oder eine andere Definition geben, aber sie kann unter keinen Umständen nicht einmal durch Schweigen nicht auf A s Kommunikation antworten. (1. Axiom Zusatz von K.-H. S.) Für unsere Überlegungen wichtig ist die Tatsache, dass dieser Aspekt der Interaktion (bzw. der Kommunikation) zwischen den beiden nichts mit der Echtheit von Perlen zu tun hat (oder überhaupt mit Perlen), sondern mit den gegenseitigen Definitionen ihrer Beziehung, mögen sie sich auch weiter über Perlen unterhalten. S.22/23 - Watzlawick et all vernachlässigen sprachlichen Ausdruck einer Beziehungsebene - Inhaltsprobleme vertuschen Beziehungsprobleme - andererseits werden oft Mimik/Gestik benutzt um Beziehungen zu definieren - typisch sprachliche Formen liegen nicht vor (Austin/Searle thematisieren dies) Problem des Verhältnisses zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt - komplexes Problem: Inhalt und Beziehung- Sachlichkeit und Gebrauch! - beides bedingt sich, weil: Inhaltsaspekt vermittelt Information (Mitteilungscharakter, also Kommunikation!) Beziehungsaspekt als soziales Feld bedingt die Bedeutung der Information, d.h. wiest an, wie die Information zu verstehen ist The Content and Relationship Levels of Communication (Beziehung- und Inhaltsaspekt der Kommunikation - 2 parallel laufende Ebenen, nicht hierarchisch bestimmt, so dass eine der anderen unterliegt, sondern parallel Daraus folgt das 2. Axiom: Vorläufig wollen wir das oben Gesagte zu einem weiteren Axiom unseres hypothetischen Kalküls zusammenfassen: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist. S.24
7 7 Bettina Kietzmann Englisch (Unterschied ist bedeutsam!): in diesem Punkt sind sich beide Sprachen einig: For the time being let us merely summarize the forgoing into another axiom of our tentative calculus: Every communication has a content and a relationship aspect such that the latter classifies the former and is therefore a metacommunication. Interessante Erklärung: Tentative = hypothetisch; eigentlich versuchsweise Axiome= versuchsweise/probeweise Kalküle als Hypothesen müssen sie sich in der Praxis erst dauerhaft bewähren - Watzlawick unterstellt keine absolute Gültigkeit der Axiome, stattdessen betont er die probeweise Gültigkeit Cassifies= bestimmt, eigentlich klassifiziert Verhältnis zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt; Beziehungsebene über Inhaltsebene; Beziehungsebene klassifiziert inhaltlichen Informationen (welche über Kommunikation vermittelt werden) Inhalt- eingeordnet in Klassen und Kontexte, d.h. werden bestimmt. Inhaltsebene als Informationsweitergabe= Kommunikationsprozess Beziehungsebene= legt fest, wie Informationen sozial wirken= Metaebene der Kommunikation Metakommunikation= Kommunikation über Kommunikation, Reflexion des inhaltlichen Kommunikationsprozesses Definition einer Beziehung= Ergebnis metakommunikativer Reflexionsprozesse
8 8 Bettina Kietzmann Kritik und Widerlegung der Kritik: Bettina Girgensohn-Marchand stellt 2 Thesen auf: 1. Beziehungsaspekt bestimmt nicht den Inhalt - Watzlawick gewichte einzelne Mitteilung und deren Bedeutung zu hoch - er suggeriere, dass Sprecher einzelne neutrale Nachricht aussenden kann, ohne Kontext Widerlegung ihrer These: - Watzlawick sagt inhaltliche Informationen nur sinnvoll SAMT räumlichen und sozialen Kontext - Pragmatiker, wie Peirce, Dewey, Morris helfen beim Verständnis Watzlawicks - inhaltliche Daten treten stets in sozialen Kontexten auf Watzlawick: Sie zeigen, dass bestimmte Phänomene unerklärlich bleiben, solange sie nicht in (einem) genügend weitem Kontext gesehen werden. 2. Watzlawick vernachlässige die sprachliche Gesamtsituation - richtig ist: Watzlawick untersucht nicht die verbale Darstellung von Beziehungen wohl aber Sprechakttheorie (Austin/Searle!) und Universalpragmatik Habermas - für Watzlawick zentral = nonverbale Anteile der Sprache/Kommunikation - behavioristische Interpretation der Pragmatik der Kommunikation zeigt, dass das praktische Verhalten von Kommunizierenden von Zeichen bestimmt ist - Sachaussagen (Inhalt) müssen in real gesellschaftliche und soziale Situationen eingebettet werden dies setzt reflexives Denken voraus, d.h. Metakommunikation Watzlawick: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist. S.26
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